Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 25.07.2013, Az.: L 10 R 630/10
Erwerbsminderungsrente; Leistungseinschränkung; Schmerzbeschwerden; Objektivierung und sozialmedinzinische Nachvollziehbarkeit
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 25.07.2013
- Aktenzeichen
- L 10 R 630/10
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2013, 51355
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2013:0725.L10R630.10.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Lüneburg - 11.10.2010 - AZ: S 13 R 64/09
Rechtsgrundlagen
- § 43 Abs. 1 SGB VI
- § 43 Abs. 2 SGB VI
Redaktioneller Leitsatz
1. Eine zeitliche Begrenzung des Leistungsvermögens ist möglich durch eine Schmerzmedikation (hochdosierte Morphintherapie) mit all ihren Nebenwirkungen.
2. Für die Erwerbsminderungsrente aufgrund von Schmerzen ist nach dem Gesetz jedoch zu verlangen, dass der Versicherte nicht mehr in der Lage ist, mindestens täglich sechs Stunden und mehr zu arbeiten.
3. Dafür kommt es - ausgehend von den sozialmedizinischen Sachverständigengutachten - darauf an, ob in Übereinstimmung mit der herrschenden medizinischen Auffassung davon auszugehen ist, dass eine plausible Beziehung zwischen der Eigenangabe des Versicherten zur Leistungseinschränkung und den aktenkundigen und anamnestischen Alltagsaktivitäten, dem körperlichen Untersuchungsbefund einschließlich der Beobachtung komplexer Bewegungsabläufe und dem klinischen und technischen Befund besteht oder eben nicht.
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Lüneburg vom 11. Oktober 2010 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zusteht.
Der 1963 geborene Kläger hat die Hauptschule ohne Abschluss verlassen und in der Folge zunächst eine Ausbildung zum Stahlbauschlosser, später zum Dachdecker abgebrochen. Seitdem ist er als ungelernter Arbeiter tätig gewesen. Durch einen im Jahr 1983 erlittenen Verkehrsunfall war er für viele Monate krankheitsbedingt nicht in der Lage, einer beruflichen Tätigkeit nachzugehen. Danach war er wieder in verschiedenen Bereichen als Arbeiter tätig, so im Straßen- und Brückenbau sowie auf Montage. Seit einem zweiten, im Jahr 2007 erlittenen Verkehrsunfall ist der Kläger einer Berufstätigkeit nicht mehr nachgegangen. Seit Februar 2008 bezieht er Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB XII.
Im April 2008 beantragte der Kläger die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung und verwies in diesem Zusammenhang auf die erlittenen Verkehrsunfälle mit Beckentrümmerbruch bzw. LWK-1-Fraktur. Die Beklagte ließ den Kläger von der Chirurgin I. begutachten, die in ihrem Gutachten vom 20. August 2008 im Wesentlichen eine LWK-1-Fraktur nach Trauma im Juli 2007 mit paralumbaler Schmerzausstrahlung, ein chronisches Schmerzsyndrom mit Somatisierungsstörung und eine knöchern konsolidierte Beckenringtrümmerfraktur mit Harnröhrenabriss (1983) diagnostizierte und den Kläger für in der Lage hielt, mindestens sechs Stunden täglich körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten im Haltungswechsel verrichten zu können. Ausgeschlossen seien das Tragen von schweren Lasten über 15 kg, hockende, kniende oder bückende Tätigkeiten sowie andere Zwangshaltungen und das Besteigen von Treppen, Leitern und Gerüsten. Die Beklagte lehnte daraufhin die Rentengewährung mit Bescheid vom 28. August 2008 ab. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch und begründete diesen im Wesentlichen damit, aufgrund seiner Schmerzen nicht in der Lage zum Arbeiten zu sein; er könne weder eine Stunde stehen, noch eine Stunde sitzen. Um seine Schmerzen ertragen zu können, nehme er dreimal täglich Morphin. Die Beklagte ließ den Kläger daraufhin von dem Neurologen und Psychiater Dr. J. untersuchen, der in seinem Gutachten vom 2. Dezember 2008 auf seinem Fachgebiet die Diagnosen einer Anpassungs- und Persönlichkeitsstörung stellte. Die psychischen Beschwerden seien zurzeit nicht so gravierend, dass daraus eine Erwerbsunfähigkeit resultieren könne. Der Kläger sei in der Lage, körperlich leichte Tätigkeiten in wechselnder Haltung und ohne besondere Anforderung an die Verantwortung, Umstellungsfähigkeit und ohne Akkord täglich sechs Stunden und mehr zu verrichten. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16. Januar 2009 unter Hinweis auf die ärztlichen Gutachten zurück.
Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Lüneburg erhoben und die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit begehrt. Während des gerichtlichen Verfahrens hat der Kläger vom 7. bis 28. Juli 2009 eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme im Reha-Zentrum K. absolviert. Die dort behandelnden Ärzte haben im Wesentlichen die Diagnosen "chronische Schmerzstörung bei knöchern konsolidierter Beckenringtrümmerfraktur bds. und LWK-1-Fraktur nach Trauma 7/2007, mittelgradige depressive Episode" gestellt und den Kläger dabei für in der Lage erachtet, körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten überwiegend im Sitzen und mit der Möglichkeit zum regelmäßigen Haltungswechsel täglich sechs Stunden und mehr zu verrichten. Ausgeschlossen seien dabei Arbeiten mit ständigem/überwiegendem Heben, Tragen und Bewegen schwerer Lasten, permanenten Vibrationen/Erschütterungen, Zwangshaltungen wie Hocken oder Bücken und abrupten Bewegungsänderungen oder großen Stoßbelastungen. Das Sozialgericht hat Befundberichte der behandelnden Ärzte des Klägers beigezogen und diesen dann von dem Orthopäden Dr. L. begutachten lassen. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 19. Januar 2010 im Wesentlichen eine chronische Schmerzkrankheit auf der Basis posttraumatischer Veränderungen des Beckens mit weit altersvoreilenden degenerativen Veränderungen beider Hüftgelenke mit klinisch relevanter Bewegungseinschränkung und einer statisch funktionell ungünstigen Veränderung der Lenden- und Brustwirbelsäule mit weitestgehender Einsteifung infolge einer LWK-1-Fraktur nach Autounfall 2007 diagnostiziert. Daneben bestünden altersvoreilende degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule mit weitgehender Bewegungseinschränkung. Das Leistungsvermögen sei zurzeit dramatisch eingeschränkt und der Kläger nur noch in der Lage, maximal drei Stunden täglich körperlich leichteste Tätigkeiten im Haltungswechsel bei freier Einteilbarkeit der Gesamtpausenzeit zu verrichten. Ganz ausgeschlossen seien Heben, Tragen und Bewegen von Lasten über 5 kg, Arbeiten in Zwangshaltungen der Wirbelsäule oder in der Hocke. Arbeiten dürften auch nicht unter Einwirkung von Kälte, Nässe und Zugluft erfolgen. Wegstrecken zu Fuß von mehr als 500 m seien dem Kläger zumutbar. Von der Benutzung von Fahrzeugen als aktiver Teilnehmer am Straßenverkehr sei abzuraten. Die zeitliche Begrenzung des Leistungsvermögens begründe sich in der hohen Schmerzmedikation mit ihrer schweren zentralen Dämpfung und Minderung der Konzentrationsfähigkeit. Die festgestellten Beeinträchtigungen des Leistungsvermögens bestünden seit Juli bzw. April 2009.
Die Beklagte hat sich zunächst der medizinischen Beurteilung des Sachverständigen sowohl zum Umfang des Leistungsvermögens, als auch bezüglich des Eintritts des Leistungsfalls im April 2009 angeschlossen, jedoch darauf hingewiesen, dass die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen letztmalig am 30. November 2008 erfüllt gewesen seien. Zu diesem Zeitpunkt sei der Leistungsfall noch nicht eingetreten gewesen, was sich auch aus dem Entlassungsbericht des Reha-Zentrums K. vom 6. August 2009 ergebe. Das Sozialgericht hat eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen Dr. L. eingeholt, der unter dem 30. Mai 2010 ausgeführt hat, dass ausweislich des Gutachtens der Chirurgin I. eine Basismedikation mit 3 x 60 mg Morphinsulfat seit Juli 2007 bestätigt worden ist. Eine wesentliche Änderung der Belastbarkeit durch zunehmende Fentanyl-Medikation mit unwägbaren Nebenwirkungen - wie dies bei Fentanyl, einem synthetischen Opioid jenseits der Betäubungsmittelgrenze der Fall sei - sei nicht belegt. Aus diesem Grund ergebe sich keine Änderung der Bewertung des Eintretens des Zeitpunktes der Leistungsminderung (April 2009).
Auf das Ergebnis der Beweisaufnahme gestützt hat das Sozialgericht die Klage mit Gerichtsbescheid vom 11. Oktober 2010 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass eine rentenberechtigende Minderung des Leistungsvermögens im November 2008 nicht vorgelegen habe. Der Sachverständige habe ausgeführt, dass seit Juli 2007 eine Basismedikation mit Morphinsulfat durchgeführt worden sei und eine wesentliche Änderung der Belastbarkeit durch die zunehmende Fentanyl-Medikation nicht belegt sei. Weil nach der Darstellung des Sachverständigen eine Änderung der Belastbarkeit durch die Medikation nicht nachgewiesen sei und von verschiedener ärztlicher Seite vor Juli 2009 ein vollschichtiges Leistungsvermögen beschrieben worden sei, könne von einer verminderten Erwerbsfähigkeit des Klägers nicht ausgegangen werden. Die Leistungsminderung sei erst im Juli 2009 eingetreten, zu diesem Zeitpunkt hätten jedoch die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht mehr vorgelegen.
Gegen den ihm am 21. Oktober 2010 zugestellten Gerichtsbescheid wendet sich die am 22. November 2010 (Montag) eingegangene Berufung des Klägers. Er weist darauf hin, dass er seit dem im Jahr 2007 erlittenen schweren Autounfall an den starken Schmerzen leide und auch schon seit diesem Zeitpunkt auf starke schmerzstillende Medikamente angewiesen sei. Es sei nicht nachzuvollziehen, welche im Juli bzw. April 2009 eingetretene Veränderung Anlass dafür sein solle, ab diesem Zeitpunkt die eingeschränkte Leistungsfähigkeit anzunehmen. Gerade auch die starken Schmerzmittel sowie die erheblichen Nebenwirkungen hätten dazu geführt, dass er im Jahr 2008 den Rentenantrag gestellt habe.
Der Kläger beantragt,
1. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Lüneburg vom 11. Oktober 2010 und den Bescheid der Beklagten vom 28. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Januar 2009 aufzuheben,
2. die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Lüneburg vom 11. Oktober 2010 zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid und den mit ihm überprüften Bescheid für zutreffend. Allerdings schließt sie sich den Ausführungen des Sachverständigen Dr. L. im Hinblick auf die durch Schmerzmittel verursachte Leistungsminderung nicht mehr an, sondern meint unter Hinweis auf die Aussage ihres beratenden Arztes Dr. M., dass bei längerem Gebrauch von Schmerzmedikamenten "Gewöhnungseffekte" aufträten, so dass die Nebenwirkungen deutlich weniger stark ausgeprägt seien. Objektive Anhaltspunkte dafür, dass die Nebenwirkungen der Schmerzmedikamente erheblich und tatsächlich die Leistungsfähigkeit des Klägers beeinträchtigt hätten, seien nicht vorhanden.
