Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 15.10.2009, Az.: L 3 KA 73/09 B ER

Anspruch auf vorläufige Genehmigung zur Verlegung eines Vertragsarztsitzes; Notwendigkeit einer Berücksichtigung der konkreten Versorgungslage in dem betreffenden Versorgungsbereich ("Gründe der vertragsärztlichen Versorgung") bei einer Sitzverlegung

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
15.10.2009
Aktenzeichen
L 3 KA 73/09 B ER
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2009, 30792
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2009:1015.L3KA73.09B.ER.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Hannover - 28.08.2009 - AZ: S 16 KA 293/09 ER

Fundstelle

  • ZMGR 2010, 44-46

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Hannover vom 28. August 2009 geändert. Der Antragsgegner wird bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache verpflichtet, dem Antragsteller die Verlegung seines Vertragsarztsitzes von C. nach D., E., zu genehmigen.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die ihre Kosten selbst tragen.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I

Streitig ist der Anspruch des Antragstellers, eine vorläufige Genehmigung zur Verlegung seines Vertragsarztsitzes zu erhalten.

2

Der 1960 geborene Antragsteller ist Facharzt für radiologische Diagnostik und seit 1996 im Planungsbereich Landkreis F. zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Mit Schreiben von Ende März 2009 beantragte er in dem für Radiologen gesperrten Bereich (Versorgungsgrad 154,8%) die Verlegung seines Vertragsarztsitzes mit Wirkung zum 1. Juli 2009 von F., G., in die DRK-Krankenanstalten, H., I. in J ...

3

Den Antrag lehnte der Zulassungsausschuss durch Beschluss vom 13. Mai 2009 mit der Begründung ab, dass der beabsichtigten Sitzverlegung Gründe der vertragsärztlichen Versorgung i.S. von § 24 Abs. 7 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) entgegenstünden. Im Planungsbereich Landkreis F. (ca 206.000 Einwohner) entfielen 90.000 Einwohner zuzüglich Urlauber auf den Einzugsbereich F. und nur rund 41.000 Einwohner auf den Einzugsbereich J. Die übrigen Einwohner des Planungsbereichs seien traditionell auf K. bzw. auf L. und damit auf die vertragsärztliche Versorgung in anderen Planungsbereichen ausgerichtet. Weiter sei einer wohnortbezogenen Fallzahlstatistik für das Quartal I/2009 (3.426 Fälle) des Antragstellers und seiner damaligen Gemeinschaftspraxispartnerin zu entnehmen, dass mit 87% der weit überwiegende Anteil der Patienten aus der Stadt F. oder den unmittelbar daran angrenzenden Gemeinden stamme. Insoweit beschränke sich die vom Antragsteller mit seinem Verlegungsantrag geltend gemachte Verbesserung der Patientenversorgung im Umkreis von J. auf einen kleinen Teil seines bisherigen Patientenstamms. Für den weitaus größeren Teil ergebe sich hingegen wegen der schlechteren Erreichbarkeit des Antragstellers nach der beabsichtigten Verlegung seines Vertragsarztsitzes eine Verschlechterung. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Antragsgegner zurück (Beschluss vom 24. Juni 2009).

4

Gegen diesen Beschluss hat der Antragsteller Klage vor dem Sozialgericht Hannover (SG) erhoben und zusätzlich mit Schriftsatz vom 29. Juli 2009 beantragt, ihm vorläufig die Verlegung seines Vertragsarztsitzes nach D. zu genehmigen. Hierdurch könne die vertragsärztliche Versorgung mit radiologischen Leistungen im Planungsbereich Landkreis F. verbessert werden. Die Mehrzahl der Einwohner im Planungsbereich wohne südlich der Stadt F., sodass eine radiologische Praxis des Antragstellers in J. für sie schneller und bequemer zu erreichen wäre. Ein Engpass bei der radiologischen Versorgung seiner Patienten in F. bzw. der unmittelbaren Umgebung könne durch die beabsichtigte Sitzverlegung nicht entstehen; der überwiegende Teil der Patienten werde ihm an seinen neuen Vertragsarztsitz folgen.

5

Weiter könne er spätestens im Quartal III/2009 seinen vertragsärztlichen Versorgungsauftrag in F. nicht mehr erfüllen. Die Klinik M. in N., von der er bislang seine Untersuchungsgeräte angemietet habe und für die er u.a. einen Kooperationsvertrag mit dem Krankenhaus F. erfülle, habe von ihm die Übertragung seiner vertragsärztlichen Zulassung auf ein von ihr gegründetes Medizinisches Versorgungszentrum für Radiologie verlangt. Hierzu sei er nicht bereit und es bestehe die Gefahr, dass er demnächst nicht mehr über die notwendigen Sach- und Personalmittel verfüge, um seine vertragsärztliche Tätigkeit auszuüben.

