Verwaltungsgericht Osnabrück
Beschl. v. 17.02.2009, Az.: 2 B 4/09
Untersagung von Rodungsarbeiten im Geltungsbereich des Bebauungsplans ; Umsetzung und Vorbereitung der Vollziehung eines Bebauungsplanes
Bibliographie
- Gericht
- VG Osnabrück
- Datum
- 17.02.2009
- Aktenzeichen
- 2 B 4/09
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2009, 35873
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGOSNAB:2009:0217.2B4.09.0A
Rechtsgrundlage
Verfahrensgegenstand
Untersagung von Waldrodungsarbeiten
In der Verwaltungsrechtssache
...
hat das Verwaltungsgericht Osnabrück - 2. Kammer -
am 17. Februar 2009
beschlossen:
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 5.000 ? festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt die Untersagung von Rodungsarbeiten im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 20 der Antragsgegnerin.
Am 12.02.2009 beschloss deren Rat den Bebauungsplan Nr. 20 "Logistikzentrum an der Raffinerie - südliche Erweiterung" und machte ihn am 13.02.2009 im Amtsblatt des Landkreises Emsland bekannt. Der Bebauungsplan betrifft eine Fläche südöstlich der vorhandenen Erdölraffinerie Emsland entlang der Bahnlinie Hamm-Emden. Diese Fläche schließt sich an den Bereich des Bebauungsplans Nr. 17 "Logistikzentrum an der Raffinerie" unmittelbar nach Süden an. Zur Umsetzung des Bebauungsplanes muss eine bestehende Waldfläche von ca. 33 ha gerodet werden, womit unter anderem nicht ausgleichbare Eingriffe in das Schutzgut Tiere (insbesondere für die Fledermausart "Braunes Langohr") und Pflanzen verbunden sind. Daneben wurden - ausweislich der Begründung zum Bebauungsplan - für die umfangreichen Eingriffe in verschiedene andere Schutzgüter Ausgleichs- und Kompensationsmaßnahmen vorgesehen. Als Art der Nutzung weist der Bebauungsplan Gewerbe- und Industriegebiete aus. Innerhalb des überplanten Gebietes wurden sechs unterschiedliche Teilgebiete mit immissionswirksamen flächenbezogenen Schallleistungspegeln (IFSP) im Sinne von §1 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 BauNVO festgesetzt. Die IFSP in der zeichnerischen Darstellung in dem Bebauungsplan und in dessen textlicher Festsetzung 1.6 "Zulässige immissionswirksame flächenbezogenen Schallleistungspegel" beruhen auf einem schalltechnischen Bericht der E. Ingenieurgesellschaft vom 28.11.2008, den die Antragsgegnerin zur Ermittlung und Beurteilung der Geräuschsituation zum Bebauungsplan Nr. 20 eingeholt hatte. Das im Eigentum des Antragstellers befindliche Grundstück (F. G. in Lingen) - welches sich ca. 530 m südlich von dem Bebauungsgebiet entfernt befindet - wurde in diesem Bericht als Immissionspunkt 3 mitberücksichtigt.
Unter dem 12.02.2009 hat der Antragsteller um Eilrechtsschutz gegen die Rodung des Waldes nachgesucht. Bezüglich der Begründung des Antrages wird auf seine Antragsschrift vom 12.09.2009 und den Schriftsatz vom 16.02.2009 verwiesen.
Der Antragsteller beantragt,
der Antragsgegnerin vorläufig zu untersagen, Rodungsarbeiten im räumlichen Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 20 der Antragsgegnerin vorzunehmen oder vornehmen zu lassen und/oder fortzusetzen oder fortsetzen zu lassen, bis über den am 16.02.2009 gestellten Normenkontrollantrag in erster Instanz entschieden worden ist,
hilfsweise,
der Antragsgegnerin vorläufig zu untersagen, Rodungsarbeiten im räumlichen Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 20 der Antragsgegnerin vorzunehmen oder vornehmen zu lassen und/oder fortzusetzen oder fortsetzen zu lassen bis über den am 16.02.2009 gestellten Antrag auf Außervollzugsetzung des Bebauungsplans Nr. 20 entschieden worden ist.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung ihres Antrages wird auf ihre Antragserwiderung vom 16.02.2009 verwiesen.
