Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 10.07.2013, Az.: L 2 R 504/10

Fremdrentenrecht; Rentenanpassung; Rentenanrechnung; Umrechnungskurs

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
10.07.2013
Aktenzeichen
L 2 R 504/10
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2013, 64261
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
SG - 18.06.2010 - AZ: S 31 R 485/09

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Führt die nach § 65 SGB VI zum 1. Juli vorzunehmende Anpassung der Rente zur Fortschreibung des bisherigen aktuellen Rentenwertes in unveränderter Höhe, dann beinhaltet die damit verbundene Beibehaltung des bisherigen Rentenzahlbetrages keine "Änderung" der Rente im Sinne des § 17a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB IV, die Anlass zu einer Heranziehung aktueller Umrechnungskurse bezüglich einer nach nationalem Recht anzurechnenden ausländischen Rente geben würde.

Tenor:

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Stade vom 18. Juni 2010 geändert; der Bescheid der Beklagten vom 3. Juni 2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29. Oktober 2009 wird geändert und der Bescheid vom 5. Juni 2010 wird aufgehoben.

2. Auf seine Klage werden die Bescheide der Beklagten vom 5. März 2011 und 31. Mai 2012 geändert.

3. Die Beklagte wird verpflichtet, die Rente des Klägers für folgende Zeiträume unter Berücksichtigung folgender anzurechnender ausländischer Rentenbeträge neu zu berechnen:

a) 01. März 2009 bis 30. Juni 2009 405,01 €,
b) 01. Juli 2009 bis 28. Februar 2010 422,22 €,
c) 01. März 2011 bis 30. Juni 2011 514,14 €,
d) 01. Juli 2012 bis 28. Februar 2013 500,15 €.

4. Die Beklagte hat dem Kläger 2/3 der notwendigen außergerichtlichen Kosten aus beiden Rechtszügen zu erstatten.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung höherer Rentenleistungen. Streitig ist, in welcher Höhe die ihm gewährte polnische Rente anzurechnen ist. Hierbei geht es um die Frage, welche Wechselkurse jeweils zugrunde zu legen sind.

Der im Jahre 1940 in Polen geborene Kläger erlernte zunächst das Bäckerhandwerk und arbeitete anschließend von 1959 bis 1965 als Bäcker und Fahrer. Nach Ableistung seines Militärdienstes war er dann von 1965 bis Mai 1986 bei der Volksmiliz tätig; anschließend bezog er aufgrund dieser Tätigkeit eine Rente. Vom 6. Juli 1987 bis zum 8. Juni 1988 war er halbtags als Elektromonteur-Helfer beschäftigt. Im September 1988 übersiedelte er in die Bundesrepublik; er ist im Besitz eines Vertriebenenausweises A. Nach der Übersiedelung nach Deutschland bezog er zunächst Arbeitslosengeld und Unterhaltsgeld, anschließend Sozialhilfe. Von 1990 an war er bei zwei Betrieben als Zimmermann- und Tischlergehilfe, danach als Bauhilfsarbeiter in einem Bauunternehmen bis zu einem am 15. Juni 1994 erlittenen Arbeitsunfall tätig. Anschließend erhielt der Kläger Krankengeld, Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe.

Auf seinen Antrag hin erhielt er mit Bescheid vom 8. Januar 2001 eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit zunächst als Vorschuss. Nachdem der Kläger den Bescheid über die Gewährung der polnischen Polizeirente vorgelegt hatte, berechnete die Beklagte die Rente mit Bescheid vom 24. Oktober 2001 endgültig unter Anrechnung dieser polnischen Rente. In der Folgezeit forderte die Beklagte regelmäßig vom Kläger Bescheinigungen über die Höhe der polnischen Polizeirente an. Der Kläger fragte mehrfach wegen der Anrechnungshöhe nach und erhielt dazu Informationen von der Beklagten.

Mit Schreiben vom 19. Februar 2009 beantragte der Kläger unter Vorlage einer Bescheinigung des polnischen Versicherungsträgers vom 30. Januar 2009 über die im Jahre 2008 jeweils ausgezahlten Beträge die Überprüfung der Berechnung. Er wies darauf hin, dass monatlich unterschiedliche Beträge überwiesen würden und er in den Monaten Januar und Februar 2009 insgesamt 200,88 € zu wenig ausbezahlt bekommen habe. Der von der Beklagten zuletzt berücksichtigte Betrag in Höhe von 512,46 € sei nicht zutreffend.

