Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 19.04.2013, Az.: 11 B 4651/13
Abschiebung; Besorgnis der Befangenheit; Richterablehung; Schutzschrift; Sofortabschiebung; unangekündigte Abschiebung
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 19.04.2013
- Aktenzeichen
- 11 B 4651/13
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2013, 64458
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 54 Abs 1 VwGO
- § 42 ZPO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Aus der geübten Praxis einer für ausländerrechtliche Verfahren zuständigen Kammer, die Ausländerbehörden in ihrem Bezirk zu bitten, dem Gericht unangekündigte Abschiebungstermine vorab bekannt zu geben, Verwaltungsvorgänge vorab zu übersenden und ggf. auch eine Schutzschrift im Hinblick auf einen evtl. zu erwartenden Eilantrag zu hinterlegen, ergibt sich keine Besorgnis der Befangenheit.
Solange ein Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz noch nicht eingegangen ist, ist es dem Gericht grundsätzlich verwehrt, im Hinblick auf den Inhalt der vorab eingereichten Unterlagen einseitig mit einem der möglicherweise späteren Verfahrensbeteiligten in Kontakt zu treten oder sogar Hinweise zur Rechtmäßigkeit der beabsichtigten Maßnahme zu geben.
Die Möglichkeit, bei Gericht Schutzschriften als vorbeugendes Verteidigungsmittel gegen einstweilige Anordnungen zu hinterlegen, setzt voraus, dass seitens der mit der Sache befassten Richter ausreichende Vorkehrungen getroffen worden sind, um im Falle des Eingangs eines Eilantrags deren umgehende Übersendung an den Antragsteller zu gewährleisten.
Tenor:
Dem Antrag der Antragsteller, den Richter am Verwaltungsgericht A., den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht B. und den Richter am Verwaltungsgericht C. wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, wird entsprochen.
Gründe
Der Antrag der Antragsteller, den Richter am Verwaltungsgericht A., den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht B. und den Richter am Verwaltungsgericht C. wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Die von den abgelehnten Richtern geübte beanstandete Verfahrenspraxis ist zwar grundsätzlich nicht geeignet, aus Sicht der Antragsteller an deren Unparteilichkeit zu zweifeln. Wegen hinzutretender Besonderheiten sind hier aber solche Zweifel begründet.
Nach § 54 Abs. 1 VwGO, § 42 Abs. 1, 2 ZPO findet eine Ablehnung des Richters wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen.
Gegenstand der Entscheidung über die Besorgnis der Befangenheit ist die innere Einstellung des Richters zu den Verfahrensbeteiligten, die, auch wenn dafür gewisse typisierende Kriterien entwickelt werden können, letztlich nur einzelfallorientiert ermittelt werden kann. Da eine solche Einstellung mit Gewissheit kaum feststellbar ist, verlangt das Gesetz nicht den objektiven Nachweis der Parteilichkeit, sondern stellt für den bezweckten Schutz vor dem voreingenommenen Richter ebenfalls auf eine stark subjektiv geprägte Komponente, nämlich auf die Besorgnis der Befangenheit aus Sicht der Verfahrensbeteiligten ab (vgl. Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Kommentar zur VwGO, Stand 24. EL 2012, § 54 Rn. 26). Die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit setzt daher nicht voraus, dass der Richter tatsächlich befangen, voreingenommen oder parteiisch ist. Es genügt, wenn vom Standpunkt der Beteiligten aus gesehen hinreichende objektive Gründe vorliegen, die bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass geben, an seiner Unparteilichkeit zu zweifeln (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Dezember 1975 - VII C 129.74 -, BVerwGE 50, 36, 39). Um andererseits die Entscheidung über die Besorgnis der Befangenheit nicht gänzlich von subjektiven Kriterien abhängig zu machen, wird allgemein angenommen, dass das subjektive Empfinden eines Verfahrensbeteiligten allein nicht ausreichen kann, sondern objektivierbar sein, also auf dem Hintergrund objektiv feststellbarer Tatsachen bestehen muss (vgl. Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, a.a.O., § 54 Rn. 28).
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist das Gericht zu der Einschätzung gelangt, dass dem Ablehnungsgesuch der Antragsteller im Ergebnis stattzugeben ist.