Am 16.02.2009 hat der Antragsteller einen Normenkontrollantrag und einen Eilantrag nach §47 Abs. 6 VwGO beim Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht gestellt.
Wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Gemäß §123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch die Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte ("Sicherungsanordnung"). Voraussetzung ist, dass der Antragsteller einen Anordnungsgrund, die Eilbedürftigkeit, und einen Anordnungsanspruch, d.h. ein subjektives Recht auf das begehrte Verwaltungshandeln glaubhaft gemacht hat.
Dieser Antrag ist - entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin - statthaft. In der Hauptsache handelt es sich um eine allgemeine Leistungsklage, gerichtet auf das Unterlassen der Vornahme von Rodungsmaßnahmen, also einen Realakt. Ein Fall des §123 Abs. 5 VwGO (in der Hauptsache Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt) liegt damit nicht vor, womit §123 Abs. 1 bis 3 VwGO Anwendung finden. Der Antragsteller ist hierbei nicht darauf beschränkt, einstweiligen Rechtsschutz nur im Zusammenhang mit einem Normkontrollverfahren zu suchen. Die beiden Rechtsschutzformen des §123 VwGO und des §47 Abs. 6 VwGO stehen vielmehr gleichrangig nebeneinander (Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 5. Auflage, Rn. 58). Der Antragsteller hat diesbezüglich zutreffend auf die Entscheidung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (Beschluss vom 03.12.2008 - 1 MN 257/08 -, NordÖR 2009, 48; dort wiederum Verweis auf BayVGH, Beschluss vom 14.02.1984 - 1 S 83 A. 2169 -, BRS 42 Nr. 35) hingewiesen. Danach hat die Entscheidung bzw. der Tenor nach §47 Abs. 6 VwGO für sich keinen vollstreckungsfähigen Inhalt, der der Gemeinde ganz bestimmte Folgemaßnahmen, die sie trotz Außervollzugsetzung des Bebauungsplanes vornimmt, verbietet. Vielmehr können dennoch ergehende Vollzugsmaßnahmen nur auf der Grundlage der §§80, 123 VwGO unterbunden werden. Dem schließt sich die erkennende Kammer an.
Die Rodung des Waldes stellt eine Maßnahme dar, die der Umsetzung bzw. Vorbereitung der Vollziehung des Bebauungsplanes dient. Gegen die Vornahme solcher Vollzugsmaßnahmen im Hinblick auf die Durchführung von Bebauungsplanfestsetzungen kann der Antragsteller nach §123 VwGO um Eilrechtsschutz nachsuchen.
Der Antrag ist aber unzulässig. Er scheitert an der Antragsbefugnis. Auch für das Anordnungsverfahren ist das Vorliegen einer Antragsbefugnis analog §42 Abs. 2 VwGO zu fordern. Ausgeschlossen ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung, wenn in dem Rechtschutzgesuch auf die objektive Rechtswidrigkeit der beanstandeten Maßnahme abgestellt wird, es aber offensichtlich und eindeutig ausgeschlossen erscheint, dass eigene Rechte des Antragstellers verletzt oder in ihrer Verwirklichung gefährdet sein könnten (BVerwG, Urteil vom 11.05.1989 - 4 C 1/88 -, NVwZ 1991, 574; Finkelnburg/Dombert/Külpmann, a.a.O., Rn. 75 und 76).
Der Antragsteller hat hier das mögliche Vorliegen eines Anordnungsanspruchs nicht geltend gemacht. Nach dem Vorbringen des Antragstellers erscheint es nicht möglich, dass dieser durch die bevorstehende Rodung des Waldes in seinen eigenen Rechten verletzt ist, ihm eine solche Verletzung droht oder er diese nicht mehr geltend machen könnte. Der von den Rodungsarbeiten betroffene Wald steht weder im Eigentum des Antragstellers noch wohnt er so nahe an dem Plangebiet - Entfernung ca. 530 m -, dass die Rodung sein Grundstück negativ beeinflussen könnte.
