Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 14.11.2023, Az.: 3 A 98/22

(Kein) interner Schutz; Kolumbien; Subsidiärer Schutz; Subsidiärer Schutzstatus für Zeuge eines Verbrechens in Kolumbien

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
14.11.2023
Aktenzeichen
3 A 98/22
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2023, 48579
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGGOETT:2023:1114.3A98.22.00

[Tatbestand]

Der am I. geborene Kläger zu 1.) und die am J. geborene Klägerin zu 2.) sind verheiratet und kolumbianische Staatsangehörige. Sie lebten bis zum 16.04.2021 in Tulua, Provinz Valle del Cauca und anschließend bis zu ihrer Ausreise in Cali. Sie reisten am 20.11.2021 aus ihrer Heimat aus und am 22.11.2021, mit dem Flugzeug, über die Türkei kommend in die Bundesrepublik Deutschland ein. Hier stellten sie am 11.01.2022 Asylanträge. Zu diesen Anträgen hörte sie das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am 18.01.2022 an.

Zur Begründung seines Antrags gab der Kläger zu 1.) im Wesentlichen an, sie hätten am 09.04.2021 um 18:30 Uhr während des Essens plötzlich ein lautes Geräusch vor dem Haus gehört. Sie seien hinausgegangen und hätten gesehen, dass sein Motorrad auf dem Boden liege. Sie hätten eine Nachbarin gefragt, was passiert sei und diese habe gesagt, es seien zwei Männer auf einem Fahrrad vorbeigekommen und hätten das Motorrad umgeworfen. Während sie sich mit der Nachbarin unterhalten hätten, sei plötzlich ein Typ auf einem Fahrrad vorbeigekommen. Er habe eine Atemschutzmaske und eine Mütze getragen. Er sei bis auf ca. 1,5 bis 2 Meter an ihn herangekommen und habe ihn angeschaut. Er habe gedacht, er wolle das Motorrad mitnehmen und er habe gesagt, dass er dies mitnehmen könne. Der Radfahrer habe ihn weiter angeschaut, in seine Jacke gegriffen und einen Revolver hervorgezogen. Er habe sich sofort gebückt und sei im Zickzack davongelaufen. Der Mann habe angefangen zu schießen. Er habe ca. vier bis fünf Schüsse in unterschiedliche Richtungen abgegeben. Alle seien in Panik davongelaufen. In dem Moment sei ein Bekannter seiner Frau gekommen, der ihr Geld für verkaufte Waren habe bringen wollen. Er, der Kläger zu 1.) habe versucht in das Haus zu rennen. Hinter ihm seien die Lebensgefährtin seines Sohnes und deren Kind gelaufen. Sein Sohn sei in eine andere Richtung gelaufen. Seine Frau habe sich auf den Boden geworfen. Die Schüsse, die der Mann abgegeben habe, seien in die Hauswand, das Garagentor und den Zaun des Hauses eingeschlagen. Der Schütze sei mit dem Fahrrad geflüchtet. Der Bekannte der Frau habe ihn noch verfolgt. Auch sein Sohn habe versucht den Mann zu stellen. Der Mann habe mit seinem Revolver auf seinen Sohn gezielt, der sich jedoch geduckt habe. Der Mann habe sein Fahrrad liegen lassen uns sei verschwunden. Kurz darauf sei die benachrichtigte Polizei zu ihnen gekommen. Es seien Ermittlungen eingeleitet worden. Sein Sohn und er hätten anschließend bei der Staatsanwaltschaft Anzeige erstattet. Die Staatsanwaltschaft habe für ihn Schutz bei der Polizei beantragt. Was die Polizei getan habe, sei ihnen ein Schreiben zum Selbstschutz auszuhändigen. In der Folge habe er noch weitere Anzeigen erstattet. Die Folgezeit bis zum 16.04.2021 hätten sie aus Angst in ihrem Haus verbracht. Nachbarn hätten sie versorgt. Nachbarn hätten ihnen berichtet, dass einige seltsame Personen an ihrem Haus vorbeigegangen seien. Er habe das Haus nur verlassen, um zur Staatsanwaltschaft und zum Notariat zu gehen. Hierbei sei er von Polizei begleitet worden. Er habe der Polizei nicht vertraut. Es habe weder in der Zeitung noch im Radio oder Fernsehen Berichte über dieses Attentat gegeben. Sie hätten sich deshalb nicht mehr sicher gefühlt. Der Einzige der sich getraut habe, die Geschehnisse öffentlich anzuprangern, sei ein Journalist gewesen, der in der Vergangenheit vielfach Korruption und Straflosigkeit in Tulua angeprangert hatte. Dieser Journalist sei am 19.09.2021 ermordet worden. Auch der Präsident der Gewerkschaft, in der er organisiert sei, habe öffentlich über seinen Fall gesprochen. Daraufhin sei auch auf ihn geschossen worden. Dies sei am 09.09.2021 gewesen. Er wisse, wer den Tötungsversuch unternommen habe. Er habe dies auch der Staatsanwaltschaft und der Polizei gegenüber berichtet. Als nämlich die Polizei nach dem Attentat bei ihnen eingetroffen sei, habe ihn und seinen Sohn ein Polizist zur Seite genommen und ihnen gesagt, dass komme vom Verkehr. Wegen einer Anzeige, die er gemacht habe. Er habe Korruption innerhalb seiner Behörde angeprangert. Den Worten des Polizisten habe sich eindeutig entnehmen lassen, dass sie wüssten, wer das gewesen sei. Nichts desto trotz sei nichts unternommen worden. Offensichtlich sollte es sich um einen Auftragsmord handeln. Verantwortlich für den Auftrag sei der Koordinator gewesen, der die Verkehrsbeamten leite. Sein Name sei K.. Er habe gegen diesen eine Ton- und Videoaufnahme erstellen lassen wollen, die belege, dass dieser Mensch korrupt sei. Im ersten Fall sei es um eine sexuelle Belästigung einer Auszubildenden gegangen. Er habe mit dieser Frau gesprochen und ihr geraten, beim nächsten Mal Tonaufnahmen zu machen bzw. ein Video aufzunehmen. Statt auf ihn zu hören, habe sie von seinem Vorschlag berichtet. Im zweiten Fall sei es darum gegangen, dass der Koordinator Geld an sich genommen habe, das ihm nicht zugestanden habe. Es sei Geld für Fortbildungsmaßnahmen für Beamte im Transportwesen gewesen. Diese Fortbildungen hätten nie stattgefunden, trotzdem hätten sie sich in Listen eintragen sollen und eine Bescheinigung für die Teilnahme erhalten sollen. Am 14.02.2021 habe er auf einer Personalversammlung dem Herrn Z. vorgeworfen, eine Auszubildende sexuell belästigt zu haben. Die übrigen Mitarbeiter hätten hierzu geschwiegen. Er sei sicher, dass es sich um einen Mordanschlag gehandelt habe. Hätte man ihn nur einschüchtern wollen, wäre ein Drohbrief hinterlassen worden und ein paar Schüsse auf das Haus abgegeben worden. Wenn man in Kolumbien jemand bezahle, um eine andere Person umzubringen, dann müssten diese Leute das auch tun, denn das Geld hätten sie schon erhalten. Da sie es in seinem Falle nicht geschafft hätten, würden sie es weiter versuchen. Nachdem sie nach Cali umgezogen seien, sei nichts weiter passiert. Sie hätten jedoch in großer Angst gelebt und bei jeder unbekannten Person gedacht, dass sie sie umbringen wolle. Wenn er in eine andere Stadt gegangen wäre, hätten sie ihn gesucht und gefunden. Die Polizei in Kolumbien sei sehr korrupt.