Am 13. März 2009 legte der Kläger einen Bescheid vom 3. März 2009 über die neue Höhe der polnischen Rente vor. Die Beklagte berechnete mit Bescheid vom 3. Juni 2009 die Rente ab 1. März 2009 neu. Es ergab sich ein Nachzahlungsbetrag von 179,07 € für die Zeit vom 1. März bis 30. Juni 2009. Dabei berücksichtigte die Beklagte ab 1. März 2009 eine ausländische Rente in Höhe von 523,26 €, ab 1. April 2009 in Höhe von 442,44 € und ab 1. Juli 2009 in Höhe von 422,23 €. Im Erläuterungsschreiben vom 2. Juli 2009 wies die Beklagte auf das Ruhen der deutschen Rente nach § 31 Fremdrentengesetz (FRG) hin. Dabei sei der Bruttorentenbetrag zugrunde zu legen. Der maßgebliche Währungsumrechnungskurs ergebe sich aus den Vorschriften des Art. 107 der EWG-Verordnung Nr. 574/72 i. V. m. § 17a Abs. 3 SGB IV.

Am 26. Juni 2009 ging der gegen den Bescheid vom 3. Juni 2009 gerichtete Widerspruch ein. Der vertretene Kläger wies darauf hin, dass er sich gegen den nicht erkennbaren Umrechnungskurs wende. Die Beklagte habe für März einen Betrag von 523,26 € errechnet, tatsächlich seien ihm 391,54 € überwiesen worden.

Mit Bescheid vom 29. Oktober 2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Gemäß § 31 FRG ruhe die deutsche Rente zur Vermeidung von Doppelleistungen in Höhe des in Euro umgerechneten Bruttobetrags, wenn ein FRG-Berechtigter von einer anderen Stelle im Ausland für nach Bundesrecht anzurechnende Zeiten eine Leistung erhalte. Maßgebend sei ausschließlich der Umrechnungskurs, der von der EU-Kommission für das Kalendervierteljahr bestimmt wurde, in das der für die Anspruchsprüfung maßgebende Zeitpunkt falle. Ein neuer Kurs sei nur dann anzusetzen, wenn die Rente nach § 68 SGB VI anzupassen sei, sich die ausländischen Leistungen änderten oder sich der Wechselkurs um mindestens zehn Prozent verändere. Aufgrund der Erhöhung der polnischen Rente zum 1. März 2009 habe eine Umrechnung der ausländischen Leistung zu dem für diesen Zeitpunkt maßgeblichen Umrechnungskurs stattfinden müssen. Die Beklagte teilte die von der EU-Kommission festgelegten Umrechnungskurse für die Zeit von Januar bis September 2009 mit.

Gegen diesen am 24. November 2009 abgesandten Bescheid hat der Kläger am 10. Dezember 2009 Klage erhoben. Er hat erläutert, seiner Auffassung nach sei eine taggenaue Berechnung des Umrechnungskurses geboten. Es sei der Betrag zugrunde zu legen, der ihm überwiesen werde. Er habe in den Monaten November 2008 bis einschließlich Juli 2009 (monatlich in unterschiedlicher Höhe) zu wenig Rente erhalten, seither zu viel; er legte dazu eine Aufstellung vor.

Das Sozialgericht (SG) hat mit Urteil vom 18. Juni 2010 die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Umrechnung der ausgezahlten polnischen Rente nach dem jeweils zum Zeitpunkt der Überweisung geltenden Wechselkurs. Die Rechtsgrundlage für die Anrechnung der polnischen Rente sei § 31 Abs. 1 FRG. Die Umrechnung von ausländischen Einkommen richte sich nach § 17a SGB IV. Der Umrechnungsmaßstab sei der gemäß Art. 107 der EWG-Verordnung Nr. 547/72 veröffentlichte Umrechnungskurs. Unter Berücksichtigung dieser Regelungen habe die Beklagte zutreffend die Umrechnung vorgenommen. Die Vorschrift sei auch weder verfassungs- noch europarechtswidrig.