Soweit der Antragsteller geltend macht, dass eine vorurteilsfreie Abwägung der widerstreitenden Interessen durch die Ratsmitglieder unter dem Eindruck der (begonnenen) Rodung nicht mehr stattfinden könne, ist dieser Einwand durch die Beschlussfassung des Rates über den Bebauungsplan, bevor mit Rodungsarbeiten begonnen wurde, obsolet geworden.
Ferner kann er nicht mit dem Argument gehört werden, die einstweilige Anordnung sei bis über den Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses hinaus geboten, da erst mit dessen Bekanntmachung eine Rechtsgrundlage geschaffen sei, welche eine gesonderte Waldumwandlungsgenehmigung entbehrlich mache. Zum einen wurde durch die Bekanntmachung des Bebauungsplanes am 13.02.2009 im Amtsblatt des Landkreises Emsland eine Rechtsgrundlage gem. §8 Abs. 2 Nr. 1 NWaldLG geschaffen, zum anderen ist für eine etwaige Rechtsverletzung des Antragstellers die Frage der Entbehrlichkeit oder des Vorliegens einer Waldumwandlungsgenehmigung unerheblich, da sich aus dem Waldschutzrecht keine subjektiv öffentlichen Rechte einzelner Personen auf Erhaltung eines Waldes ableiten lassen.
Das gleiche gilt hinsichtlich seines Einwandes, dass die Zerstörung der betroffenen Flächen im Hinblick auf das Braune Langohr (Fledermausart) nicht erfolgen dürfe, bevor nicht über die Rechtmäßigkeit des Bebauungsplanes abschließend entschieden sei. Denn auch die Zerstörung der Fortpflanzungs- oder Ruhestätten einer Fledermausart in einem bestimmten Gebiet berühren den Antragsteller nicht in seinen eigenen Rechten.
Ebenso wenig erfüllt der Einwand der nicht hinreichenden Absicherung von Ausgleichs- und Kompensationsmaßnahmen nach dem Naturschutzrecht auf Grund der vorgenommenen Eingriffe des Bebauungsplanes in verschiedene Schutzgüter die Darlegung einer möglichen Rechtsverletzung. Ob die Eingriffe ordnungsgemäß ausgeglichen bzw. kompensiert werden, ist vielmehr eine objektiv-rechtliche Frage.
Dies gilt ferner für das vom Antragsteller behauptete Vorliegen eines Abwägungsdefizits wegen fehlender Rechtfertigung für die Zerstörung des Waldes und der textbausteinartige Wiederholung in der Begründung des Bebauungsplans in Bezug auf die Schaffung von Arbeitsplätzen. Betroffen wäre dadurch die Rechtmäßigkeit des Bebauungsplanes in objektiv-rechtlicher Hinsicht, nicht aber der Antragsteller in seinen Rechten.
Weiter macht der Antragsteller geltend, dass die Prognosegrundlage für den schalltechnischen Bericht vom 28.11.2008 durchgreifenden Bedenken unterliege, da dieser u.a. auf der Annahme von einer Zugbewegung pro Tag beruhe, was nicht nachvollziehbar sei, wenn ein leistungsfähiges Logistikzentrum entstehen solle. Zudem fehlten für die generelle Anordnung der Lärmkontigentierung Angaben über die Berechnungsweise sowie der Hinweis auf die nunmehr in diesem Rahmen anzuwendende DIN 45691. Diese Einwände beziehen sich allein auf die Geltendmachung der Verletzung von eigenen Rechten durch künftige Lärmimmissionen sich noch ansiedelnder Gewerbe- und Industriebetriebe. Eine Betroffenheit dieser Belange durch die hier allein interessierende Rodung des Waldes als Vorbereitungsmaßnahme zur Ausnutzung der im Bebauungsplan vorgesehenen Festsetzungen wird hierdurch jedoch nicht dargelegt. Zudem bleibt es dem Antragsteller trotz der Rodung unbenommen, die von ihm erwartete unzumutbare Lärmbeeinträchtigung in einem Normenkontrollverfahren oder im Genehmigungsverfahren des jeweiligen Vorhabenträgers, der sich in dem Baugebiet ansiedeln möchte, geltend zu machen. Die Rodungsarbeiten vereiteln diese Möglichkeit nicht (vgl. Nieders. OVG, Beschluss vom 03.12.2008, a.a.O.). Von der erstgenannten Möglichkeit hat der Antragsteller auch bereits Gebrauch gemacht.
