Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 04.09.2024, Az.: 11 U 43/24
Immaterieller Schadenersatzanspruch eines Reisenden nach dem Scheitern einer Pauschalreise
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 04.09.2024
- Aktenzeichen
- 11 U 43/24
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2024, 23233
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2024:0904.11U43.24.00
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover - AZ: 5 O 132/22
Rechtsgrundlage
- § 651n Abs. 2 BGB
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Konfrontiert der Reiseveranstalter den Reisenden nach Vertragsschluss mit einer erheblichen Änderung wesentlicher Eigenschaften der Reiseleistungen oder kann er besondere vertragsgegenständliche Vorgaben des Reisenden doch nicht einhalten, darf der Reisende vom Pauschalreisevertrag zurücktreten und allein deshalb - ohne dass im Rahmen des § 651n Abs. 2 BGB nochmals die Erheblichkeit der (in dieser Fallgestaltung mangels Antritts der Reise ohnehin nur hypothetischen) Beeinträchtigung der Reise zu prüfen wäre - eine Entschädigung nach § 651n Abs. 2 BGB beanspruchen.
- 2.
Eine solche besondere Vorgabe kann darin bestehen, dass der Reisende dem Reisebüro vor der Buchung einer Fernreise mitgeteilt hat, die Langstreckenflüge mindestens in der "Premium-Economy-Class" absolvieren zu wollen. Der Reiseveranstalter darf dann den Reisenden nach einem dieser Vorgabe entsprechenden Abschluss des Pauschalreisevertrags zur Meidung eines Rücktritts nicht einfach einseitig auf einen Flug in der "Economy-Class" umbuchen.
- 3.
Auch die einseitige Umbuchung des Reisenden von dem vertraglich geschuldeten Langstreckenflug als Direktflug mit einer Dauer von rund 11 1/2 Stunden auf einen Flug mit Umsteigeerfordernis und einer Dauer von mehr als 17 Stunden kann eine erhebliche Änderung wesentlicher Eigenschaften der Reiseleistung darstellen und den Reisenden unter den Voraussetzungen des § 651g Abs. 1, 3 BGB zum Rücktritt sowie zur Geltendmachung einer Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit berechtigen.
Hinweisbeschluss
in dem Rechtsstreit
pp.
hat der 11. Zivilsenat der Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ... am 4. September 2024 beschlossen:
Tenor:
- 1.
Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass eine Zurückweisung der Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO nicht in Betracht kommt, weil diese nicht ohne Aussicht auf Erfolg ist.
- 2.
Termin zur mündlichen Verhandlung über die Berufung wird bestimmt auf
Donnerstag, 24. Oktober 2024, 11.15 Uhr, Saal 150,
Oberlandesgericht Celle, Schloßplatz 2, 29221 Celle.
- 3.
Die Parteien werden gebeten, eine etwaige Zustimmung zu dem im Nachstehenden unter III. unterbreiteten Vergleichsvorschlag binnen drei Wochen nach Zustellung dieses Hinweisbeschlusses mitzuteilen. Der Vergleich würde dann gemäß § 278 Abs. 6 ZPO festgestellt.
- 4.
Für den Fall, dass ein Vergleich nicht geschlossen werden können sollte, mögen die Parteien binnen derselben Frist mitteilen, ob im schriftlichen Verfahren (§ 128 Abs. 2 ZPO) entschieden werden kann. Da sich ausschließlich Rechtsfragen stellen dürften, erscheint dem Senat eine mündliche Verhandlung entbehrlich.
Gründe
I.
Die Parteien streiten um - innbesondere immateriellen - Schadenersatz nach dem Scheitern einer Pauschalreise.
Der Kläger buchte für sich, seine Ehefrau und seine drei erwachsenen Söhne bei der Beklagten unter dem 17. Januar 2022 für einen Gesamtpreis von 22.890 € eine Flugpauschalreise mit Hotelaufenthalten in Singapur, Kambodscha und Thailand. Der Hinflug sollte am 30. Juli 2022 direkt von Frankfurt/Main nach Singapur führen, der Rückflug nach dem letzten Hotelaufenthalt 13. August 2022 ebenfalls direkt auf dieser Strecke zurück. Schon bei der ersten Übermittlung seines Reisewunsches an das örtliche Reisebüro der Beklagten im November 2022 hatte der Kläger mitgeteilt, dass er für die Langstreckenflüge "mindestens Premium-Economy" buchen wolle. Dementsprechend erfolgte die Buchung.