Gegen dieses ihm am 7. September 2010 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit der am 27. September 2010 eingelegten Berufung. Im Berufungsverfahren hat er sein Begehren im Sinne einer Berücksichtigung von Umrechnungskursen nach Maßgabe des § 17a SGB IV umgestellt.

Der Kläger beantragt,

1.das Urteil des Sozialgerichts Stade vom 18. Juni 2010 und den Bescheid der Beklagten vom 3. Juni 2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 29. Oktober 2009 zu ändern, den Bescheid der Beklagten vom 5. Juni 2010 aufzuheben und die Bescheide der Beklagten vom 5. März 2011 und 31. Mai 2012 zu ändern und
2.die Beklagte zu verpflichten, die Rente des Klägers für folgende Zeiträume unter Berücksichtigung folgender anzurechnender ausländischer Rentenbeträge neu zu berechnen:

a) 01. März 2009 bis 30. Juni 2009: 405,01 €,
b) 01. Juli 2009 bis 28. Februar 2010: 422,22 €,
c) 01. März 2011 bis 30. Juni 2011: 514,14 €,
d) 01. Juli 2012 bis 28. Februar 2013: 500,15 €.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, sie habe die Anrechnung jeweils zutreffend vorgenommen und legte die während des Gerichtsverfahrens ergangenen Bescheide vor sowie für die Zeit ab Mai 2010 den täglichen Euroreferenzkurs der Europäischen Zentralbank (EZB).

Außerdem vermerkte sie (Bl.189ff GA)auf den Bescheiden die Kurse, nach denen sie jeweils die Umrechnung und daraus folgend die Anrechnung vorgenommen hat. Es ergibt sich im Einzelnen:

Bescheid vom 3. Juni 2009 (Höhe poln. Rente: 1871,55 Zt)

ab 1. März 2009

Kurs: 

3,57673 (vom 1.1.09)

Anrechnung: 523,26 €

ab 1. April 2009

4,23002 (2.Quartal 2009)

442,44 €

ab 1. Juli 2009

4,43256 (3.Quartal 2009)

 422,23 €

Bescheid vom 13. März 2010 (Höhe poln. Rente: 1958,02 Zt)

ab 1. März 2010

Kurs: 

4,21461 (1.Quartal 2010)

Anrechnung: 464,58 €

Bescheid vom 30. April 2010

ab 1. April 2010

Kurs: 

4,21461 (1.Quartal 2010)

Anrechnung: 464,58 €

ab 21.April 2010

4,21461 (1.Quartal 2010)

464,58 €

Bescheid vom 5. Juni 2010

ab 1. Juli 2010

Kurs: 

3,8458 (Wert: 1.4.2010)

Anrechnung: 509,13 €

Bescheid vom 5. März 2011 (Höhe poln. Rente: 2018,72 Zt)

ab 1. März 2011

Kurs: 

3,9138 (Wert: 1.2.2011)

Anrechnung: 515,80 €

Bescheid vom 4. Juni 2011

ab 1. Juli 2011

Kurs: 4

,0398 (Wert: 1.4.2011)

Anrechnung: 499,71 €

Bescheid vom 8. März 2012 (Höhe poln. Rente ab 1.3.12: 2089,72 Zt)

ab 1. Dez. 2011

Kurs: 

4,4774 (Wert: )

Anrechnung: 450,87 €

ab 1. März 2012

4,2005 (Wert: 1.2.2012)

497,49 €

Bescheid vom 31. Mai 2012

ab 1. Juli 2012

Kurs: 

4,1445 (Wert: 2.4.2012)

Anrechnung: 504,22 €

Bescheid vom 2. März 2013 (Höhe poln. Rente: 2173,31 Zt)

ab 1. März 2013

Kurs: 

4,1792 (Wert: 1.2.2013)

Anrechnung: 520,03 €

Bescheid vom 22. Juni 2013

ab 1. Juli 2013

 Kurs:

4,1846 (Wert: 2.4.2013)

Anrechnung: 519,36 €

Außer den Gerichtsakten haben die den Kläger betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Akten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig, ebenso die Klage gegen die während des Berufungsverfahrens ergangenen und gemäß § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zum Gegenstand des Berufungsverfahrens gewordenen Bescheide vom 5. März 2011 und 31. Mai 2012.