1. Zweifel an der Unparteilichkeit des Richters am Verwaltungsgericht A. ergeben sich zunächst nicht aus dem im Schriftsatz der Antragsteller vom 2. April 2013 angesprochenen Vorwurf, Richter am Verwaltungsgericht A. habe möglicherweise die Entscheidung, die ursprünglich geplante Abschiebung nicht vorab anzukündigen, mit dem Antragsgegner abgesprochen. Richter am Verwaltungsgericht A. hat in seiner dienstlichen Stellungnahme vom 2. April 2013 glaubhaft versichert, dass er sich in einem mit Herrn D., dem zuständigen Sachbearbeiter des Rechts- und Ordnungsamtes des Antragsgegners, geführten Gespräch zu der Frage der Rechtmäßigkeit der konkreten seinerzeit geplanten Abschiebung nicht geäußert, sondern lediglich allgemein die Rechtsprechung der Kammer wiedergegeben habe, nach der unangekündigte Abschiebungen nicht generell unzulässig seien. Diese Aussage hat Herr D. mit Schriftsatz vom 3. April 2013 bestätigt und eine missverständliche Wortwahl in einem an das Niedersächsische Innenministerium gerichteten Schreiben vom 11. Februar 2013, das offensichtlich Ausgangspunkt für den Befangenheitsantrag war, eingeräumt.
Dass die vom Antragsgegner unter dem 27. März 2013 ergänzend eingereichten Verwaltungsvorgänge (Bl. 98, 103 der Gerichtsakte) möglicherweise nicht vollständig sind, weil sich ihnen nichts zum Abbruch der für den 20. Februar 2013 vorgesehenen Abschiebung entnehmen lässt, lässt weder einen Rückschluss auf die inhaltliche Richtigkeit der Aussage des Herrn D. in seiner Stellungnahme vom 3. April 2013 zu noch ergibt sich hieraus Anlass, an der Unparteilichkeit der abgelehnten Richter zu zweifeln.
2. Eine Besorgnis der Befangenheit der abgelehnten Richter ergibt sich auch nicht aus der von ihnen geübten Praxis, Mitteilungen der Ausländerbehörde über bevorstehende unangekündigte Abschiebungen sowie vorab übersandte Verwaltungsvorgänge und eventuelle Schutzschriften entgegenzunehmen.
Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet nicht nur das formelle Recht und die theoretische Möglichkeit, die Gerichte anzurufen, sondern gibt dem Rechtsschutzsuchenden Anspruch auf eine tatsächlich wirksame gerichtliche Kontrolle. Der vorläufige Rechtsschutz im Eilverfahren hat so weit wie möglich der Schaffung vollendeter Tatsachen zuvorzukommen, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können, wenn sich eine Maßnahme bei endgültiger richterlicher Prüfung als rechtswidrig erweist. Daraus folgt für das Gericht die Verpflichtung, die für eine rechtzeitige Entscheidung erforderliche Zügigkeit der Kommunikation sicherzustellen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. August 2011 - 2 BvR 1739/10 -, juris).
Zwar besteht diese Verpflichtung für das Gericht grundsätzlich erst ab dem Zeitpunkt, zu dem seitens des Rechtsschutzsuchenden ein vorläufiges Rechtsschutzverfahren anhängig gemacht worden ist. Das schließt es jedoch nicht aus, dass eine Entgegennahme der genannten Informationen bzw. Unterlagen bereits zu einem Zeitpunkt erfolgt, zu dem ein Eilverfahren noch nicht anhängig gemacht worden ist. Denn eine ausreichende Befassung des Gerichtes mit einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren setzt zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes insbesondere eine Kenntnis der dazugehörigen und nach Möglichkeit vollständigen Verwaltungsvorgänge voraus. Wenn, wie im Falle unangekündigter Abschiebungen, zwischen dem Eingang des Antrags im Eilverfahren und dem Termin zur Abschiebung nur wenige Stunden liegen (können) und die Verwaltungsvorgänge erst nach Eingang des Antrags von der Ausländerbehörde angefordert und von dort - wenn überhaupt - nur durch Boten überbracht werden können, wird die Zeit, die der Kammer zur Prüfung im Rechtsschutzverfahren zur Verfügung steht, teilweise empfindlich verkürzt, zumal die Verwaltungsvorgänge in ausländerrechtlichen Verfahren nicht selten viele Jahre zurückreichen und damit hunderte von Seiten umfassen. Demgegenüber kann durch die Vorabübersendung der genannten Unterlagen der Kommunikationsweg verkürzt und eine wirksame gerichtliche Kontrolle ermöglicht werden. Wird neben den Verwaltungsvorgängen von der Ausländerbehörde auch eine Schutzschrift eingereicht, kann diese, wenn ein Eilantrag anhängig gemacht wird, zusammen mit der Eingangsverfügung des Vorsitzenden an den Antragsteller übersandt werden, so dass auch ihm ohne zeitliche Verzögerung eine Erwiderung hierzu ermöglicht wird.