Am 20. Juli 2022 erhielt der Kläger von der Beklagten per E-Mail die Mitteilung, dass der gebuchte (Hin-) Flug "storniert" sei. Die Beklagte habe für ihn alterativ für den 31. Juli 2022 einen Flug von Frankfurt/Main nach Singapur eingebucht, allerdings nur in der Economy-Klasse. Am 22. Juli 2022 erhielt der Kläger eine weitere E-Mail, nunmehr von dem örtlichen Reisebüro der Beklagten, aus der sich ergab, dass - angeblich - die Fluggesellschaft den gebuchten Flug gestrichen habe. Der angebotene Ersatzflug solle nicht direkt, sondern mit Umstieg in Seoul erfolgen und insgesamt rund 17 1/4 Stunden (statt rund 11 1/2 Stunden auf der direkten Strecke) dauern. Auch der Rückflug könne nicht wie gebucht direkt stattfinden, sondern nur mit Umstieg in Dubai und auch nur in der Economy-Klasse. Der Kläger bestand daraufhin am nächsten Tag mit E-Mail gegenüber dem örtlichen Reisebüro auf der "Bestätigung der gebuchten Reise" und erklärte sich allenfalls mit einer Zwischenlandung Bangkok einverstanden. Anschließend gab es ein Telefongespräch des Klägers mit der zuständigen Mitarbeiterin des Reisebüros. Als dessen Ergebnis teilte das Reisebüro dem Kläger am selben Tag Folgendes mit: "[...] wie bereits kurz telefonisch besprochen, stornieren wir Ihre Buchungen [...] kostenlos, da diese nicht wie von Ihnen gebucht durchgeführt werden können." Der Kläger und seine Familie traten die Reise nicht an. Die Beklagte erstattete den Reisepreis.
Mit der vorliegenden Klage beansprucht der Kläger Entschädigung für nutzlos aufgewendete Urlaubszeit in Höhe von 75 % des Reisepreises sowie den Ersatz verschiedener vergeblich aufgewandter Kosten (etwa Parkgebühren am Flughafen). Im Zuge des ersten Rechtszugs hat die Beklagte eingeräumt, dass die gebuchten Direktflüge von der Fluggesellschaft plangemäß durchgeführt wurden. Die Mitteilungen vom 20. und 22. Juli 2022 beruhten auf einem Fehler in ihrem Buchungssystem.
Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise durch die von der Beklagten veranlasste Umbuchung auf andere Flüge nicht vorgelegen habe; diese sei jedoch Voraussetzung eines Entschädigungs- und Schadensersatzanspruchs. Gegen diese rechtliche Beurteilung wendet sich der Kläger mit seiner Berufung.
II.
Die Berufung des Klägers dürfte überwiegend Aussicht auf Erfolg haben.
1. Wenn dasjenige richtig wäre, was die Beklagte in ihrer Klageerwiderung (Seiten 5 f., Bl. 27 R f. d. A.) zum Verhalten des Klägers nach dem Erhalt der Mitteilung der Beklagten vom 30. Juli 2022 (Anlage K 3) vorgetragen hat, wäre die Klage tatsächlich unschlüssig. Die Beklagte hat (a.a.O.) behauptet, der Kläger habe auf die Mitteilung, dass der von ihm gebuchte Direktflug mit Singapore Airlines storniert worden sei und dass sie für ihn stattdessen für den Folgetag einen Alternativflug gebucht habe, schlicht geschwiegen und die Reise sodann schlicht nicht angetreten. Wenn es sich so zugetragen hätte, bestünden jedenfalls die im vorliegenden Rechtsstreit allein streitgegenständlichen Schadens- und Aufwendungsersatzansprüche nicht, weil es jedenfalls an der gemäß § 651o Abs. 2 BGB unerlässlichen Mängelanzeige gefehlt hätte. Ob darüber hinaus auch ein Abhilfeverlangen notwendig war, kann allerdings für die allein streitgegenständlichen Schadenersatzansprüche wohl dahinstehen, weil ein solches Verlangen gemäß § 651l Abs. 1 BGB lediglich eine Voraussetzung für eine Kündigung ist, die Schadensersatzansprüche gemäß § 651n Abs. 1 BGB aber gerade "unbeschadet der Kündigung" bestehen. Auf die Wirksamkeit einer etwaigen Kündigung käme es nur an, wenn die Parteien auch noch um die Erstattung des Reisepreises stritten; diesen hat die Beklagte indes unstreitig bereits vorgerichtlich erstattet.