Schließlich kann sich der Antragsteller für derartige Vorbereitungsmaßnahmen auch nicht auf das von ihm zitierte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.04.2005 (4 VR 1005/04) berufen und hieraus etwas gewinnen.
Die Infragestellung der Gemeinwohlverträglichkeit des Planvorhabens neben dem Vorbringen persönlicher Belange gegen die Planung wurde auch in diesem Urteil auf Antragsteller beschränkt, die von enteignungsrechtlichen Vorwirkungen betroffen sind. Eine enteignungsrechtliche Vorwirkung für den Antragsteller durch die Rodung des Waldes ist hier nicht erkennbar. Weiter wurde bei bloßen Lärmbelästigungen oder sonstiger mittelbarer Betroffenheit eine "(teilweise) Planaufhebung" in Betracht gezogen unter der Voraussetzung, dass das zum Schutz der Nachbarschaft entwickelte Konzept des Planungsträgers Defizite aufweist, die so schwer wiegen, dass die Ausgewogenheit der Planung insgesamt in Frage gestellt erscheint.
Derartige schwerwiegende Defizite sind nach summarischer Prüfung des dem Bebauungsplan zugrunde liegenden Lärmschutzkonzeptes der Antragsgegnerin nicht ersichtlicht. Dem Antragsteller ist nach summarischer Prüfung zwar zuzugeben, dass ein Hinweis auf die DIN 45691 bzw. darauf, nach welcher Methode die Berechnung der tatsächlichen Ausbreitung der betrieblichen Schallleistung im Genehmigungsverfahren erfolgt, in dem Bebauungsplan mit seinen textlichen Festsetzungen und seiner Begründung nicht ersichtlich ist. Dies ist, um den mit der Festsetzung von IFSP bezweckten Schutz der Anwohner vor Lärmimmissionen erreichen zu können, Voraussetzung und kann zur Unbestimmtheit eines Bebauungsplanes führen (vgl. BayVGH, Urteile vom 21.1.1998 - 26 N 95.1631 -, BayVBl 1998, 436 und vom 25.10.2000 - 26 N 99.490 -, BRS 63 Nr. 82; BayVGH, Urteil vom 26.01.2007 - 1 BV 02.2147 - NVwZ-RR 2007, 736; VG Köln, Urteil vom 20.05.2008 - 2 K 4476/06 -, [...]; Tegeder/Heppekausen, BauR 1999, 1095; allgemein zu den Bestimmtheitsanforderungen BVerwG, Urteil vom 21.3.1996 - 4 C 9.95 -, BVerwGE 101, 1). Es spricht aber nichts dafür, dass durch diesen etwaigen Mangel die Ausgewogenheit der Planung insgesamt in Frage gestellt wird. Dies gilt umso mehr, als die Antragsgegnerin eine mögliche Lärmbeeinträchtigung des Antragstellers erkannt hat und sein Grundstück als Immissionspunkt 3 in dem schalltechnischen Bericht der E. Ingenieurgesellschaft vom 28.11.2008 mitberücksichtigt wurde.
Die Kostenentscheidung beruht auf §154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung erfolgt gemäß §§53 Abs. 3, 52 Abs. 2 GKG.
Gegen diesen Beschluss ist zur Hauptsache die Beschwerde an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht statthaft.
...
Bratke
Zienc