Die Berufung und Klage sind begründet.

Die Beklagte hat zunächst zutreffend mit Bescheid vom 3. Juni 2009 aufgrund der Erhöhung der polnischen Rente zum 1. März 2009 eine Änderung nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 3 SGB X berücksichtigt. Der Kläger erhält eine deutsche Altersrente sowie eine polnische sogenannte Polizeirente. Diese ist gemäß § 31 FRG zu berücksichtigten. § 31 Absatz 1 FRG lautet: Wird dem Berechtigten von einem Träger der Sozialversicherung oder einer anderen Stelle außerhalb der Bundesrepublik Deutschland für die nach Bundesrecht anzurechnenden Zeiten eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder anstelle einer solchen eine andere Leistung gewährt, so ruht die Rente in Höhe des in Euro umgerechneten Betrags, der als Leistung des Trägers der Sozialversicherung oder der anderen Stelle außerhalb der Bundesrepublik Deutschland ausgezahlt wird. Danach ruht die deutsche Rente somit in Höhe des in Euro umgerechneten Betrags, den der Kläger von polnischer Seite erhält. Die Anwendung des § 31 FRG ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig.

Streitig sind die Modalitäten der Umrechnung. Hier hat die Beklagte zur Überzeugung des Senats mit den Vorschriften der EG-Verordnungen nebst Durchführungsvorschriften die unzutreffende Rechtsgrundlage herangezogen. Maßgebend ist § 17a SGB IV.

§ 17a SGB IV regelt die Umrechnung von ausländischem Einkommen. Dessen Abs. 1 Satz 1 lautet: Ist Einkommen zu berücksichtigen, das in fremder Währung erzielt wird, wird es in Euro nach dem Referenzkurs umgerechnet, den die Europäische Zentralbank öffentlich bekannt gibt. Die EZB ermittelt den Referenzkurs u. a. für Polen (vergl. Kommentierung bei Hauck/Noftz, § 17a SGB IV, Rz 3, Fußnote 1d). Nach § 17a Abs. 2 Satz 1 SGB IV ist bei Berücksichtigung von Einkommen in den Fällen, in denen der Beginn der Leistung oder der neu berechneten Leistung in der Vergangenheit liegt, der Umrechnungskurs für den Kalendermonat maßgebend, in dem die Anrechnung des Einkommens beginnt. Nach Satz 2 ist bei Berücksichtigung von Einkommen in den Fällen, in denen der Beginn der Leistung oder der neu berechneten Leistung nicht in der Vergangenheit liegt, der Umrechnungskurs für den ersten Monat des Kalendervierteljahres maßgebend, das dem Beginn der Berücksichtigung von Einkommen vorausgeht. Die für die Einkommensanrechnung maßgebenden Monatsdurchschnittskurse werden jeweils am Monatsende veröffentlicht (vgl. Kommentierung bei Hauck/Noftz, a. a. O., Rz. 3). Der angewandte Umrechnungskurs bleibt nach Abs. 3 so lange maßgebend, bis 1. die Sozialleistung zu ändern ist, 2. sich das zu berücksichtigende Einkommen ändert oder 3. eine Kursveränderung von mehr als zehn vom Hundert gegenüber der letzten Umrechnung eintritt, jedoch nicht vor Ablauf von drei Kalendermonaten.