6

Das SG hat mit Beschluss vom 28. August 2009 den Antragsgegner verpflichtet, die beantragte Verlegung des Vertragsarztsitzes zu genehmigen. Zur Begründung ist ausgeführt, dass die Zulassungsgremien bei ihrer Entscheidung nur die Interessen eines Teils der im Planungsbereich Landkreis F. lebenden Bewohner berücksichtigt hätten. Zwar verschlechtere sich die radiologische Versorgung in und um die Stadt F.; dem stehe jedoch gegenüber, dass für den übrigen Teil der Bevölkerung im Planungsbereich eine entsprechende Verbesserung erreicht werde. Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung der nach Art 12 Grundgesetz (GG) gewährten Berufsausübungsfreiheit habe der Antragsteller einen Anspruch auf Genehmigung der von ihm beantragten Sitzverlegung. Dem stehe auch nicht entgegen, dass hierdurch eine Sachlage geschaffen werde, die nur unter erschwerten Bedingungen wieder rückgängig gemacht werden könne.

7

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Antragsgegner mit seiner Beschwerde vom 3. September 2009. Er macht im Wesentlichen geltend, bei der Genehmigung einer beantragten Verlegung des Vertragsarztsitzes komme es entgegen der Auffassung des SG insbesondere auf die konkrete Versorgungssituation vor Ort an (lokaler Versorgungsbedarf). Die vom Antragsteller beabsichtigte Verlegung führe nach den Ermittlungen der Zulassungsgremien aber zu einer wesentlichen Verschlechterung der vertragsärztlichen Versorgung im nördlichen Landkreis F ... Stelle man bei einer Sitzverlegung demgegenüber auf abstrakte Kriterien ab, führe dies zu unhaltbaren Ergebnissen und stehe den Zielen der Bedarfsplanung entgegen. Außerdem verbiete sich eine isolierte Betrachtung des Planungsbereiches schon wegen des Grundsatzes der freien Arztwahl.

8

Der Antragsgegner beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Hannover vom 28. August 2009 aufzuheben und den Antrag des Antragstellers auf eine vorläufige Verlegung seines Vertragsarztsitzes abzulehnen.

9

Der Antragsteller beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

10

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Zu Recht habe das SG dabei auf die Versorgungssituation im gesamten Planungsbereich abgestellt, weil ein Radiologe anders als ein Hausarzt nicht wohnortbezogen tätig sei. Im Übrigen sei gegenwärtig der überwiegende Anteil der Einwohner im Planungsbereich Landkreis F. aufgrund der lokal begrenzten Betrachtungsweise des Berufungsausschusses radiologisch unterversorgt.

11

Daneben sei zu berücksichtigen, dass für die von ihm bisher genutzten Praxisräume Mitte Oktober 2009 die Schließung drohe. Auf dem Gelände solle ein Neubau errichtet werden, in dem dann zukünftig die Klinik M. bzw. ein von ihr noch zu gründendes Medizinisches Versorgungszentrum die ambulante radiologische Versorgung durchführe.

12

Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.

13

II

Die Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig und zum Teil begründet.

14

Das SG hat dem Antrag des Antragstellers auf Erteilung einer vorläufigen Genehmigung zur Verlegung seines Vertragsarztsitzes dem Grunde nach zutreffend stattgegeben. Der zeitliche Umfang der dem Antragsgegner dabei auferlegten Genehmigungsverpflichtung war jedoch zu korrigieren.

15

Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Hierfür muss der Antragsteller nach § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) glaubhaft machen, dass ihm aus einem Rechtsverhältnis ein Recht gegenüber dem Antragsgegner zusteht (Anordnungsanspruch) und eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Anordnungsgrund). Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

16

1.

Rechtsgrundlage für den geltend gemachten (Anordnungs-)Anspruch auf Erteilung einer vorläufigen Genehmigung zur Verlegung eines Vertragsarztsitzes ist § 24 Abs. 7 Ärzte-ZV (hier anzuwenden i.d.F. von Art 5 des Gesetzes zur Änderung des Vertragsarztrechts und anderer Gesetze (Vertragsarztrechtsänderungsgesetz) vom 22. Dezember 2006, BGBl. I 3439). Nach dieser Regelung haben die Zulassungsgremien den Antrag eines Vertragsarztes auf Sitzverlegung zu genehmigen, wenn dem keine Gründe der vertragsärztlichen Versorgung entgegenstehen. Damit ergibt sich bereits aus dem Verordnungswortlaut, dass eine Verlegung von Vertragsarztsitzen nicht unbeschränkt zulässig ist. Vielmehr muss die Sitzverlegung auch unter Berücksichtigung der konkreten Versorgungslage in dem betreffenden Versorgungsbereich ("Gründe der vertragsärztlichen Versorgung") zulässig sein.