Die Klägerin zu 2.) machte im Wesentlichen dieselben Angaben wie ihr Ehemann. Sie ergänzte insoweit, dass ihr Mann per WhatsApp eine Nachricht erhalten habe, in der es geheißen habe, dass dieses Attentat auf die Verkehrsbehörde zurückgegangen sei und man wisse, dass Herrn Z. der Verantwortliche dafür sei. Dies sei ein anonymer Hinweis gegeben, den ihr Mann an die Polizei weitergegeben habe. Diese habe jedoch nicht ermittelt. Eine Rückkehr nach Kolumbien würde zwar nicht für sie, aber wohl für ihren Ehemann ein großes Risiko bedeuten. Auf die Frage, was ihr Mann gemacht habe, um bedroht zu werden, erklärte die Klägerin, ihr Mann habe ihr und der übrigen Familie nicht so richtig erzählt, worum es gegangen sei. Sie glaube, es sei um einen Vertrag gegangen.

Mit Bescheid vom 18.02.2022 lehnte es die Beklagte ab, die Kläger als Asylberechtigte anzuerkennen und ihnen die Flüchtlingseigenschaft oder den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen. Gleichzeitig stellte sie fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen. Gleichzeitig forderte sie die Kläger auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen, wobei sie für den Fall der Nichtbefolgung die Abschiebung nach Kolumbien androhte. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot befristete sie auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung.