Der Senat hat im vorbereitenden Verfahren Auskünfte der behandelnden Ärzte Dr. N. und Dr. O. beigezogen und eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen Dr. L. veranlasst. Dieser Sachverständige hat unter dem 26. Oktober 2011 ausgeführt, dass die Fentanyl-Medikation zu Unrecht in den Mittelpunkt der Betrachtung gerückt sei, denn diese besitze nur eine untergeordnete Rolle für die Frage der Leistungsfähigkeit des Klägers. Die zeitliche Begrenzung des Leistungsvermögens lasse sich bereits aus der Schmerzmedikation Morphinsulfat retard 60 mg ab 180 mg pro Tag ableiten. Für den Zeitraum ab 5. Mai 2008 sei die hochdosierte Morphintherapie mit all ihren Nebenwirkungen belegt.
Darüber hinaus hat der Senat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Neurologen und Psychiaters Dr. P. vom 7. Februar 2013. Dieser Sachverständige hat auf seinem Fachgebiet die Diagnose "leichte depressive Episode" gestellt und darauf hingewiesen, dass eine Schmerzkrankheit im engeren Sinne bei dem Kläger nicht vorliege. Eine zeitliche Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit des Klägers sei nicht anzunehmen, insbesondere resultiere eine solche nicht aus der Schmerzmedikation, weder aktuell noch zu einem früheren Zeitpunkt. Denn aktuell seien bei dem Kläger selbst unter einer noch höheren Dosierung von Opioiden - als dieses zum Zeitpunkt der Untersuchung durch Dr. L. der Fall gewesen sei - keine unerwünschten Wirkungen feststellbar, die die mnestischen/kognitiven Funktionen nachvollziehbar beeinträchtigten. Darüber hinaus würden solche potentiellen unerwünschten Wirkungen durch Opioide nur in der Einschleichphase und damit nur vorübergehend auftreten; durch die dauerhafte Einnahme komme es zu einer schnellen Gewöhnung. Relevante Einschränkungen der kognitiven/mnestischen Funktionen seien letztlich auch im Rahmen der Begutachtung des Gutachters Dr. J. im Dezember 2008 nicht beschrieben worden.
Dem Senat haben die Prozessakte und die Verwaltungsakten der Beklagten vorgelegen. Die Akten sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Sachverständigen wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und damit zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 28. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Januar 2009 ist nicht rechtswidrig. Auch nach Ansicht des Senates steht dem Kläger ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung gemäß §§ 43, 240 SGB VI nicht zu.
Ein Rentenanspruch nach § 43 SGB VI erfordert neben weiteren Voraussetzungen das Vorliegen von Erwerbsminderung. Sowohl der Leistungsfall der teilweisen als auch der vollen Erwerbsminderung setzen grundsätzlich eine zeitliche Herabsetzung des beruflichen Leistungsvermögens voraus. Dementsprechend ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann, vgl. § 43 Abs. 3 SGB VI. Dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, dass der Kläger durch die bei ihm vorliegenden Erkrankungen zwar in seinem beruflichen Leistungsvermögen beeinträchtigt, gleichwohl jedoch in der maßgeblichen Zeit zwischen Stellung des Rentenantrags und dem Erlass des vorliegenden Urteils noch in der Lage war und ist, wenigstens sechs Stunden täglich jedenfalls körperlich leichte Arbeiten bei Einhaltung bestimmter qualitativer Leistungseinschränkungen zu verrichten.
Die Erwerbsfähigkeit des Klägers ist dabei im Wesentlichen auf orthopädischem Fachgebiet beeinträchtigt. Dies ergibt sich aus dem Gutachten der Chirurgin I. vom 20. August 2008, dem Reha-Entlassungsbericht des Reha-Zentrums K. vom 16. August 2009 sowie den Gutachten der Sachverständigen Dr. L. vom 19. Januar 2010 und Dr. Bunsen vom 7. Februar 2013.
Übereinstimmend ist diesen Feststellungen zu entnehmen, dass der Kläger nach zwei erlittenen Verkehrsunfällen im Wesentlichen an den Folgen einer Beckenringtrümmerfraktur mit Harnröhrenabriss (1983) sowie einer LWK1-Fraktur (2007) leidet. Die Gutachterin I. hat dabei noch im August 2008 darauf hingewiesen, dass die mitgeführten Röntgenaufnahmen eine gute knöcherne Konsolidierung im Bereich der ehemaligen Beckentrümmerfraktur beidseits aufweisen, so dass hier kein Hinweis für einen vorauseilenden Verschleiß im Bereich beider Hüftgelenke bestand. Allerdings klagte der Kläger über LWS-Beschwerden, die paralumbal beidseits ausstrahlten. Die Gutachterin notierte, dass er Spaziergänge bis zu einer Stunde unternehmen könne, wobei er eine Strecke von 5 bis 6 km zurücklege. Im Übrigen zeigten sich bei der Untersuchung die unteren als auch die oberen Extremitäten allseits frei beweglich, auch die Wirbelsäule war in allen Ebenen altersentsprechend frei beweglich. Lediglich entlang der Dornfortsätze der LWS bestanden diskrete Druck- und Klopfschmerzen und die paravertebrale Muskulatur zeigte druckschmerzhafte Myogelosen paralumbal beidseits. Auch die Hüft- und Kniegelenke waren in allen Ebenen endgradig frei beweglich. Einen vergleichbaren orthopädischen Status im Hinblick auf die oberen und unteren Extremitäten zeichnet der Reha-Entlassungsbericht vom 6. August 2009. Im Bereich der Schultergelenke bestand danach eine annähernd freie Beweglichkeit, des Weiteren ein unauffälliger Befund für Ellenbogen-, Hand- und Fingergelenke. Beide Kniegelenke waren ebenso unauffällig wie die Hüftgelenke. Die Muskulatur an den Beinen aber auch am Oberkörper zeigte sich seitengleich ohne Zeichen einer Atrophie bei einem insgesamt eher athletischen Körperbau. Allerdings war ein sehr verlangsamtes, breitbeiniges und kurzschrittiges Gangbild auffällig, die differenzierten