2. Das weitere Gegenvorbringen des Klägers zur Frage einer Mängelrüge ist im ersten Rechtszug zwar zunächst noch unsubstantiiert geblieben. Mit seinem Schriftsatz vom 5. Oktober 2023 (Bl. 95 ff. d. A.) hat der Kläger indes als Anlagen K 10 und K 11 den E-Mail-Verkehr zwischen dem Reisebüro und ihm selbst vom 22. und 23. Juli 2022 vorgelegt. Die Beklagte bestreitet - auch im Berufungsrechtszug - nicht, dass es diesen E-Mail-Verkehr gab. Nach Maßgabe der beiden E-Mails überbrachte das "TUI-Reisebüro N." dem Kläger zunächst am 22. Juli 2022 nochmals die Nachricht, dass die gebuchten Flüge mit Singapore Airlines "ersatzlos gestrichen" seien und präzisierte im Übrigen die von der Beklagten angebotenen Ersatzflüge dahin, dass diese nicht direkt, sondern über Seoul, und auch nicht mit Singapore Airlines, sondern mit Korean Airlines (Flugnummernkürzel "KE") erfolgen würden. Der Umstand, dass die Ersatzflüge nicht - wie für die Langstreckenflüge gebucht - in der Economy Premium Class, sondern nur in der Economy Class erfolgen würden, hatte sich bereits aus der als Anlage K 3 vorgelegten Mitteilung der Beklagten vom 20. Juli 2022 ergeben.
Aus der Anlage K 10 ergibt sich des Weiteren, dass der Kläger auf diese Mitteilungen keineswegs einfach schwieg, sondern am 23. Juli 2022 gegenüber dem Reisebüro eine "letzte Frist zur Bestätigung der gebuchten Reise" bis zum Abend desselben Tages setzte. Diese Mitteilung konnte das Reisebüro nur dahin verstehen, dass der Kläger mit den angebotenen Alternativflügen nicht einverstanden war, sondern auf der Erbringung der ursprünglich gebuchten Beförderungsleistung bestand. Er wollte es "notfalls" lediglich hinnehmen, zunächst nach Bangkok und erst am darauf folgenden Tag nach Singapur geflogen zu werden.
Aus der Antwort des Reisebüros vom Mittag des 23. Juli 2023 ergibt sich, dass dessen Mitarbeiterin Z. zwischenzeitlich mit dem Kläger telefonierte. In der Antwort heißt es des Weiteren: "[...] stornieren wir Ihre Buchungen [...] kostenlos, da diese nicht wie von Ihnen gebucht durchgeführt werden können."
Nach Maßgabe allein des Wortlauts dieser Mitteilung war es also - wie vom Kläger stets behauptet - die Beklagte, die die gesamte Reise "stornierte", weil sie sich nicht in der Lage sah, die vereinbarte Reiseleistung zu erbringen.
Damit hätte eine Vereitelung der Reise i.S.d. § 651n Abs. 2 BGB vorgelegen. Eine Vereitelung der Reise liegt vor, wenn die überhaupt nicht angetreten oder gleich zu Anfang wieder abgebrochen worden ist, etwa, weil die Reise ausfällt oder der Hinflug ersatzlos gestrichen worden ist (vgl. Führich/Staudinger, Reiserecht, 9. Aufl., § 22 Rn. 27 m.w.N.). Einen Fall der Vereitelung der Reise stellt es ebenfalls dar, wenn der Veranstalter die Reise unberechtigt "absagt" bzw. "kündigt" (Staudinger, a.a.O. m.w.N.). So hätte es sich hier verhalten.