Anhaltspunkte dafür, dass sich die abgelehnten Richter bei einer solchen Verfahrensweise in das Lager eines der Verfahrensbeteiligten begeben, sind nicht ersichtlich. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass in einem gegen die Abschiebung und auf weiteren Verbleib im Bundesgebiet gerichteten vorläufigen Rechtsschutzverfahren nach § 123 VwGO der Antragsteller das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs geltend und glaubhaft machen muss. Die aufgrund des bestehenden hohen Zeitdrucks im Falle unangekündigter Abschiebungen für den Antragsteller (bzw. dessen Prozessbevollmächtigten) typischerweise bestehenden Einschränkungen für die Begründung des Eilantrags - hierzu gehört in der Regel auch die fehlende Kenntnis vom vollständigen Inhalt der Verwaltungsvorgänge - können bei der von der Kammer geübten Praxis zumindest teilweise dadurch ausgeglichen werden, dass sich das Gericht nicht nur mit dem unter Umständen nur eingeschränkten Vorbringen des Antragstellers auseinandersetzt, sondern, wenn es bereits im Besitz der Verwaltungsvorgänge ist, auch eine darüber hinausgehende Sachprüfung durchführt, zu der beispielsweise auch die Frage gehört, ob eine erforderliche Abschiebungsandrohung tatsächlich ergangen ist.
Dass die abgelehnten Richter an die Ausländerbehörden ihres Zuständigkeitsbereichs mit der Bitte herangetreten sind, dem Gericht unangekündigte Abschiebungen vorab mitzuteilen, die Verwaltungsvorgänge vorab zu übersenden und gegebenenfalls auch eine Schutzschrift im Hinblick auf einen zu erwartenden Eilantrag des Ausländers zu hinterlegen, begründet ebenfalls keine Besorgnis der Befangenheit. Mit der - unabhängig von einem konkreten Fall - geäußerten Bitte wurde seitens der Richter - wie ausgeführt - lediglich die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes durch Vermeidung bzw. Verkürzung der Kommunikationswege bezweckt, ohne dass hierdurch einer der Verfahrensbeteiligten bevorzugt bzw. benachteiligt würde.
Dagegen bestand entgegen der Rechtsauffassung der Antragsteller für die abgelehnten Richter nicht die Verpflichtung, im Vorfeld an von unangekündigten Sofortabschiebungen bedrohte Ausländer bzw. deren Prozessbevollmächtigten heranzutreten und diese ebenfalls zur Abgabe von Schutzschriften oder anderen Dokumenten aufzufordern. Dem Gericht ist - bis zur Übersendung einer entsprechenden Mitteilung durch die Ausländerbehörde - regelmäßig nicht bekannt, welcher Ausländer von einer unangekündigten Abschiebung bedroht ist. Ebenso wenig hat es häufig Kenntnis, ob ein Bevollmächtigter und ggf. welcher den Ausländer in dieser Angelegenheit vertritt. Demgegenüber besteht seitens der Ausländer selbst bzw. ggf. ihrer jeweiligen Prozessbevollmächtigten Kenntnis darüber, dass mit Ablauf der Duldung mit einer Abschiebung zu rechnen ist, die, wenn die Betroffenen noch nicht länger als ein Jahr geduldet sind, gem. § 60a Abs. 5 Satz 4 AufenthG nicht angekündigt werden muss. Demgemäß steht es jedem Ausländer, der sich von einer unangekündigten Sofortabschiebung bedroht sieht (bzw. dessen jeweiligem Prozessbevollmächtigten) frei, seinerseits Vorkehrungen zu treffen, um im Falle der Durchführung einer Abschiebung eine kurzfristige Antragstellung zu ermöglichen. Während von den Ausländerbehörden zunächst die in der Regel umfangreichen Verwaltungsvorgänge beigebracht werden müssen, um - wie ausgeführt - eine umfassende und wirksame gerichtliche Kontrolle zu ermöglichen, ist durch die Hinterlegung einer Schutzschrift oder anderer Dokumente durch den Antragsteller in aller Regel keine Verkürzung der Kommunikationswege zu erwarten, da diese Unterlagen auch zusammen mit dem Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes übersandt werden können. Eines entsprechenden Hinweises durch die abgelehnten Richter bedurfte es deshalb nicht.