Gangarten waren dem Kläger nur eingeschränkt möglich bei deutlicher Funktionseinschränkung der Wirbelsäule: Es bestand ein Druck- und Klopfschmerz über dem LWK1 beidseitig im thorakolumbalen Übergang sowie ein Druckschmerz über beiden Iliosakralgelenken. Das Vorlaufphänomen konnte nicht sicher beurteilt werden, weil die Inklination erheblich verlangsamt und eingeschränkt war (FBA 45 cm). Daneben bestand ein deutlicher Reklinationsschmerz, die Seitneigung beidseits war nahezu aufgehoben. Auch der orthopädische Sachverständige Dr. L. hat in seinem Gutachten vom 19. Januar 2010 insbesondere Beschwerden des Klägers in der gesamten Lendenwirbelsäule, beginnend etwa im Übergang zwischen Brust- und Lendenwirbelsäule mit Ausstrahlung über die gesamte Lendenwirbelsäule bis hinunter in die rechte Gesäßhälfte beschrieben. Im Zuge der körperlichen Untersuchung stellte dieser Sachverständige eine erhebliche Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule in allen Ebenen ohne wesentliche Schmerzangabe und erstmals eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung beider Hüftgelenke fest. Schließlich hat auch der Sachverständige Dr. P. in seinem Gutachten vom 7. Februar 2013 im Hinblick auf den orthopädischen Status in erster Linie leichte Verspannungen im Lendenwirbelsäulenbereich sowie einen wahrgenommenen Klopfschmerz im oberen Bereich der Lendenwirbelsäule mitgeteilt und insoweit eine Einschränkung der Funktion (Vermeiden der Oberkörpervorneige) festgestellt. Die Kopfbeweglichkeit war in allen Richtungen schmerzfrei möglich, es ließen sich auch keine Verspannungen im Nackenbereich tasten. Bei passiver Außenrotation wurde zudem in beiden Hüftgelenken ein Schmerz angegeben, ohne dass aber die Gelenkbeweglichkeit eingeschränkt gewesen wäre. Darüber hinaus waren die großen Gelenke aktiv und passiv in ihrer Beweglichkeit nicht eingeschränkt.
Aufgrund der vorbenannten Feststellungen geht der Senat in Übereinstimmung mit der Gutachterin Dr. I., den Ärzten der Reha-Klinik K. sowie dem Sachverständigen Dr. P. davon aus, dass der Kläger trotz der orthopädischen Erkrankungen in der Lage war und ist, zumindest körperlich leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung, ohne ständiges Bücken, Hocken, Knien oder Zwangshaltungen der Wirbelsäule, ohne Tragen von Lasten über 5 kg, nicht auf Leitern und Gerüsten täglich sechs Stunden auszuführen. Dabei sind permanente Vibrationen und Erschütterungen ebenso zu vermeiden wie abrupte Bewegungsänderungen oder große Stoßbelastungen. Bei Einhaltung dieser qualitativen Leistungseinschränkungen ist der Minderbelastbarkeit des Klägers auf orthopädischem Fachgebiet (Wirbelsäule, Hüfte) hinreichend genüge getan. Anhaltspunkte dafür, dass bei Ausschluss der zu vermeidenden Arbeiten und Arbeitsumstände ein täglich wenigstens sechsstündiges Leistungsvermögen aufgrund der orthopädischen Leiden nicht mehr vorhanden oder das Erfordernis zusätzlicher, unüblicher Pausen gegeben sein könnte, sieht das Gericht in Übereinstimmung mit den genannten ärztlichen Leistungsbeurteilungen nicht. Auch der Kläger selbst dürfte im Übrigen diese Einschätzung noch im Juli 2009 geteilt haben, denn er hat gegenüber den Ärzten der Reha-Klinik K. die abschließende Vermutung geäußert, sich eine leichte Tätigkeit z.B. im Rahmen einer Fahrdiensttätigkeit vorstellen zu können. Weil auch die erforderliche Wegefähigkeit erkennbar nicht rentenrelevant beeinträchtigt ist, muss sich der Kläger mit seinem verbliebenen Leistungsvermögen auf das Gesamtfeld des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisen lassen, denn die gebotenen qualitativen Leistungsausschlüsse stellen keine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung dar.
Die Ausführungen des Sachverständigen Dr. L., der im Ergebnis zu der Einschätzung gelangt ist, dass der Kläger nur maximal drei Stunden körperlich leichteste Arbeiten verrichten könne, stehen dieser Annahme nicht entgegen. Denn dieser Sachverständige hat die von ihm angenommene zeitliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit nicht mit den orthopädischen Erkrankungen des Klägers begründet, sondern mit den vorhandenen Schmerzen und der Depression sowie der hohen Schmerzmittelmedikation und den dadurch angeblich hervorgerufenen Nebenwirkungen. Dies wird deutlich auf Seite 20 seines Gutachtens, letzter Absatz. Hier bringt der Sachverständige klar zum Ausdruck, dass dann, wenn die Schmerzen und die Psyche des Klägers einer gezielten Therapie zugeführt würden, zu erwarten sei, dass der Kläger wieder einer Teilhabe am Arbeitsleben zugeführt werden könne; nicht ohne Grund sei die Entlassung aus der Rehabilitationsbehandlung im Reha-Zentrum K. als durchaus arbeitsfähig für Arbeiten mit qualitativen Einschränkungen erfolgt. Bei genauer Betrachtung schließt sich Dr. L. im Hinblick auf die orthopädischen Beschwerden der Beurteilung der Ärzte der Reha-Klinik K. zu den quantitativen und qualitativen Leistungseinschränkungen des Klägers an. Noch deutlicher geht dies aus Seite 26 des Gutachtens, 4. Absatz, hervor. Hier betont Dr. L., dass die von ihm angenommene zeitliche Begrenzung des Leistungsvermögens aus der hohen Schmerzmedikation mit ihrer schweren zentralen Dämpfung und Minderung der Konzentrationsfähigkeit und Vigilanz resultiere. Allein die orthopädischen Erkrankungen und die daraus resultierenden Leistungseinschränkungen führen also auch nach Einschätzung dieses Sachverständigen nicht zu einer zeitlichen Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit des Klägers.