Zur Begründung führte die Beklagte im Wesentlichen an, die von den Klägern geschilderte Verfolgung knüpfe nicht an ein asylerhebliches Merkmal an. Grund für die Verfolgung sei das Anprangern von Korruption durch den Kläger zu 1.) gewesen. Subsidiärer Schutz könne den Klägern nicht zuerkannt werden, weil der kolumbianische Staatsschutz willig und -fähig sei. Es seien Ermittlungen aufgenommen worden. Zudem stehe den Klägern interner Schutz in anderen kolumbianischen Städten zur Verfügung. Eine landesweite Verfolgung sei jedenfalls nach einer Kündigung des Dienstes als Verkehrspolizist nicht zu erwarten.

Hiergegen haben die Kläger am 03.03.2022 Klage erhoben.

Zu deren Begründung wiederholen und vertiefen sie ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren und machen zudem geltend, in Kolumbien herrsche ein bewaffneter innerstaatlicher Konflikt.

Die Kläger beantragen,

die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 18.02.2022 zu verpflichten,

die Kläger als Asylberechtigte anzuerkennen und

ihnen die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,

hilfsweise,

den Klägern den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen,

weiter hilfsweise,

festzustellen, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG im Blick auf Kolumbien vorliegen.

Die Kläger sind in mündlicher Verhandlung informatorisch zu ihren Asylgründen angehört worden. Wegen der Einzelheiten ihrer Aussagen, wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten und die Ausländerakten der Stadt A-Stadt Bezug genommen. Diese Unterlagen sind ebenso Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen wie die den Beteiligten aus der mit der Ladung übersandten Liste ersichtlichen Erkenntnismittel.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet. Die Kläger haben einen Anspruch darauf, dass die Beklagte ihnen den subsidiären Schutzstatus zuerkennt. Weitergehende Ansprüche stehen ihnen nicht zur Seite (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Bezüglich der Ehefrau des Klägers steht dieser Ausspruch darüber hinaus unter der aufschiebenden Bedingung der Rechtskraft der Entscheidung für den Kläger zu 1.).

Einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft haben die Kläger nicht.

Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28.07.1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II Seite 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

Als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG gelten nach § 3a AsylG Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung grundlegender Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II Seite 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist.

Dabei muss gemäß § 3a Abs. 3 AsylG zwischen den Verfolgungsgründen im Sinne von § 3 Abs. 1 und § 3b AsylG und der Verfolgungshandlung oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen.

Nach § 3c AsylG kann die Verfolgung ausgehen vom Staat, von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen, oder von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die vorgenannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor Verfolgung im Sinne des § 3d AsylG zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.

Die Furcht vor Verfolgung ist begründet, wenn dem Ausländer die genannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, d.h. mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen. Eine beachtliche Wahrscheinlichkeit in diesem Sinne liegt vor, wenn sich die Rückkehr in den Heimatstaat aus der Sicht eines besonnenen und vernünftig denkenden Menschen als unzumutbar erweist, weil bei Abwägung aller in Betracht kommenden Umstände die für eine bevorstehende Verfolgung streitenden Tatsachen ein größeres Gewicht besitzen als die dagegensprechenden Gesichtspunkte. Nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 - Qualifikationsrichtlinie - (ABl. L 337/9) ist hierbei die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung und einem solchen Schaden bedroht wird. Diese Regelung privilegiert den von ihr erfassten Personenkreis bei einer Vorverfolgung durch eine Beweiserleichterung, nicht aber durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Die Vorschrift begründet für die von ihr begünstigten Antragsteller eine widerlegbare Vermutung dafür, dass sie erneut von einem ernsthaften Schaden bei einer Rückkehr in ihr Heimatland bedroht werden. Die Vermutung nach Art. 4 Abs. 4 der Qualifikationsrichtlinie, dass der Ausländer erneut von einem solchen Schaden bedroht wird, setzt einen inneren Zusammenhang zwischen der Vorschädigung und dem befürchteten künftigen Schaden voraus (BVerwG, Urt. v. 27.04.2010 - 10 C 5/09, juris Rn. 21). Dadurch wird der Antragsteller, der bereits einen ernsthaften Schaden erlitten hat oder von einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die einen solchen Schaden begründenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland erneut realisieren werden. Als vorverfolgt gilt ein Schutzsuchender dann, wenn er aus einer durch eine eingetretene oder unmittelbar bevorstehende politische Verfolgung hervorgerufenen ausweglosen Lage geflohen ist. Die Ausreise muss das objektive äußere Erscheinungsbild einer unter dem Druck dieser Verfolgung stattfindenden Flucht aufweisen. Das auf dem Zufluchtsgedanken beruhende Asyl- und Flüchtlingsrecht setzt daher grundsätzlich einen nahen zeitlichen (Kausal-)Zusammenhang zwischen der Verfolgung und der Ausreise voraus.