Die Kenntnis der abgelehnten Richter über eine von der Ausländerbehörde geplante Abschiebung, über den Eingang von Verwaltungsvorgängen oder einer Schutzschrift verpflichtet die Richter auch nicht dazu, die betroffenen Ausländer bzw. deren Prozessbevollmächtigten noch vor Eingang eines Eilantrags hierüber in Kenntnis zu setzen, da es sich bei der Schutzschrift (und den dazugehörigen Anlagen) lediglich um ein vorbeugendes, formloses Verteidigungsmittel handelt und ein förmliches Eilverfahren gerade noch nicht eingeleitet worden ist.
Die abgelehnten Richter waren entgegen der Rechtsauffassung der Antragsteller auch nicht dazu verpflichtet, gegenüber den Ausländerbehörden „offensiv zu kommunizieren, dass es kaum möglich ist, über Abschiebungen kinderreicher Familien mit oft über zehnjährigen Aufenthaltszeiten und entsprechend umfangreichen Akten innerhalb weniger Stunden zu entscheiden (…) und daher der durch unangekündigte Sofortabschiebungen künstlich erzeugte Zeitdruck von einer ordnungsgemäß arbeitenden Justiz nicht hingenommen werden könne“. Denn nach der - hier nicht zur Überprüfung stehenden - Rechtsauffassung der abgelehnten Richter sind unangekündigte Sofortabschiebungen nicht generell unzulässig und - bei der von Ausländerbehörden erbetenen Verfahrensweise - unter Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes wirksam überprüfbar.
Bei der Möglichkeit, Akten und Schriftsätze bei Gericht hinterlegen zu können, handelt es sich auch nicht, wie von den Antragstellern behauptet, um einen besonderen „Service“ des Gerichts. Das Rechtsinstitut der Schutzschrift ist vielmehr - wenn auch vor allem im Bereich des Wettbewerbsrechts - seit Jahrzehnten in der Rechtsprechung anerkannt (vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 20. August 2012 - 7 VR 7.12 -, juris) und in der Aktenordnung für die Geschäftsstellen der Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit (AktO-VG, AV d. MJ vom 14. Januar 2013 - 1454/11 - 102.1 -, Nds. Rpfl. 2013, S. 41) vorgesehen. Rechtsgrundlage für die geschäftsmäßige Behandlung der Schutzschrift ist § 19 AktO-VG. Danach sind Schutzschriften in das bei dem Gericht zu führende Allgemeine Register einzutragen und sodann an die zuständige Serviceeinheit abzugeben. Die von den Antragstellern wegen einer vermeintlich fehlenden Rechtsgrundlage geltend gemachten datenschutzrechtlichen Bedenken greifen damit nicht durch.
3. Die Antragsteller haben hier gleichwohl Anlass, an der Objektivität und Neutralität der abgelehnten Richter zu zweifeln. Die Gründe hierfür ergeben sich aus der Art der Verfahrensführung der abgelehnten Richter im konkreten Fall und den nachstehend benannten Besonderheiten.
Bei der Schutzschrift handelt es sich um ein vorbeugendes Verteidigungsmittel gegen einen erwarteten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Geht tatsächlich ein solcher Antrag ein, ist die Schutzschrift einschließlich der entsprechenden Anlagen, insbesondere der Verwaltungsvorgänge, beizuziehen, dem Antragsteller zur Kenntnis zu geben und vom Gericht zu berücksichtigen. Zwar ist es den mit der Rechtssache befassten Richtern unbenommen, sich schon im Vorfeld mit dem eingegangenen Vorgang zu befassen und - gerade bei umfangreichen Sachverhalten - eine Vorabprüfung der beabsichtigten behördlichen Maßnahme anhand der vorgelegten Unterlagen vorzunehmen. Solange ein Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz noch nicht eingegangen ist, ist es dem Gericht aber grundsätzlich verwehrt, im Hinblick auf den Inhalt der Schutzschrift oder der übersandten Unterlagen einseitig mit einem der möglicherweise späteren Verfahrensbeteiligten in Kontakt zu treten oder gar einseitig Hinweise auf die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der beabsichtigten Maßnahme zu geben.