Soweit der Kläger geltend macht, aufgrund seiner Schmerzen nicht in der Lage zu sein, täglich sechs Stunden und mehr zu arbeiten, kann sich das Gericht dieser Einschätzung unter Berücksichtigung des Gutachtens des Sachverständigen Dr. P. vom 7. Februar 2013 nicht anschließen. In Übereinstimmung mit der herrschenden medizinischen Auffassung ist davon auszugehen, dass für die sozialmedizinische Leistungsbeurteilung von Schmerzen erforderlich ist, dass eine plausible Beziehung zwischen einerseits den von dem Versicherten vorgebrachten Leistungsangaben und andererseits den aktenkundigen und anamnestischen Alltagsaktivitäten, dem körperlichen Untersuchungsbefund einschließlich der Beobachtung komplexer Bewegungsabläufe und dem klinischen und technischen Befund herzustellen ist (vgl. dazu: VDR, Sozialmedizinische Begutachtung für die gesetzliche Rentenversicherung, 6. Aufl., S. 585 ff m.w.N.). Keiner der Gutachter oder Sachverständigen hat in den Untersuchungssituationen Beobachtungen tätigen können, die auf eine wesentliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit des Klägers aufgrund der Schmerzen schließen lassen: Der Sachverständige Dr. L. hat zwar ein unruhiges Sitzen in der Wartezone, geprägt von ständigem Hin- und Herbewegen sowie von häufigem Aufrichten und Umhergehen beschrieben. Das Gangbild war dabei teils ungleichschrittig und mühsam während der ersten Schritte, das Aufrichten geschah ungelenk. Diese Beobachtungen lassen sich jedoch ohne weiteres in Einklang mit den orthopädischen Beschwerden des Klägers bringen und darüber hinaus keinen Rückschluss auf eine wesentliche Einschränkung des zeitlichen Leistungsvermögens durch etwa darüber hinausgehende - also noch nicht von der orthopädischen Erkrankung bedingte und im Rahmen der insoweit angenommenen qualitativen Leistungseinschränkung bereits berücksichtigten - Schmerzen zu. Weitere Verhaltensbeobachtungen sind dem Gutachten des Sachverständigen Dr. L. nicht zu entnehmen. Auch die von dem Sachverständigen Dr. P. getätigten Beobachtungen lassen einen Rückschluss auf zusätzliche, also über das Ausmaß der durch die orthopädischen Erkrankung bedingten Schmerzen nicht zu: Dr. P. hat von einer während der Untersuchung fast durchgängig gezeigten Zwangshaltung im Sitzen mit gestreckter LWS berichtet und einem regelmäßigen Haltungswechsel, indem der Kläger aufstand und einige Schritte im Raum machte, bevor er sich wieder hinsetzte. Das Aufrichten aus sitzender Position erfolge nach vorherigem Abrollen auf die Seite mit Unterstützung durch die Arme. Diese Beobachtungen entsprechen ohne weiteres dem Verhaltensmuster von Personen mit Wirbelsäulenschäden. Das An- und Auskleiden erfolgte ohne sichtbare Einschränkungen. Insbesondere waren keine Einschränkungen bei den Überkopfbewegungen beobachtbar. Beim Auf- und Zuknöpfen der Schuhe ging der Kläger in die Hocke. Hilfsmittel wurden beim Gehen nicht benutzt. Dr. P. konnte keinen Anlaufschmerz beobachten, auch kein Hinken. Aufgefallen war dem Sachverständigen allerdings, dass zu Beginn der Untersuchung, als der Kläger den Untersuchungsraum betrat, noch ein humpelndes Gangbild beobachtbar war mit Entlastung des linken Beines. Im Laufe der späteren körperlichen Untersuchung konnte Dr. P. dies nicht mehr beobachten. Auch der Hacken- und Fußspitzengang war dem Kläger beidseits möglich, Schmerzen wurden dabei nicht angegeben. Darüber hinaus gab der Kläger gegenüber dem Sachverständigen Dr. P. an, dass er im Liegen nahezu beschwerdefrei sei, so dass auch eine ausreichende Nachtruhe gewährleistet sei, und dass auch das Gehen eigentlich relativ beschwerdearm sei, weshalb er fast jeden Tag gerne spazieren gehe, ohne dass er dabei allerdings komplett beschwerdefrei sei. Zum Tagesablauf befragt hat der Kläger Dr. P. geschildert, morgens in der Regel gegen 06.00 Uhr aufzustehen und nach der Morgentoilette einen Kaffee zu trinken. Anschließend sehe er fern, trinke dann noch einen Kaffee, bevor er sich an seinen PC setze. Hier sehe er auch Filme, höre Musik und könne sich mit Unterbrechungen auch längere Zeit beschäftigen. Das Mittagessen nehme er ab ca. 12.00 Uhr warm ein, wobei er, wenn es ihm finanziell gut gehe, gerne selbst koche. Daneben erledige er seine Einkäufe selbst, sofern ihm genug Geld zur Verfügung stehe und gehe gerne spazieren, manchmal auch erst in der Nacht. Der Sachverständige Dr. P. skizziert damit zwar einen weitgehend sozial isolierten Kläger, dessen Tagesablauf im Wesentlichen aus Tätigkeiten am PC sowie Spaziergängen bestehen. Allerdings ist nicht zu erkennen, dass sich der Kläger durch seine Schmerzzustände in diese soziale Isolation begeben hat bzw. dass aufgrund des Leidensdruckes der Schmerzen der Alltag des Klägers wie aufgezeigt bestimmt ist. Denn der Sachverständige hat klar zum Ausdruck gebracht, dass vielmehr die wirtschaftliche schlechte Situation des Klägers ausschlaggebend sowohl für die soziale Isolation, als auch die eingeschränkten Alltagsaktivitäten ist. So hat der Sachverständige nachvollziehbar aufgezeigt, dass der soziale Rückzug des Klägers im Laufe der letzten Jahre nicht wegen seiner als unerträglich empfundenen Schmerzen, sondern