Die Klage wäre dann - jedenfalls dem Grunde nach - begründet, ohne dass es darauf ankäme, ob die angebotenen Ersatzflüge aufgrund der geänderten Umstände (keine Direktflüge, schlechtere Komfortklasse auf den Langstreckenflügen, andere Fluglinie, um rund sechs Stunden auf 17 1/4 Stunden verlängerte Flugzeit, insgesamt zwei verlorene Reisetage), auch eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise i.S.d. § 651n Abs. 2 BGB darstellten.
Die Willenserklärungen des Reisebüros hat sich die Beklagte zurechnen zu lassen.
Ausweislich der Firmierung des Reisebüros handelte es sich um eine Agenturvertretung der Beklagten, folglich um einen Handelsvertreter der Beklagten. Die Frage, ob sich die Vertretungsmacht einer solchen Agentur lediglich auf den Abschluss von Pauschalreiseverträgen beziehen könnte und folglich nicht auf vertragsbeendende Willenserklärungen, kann hier dahinstehen. Selbst wenn es dem Reisebüro am 23. Juli 2022 zunächst an einer wirksamen Vollmacht gefehlt haben sollte, hätte die Beklagte dessen Vorgehen i.S.d. § 177 Abs. 1 BGB mindestens konkludent genehmigt. Es ist unstreitig, dass die vom Reisebüro erklärte "Stornierung" anschließend tatsächlich durchgeführt wurde.
3. Die Beklagte hat dem als Anlagen K 10 und K 11 vorgelegten Schriftverkehr im ersten Rechtszug ersichtlich keine Beachtung mehr geschenkt. In ihrer Berufungsantwort behauptet sie nun, dass das in der als Anlage K 11 vorgelegten E-Mail erwähnte Telefongespräch den Inhalt gehabt habe, dass der Kläger dem Reisebüro mitgeteilt habe, die Reise seinerseits nicht mehr antreten zu wollen. Diesem Wunsch habe sie ungeachtet des Fehlens eines Kündigungsgrundes entsprochen. Eine ausdrückliche Stellungnahme des Klägers zu diesem erstmals im Berufungsrechtszug erfolgten Vortrag fehlt bislang. Der Kläger hat in seiner Berufungsbegründung lediglich seine - insoweit wohl kaum vertretbare - Einschätzung wiederholt, dass die Stornierung der Gesamtreise durch die Beklagte schon durch die Mitteilung vom 20. Juli 2022 erfolgt sei, dass die gebuchten Flüge storniert worden seien.
a) Der Senat unterstellt - zunächst nur zu Prüfungszwecken und überdies mit Blick auf die als Teil der Anlage K 10 vorgelegte knappe E-Mail des Klägers vom 23. Juli 2022 -, dass der Kläger dem Reisebüro in dem Telefongespräch kaum mitgeteilt haben dürfte, die gebuchte Reise unter keinen Umständen mehr antreten zu wollen, wohl aber, dass er sie nicht unter Inkaufnahme der von der Beklagten konkret angebotenen Ersatzflüge antreten wolle, und dass das Reisebüro daraufhin erklärte, dass andere als die angebotenen Ersatzflüge nicht in Betracht kämen und dann leider nichts anderes als eine "Stornierung" in Betracht käme.
b) Bei dieser Sachlage hätte wohl keine vollständige Vereitelung der Reise i.S.d. § 651n Abs. 2 BGB vorgelegen. Der Kläger und seine Familie hätten die Reise durchaus antreten können, nur eben unter Nutzung ungünstigerer und unkomfortablerer Flugverbindungen, mithin unter Inkaufnahme eines Reisemangels.
c) Es dürfte allerdings die in § 651g Abs. 1 Satz 3 BGB beschriebene Fallgestaltung vorgelegen haben. Danach kann der Reiseveranstalter den Reisenden zunächst einmal zu der Erklärung auffordern, ob der Reisende vom Vertrag zurücktreten wolle, wenn der Reiseveranstalter aus einem nach dem Vertragsschluss eingetretenen Umstand einseitig eine Vertragsänderung vornimmt, die nicht eine (mehr als 8 %ige) Erhöhung des Reisepreises darstellt, jedoch eine erheblich Veränderung einer der wesentlichen Eigenschaften der Reiseleistungen darstellt, oder wenn der Veranstalter dem Reisenden die Reiseleistungen nur unter Abweichung von besonderen Vorgaben des Reisenden, die Inhalt des Vertrags geworden sind, verschaffen kann. Tritt in diesem Fall der Reisende zurück, bleiben gemäß § 651g Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 BGB Ansprüche des Reisenden nach § 651i Abs. 3 Nr. 7 BGB unberührt, mithin gerade die - hier streitgegenständlichen - Ansprüche auf Schadens- und Aufwendungsersatz. Mithin hat der Reisende auch in einem solchen Fall - ohne Antritt der Reise - das Recht, eine Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit zu fordern (vgl. Staudinger, a.a.O.).