Nach § 17a Abs. 2 Satz 3 SGB IV bleibt überstaatliches Recht unberührt. Wegen der Vorrangigkeit des über- und zwischenstaatlichen Rechts ist § 17a SGB IV nicht anzuwenden, soweit dieses Recht eigene Vorschriften über die Kursumrechnung hat und einschlägig ist. Art. 107 der EWG-Verordnung Nr. 474/72, auf den sich die Beklagte für die Umrechnung bis 30. Juni 2010 bezieht, ist jedoch nach der Überzeugung des Senats nicht einschlägig. Denn er regelt die Durchführung der in seinem Abs. 1 im Einzelnen aufgeführten Vorschriften der EWG-Verordnung 1408/71 (abgelöst durch die EG-Verordnung Nr. 883/2004). Bei der hier gezahlten Rente unter Berücksichtigung der Vorschriften des FRG handelt es sich aber gerade nicht um eine Leistung, die in Anwendung der Vorschriften der EG-Verordnung gezahlt wird. Denn entgegen den Rechtsgedanken dieser Verordnung zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit berücksichtigt das FRG Zeiten, für die der Kläger bereits eine polnische Rente erhält. Auch die von der Beklagten zitierte Regelung laut Anhang XI Deutschland Nr. 7 EG-Verordnung 883/2004 beinhaltet die Weitergeltung der Vorschriften des FRG i. V. m. § 17a SGB IV. Dasselbe gilt für die von der Beklagten für die Zeit ab 1. Mai 2010 bzw. 1. Juli 2010 in Bezug genommene Regelung des Art. 90 der EG Verordnung Nr. 987/2009 iVm dem Beschluss Nr. H3 der Verwaltungskommission vom 15. Oktober 2009.

Somit hat die Beklagte bei der von ihr vorgenommenen Anrechnung die falschen Umrechnungsvorschriften zugrunde gelegt. Für den hier streitigen Zeitraum von März 2009 an war - in Anwendung von § 17a SGB IV - nach dem von der EZB veröffentlichen Referenzkurs/Monatsmittel die polnische Rente in Euro umzurechnen und zwar soweit die Beklagte bezogen auf die Vergangenheit Einkommen angerechnet hat, der Umrechnungskurs für den Kalendermonat, in dem die Anrechnung des Einkommens begann und soweit sie - wie im Ausgangsbescheid vom 3. Juni 2009 bezogen auf die Zeit ab 1. Juli 2009 - Einkommen berücksichtigt hat, und der Beginn der neu berechneten Leistungen nicht in der Vergangenheit lag, der Umrechnungskurs für den ersten Monat des Kalendervierteljahres, das dem Beginn der Berücksichtigung von Einkommen vorausgeht (§ 17a Abs. 2 Satz 2 SGBIV). In den Bescheiden, in denen zwar der Beginn der neu berechneten Leistung in der Vergangenheit lag, nämlich jeweils am 1. März (Bescheide vom 13. März 2010, 5. März 2011, 8. März 2012, 2. März 2013), aber nicht soweit, als dass bereits ein Monatsdurchschnitt hätte errechnet werden können, ist in entsprechender Anwendung des § 17a Abs. 2 Satz 1 auf den davorliegenden Monat (also jeweils Februar) abzustellen. Dabei ist des weiteren der oben bereits zitierte Abs. 3 zu berücksichtigen, d.h. dass jeweils gem § 17a Abs.3 S.1 Nr. 1 SGB IV zum 1. Juli 2009, 2011, 2012 und 2013 eine Rentenanpassung der deutschen Rente, jeweils gem. § 17a Abs.3 S.1 Nr. 2 zum 1. März 2009, 2010, 2011, 2012 und 2013 eine Erhöhung der polnischen Rente zu berücksichtigen war. §17a Abs. 3 S.1 Nr.3 SGB IV - eine Kursveränderung um mehr als 10 vom Hundert - kam im hier zu berücksichtigenden Zeitraum Dezember 2011 bis Februar 2012 zum Tragen; die Beklagte hat diesem Umstand aber bereits mit Bescheid vom 8. März 2012 (mehr als) ausreichend Rechnung getragen.

Zutreffend hätte die Beklagte - ausgehend von den Euro-Referenzkursen der EZB/Monatsdurchschnitte (veröffentlicht von der Deutschen Bundesbank, Zeitreihe BBK01.WU5633) folgende Monatsdurchschnittsreferenzkurse und die sich daraus ergebenden Anrechnungsbeträge berücksichtigen müssen:

Bescheid vom 3. Juni 2009 (Höhe poln. Rente ab 1.3.: 1871,55 Zt)

ab 1. März 2009

Kurs: 4,6210 (März 09;§17aII1)

Anrechnung: 405,01€

ab 1. Juli 2009

4,4326 (April 09;§17a II 2)

422,22 €

Bescheid vom 13. März 2010 (Höhe poln. Rente ab 1.3.: 1958,02 Zt)

ab 1. März 2010

Kurs:  4,0144 (Febr. 2010)
 (§17a II 1entspr)