Es obliegt bei alledem dem Schutzsuchenden, sein Verfolgungsschicksal glaubhaft zur Überzeugung des Gerichts darzulegen. Er muss daher die in seine Sphäre fallenden Ereignisse, insbesondere seine persönlichen Erlebnisse, in einer Art und Weise schildern, die geeignet ist, seinen geltend gemachten Anspruch lückenlos zu tragen. Dazu bedarf es - unter Angabe genauer Einzelheiten - einer stimmigen Schilderung des Sachverhalts. Daran fehlt es in der Regel, wenn der Schutzsuchende im Lauf des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellungen nach der Lebenserfahrung oder aufgrund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe nicht nachvollziehbar erscheinen und auch dann, wenn er sein Vorbringen im Laufe des Verfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Begehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.02.1988 - 9 C 32/87; BVerfG, Beschl. v. 29.11.1990 - 2 BvR 1095/90, jeweils zitiert nach juris). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts findet dabei die Pflicht der Gerichte zur Aufklärung des Sachverhalts ihre Grenze dort, wo das Klagevorbringen des Klägers keinen tatsächlichen Anlass zu weiterer Sachaufklärung bietet. Lässt der Kläger es an der Schilderung eines zusammenhängenden und in sich stimmigen, im wesentlichen widerspruchsfreien Sachverhalts mit Angabe genauer Einzelheiten aus seinem persönlichen Lebensbereich fehlen, so bietet das Klagevorbringen seinem tatsächlichen Inhalt nach keinen Anlass, einer daraus hergeleiteten Verfolgungsgefahr näher nachzugehen (BVerwG, Beschl. v. 26.10.1989 - 9 B 405/89, juris Rn. 8). Es ist auch von Verfassungs wegen unbedenklich, wenn ein in wesentlichen Punkten unzutreffendes oder in nicht auflösbarer Weise widersprüchliches Vorbringen ohne weitere Nachfragen des Gerichts unbeachtet bleibt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 29.11.1990 - 2 BvR 1095/90, juris Rn. 14 ff.). Das Gericht hat sich für seine Entscheidung die volle Überzeugung von der Wahrheit, nicht bloß von der Wahrscheinlichkeit zu verschaffen (vgl. hierzu BVerwG, Urt. v. 16.04.1985 - 9 C 109.84, zitiert nach juris).

Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft gem. § 3e Abs. 1 AsylG nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.

Gemessen hieran besteht ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht, wohl aber auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes.

Der Vortrag der Kläger zu dem Überfall auf sie am 09.04.2021 sowie die Hintergründe dieser Tat ist zur Überzeugung des Einzelrichters glaubhaft. Die Kläger konnten in mündlicher Verhandlung sämtliche Widersprüche und Ungereimtheiten ihres bisherigen Vortrags ausräumen. Insbesondere gilt das in Bezug auf die bis zur mündlichen Verhandlung völlig lebensfremde Behauptung des Sohnes der Kläger, des Klägers zu 1.) im Verfahren 3 A 32/23, nicht zu wissen, wer hinter dem Attentat auf die Familie am 09.04.2021 gesteckt habe, obwohl die Kläger bei ihrer Anhörung vor dem Bundesamt übereinstimmend angegeben haben, dies sehr wohl gewusst zu haben. Hierzu klärten die Kläger in der mündlichen Verhandlung auf, dass es eine Absprache zwischen ihnen und ihrem Sohn gegeben habe, dass der Kläger zu 1.) als unmittelbar Betroffener und mit Detailkenntnissen Versehener alleine zu den Hintergründen des Überfalls auf die Familie dem Bundesamt berichten sollte. Eine solche Absprache bestätigte der Kläger zu 1.), der in der mündlichen Verhandlung seines Sohnes nicht anwesend gewesen ist, später in seiner eigenen gerichtlichen Anhörung. Er tat dies sogar aus eigenem Antrieb, ohne dazu vom Gericht befragt worden zu sein. Auch andere kleinere Ungereimtheiten des bisherigen Vortrags konnten die Kläger bei ihrer gerichtlichen Anhörung aufklären. Insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Danach steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass das Attentat ausschließlich dem Kläger zu 1.) gegolten hat. Er hatte Anzeigen gegen einen Vorgesetzten der Polizeibehörde, für die er gearbeitet hatte, erstattet. Diese Anzeigen standen in Zusammenhang einerseits mit einem sexuellen Übergriff dieses Vorgesetzten, Herrn Z. auf eine Mitarbeiterin der Behörde und einem Korruptions- bzw. Unterschlagungsverdacht gegen diesen Vorgesetzten. Dieser hatte nach Auffassung des Klägers zu 1.) - und so lag es dessen Anzeige zugrunde - Gelder unterschlagen, die für Fortbildungen der Mitarbeiter geflossen waren. Diese Maßnahmen hatten allerdings nie stattgefunden, die Mitarbeiter der Behörde sollten aber mit ihrer Unterschrift bestätigen, an solchen Fortbildungen teilgenommen zu haben. In dieses Geschehen waren auch einzelne Polizeikräfte verwickelt. Dies ist aus der glaubhaft geschilderten Reaktion eines der ermittelnden Beamten zu schließen, der geäußert hat, der Kläger zu 1.) müsse doch wissen, weshalb dieses Attentat erfolgt sei. Es ging offenbar darum, ihn als Anzeigenerstatter und Zeugen unrechtmäßiger Handlungen seines Vorgesetzten auszuschalten. Dies erklärt, warum nach allen Aussagen der Beteiligten gezielte Schüsse nur auf den Vater des Klägers zu 1.) abgegeben worden waren. Die übrigen Beteiligten waren von dem Vorfall nur als zufällig Anwesende betroffen. Besonders deutlich wird dies an der Aussage des Sohnes des Klägers zu 1.), der Täter habe ihm bei seiner Flucht unmittelbar gegenübergestanden und mit der Pistole auf seinen Kopf gezielt, ohne abzudrücken. Der Sohn des Klägers zu 1.) war danach ganz offensichtlich nicht das Ziel des Angriffs.