Demgegenüber hat der Richter am Verwaltungsgericht A. laut seiner dienstlichen Äußerung vom 2. April 2013 (Bl. 85 der Gerichtsakte) nach Eingang der Unterlagen „mehrmals in dieser Sache mit dem Antragsgegner (Herrn D.) telefoniert“. Dabei sei es darum gegangen, „über den Sachstand der Abschiebungsvorbereitungen (Uhrzeiten, Ablauf, Zielflughafen) auf dem Laufenden zu bleiben und die Vollständigkeit der übersandten Unterlagen zu prüfen“. Beispielsweise sei gefragt worden, „wo in den umfangreichen Verwaltungsvorgängen die Abschiebungsandrohungen, die vollzogen werden sollen, zu finden seien.“
Diese Vorgehensweise im konkreten Fall ist vom Standpunkt der Antragsteller aus geeignet, an seiner Unparteilichkeit zu zweifeln. Zwar hat der Richter am Verwaltungsgericht A. laut seiner dienstlichen Äußerung glaubhaft versichert, er habe sich zu keinem Zeitpunkt zu der Frage geäußert, ob die konkrete Abschiebung rechtmäßig oder rechtswidrig sei, weil sich die gesamte Kammer noch näher mit dem Verwaltungsvorgang beschäftigen müsse und die Argumente gegen die Abschiebung noch nicht bekannt seien. Gleichwohl kann die im Vorfeld gegenüber dem Antragsgegner durchgeführte Abfrage einzelner Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit der geplanten Abschiebungen - hier: die Fundstelle der Abschiebungsandrohungen - aus Sicht der Antragsteller den Eindruck einer zusammen mit dem Antragsgegner durchgeführten Vorwegprüfung der geplanten Maßnahme erwecken. Für die weiteren vom Antragsgegner abgefragten Informationen zu den Abschiebungsvorbereitungen, insbesondere zu den Uhrzeiten, dem Ablauf der Abschiebung und dem Zielflughafen gilt dies entsprechend.
Auch die Art der Verfahrensführung durch den Richter am Verwaltungsgericht C. und den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht B. im konkreten Fall ist bei Würdigung aller Umstände geeignet, um aus Sicht der Antragsteller an ihrer Unparteilichkeit zu zweifeln.
Wie bereits ausgeführt dient das Rechtsinstitut der Schutzschrift dazu, die Effektivität des Rechtsschutzes zu erhöhen, wovon auch der Vorsitzende Richter am Verwaltungsgericht B. und der Richter am Verwaltungsgericht C. gemäß ihren dienstlichen Erklärungen vom 4. April 2013 (Bl. 112, 113 der Gerichtsakte) ausgehen. Allerdings setzen der Anspruch des Rechtssuchenden auf effektiven Rechtsschutz und das Gebot der Gewährleistung rechtlichen Gehörs voraus, dass ihm umgehend nach Antragstellung eine dem Gericht vorgelegte Schutzschrift zur Kenntnis gegeben wird, damit er die Möglichkeit hat, hierzu Stellung zu nehmen und dabei ggf. Richtigstellungen anzuregen, falls der Sachverhalt aus seiner Sicht fehlerhaft, verzerrt oder verkürzt dargestellt worden ist. Hierzu kam es - soweit nach den richterlichen Verfügungen in der Gerichtsakte nachvollziehbar - bis zur Stellung der Befangenheitsanträge nicht.