Das bedeutet mit anderen Worten: Konfrontiert der Reiseveranstalter den Reisenden nach Vertragsschluss mit einer erheblichen Änderung wesentlicher Eigenschaften der Reiseleistungen oder kann er besondere vertragsgegenständliche Vorgaben des Reisenden doch nicht einhalten, darf der Reisende vom Pauschalreisevertrag zurücktreten und allein deshalb - ohne dass im Rahmen des § 651n Abs. 2 BGB nochmals die Erheblichkeit der (in dieser Fallgestaltung mangels Antritts der Reise ohnehin nur hypothetischen) Beeinträchtigung der Reise zu prüfen wäre - eine Entschädigung nach § 651n Abs. 2 BGB beanspruchen.
Im Streitfall ist unstreitig, dass der Kläger für die Langstreckenflüge als Mindestkomfortstandard ausdrücklich die Klasse "Premium-Economy" gewünscht hatte. Das ergibt sich mit Eindeutigkeit aus der als Anlage K 5 (Bl. 37 d. A.) vorgelegten E-Mail vom 10. November 2021, in welcher der Kläger gegenüber dem Reisebüro seinen Reisewunsch darlegte. Der Kläger hat den Hintergrund dieser Vorgabe auch nachvollziehbar mit besonderen persönlichen Bedürfnissen erläutert (eigene Körpergröße, Vorerkrankungen). Dessen hätte es allerdings nicht einmal bedurft. Das Bedürfnis eines Reisenden, auf einem Langstreckenflug gegen Zahlung eines zusätzlichen Preises mehr Platz in Anspruch nehmen zu können, wäre auch ohne dies unmittelbar nachvollziehbar. Diese besondere Vorgabe ist auch Inhalt des Pauschalreisevertrags geworden und folglich von der Beklagten akzeptiert worden, wie sich ohne Weiteres aus der als Anlage K 1 vorgelegten Buchungsbestätigung ergibt. Darauf, ob der Beklagten selbst bewusst war, dass es sich bei der Wahl der Komfortklasse um eine ausdrückliche Vorgabe des Klägers handelte, von der sie folglich nicht ohne Inkaufnahme der in § 651g BGB bestimmten Rechtsfolgen nachträglich abweichen durfte, kommt es nicht an. Jedenfalls ihr Reisebüro hatte Kenntnis von diesem Umstand. Da es sich bei dem Reisebüro jedenfalls, wie bereits im Vorstehenden angesprochen, um einen Abschlussvertreter der Beklagten handelte, muss sie sich dessen Wissen gemäß § 166 Abs. 2 BGB zurechnen lassen.