17

Dabei geht - wie schon das SG - auch der erkennende Senat davon aus, dass bei der Klärung, ob einer Sitzverlegung entgegenstehende Gründe der vertragsärztlichen Versorgung vorliegen, den Zulassungsgremien ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zusteht. Die ortsnahen und fachkundigen Zulassungsinstanzen können nämlich nur ungefähr entscheiden, ob und inwieweit durch die Verteilung der bereits niedergelassenen Vertragsärzte in einem Planungsbereich eine ausreichende medizinische Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung der Bevölkerungs- und Morbiditätsstruktur und der Verkehrsverbindungen gewährleistet ist. Dies rechtfertigt es, den Zulassungsgremien einen Beurteilungsspielraum zuzugestehen und deren Entscheidung hinzunehmen, solange sie sich im Rahmen der Beurteilungsermächtigung hält. Die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich daher - wie in den vergleichbaren Fällen der Bedarfsfeststellung - darauf, ob der Verwaltungsentscheidung ein richtig und vollständig ermittelter Sachverhalt zugrunde liegt, ob die durch Auslegung des Be-griffs "Gründe der vertragsärztlichen Versorgung" zu ermittelnden Grenzen eingehalten und ob die Subsumtionserwägungen so hinreichend in der Begründung der Entscheidung verdeutlicht wurden, dass im Rahmen des Möglichen die zutreffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe erkennbar und nachvollziehbar ist (stRspr zum Beurteilungsspielraum der Zulassungsgremien, vgl. hierzu BSG SozR 3-2500 § 101 Nr. 1 Seite 4 ff (für Sonderbedarfszulassungen); BSG SozR 3-2500 § 116 Nr. 1; SozR 3-2500 § 116 Nr. 2; SozR 3-2500 § 116 Nr. 4 und BSG SozR 3-2500 § 97 Nr. 2 (für die Ermächtigung von Krankenhausärzten); SozR 3-2500 § 75 Nr. 7 (für Zweigpraxen)).

18

Vorliegend steht auch unter Beachtung der nur eingeschränkten gerichtlichen Überprüfbarkeit die versagende Entscheidung des Berufungsausschusses der vom Antragsteller beantragten vorläufigen Sitzverlegung nach J. nicht entgegen. Die Ermittlungen der Zulassungsgremien tragen nämlich voraussichtlich nicht deren Schlussfolgerung, dass hier "Gründe der vertragsärztlichen Versorgung" eine solche Verlegung nicht zulassen (dazu a. und b). Unter Berücksichtigung der Normstruktur von § 24 Abs. 7 Ärzte-ZV steht dem Antragsteller daher zumindest ein Anspruch auf vorläufige Sitzverlegung zu (dazu c.).

19

a.)

Der Argumentation des Berufungsausschusses, allein "die konkrete Versorgungssituation vor Ort" (lokaler Versorgungsbedarf) entscheide über die Berechtigung zur Verlegung eines Vertragsarztsitzes, vermag sich der Senat nicht anzuschließen (grundsätzlich ablehnend auch: Schallen,Zulassungsverordnung für Vertragsärzte, Vertragszahnärzte, Medizinische Versorgungszentren, Psychotherapeuten, 7. Aufl, § 24 RdNr. 55 f). So folgt schon aus Wortlaut und Systematik der Ärzte-ZV, dass es bei der Beantwortung der Frage, ob Gründe der vertragsärztlichen Versorgung der Verlegung eines Vertragsarztsitzes entgegenstehen, in erster Linie auf die tatsächliche Versorgungssituation in dem betreffenden Planungsbereich ankommt (vgl für Ermächtigungen BSG SozR 3-2500 § 97 Nr. 2 Seite 7 f; BSG SozR 4-2500 § 116 Nr. 3 RdNr. 17 und 18). Dies schließt zwar nicht aus, dass die Zulassungsgremien in ihre Überlegungen u.U. ein besonderes lokales Versorgungsbedürfnis oder die an den untersuchten Planungsbereich angrenzenden Gebiete mit einbeziehen (vgl zu Letzterem BSG SozR 3-2500 § 101 Nr. 1). Zunächst müssen sich die Zulassungsinstanzen bei ihrer Entscheidung aber ein möglichst genaues Bild der Versorgungslage und der Versorgungsstrukturen im gesamten betroffenen Planungsbereich machen. In einem zweiten Schritt sind dann planerische, die Sicherstellung der Patientenversorgung betreffende Umstände (vgl hierzu BSG SozR 3-5520 § 24 Nr. 4) unter Beachtung der beabsichtigen Sitzverlegung zu berücksichtigen.