Aus der Gerichtsakte ergibt sich, dass die Schutzschrift vom 5. Februar 2013 gegen den erwarteten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Verhinderung des Vollzugs der ursprünglich für den 20. Februar 2013 vorgesehenen unangekündigten Abschiebung einschließlich der Verwaltungsvorgänge am 7. Februar 2013 bei Gericht eingegangen ist (Bl. 89 der Gerichtsakte). Nachdem es zu dieser Abschiebung nicht gekommen und dementsprechend ein Eilantrag nicht eingegangen war, wurden - soweit nach den richterlichen Verfügungen in der Gerichtsakte nachvollziehbar (vgl. Bl. 8 R und Bl. 89 der Gerichtsakte) weder die Schutzschrift noch die Verwaltungsvorgänge an den Antragsgegner zurückgesandt. Die Schutzschrift wurde aufgrund der richterlichen Verfügung des Vorsitzenden Richters am Verwaltungsgericht B. am 3. April 2013 (Bl. 89 der Gerichtsakte) zu den jeweiligen Gerichtsakten in den Verfahren 11 B 4651/13 und 11 B 4652/13 genommen. Bereits am 26. März 2013 beantragten die Antragsteller den Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen ihre nunmehr angekündigte und für den 10. April 2013 vorgesehene Abschiebung (Bl. 15 der Gerichtsakte). Mit Eingangsverfügung vom selben Tage forderte der Richter am Verwaltungsgericht C. in Vertretung den Antragsgegner zur schriftlichen Äußerung bis zum 2. April 2013 und zur umgehenden Übersendung der Verwaltungsvorgänge auf (Bl. 28 R der Gerichtsakte). Eine Übersendung der - bereits und noch - vorliegenden Schutzschrift gegen die ursprünglich geplante Abschiebung an die Antragsteller verfügte er - offensichtlich in Unkenntnis ihrer Existenz - nicht, obwohl dies aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes geboten gewesen wäre. Daran ändert es nichts, dass sich die Schutzschrift auf die ursprünglich für den 20. Februar 2013 geplante unangekündigte Abschiebung bezog und nicht auf die nunmehr für den 10. April 2013 angekündigte Abschiebung, da dieser geplanten, letztlich aber ebenfalls nicht durchgeführten Abschiebung jedenfalls nicht ersichtlich eine andere als die bisherige Sach- und Rechtslage zugrunde lag.
Zwar können derartige Versehen jedem Richter und jeder Richterin unterlaufen, so dass sie bei einer verständigen Partei grundsätzlich nicht die Besorgnis einer Voreingenommenheit begründen können. Allerdings liegt diesem Versehen eine offenbar bisher nicht ausreichend abgestimmte Verfahrensweise der abgelehnten Richter im generellen Umgang mit Schutzschriften zugrunde. Die Möglichkeit, bei Gericht Schutzschriften als vorbeugendes Verteidigungsmittel gegen einstweilige Anordnungen zu hinterlegen, setzt - wie ausgeführt - voraus, dass im Falle des Eingangs des erwarteten Eilantrags deren umgehende Übersendung an den Antragsteller grundsätzlich gewährleistet ist. Demgemäß muss die Existenz einer Schutzschrift allen Mitgliedern der Kammer bekannt und präsent sein, etwa dadurch, dass eingegangene Schutzschriften bei den Richtern der zuständigen Kammer umlaufen und/oder eine Liste mit eingegangenen Schutzschriften geführt wird, die dem jeweiligen mit der Eintragung eingegangener Klagen und Eilanträge befassten Richter jederzeit zugänglich ist.