im Gefolge als Reaktion auf die veränderte soziale Situation im Anschluss an den zweiten Unfall 2007 mit dem endgültigen Verlust der Arbeitsstelle und den damit verbundenen erheblichen finanziellen Einbußen und der inzwischen eingetretenen Perspektivlosigkeit erfolgt ist. Zu seiner wirtschaftlichen Situation befragt, hat der Kläger dem Sachverständigen in diesem Zusammenhang berichtet, in einer gemieteten Zweizimmerwohnung zu wohnen, die von der Stadt bezahlt werde. Dazu erhalte er monatlich 270,00 EUR für den Lebensunterhalt. Das Geld reiche häufig nicht zum Monatsende, so dass er in den letzten Tagen vor Auszahlung seines Monatsbetrages nur noch unregelmäßig essen könne. Dabei sei er fast nur zu Hause, gehe, wenn überhaupt, nur notgedrungen zum Einkaufen nach Draußen. Seine finanzielle Situation sei ausgesprochen problematisch, jede zusätzliche Ausgabe überfordere ihn. So habe er z.B. kürzlich einen stationären Reha-Termin absagen müssen, weil er einfach nicht das Geld für Turnschuhe und einen Sportanzug zusammenbekommen habe. Gerne würde er regelmäßig in die Therme zum Baden gehen oder in die Sauna, könne dies aber aus finanziellen Gründen nicht. Wenn er mehr Geld zur Verfügung hätte, würde er auch zuerst seinen Führerschein neu beantragen. Zusammenfassend ist damit nicht zu erkennen, dass der Kläger gerade durch die Schmerzzustände in seinem Leistungsvermögen weitestgehend eingeschränkt ist oder war, so dass nicht hinreichend dargelegt ist, dass er bei Einhaltung der aufgezeigten qualitativen Leistungseinschränkungen nicht in der Lage sein sollte, noch wenigstens sechs Stunden am Tag zu arbeiten.
Unter Berücksichtigung der depressiven Begleitsymptomatik ergibt sich keine andere Einschätzung der Sach- und Rechtslage. Sowohl der Gutachter Dr. J. als auch der Sachverständige Dr. P. haben auf neurologischem und psychiatrischem Fachgebiet keine gravierende Einschränkung der Leistungsfähigkeit erkennen können. So war der Kläger nach der Einschätzung des Gutachters Dr. J. in der Lage, körperlich leichte Tätigkeiten in wechselnder Haltung und ohne besondere Anforderungen an die Verantwortung, Umstellungsfähigkeit und ohne Akkord vollschichtig zu verrichten. Der Sachverständige Dr. P. konnte auf psychiatrischem Fachgebiet nur eine depressive Störung i.S. einer depressiven Episode leichter Ausprägung feststellen und hat insoweit klargestellt, dass sich das depressive Syndrom auf die Leistungsfähigkeit nur insofern auswirke, als die somatischen Beschwerden subjektiv verstärkt wahrgenommen würden. Ansonsten sei bei einer leichten Ausprägung die dem depressiven Syndrom u.a. innewohnende Antriebshemmung und erhöhte Ermüdbarkeit nicht so ausgeprägt, dass nicht noch eine vollschichtige Leistungsfähigkeit gewährleistet wäre. Unter Berücksichtigung der psychiatrischen Erkrankung mutet der Senat dem Kläger deshalb auch keine Tätigkeiten mit besonderen Anforderungen an die Verantwortung und Umstellungsfähigkeit zu; auch im Akkord darf der Kläger nicht mehr arbeiten. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sind aber ausreichend körperlich leichte Tätigkeiten vorhanden, die diese Anforderungen nicht stellen.
Eine dauerhafte, rentenrelevante Leistungsminderung aufgrund der depressiven Erkrankung lag bzw. liegt damit nicht vor.
Kein anderes Ergebnis kann sich im Hinblick auf den von dem Kläger durchgeführten Schmerzmittelgebrauch ergeben. Zwar ist der Sachverständige Dr. L. in seinem Gutachten vom 19. Januar 2010 samt ergänzender Stellungnahmen vom 30. Mai 2010 und 26. Oktober 2011 ausdrücklich zu der zusammenfassenden Einschätzung gelangt, dass der Kläger über ein Leistungsvermögen von maximal drei Stunden für körperlich leichteste Arbeiten in wechselnder Körperhaltung bei freier Einteilbarkeit der Gesamtpausenzeit verfüge, wobei dieser Sachverständige dies ganz wesentlich mit der hohen Schmerzmedikation und ihrer schweren zentralen Dämpfung und Minderung der Konzentrationsfähigkeit und Vigilanz begründet hat. Im Hinblick auf den Schmerzmittelgebrauch hat Dr. L. in seinem Gutachten vom 19. Januar 2010 unter "jetzige Therapie" festgehalten, dass der Kläger eine Basismedikation von Morphinsulfat retard 60 mg morgens und abends eine Tablette, nach Bedarf bis zu vier Tabletten einnehme. Dabei hat Dr. L. darauf hingewiesen, dass dieses Medikament in einer Maximaldosierung von 240 mg (vier Tabletten) eingenommen werden könne und dass diese Dosis bereits die Teilnahme am Straßenverkehr und die Wegefähigkeit erheblich einschränke, wenn nicht aufhebe. In der zusammenfassenden Beurteilung ist dieser Sachverständige sodann zu der Einschätzung gelangt, dass das Leistungsvermögen des Klägers zurzeit dramatisch eingeschränkt sei; die zeitliche Begrenzung des Leistungsvermögens des Klägers resultiere dabei bereits aus der Schmerzmedikation Morphinsulfat retard 60 mg. Diese Schlussfolgerung hat der Sachverständige Dr. L. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 26. Oktober 2011 auch nochmals bekräftigt: Danach lasse sich die zeitliche Begrenzung des Leistungsvermögens des Klägers bereits aus der Schmerzmedikation Morphinsulfat retard 60 mg ab 180 mg pro Tag ableiten.