Anrechnung: 487,75 €

Bescheid vom 30. April 2010

ab 1. April 2010

(keine Änderung iS von §48 SGB X)

ab 21.April 2010

(keine Änderung iS von §48 SGB X)

Bescheid vom 5. Juni 2010

ab 1. Juli 2010

(keine Änderung iS von §48 SGB X)

Bescheid vom 5. März 2011 (Höhe poln. Rente ab 1.3.: 2018,72 Zt)

ab 1. März 2011

 Kurs: 3,9264 (Febr. 2011)
(§17a II 1 entspr)

 Anrechnung: 514,14 €

Bescheid vom 4. Juni 2011

ab 1. Juli 2011

Kurs: 3,9694 (April 2011;§17aII2)

Anrechnung: 508,57 €

Bescheid vom 8. März 2012 (Höhe poln. Rente ab 1.3.12: 2089,72 Zt)

ab 1. März 2012

Kurs: 4,1835 (Febr. 2012)
(§17a II 1 entspr)

Anrechnung: 499,51 €

Bescheid vom 31. Mai 2012

ab 1. Juli 2012

 Kurs: 4,1782 (April 2012;§17aII2)

Anrechnung: 500,15 €

Bescheid vom 2. März 2013 (Höhe poln. Rente: 2173,31 Zt)

ab 1. März 2013

Kurs: 4,1700 (Febr. 2013)
(§17a II 1 entspr)

Anrechnung: 521,18 €

Bescheid vom 22. Juni 2013

ab 1. Juli 2013

Kurs: 4,1359 (April 2013;§17aII2)

Anrechnung: 525,47 €

Da zum 1. Juli 2010 keine Erhöhung der deutschen Rente vorgenommen wurde (Rentenanpassung 0 %), fehlte es auch bei Erlass des Bescheides vom 5. Juni 2010 an den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 48 SGB X, und damit zugleich an den für eine Heranziehung eines neuen Umrechnungskurses erforderliche „Änderung“ der Sozialleistung im Sinne des § 17a Abs. 3 SGB IV, so dass dieser den Kläger belastende Bescheid unter Abänderung des Urteils des SG, aufzuheben war. Die Höhe des in die Berechnung einzustellenden Rentenanspruchs nach deutschem Recht betrug vor und nach dem 1. Juli 2010 jeweils 841,59 € und die Höhe der polnischen Rente jeweils 1.958,02 Zt. Die Aufhebung des Änderungsbescheides vom 5. Juni 2010 hat zur Folge, dass der zuvor mit Bescheiden vom 13. März und 30. April 2010 festgesetzte monatliche Zahlbetrag von netto 339,88 € auch über den 1. Juli 2010 hinaus (bis zur Neufestsetzung mit Wirkung vom 1. März 2011 mit Bescheid vom 5. März 2011) maßgebend war.

Soweit die Beklagte anknüpfend an die Regelung des § 65 SGB VI über die jährlich zum 1. Juli vorzunehmende Rentenanpassung die Auffassung vertritt, eine Änderung der Sozialleistung im Sinne des § 17a Abs. 3 Nr. 1 SGB IV sei auch dann gegeben, wenn diese bei gleichgebliebenem Anspruchsgrund in unveränderter Höhe weitergewährt werde, vermag ihr der Senat nicht beizustimmen.

Eine „Änderung“ der Sozialleistung setzt eine Veränderung im Anspruchsgrund (etwa bei einem Wechsel von einer Erwerbsminderungsrente in eine Regelaltersrente) oder in der Anspruchshöhe voraus (vgl. Marschner in Kreikebohm, SGB IV, 2008, § 17a Rn. 8; Hauck/Noftz, § 17a SGB IV, Rn. 7). Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut des Tatbestandsmerkmals einer „Änderung“. In diesem Sinne hat auch der Gesetzgeber diese Regelung verstanden (vgl. BT-Drs. 10/2705, S. 17: Weitere Umrechnungen sollen erfolgen, wenn die Sozialleistung selbst, sei es durch Anpassung oder aus einem anderen Grund zu verändern ist… Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, bleibt die … zugrunde gelegte Umrechnung weiterhin maßgebend).