Sogar die Frage, ob die von der Beklagten angebotenen Alternativflüge auch im Übrigen - bei etwaigem Fehlen einer ausdrücklichen Vorgabe des Klägers - um eine "erhebliche Änderung wesentlicher Eigenschaften der Reiseleistungen" handelte, kann vor diesem Hintergrund dahinstehen. Allerdings dürfte sich schon aus dem Gesetz selbst ergeben, dass die Beklagte jedenfalls solche Eigenschaften der Reiseleistungen nachträglich ändern wollte, die als wesentlich anzusehen sind. § 651g Abs. 3 Satz 3 BGB nimmt zur Ausgestaltung dieses Rechtsbegriffs ausdrücklich Bezug auf die Bestimmung des Art. 250 § 3 Nr. 1 EGBGB. Gemäß Art. 250 § 3 Nr. 1 Buchstabe c EGBGB gehören zu den wesentlichen Eigenschaften der Reiseleistungen das "Transportmittel "Merkmale und Klasse". Die Beförderungsklasse innerhalb des Transportmittels wurde von der Beklagten geändert. Auch weitere Eigenschaften der Reiseleistungen, die in Art. 250 § 3 Nr. 1 EGBGB als wesentliche Eigenschaften definiert sind, waren von der Änderungsmitteilung der Beklagten betroffen, nämlich die Reisroute (Buchstabe b - über Seoul statt eines Direktflugs) sowie Tag und Zeit der Abreise und der Rückreise (Buchstabe d). Der Senat würde auch im Übrigen dazu neigen, diese Änderungen jedenfalls in ihrer Gesamtheit als erheblich i.S.d. § 651g Abs. 3 Satz 3 BGB anzusehen. Es macht für das Wohlbefinden der Reisenden und das Gelingen einer Fernreise einen erheblichen Unterschied aus, ob ein Langstreckenflug rund 11 1/2 oder 17 1/4 Stunden dauert, ob es sich um einen Direktfug handelt oder die mit einem Umsteigen immer verbundenen Unwägbarkeiten hinzukommen und ob der Flug in der gebuchten höherwertigen Komfortklasse stattfindet (vgl. dazu auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 13. Dezember 2007 - 12 U 39/07, juris Rn. 19: Kündigung möglich).
4. Der Kläger ist auch berechtigt, Entschädigungsansprüche gemäß § 651n Abs. 2 BGB im Hinblick auf alle fünf Mitreisenden geltend zu machen. Allerdings dürfte er gehalten sein, seinen Klageantrag dahin umzustellen, dass er diesen Anspruch zwar selbst geltend macht, aber auf Zahlung an die Mitreisenden anträgt, soweit es sich um deren Ansprüche handelt.
a) Für Schadensersatzansprüche wegen vertanen Urlaubs wurde jedenfalls früher vertreten, dass es sich um "höchstpersönliche Ansprüche" des jeweiligen Reisenden handele (vgl. unter anderem OLG Düsseldorf, Urteil vom 18. Juni 2003 - 18 U 230/02, juris Rn. 18; angeblich auch BGH, Urteil vom 12. Mai 1980 - VII ZR 158/79, juris Rn. 27 ff.). Wenn das richtig wäre, hätten im Streitfall - jedenfalls im Ausgangspunkt - alle fünf Reiseteilnehmer diesen besonderen Anspruch jeweils für sich gegenüber der Beklagten geltend machen müssen. Zwar hätte der Kläger die Ansprüche auch zunächst als vollmachtloser Vertreter geltend machen können; diese Vertretung müsste allerdings noch von den übrigen Mitreisenden genehmigt werden (was auch nach Ablauf der Monatsfrist des § 651g Abs. 1 a. F. möglich war, vgl. BGH, Urteil vom 26. Mai 2010, a.a.O. Rn. 21 ff.). Das könnte durch die von dem Kläger auf Seite 10 behaupteten, von der Beklagten aber mit Nichtwissen bestrittenen Abtretungserklärungen geschehen sein (BGH, a.a.O. Rn. 25 ff.). Dafür müsste der Senat feststellen, dass es diese Abtretungserklärungen gab. Bisher sind sie nicht vorgelegt worden.
b) Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 26. Mai 2010 (Xa ZR 124/09, juris Rn. 16) zwar formal dahinstehen lassen, ob die These von der Höchstpersönlichkeit zutrifft. Die lediglich als Obiter Dictum formulierten Ausführungen zu dieser Fragestellung (a.a.O. Rn. 14 f.) lassen aber keinen Zweifel, dass er die These nunmehr ablehnt: "Ausgeschlossen könnte ein Anspruch des Reisenden auf Entschädigungszahlung an die Mitreisenden daher nur unter dem Gesichtspunkt sein, dass es sich um einen höchstpersönlichen Anspruch handele. Dass mit der Entschädigung in Geld der immaterielle Schaden, insbesondere die entgangene Urlaubsfreude, ausgeglichen werden soll [...] zwingt jedoch nicht dazu, den Anspruch als höchstpersönlich anzusehen, zumal der Bundesgerichtshof ausdrücklich die Anknüpfung der Anspruchshöhe an den Reisepreis als taugliches Bemessungskriterium gebilligt hat. Es handelt sich um eine besondere Ausprägung des Schadensersatzanspruchs wegen Nichterfüllung, der dafür zugebilligt wird, dass der mit der Reise in einem weiteren Sinne angestrebte "Erfolg" nicht eingetreten ist."