Der Senat kann dieser Einschätzung unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Sachverständigen Dr. P. vom 7. Februar 2013 allerdings nicht folgen, weil sie 1. grundsätzlichen toxikologischen Erkenntnissen widerspricht und 2. der Sachverständige Dr. L. die von ihm bezeichneten (theoretischen) Nebenwirkungen der Schmerzmittel für den Kläger nicht konkret festgestellt hat.
1. Bereits der ärztliche Berater der Beklagten, Dr. M., hat in seinen Stellungnahmen vom 17. November 2011 und 13. August 2012 darauf hingewiesen, dass es eine medizinisch allgemein bekannte Tatsache sei, dass bei längerem Gebrauch stark wirksamer Analgetika (Schmerzmittel) Gewöhnungseffekte auftreten, was sowohl das Wirkungsspektrum aber auch die möglichen Nebenwirkungen betreffe. Diese Einschätzung wird zum einen durch den Sachverständigen Dr. P. unterstützt und ist zum anderen durch die wissenschaftliche Lehrmeinung belegt. So hat der Sachverständige Dr. P. bezüglich des Schmerzmittelkonsums des Klägers zunächst zusammengefasst, dass der Kläger seit mindestens Mitte 2006 mit einem Opioid-Analgetikum der Stufe III nach WHO behandelt werde, wobei eine kontinuierliche Dosissteigerung erkennbar sei - abgesehen von einer Phase, in welcher ein Opioid-Analgetikum der Stufe II nach WHO eingenommen worden sei (Tramadol) -. Der Sachverständige Dr. P. hat zudem festgestellt, dass die aktuell, also im Januar 2013, vom Kläger eingenommenen 2x80 mg Oxycodon von ihrer Potenz etwa 320 mg Morphin entsprächen, also schon wieder einer erhöhten Dosis gegenüber der Zeit der Begutachtung durch den Sachverständigen Dr. L. mit damals bis zu 240 mg retardierten Morphin. Übereinstimmend mit der dem Senat zugänglichen wissenschaftlichen Lehrmeinung (vgl. hierzu unten) hat der Sachverständige Dr. P. dann herausgearbeitet, dass typische Nebenwirkungen von Opioid-Analgetika eine Stuhlverstopfung sowie eine meist nur anfängliche Übelkeit seien, die in der Regel nach 8 bis 10 Tagen abklinge. Darüber hinaus würden insbesondere bei älteren Menschen zu Beginn der Behandlung mit Opioiden Müdigkeit, gelegentlich auch Konzentrationsstörungen beobachtet, welche jedoch in der Regel ebenfalls nach kurzer Zeit rückläufig seien. Aus dem zuvor Gesagtem lasse sich erkennen, dass zentral-vegetative Nebenwirkungen selbst unter einer relativ hohen Opioid-Medikation nur zu Beginn einer Behandlung beobachtet würden; im weiteren Verlauf entstehe sehr schnell eine Gewöhnung, so dass ggf. zu Beginn der Behandlung noch geklagte Symptome wie Müdigkeit sowie Abnahme von Konzentration und Merkfähigkeit wieder abklingen. Der Senat hält diese Ausführungen für zutreffend, denn sie lassen sich deckungsgleich in der Literatur finden: Danach behalte der "Morphinist" dauernd ein gutes Gedächtnis und könne auch sonst geistig leistungsfähig bleiben; bei chronischer Zufuhr trete eine Gewöhnung - "Toleranzentwicklung" - ein. Morphin- bzw. Opioidabhängige würden meist an einer therapieresistenten spastischen Obstipation leiden (vgl. Toxikologie, Wirth/Gloxhuber, 5. Auflage, Seite 361). Auch ausweislich von Quellen im Internet könne es zu Beginn der Morphintherapie zu Übelkeit und Erbrechen kommen, weil Morphin direkt auf das Brechzentrum im Hirnstamm wirke. Nach einiger Zeit lasse diese Nebenwirkung meist nach. Einzig die Obstipation scheine keiner Gewöhnung zu unterliegen (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Morphin).
Zusammenfassend steht damit für den Senat fest, dass die grundsätzlichen Erwägungen des Sachverständigen Dr. L. zu den auf längere Sicht bestehenden Nebenwirkungen eines chronischen Schmerzmittelmissbrauches schon nicht der aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnis entsprechen.
