Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 08.11.1996, Az.: 4 U 40/95
Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung auf Freigabe eines hinterlegten Betrages; Wirksamkeit einer Abtretung von Ansprüchen auf Zahlung eines Arbeitseinkommens; Umfang einer Abtretung auf Abfindungsleistungen bei Abtretung der Ansprüche des "monatlichen Einkommens"
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 08.11.1996
- Aktenzeichen
- 4 U 40/95
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1996, 17193
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1996:1108.4U40.95.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Göttingen - 27.01.1995 - AZ: 8 O 268/94
Rechtsgrundlage
- § 812 BGB
In dem Rechtsstreit
hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
im schriftlichen Verfahren
durch
die Richter Dr. Daut, Dr. Würfel und Dr. Bodmann
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 27. Januar 1995 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Göttingen wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Wert der Beschwer übersteigt 60.000 DM nicht.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin ist unbegründet.
Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch aus § 812 BGB auf Freigabe des von dem Arbeitgeber der Schuldnerin bei dem Amtsgericht Bonn hinterlegten Betrages.
Die Beklagte hat ihre Rechtsposition nicht auf Kosten der Klägerin erlangt.
Die Abtretung der Schuldnerin zugunsten der Beklagten am 1. September 1991 geht der Pfändung der Klägerin durch Pfändungs- und Überweisungsbeschluß vom 22. April 1992 vor.
Nachdem die Klägerin erstmals in der Berufungsinstanz bestritten hat, daß ihre Schuldnerin, die Zeugin K., tatsächlich durch Abtretungsvertrag vom 1. September 1991 ihre Ansprüche auf Zahlung ihres Arbeitseinkommens an die Beklagte abgetreten hat, hat die vom Senat durchgeführte Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugin K. und Einholung einer schriftlichen Aussage des Rechtsanwalts D. ergeben, daß der Abtretungsvertrag tatsächlich am Samstag, dem 1. September 1991 geschlossen und - unstreitig - bereits am 9. Oktober 1991 an die Arbeitgeberin der Schuldnerin K., das D. e.V., übersandt worden ist. Die Zeugin K. hat in ihrer Vernehmung bekundet, sie sei am 1. September 1991 in Göttingen gewesen und habe den Abtretungsvertrag mit der Beklagten abgeschlossen. Die Zeugin K. hat auch den Grund für die Darlehensgewährung durch die Beklagte nachvollziehbar geschildert, wonach sie bei einem Bauherrenmodell hereingefallen sei und einen Verlust von etwa 140.000 DM erlitten habe, so daß sie auf die finanzielle Hilfe der Beklagten angewiesen gewesen sei. Der Rechtsanwalt D. hat in seiner schriftlichen Aussage glaubhaft bestätigt, daß die Abtretungsurkunde tatsächlich am 1. September 1991 unterschrieben worden ist, obwohl es sich bei diesem Tag um einen Samstag gehandelt hat. Nach den Angaben dieses Zeugen hatte die Beklagte ihren Besuch mit der Zeugin K. vorab angekündigt und auf Unterzeichnung des Abtretungsvertrages in der Kanzlei des Rechtsanwalts D. am Samstag, den 1. September 1991, bestanden, da sich die Zeugin K. nur am Wochenende in Göttingen aufgehalten habe.
Gegen die Wirksamkeit der Abtretung bestehen im übrigen Bedenken nicht. Eine Gläubigerbenachteiligungsabsicht ist nicht erkennbar, da in der Abtretungsurkunde bereits auf einen Darlehensrückzahlungsanspruch in Höhe von 80.000 DM als Grundgeschäft Bezug genommen wird, was auch die Zeugin K. in ihrer Vernehmung bestätigt hat. Ihren finanziellen Bedarf in Höhe dieses Betrages hat die Zeugin K. ihrer Vernehmung auch nachvollziehbar mit ihren Schulden aus einem Bauherrenmodell bestätigt. Weitere Anhaltspunkte, die für eine Gläubigerbenachteiligungsabsicht sprachen könnten, hat die Klägerin nicht vorgetragen. Für eine Rückdatierung der Abtretungsurkunde bestehen im Hinblick auf die vom Senat durchgeführte Beweisaufnahme keine Anhaltspunkte
Durch die Abtretung vom 1. September 1991 wird die auch von dem Arbeitgeber der Zeugin K. hinterlegte Abfindung, die im Rahmen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwischen dieser und dem D. e.V. gezahlt wurde, erfaßt. Die von der Schuldnerin und der Beklagten in dem Abtretungsvertrag gewählte Formulierung "monatliches Einkommen" ist allerdings nicht eindeutig und deshalb der Auslegung zugänglich. Nach dem Wortlaut der Vertragsurkunde ist nicht klar, ob lediglich die Bezüge abgetreten sein sollten, die monatlich gezahlt wurden oder aber auch sonstige Arbeitseinkünfte. Die Auslegung ergibt hier, daß durch die Abtretung die gesamten vom Arbeitgeber gezahlten Bezüge erfaßt sein sollten. Zum Zeitpunkt der Abtretung am 1. September 1991 hatte die Schuldnerin noch ein festes Arbeitsverhältnis, so daß nicht absehbar war, daß möglicherweise eine Abfindung anfallen konnte. Durch die Abtretung, die zeitlich nicht begrenzt war, sollte der Darlehensrückzahlungsanspruch der Beklagten in Höhe von insgesamt 80.000 DM in monatlichen Raten befriedigt werden. Diesem Zweck wird nur dann genüge getan, wenn auch anläßlich eines Ausscheidens der Schuldnerin aus dem. Arbeitsverhältnis gezahlte Beträge von dieser Abtretung erfaßt werden. Zudem ist die Abtretung eine Entschädigung dafür, daß der Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz verliert, obwohl ein sozial zu billigender Kündigungsgrund nicht vorliegt, und soll ihm einen Ausgleich für diesen Verlust seines Arbeitsplatzes gewähren. Ebenso wie sonstige Geldleistungen des Arbeitgebers dient die Abfindung meist der Sicherung des Lebensunterhaltes des Arbeitnehmers. Die Abfindung stellt jedenfalls hinsichtlich ihres pfändbaren Teiles das Einkommen des Arbeitnehmers dar, von dem er seinen Lebensunterhalt bestreiten muß, auch wenn es nicht mehr monatlich gezahlt wird, sondern in einem Abfindungsbetrag.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Eine Anwendung der Vorschrift des § 97 Abs. 2 ZPO kam nicht in Betracht, da die Klägerin erstmals in der Berufungsinstanz bestritten hat, die Abtretung sei tatsächlich am 1. September 1991 vorgenommen worden. Im Hinblick auf die bis zu diesem Zeitpunkt unstreitige Abtretung bestand für die Beklagte keine Veranlassung, die Abtretungsurkunde im Original vorzulegen oder schon in erster Instanz näheren Vortrag zum Zustandekommen des Abtretungsvertrages zu halten.
Die übrigen Nebenentscheidungen ergeben sich aus § 708 Nr. 10, §§ 711, 713, § 546 Abs. 2 ZPO.
Dr. Würfel,
Dr. Bodmann