20

Dabei ist es für die Ermittlung der Versorgungslage in einem Planungsbereich regelmäßig geboten, den von den Kassenärztlichen Vereinigungen im Einvernehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen anzufertigenden Bedarfsplan heranzuziehen. Dieser Plan hat nach § 12 Abs. 3 Ärzte-ZV Feststellungen zu enthalten, die die

  • ärztliche Versorgung auch unter Berücksichtigung der Arztgruppen,

  • die Bevölkerungsdichte und -struktur,

  • den Umfang und die Art der Nachfrage nach vertragsärztlichen Leistungen, ihre Deckung sowie ihre räumliche Zuordnung im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung und

  • die für die vertragsärztliche Versorgung bedeutsamen Verkehrsverbindungen

21

betreffen. Die dadurch gewonnenen Informationen müssen weiter - insbesondere hinsichtlich ihrer Aktualität - sorgfältig ausgewertet, durch zusätzliche Ermittlungen ergänzt und so objektiviert werden. Hierfür ist es unter Umständen erforderlich, die bereits im Planungsbereich niedergelassenen Vertragsärzte nach ihrem konkreten Einzugsgebiet sowie der Aufnahmekapazität ihrer Praxen zu befragen. In eine solche Befragung sind ggf. auch Vertragsärzte aus angrenzenden Planungsbereichen mit einzubeziehen.

22

b.)

Diesen (Ermittlungs-)Vorgaben ist der Antragsgegner nicht in vollem Umfang nachgekommen. Seiner Entscheidung liegt voraussichtlich kein vollständig ermittelter Sachverhalt zugrunde.

23

Ausweislich der Verwaltungsunterlagen hat der Berufungsausschuss zwar die Patientenwohnorte der im Quartal I/2009 im Planungsbereich Landkreis F. noch in Gemeinschaftspraxis tätigen Radiologen ermittelt; eine Würdigung und Auswertung der - allenfalls als Momentaufnahme verwertbaren - Ergebnisse anhand der Bedarfsplanung oder der patientenbezogenen Wohnortverteilung angrenzender radiologischer Praxen ist aber unterblieben. Eine Gesamtbetrachtung - ggf. sogar über den Planungsbereich hinaus - vermag vorliegend über die Patientenströme und einen sich daraus u.U. ergebenden lokalen Versorgungsbedarf aber aussagekräftigere Ergebnisse zu liefern als die bloße Betrachtung eines Abrechnungsquartals der damals einzigen radiologischen Praxis im Planungsbereich. Die insoweit unvollständigen Sachverhaltsermittlungen des Antragsgegners können auch nicht durch die eher substanzlose Angabe ersetzt werden, dass die Bewohner des Planungsbereichs teilweise traditionell auf außerhalb liegende Städte und Gemeinden ausgerichtet seien. Auch ist im Rahmen einer planerischen Entscheidung noch ungeklärt, ob - wie vom Antragsteller mehrfach vorgetragen - die bisher an ihn überweisenden Ärzte tatsächlich bereit sind, ihre Patienten zur radiologischen Versorgung ebenfalls nach J. zu schicken und so einem möglichen lokalen Sonderbedarf in C. entgegenzuwirken. Dabei wird vor allem in Rechnung zu stellen sein, dass mit der Autobahn O. eine direkte Schnellstraßenverbindung zwischen P. und D. besteht.

24

Vor diesem Hintergrund lässt sich aufgrund der bisherigen Ermittlungen der Zulassungsgremien nicht einschätzen, ob in dem Planungsbereich Landkreis F. tatsächlich (lokale) Gründe der vertragsärztlichen Versorgung einer Verlegung des Vertragsarztsitzes durch den Antragsteller entgegenstehen. Vielmehr läuft die ausschließlich auf lokale Versorgungsbedürfnisse abstellende Betrachtungsweise der Zulassungsinstanzen in dem mit zwei Radiologen bereits ausreichend versorgten Planungsbereich Landkreis F. darauf hinaus, die bestehenden (Versorgungs-)Strukturen unabhängig von der konkreten Versorgungslage im übrigen Planungsbereich zu festigen. Damit wird der Antragsgegner dem in§ 24 Abs. 7 Ärzte-ZV für die Vertragsärzte normierten Anspruch auf Erteilung einer Genehmigung für eine Verlegung ihrer jeweiligen Vertragsarztsitze nicht ausreichend gerecht.