2. Darüber hinaus gibt es im konkreten Fall des Klägers keine ärztlichen Feststellungen dazu, dass seine Merk- und Konzentrationsfähigkeit durch die Medikamente tatsächlich erheblich beeinträchtigt (gewesen) ist. So hat der Kläger auf Nachfrage des Sachverständigen Dr. P. die von Dr. L. geschilderten Nebenwirkungen der Schmerzmedikamente schon selbst nicht berichtet. Dr. P. hat sich zudem zu keinem Zeitpunkt während der gut dreistündigen Beobachtung des Klägers den Eindruck einer zentral bedingten Vigilanzstörung mit z.B. einer auffälligen Antriebsstörung, einer Störung der Merk- und Konzentrationsfähigkeit, der Kritik- und Urteilsfähigkeit oder einer auffälligen vermehrten Ermüdbarkeit verschaffen können. Die von dem Sachverständigen Dr. P. ergänzend durchgeführte testpsychologische Untersuchung mit Überprüfung der exekutiven linguistischen Funktionen, der Orientierung und des Altgedächtnisses, des Arbeitsgedächtnisses, des Kurz- und Langzeitgedächtnisses sowie des räumlich-konstruktiven Vermögens, ferner der verbalen Lern- und Merkfähigkeit sowie der figuralen Lern- und Merkfähigkeit ergaben bei einer durchschnittlichen kristallinen Intelligenz keine Störungen. Dementsprechend nachvollziehbar hat der Sachverständige Dr. P. aus seiner Sicht für den aktuellen Zeitpunkt (Januar 2013) mit Sicherheit festhalten können, dass sich relevante Nebenwirkungen bezüglich der zentralen Vigilanz, wie von dem Sachverständigen Dr. L. als theoretisch möglich angegeben worden waren, nicht nachweisen ließen. Darüber hinaus hat der Sachverständige Dr. P. deutlich gemacht, dass er aufgrund der vorangehenden Ausführungen ferner mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon ausgehe, dass eine solche relevante Einschränkung der Vigilanz auch nicht in den Jahren seit 2006 vorgelegen habe, zumal auch entsprechende Nebenwirkungen in keinem der vorliegenden Berichte und Gutachten beschrieben worden waren. In nachvollziehbarer Konsequenz geht der Sachverständige Dr. P. deshalb auch davon aus, dass der Kläger in der Lage sei, trotz der relativ hohen Opioiddosierung Kraftfahrzeuge zu führen, sofern eine stabile Dosierung gewährleistet sei.
Tatsächlich finden sich auch in dem Gutachten des Sachverständigen Dr. L. vom 19. Januar 2010 - mit Ausnahme der theoretischen Ausführungen zu Nebenwirkungen von Schmerzmitteln - keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass die Vigilanz und das Konzentrationsvermögen des Klägers durch den Schmerzmittelgebrauch beeinträchtigt gewesen sind: Weder hat der Kläger gegenüber dem Sachverständigen Dr. L. von derartigen Nebenwirkungen der Schmerzmedikamente berichtet, noch ist den Aufzeichnungen dieses Sachverständigen zum Alltag/Tagesablauf zu entnehmen, dass der Kläger unter derartigen Nebenwirkungen gelitten hat. Auch der körperliche Untersuchungsbefund enthält keine objektiven und nachvollziehbaren Feststellungen zur Vigilanz und zum Konzentrationsvermögen des Klägers. In dieser Hinsicht verbleibt es also dabei, dass der Sachverständige Dr. L. nur "theoretisch" mögliche Nebenwirkungen der Schmerzmittel aufgezählt und diese ohne entsprechende objektive Anhaltspunkte auf den Kläger übertragen hat.
Schließlich lassen sich auch dem Reha-Entlassungsbericht vom 6. August 2009 keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass die Vigilanz und Konzentrationsfähigkeit des Klägers erheblich reduziert gewesen sind, und auch der Neurologe und Psychiater Dr. J., der den Kläger im Dezember 2008 untersucht hat, konnte in dieser Hinsicht keine groben Auffälligkeiten berichten: Zwar erschien der Kläger unzufrieden und verstimmt und der Antrieb war eher reduziert. Insgesamt zeigte sich aber ein kooperatives, zuwendungsfähiges Handeln und Reagieren, die Orientierung war in allen Qualitäten erhalten, das Konzentrationsvermögen war unauffällig, ungestört, das Gedächtnis im Lang- und Kurzzeitbereich ausreichend gut, die Wahrnehmung war nicht pathologisch verändert, das Denken formell und inhaltlich richtig, ohne Störungen. Ebenso zeigten sich Kritik- und Urteilsvermögen ohne Einschränkungen. Zwar hat der Gutachter Dr. J. im Aufmerksamkeits- und Belastungstest festgestellt, dass die Leistungsmenge im deutlichen Maße reduziert war und die Anzahl der richtigen Lösungen weit unterhalb der Norm lag. Gleichwohl ist dieser Gutachter bei der zusammenfassenden Bewertung aller Feststellungen zu der Einschätzung gelangt, dass die psychischen Beschwerden nicht so gravierend seien, dass daraus eine Erwerbsunfähigkeit resultieren könne. In psychischer Hinsicht hat sich nach Einschätzung dieses Gutachters keine zeitliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit des Klägers ergeben, sondern allenfalls qualitative Leistungseinschränkungen (keine besonderen Anforderungen an die Verantwortung, Umstellungsfähigkeit, ohne Akkord). Solche Arbeiten aber mutet der Senat dem Kläger ohnehin nicht zu (vgl. oben).
Weil der Kläger am Q. 1963 geboren ist, kommt eine Rente wegen Berufsunfähigkeit gemäß § 240 SGB VI von vornherein nicht in Betracht.
Zur weiteren Ermittlungen von Amts wegen hat sich der Senat nicht veranlasst gesehen. Denn der Kläger selbst bezieht sich in seiner Berufungsbegründung auf die bereits erstinstanzlich festgestellten gesundheitlichen Beeinträchtigungen und rügt lediglich, dass die Folgen des Schmerzmittelkonsums im Hinblick auf den Zeitpunkt des Leistungsfalles unzutreffend gewürdigt worden seien. Diesen Einwand sieht der Senat nunmehr durch das Gutachten des Sachverständigen Dr. P. endgültig widerlegt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Ein gesetzlicher Grund zur Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegt nicht vor.