Dieser Rechtsauffassung hat sich der Senat schon seit längerem angeschlossen (vgl. auch Führich/Staudinger, a.a.O. Rn. 23, MünchKomm-BGB/Tonner, 9. Aufl., § 651n Rn. 58). Aus den Ausführungen des Bundesgerichtshofs (a.a.O.) dürfte sich aber jedenfalls die Notwendigkeit einer Veränderung des vom Kläger gestellten Antrags ergeben.
5. Der Höhe nach dürften die Klage und dementsprechend auch die Berufung jedenfalls ganz überwiegend begründet sein.
a) Wegen der Bemessung der nach § 651n Abs. 2 BGB zu zahlemden Entschädigung nimmt der Senat Bezug auf die Ausführungen in seinem veröffentlichten Hinweisbeschluss vom 10. April 2019 in der Sache 11 U 13/19 (juris, Rn. 6 bis 15).
Nach dem dort ausführlich erörterten rechtlichen Maßstab dürfte im Streitfall die vom Kläger beanspruchte Entschädigung in Höhe von 75 % des vereinbarten Reisepreises - mithin 17.167,50 € - durchaus angemessen sei. Auch die streitgegenständliche Reise war mit einem Gesamtpreis von knapp 23.000 € (für fünf Personen bei 15 Tagen Reisezeit) besonders hochwertig und das Ziel exotisch, das Scheitern stand erst eine Woche vor Reiseantritt - und mehr als ein halbes Jahr nach der Buchung - fest. Das erschwerte es erheblich, die Reisezeit in der gleichen Weise zu verbringen wie geplant.
Zu berücksichtigen ist überdies, dass das Scheitern letztlich allein auf einer unzureichenden Personalausstattung der Beklagten beruhte und bei objektiver Betrachtung völlig unnötig war. Es ist im ersten Rechtszug unstreitig geworden, dass der vom Kläger gebuchte Flug von der Fluggesellschaft Singapore Airlines sehr wohl planmäßig durchgeführt wurde. Die - sprachlich kaum verständliche - Erläuterung ihres "Backoffice Linienflug", welche die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 22. März 2023 (Bl. I/60 f. d. A.) hat vortragen lassen, dürfte sich nur dahin verstehen lassen, dass es im Buchungssystem der Beklagten einen Fehler gab, der an und für sich rechtzeitig hätte behoben werden können, wenn sich ein Mitarbeiter nur beizeiten darum hätte kümmern können.
b) Demgegenüber dürften dem Kläger die weiteren mit der Klage in Höhe von insgesamt 1.538,62 € geltend gemachten sonstigen Schadenspositionen (etwa für die Visaerteilung für Kambodscha und für frustrierte Parkgebühren am Flughafen Frankfurt/Main) nicht zuzusprechen sein. Wenngleich das Entstehen dieser Kosten alles andere als unplausibel ist, hat der Kläger keinerlei einschlägige Belege vorgelegt, obwohl die Beklagte die Entstehung der Kosten - prozessual zulässig - schon in der Klageerwiderung (Seite 4, Bl. I/27 d. A.) mit Nichtwissen bestritten hat und der Kläger seinerseits für diesen Fall in der Klageschrift die Vorlage der Belege angekündigt hatte. Belege sind auch mit der Berufungsbegründung nicht vorgelegt worden.
III.
Der Senat schlägt den Parteien auf der Grundlage der vorstehenden Überlegungen vor, den Rechtsstreit durch den Abschluss eines Vergleichs mit dem nachfolgenden Inhalt beizulegen:
1. Die Beklagte zahlt - ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, gleichwohl rechtsverbindlich - an den Kläger 17.167,50 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21. Oktober 2022.
2. Mit dieser Zahlung sind alle etwaigen Ansprüche des Klägers, seiner Ehefrau und seiner Söhne wegen der Vereitelung der bei der Beklagten gebuchten Reise nach Südostasien im Juli und August 2022 abgegolten.
3. Die Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs tragen der Kläger zu 8 % und die Beklagte zu 92 %.