25

c.)

Diese Anspruchsgrundlage ist nämlich als Erlaubnisnorm mit Verbotsvorbehalt strukturiert. Hieraus folgt, dass die Verlegung eines Vertragsarztsitzes grundsätzlich zulässig ist, soweit nicht ausnahmsweise Gründe der vertragsärztlichen Versorgung entgegenstehen. Sinn und Zweck der Regelung ist nicht die Erhaltung bestehender Versorgungsstrukturen, sondern die Gewährung der Niederlassungsfreiheit für Vertragsärzte unter Berücksichtigung der Bedürfnisse der Bedarfsplanung und der Sicherstellung der medizinischen Versorgung. Insoweit hat der Senat bei seiner Entscheidung daran angeknüpft, dass vorläufig keine Gründe der vertragsärztlichen Versorgung ersichtlich sind, die einer Verlegung des Vertragsarztsitzes durch den Antragsteller im Planungsbereich Landkreis F. entgegenstehen könnten. Dies gilt insbesondere im Hinblick darauf, dass sich durch die beabsichtigte Sitzverlegung allem Anschein nach für einen Großteil der im Planungsbereich Landkreis F. lebenden Bevölkerung die Erreichbarkeit für eine radiologische Versorgung verbessert.

26

Dem Antragsteller steht nach alledem gegenüber dem Antragsgegner ein (Anordnungs-)Anspruch auf Erteilung einer vorläufigen Genehmigung für eine Sitzverlegung zu.

27

Allerdings war auf die Beschwerde des Antragsgegners der Beschluss des SG hinsichtlich seines zeitlichen Umfangs zu ändern. Die Ermittlung des Sachverhalts und dessen Bewertung im Rahmen der Verlegung von Vertragsarztsitzen bleibt den Zulassungsgremien vorbehalten, denen wegen ihrer besonderen Fachkunde und Ortsnähe ein umfangreicher Beurteilungsspielraum zukommt. Es obliegt damit den Zulassungsinstanzen (und nicht den Sozialgerichten), ggf. fehlende Sachverhaltsermittlungen im Hauptsacheverfahren nachzuholen und diese bei der neuerlichen Beurteilung, ob hier Gründe der vertragsärztlichen Versorgung der beantragten Sitzverlegung entgegenstehen, zu berücksichtigen. Der Anordnungsanspruch des Antragstellers umfasst in zeitlicher Hinsicht daher nur die Verpflichtung zur vorläufigen Genehmigung einer Sitzverlegung, bis der Antragsgegner in der Hauptsache bestandskräftig oder bestätigt durch eine rechtskräftige Entscheidung im sozialgerichtlichen Verfahren den streitbefangenen Verlegungsantrag beschieden hat.

28

2.

Der Erlass einer Regelungsanordnung ist schließlich auch zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig (Anordnungsgrund).

29

So kann eine ohne Genehmigung erfolgte tatsächliche Aufgabe des Vertragsarztsitzes mit gleichzeitiger Niederlassung an einem Ort als Wegzug aus dem "Bezirk seines Kassenarztsitzes" i.S. von § 95 Abs. 7 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) angesehen werden (Schallen, a.a.O., RdNr. 52, m.w.N.). Da der Antragsteller mittlerweile ohne eine sachliche oder personelle Praxisausstattung ist, benötigt er dringend Klarheit darüber, an welchem Ort er bis zu einer abschließenden Entscheidung in der Hauptsache seiner vertragsärztlichen Tätigkeit nachkommen kann, ohne der Gefahr ausgesetzt zu sein, seine Zulassung aufgrund der angesprochenen gesetzlichen Bestimmung zu verlieren.

30

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 und §§ 162 Abs. 3, 154 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Dabei sieht der Senat gemäß § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO davon ab, dem Antragsteller anteilige Kosten aufzuerlegen.

31

Die Streitwertbemessung folgt aus § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 4 und § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz. Da die hier begehrte vorläufige Verlegung eines Vertragsarztsitzes keine Anhaltspunkte für eine Bewertung der sich hieraus ergebenden wirtschaftlichen Vorteile bietet, ist der Regelstreitwert von 5.000,00 Euro festzusetzen.

32

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).