Derartige Vorkehrungen wurden von den abgelehnten Richtern indes nicht in ausreichendem Maße getroffen. Eingegangene Schutzschriften wurden bisher zusammen mit den Verwaltungsvorgängen ohne Aktenzeichen in der Geschäftsstelle aufbewahrt und, wenn eine Abschiebung nicht durchgeführt wurde oder ein Eilantrag hiergegen nicht gestellt wurde, nach Auskunft der Mitarbeiterin der Serviceeinheit zur Generalakte der Kammer genommen. Die dem entgegen stehende Aussage des Richters am Verwaltungsgericht A. in seiner ergänzenden dienstlichen Äußerung vom 15. April 2013, nach der „die Unterlagen“ - also auch die Schutzschrift - wieder zurückgeschickt werden, erfolgte offenbar irrtümlich. Hierfür finden sich im konkreten Fall auch keine Anhaltspunkte, da die Schutzschrift - wie ausgeführt - am 3. April 2013 zur Gerichtsakte genommen worden ist und auch nur einen Eingangsstempel des Gerichts vom 7. Februar 2013 trägt. Eine Kenntnisnahme der Schutzschriften, etwa in Form eines Umlaufs, erfolgte nach Auskunft des abgelehnten Richters am Verwaltungsgerichts A. bisher jedenfalls nicht in allen Fällen. Bei der von den abgelehnten Richtern bisher gewählten Verfahrensweise wurde damit eine Kenntnisnahme einer eingegangenen Schutzschrift bzw. die Möglichkeit einer sofortigen Kenntniserlangung nach Eingang eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung durch alle der Kammer zugehörigen bzw. zur Entscheidung berufenen Richter nicht für jeden Fall gewährleistet. Das dem Richter am Verwaltungsgericht C. unterlaufene Versehen war damit bereits in einer von den Kammermitgliedern nicht hinreichend eingeübten Verfahrensweise im Umgang mit Schutzschriften angelegt. Bei der bisher praktizierten Verfahrensweise der abgelehnten Richter ist nicht sichergestellt, dass einem Antragsteller durch umgehende Bekanntgabe des Inhaltes einer dem Gericht vorliegenden Schutzschrift ausreichendes rechtliches Gehör gewährt und damit effektiver Rechtsschutz ermöglicht wird, weil ihm unter Umständen die Möglichkeit zur Stellungnahme zum Vortrag in der Schutzschrift genommen wird. Dieser Fehler, der alle Mitglieder der Kammer gleichermaßen trifft, ist umso gewichtiger, als die abgelehnten Richter selbst mit der Bitte der Vorabübersendung von Verwaltungsvorgängen und eventueller Schutzschriften an die Ausländerbehörden herangetreten sind. Aus Sicht der Antragsteller kann dadurch der Eindruck entstehen, dass durch die abgelehnten Richter eine Vorabprüfung auf der Grundlage des dem Gericht schon im Vorwege unterbreiteten Sachstandpunktes des Antragsgegners erfolgt, ohne dass hiergegen rechtzeitig Einwendungen der Antragsteller ermöglicht werden.
Schließlich erfolgte im konkreten Fall eine Übersendung der Schutzschrift an die Antragsteller auch in der Folgezeit nicht. Die Schutzschrift wurde - offenbar weil der Antragsgegner mittlerweile auch von dieser geplanten Abschiebung Abstand genommen hatte - aufgrund der richterlichen Verfügung des Vorsitzenden Richters am Verwaltungsgericht B. am 3. April 2013 (Bl. 89 der Gerichtsakte) zu den jeweiligen Gerichtsakten in den Verfahren 11 B 4651/13 und 11 B 4652/13 genommen, ohne dass eine Übersendung an die Antragsteller zur Kenntnisnahme verfügt wurde. Dabei war dem Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht B. die Existenz der Schutzschrift und das Vorliegen der bisherigen Verwaltungsvorgänge bekannt. Bereits in seiner Eingangsverfügung zu der von den Antragstellern am 15. März 2013 erhobenen Klage gegen eine in ihrer Duldung enthaltene Nebenbestimmung (11 A 2333/11) forderte er den Antragsgegner zur Stellungnahme und zur Übersendung der Verwaltungsvorgänge auf, „soweit sie dem Gericht noch nicht vorliegen“. Weiter verfügte er die Vorlage der eingegangenen Klage u.a. mit den vorliegenden Verwaltungsvorgängen an den Richter am Verwaltungsgericht A. als zuständigen Berichterstatter. Zwar mag eine Übersendung der Schutzschrift zum Zeitpunkt der Klageerhebung nicht geboten gewesen sein, weil sich der Streitgegenstand der erhobenen Klage von dem einer - bis dahin nicht beantragten - einstweiligen Anordnung gegen die ursprünglich geplante Abschiebung hinreichend unterschied. Indem die Schutzschrift den Antragstellern jedoch nicht nur versehentlich nicht bereits umgehend nach Antragstellung im Eilverfahren übersandt worden ist, sondern sie den Antragstellern - trotz Erledigung des Eilverfahrens - in Korrektur dieses Versehens auch im Weiteren nicht zur Kenntnis gegeben wurde, obwohl die Schutzschrift andererseits für das Verfahren für so entscheidend gehalten wurde, dass sie mit richterlicher Verfügung vom 3.April 2013 zum Inhalt der Gerichtsakten in den Verfahren 11 B 4651/13 und 11 B 4652/13 gemacht worden ist, kann aus Sicht der Antragsteller der Anschein einer nur einseitigen Verfahrensführung entstehen.