Auch vor dem Hintergrund, dass die nach § 65 SGB VI jährlich zum 1. Juli vorzunehmende Rentenanpassung in den letzten Jahren wiederholt zu dem Ergebnis einer Fortschreibung des bis dahin geltenden aktuellen Rentenwertes in unveränderter Höhe und damit zu einer Beibehaltung der jeweiligen Rentenzahlbeträge geführt hat, hat der Gesetzgeber keinen Anlass gesehen, von dem Erfordernis einer „Änderung“ der Sozialleistung im Sinne des § 17a Abs. 3 Nr. 1 SGB IV Abstand zu nehmen und beispielsweise auch unabhängig von einer Änderung der Rentenhöhe jeweils zum 1. Juli eines Jahres eine Berücksichtigung aktueller Umrechnungskurse vorzusehen. Dazu hat der Gesetzgeber, soweit ersichtlich, auch deshalb keinen Grund gesehen, weil er im Interesse insbesondere der Verwaltungsvereinfachung in den durch § 17a Abs. 3 SGB IV gesteckten Grenzen einen häufigen Wechsel der maßgeblichen Umrechnungskurse vermeiden und stattdessen auf „länger gültige Wechselkurse“ (BT-Drs. 10/2705, S. 17) zurückgreifen wollte.

Auch von Seiten der Beklagten konnten keine Umstände dafür aufgezeigt werden, dass der Gesetzgeber im vorliegenden Zusammenhang etwas anderes gemeint haben könnte, als er im Wortlaut des § 17a Abs. 3 SGB IV zum Ausdruck gebracht hat. Mangels einer planwidrigen Regelungslücke fehlt von vornherein ein rechtfertigender Anlass für eine vom Wortlaut abweichende Gesetzesinterpretation.

Die übrigen Bescheide waren mit der Maßgabe der sich aus der obigen Darstellung ergebenden Anrechnungsbeträge - unter Berücksichtigung des Verböserungsverbots - zu prüfen und der Bescheid vom 3. Juni 2009, unter Abänderung des Urteils des SG, sowie die gem. § 96 SGG zum Gegenstand des Berufungsverfahrens gewordenen Bescheide vom 5. März 2011 und 31. Mai 2012 auf die Klage - wie aus dem Tenor ersichtlich - zu ändern.

Die Begründung ergibt sich aus folgender Gegenüberstellung, wobei die erste Spalte den von der Beklagten angerechneten Betrag enthält, die zweite Spalte den unter Berücksichtigung von § 17a SGB IV errechneten Anrechnungsbetrag (der für den Kläger jeweils günstigere ist hervorgehoben):

Bescheid vom 3. Juni 2009

ab 1. März 2009:

523,26 €

405,01 €

ab 1. April 2009

(aufgrund 10% Schwankung): 442,44 €

ab 1. Juli 2009:

422,23 €

422,22 €

Bescheid vom 13. März 2010

ab 1. März 2010:

464,58 €

487,75 €

Bescheid vom 5. März 2011

ab 1. März 2011:

515,80 €

514,14 €

Bescheid vom 4. Juni 2011

ab 1. Juli 2011:

499,71 €

508,57 €

Bescheid vom 8. März 2012

ab 1. Dez. 2011

(aufgrund 10% Schwankung): 450,87 €

ab 1. März 2012:

497,49 €

499,51 €

Bescheid vom 31. Mai 2012

ab 1. Juli 2012:

504,22 €

500,15 €

Bescheid vom 2. März 2013

ab 1. März 2013:

520,03 €

521,18 €

Bescheid vom 22. Juni 2013

ab 1. Juli 2013:

519,36 €

525,47 €.

Unter Berücksichtigung der im Tenor dargestellten Anrechnungsbeträge hat die Beklagte den Nachzahlungsbetrag zu errechnen.

Soweit der Kläger ursprünglich die Berücksichtigung der monatlich schwankenden offensichtlich nach dem jeweiligen Tageskurs berechneten tatsächlichen Überweisungsbeträge der polnischen Rente erstrebt hat, fand dieses Begehren in den gesetzlichen Regelungen keine Grundlage. Der Kläger hält daran auch ausweislich des in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrags nicht mehr fest.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), sind nicht gegeben.