Diese Schilderungen sind vor dem Hintergrund der dem Gericht vorliegenden Erkenntnisse nachvollziehbar. Die Einschüchterung von Richtern, Staatsanwälten und Zeugen behindert in Kolumbien die Arbeit der Justiz. Die Gewalt gegen Justizbedienstete, Zeugen von Straftaten, Opfer von Gewaltverbrechen, die von der Justiz verfolgt werden, und Beamte hat mit den Friedensvereinbarungen nicht abgenommen und hält aufgrund der anhaltenden Präsenz krimineller Organisationen und bewaffneter Gruppen an. In Kolumbien mangelt es an einem wirksamen Zeugenschutz (euaa, 12/22, Kolumbien Länderfokus, deutsche Übersetzung, Abschn. 7.7.).

Diese Verfolgung ist allerdings keine politische Verfolgung im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1, 3 b Abs. 1 Nr. 5 AsylG. Danach ist unter politischer Überzeugung insbesondere zu verstehen, dass der Ausländer in einer Angelegenheit, die die in § 3 c AsylG genannten potentiellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren betrifft, eine Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertritt. Derartiges kommt in der bloßen Eigenschaft als Zeuge eines Verbrechens oder anderer Straftaten nicht zum Ausdruck. Dabei geht es nicht um das Vertreten einer Meinung oder Überzeugung, sondern um das Bekunden von Tatsachen, die man als Zeuge wahrgenommen hat. Folglich hat der Kläger zu 1.) weder einen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter noch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Ihm drohte und droht allerdings eine ernsthafte individuelle Gefahr für sein Leben und damit eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG.

Da der Kläger vorverfolgt ausgereist ist, spricht eine widerlegbare Vermutung dafür, dass er erneut von einem ernsthaften Schaden bei einer Rückkehr in sein Heimatland bedroht wird. Die Vermutung nach Art. 4 Abs. 4 der Qualifikationsrichtlinie, dass der Ausländer erneut von einem solchen Schaden bedroht wird, setzt einen inneren Zusammenhang zwischen der Vorschädigung und dem befürchteten künftigen Schaden voraus (BVerwG, Urt. v. 27.04.2010 - 10 C 5/09, juris Rn. 21). Dadurch wird der Antragsteller, der bereits einen ernsthaften Schaden erlitten hat oder von einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die einen solchen Schaden begründenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland erneut realisieren werden. Da die Vermutung nicht zu widerlegen ist, bzw. von der Beklagten nicht widerlegt worden ist (vgl. zu dieser Beweislastumkehr, Marx, Handbuch zur Qualifkationsrichtlinie, § 26 Rn. 82), ist davon auszugehen, dass der Kläger bei einer Rückkehr in seine Heimatregion erneut verfolgt würde.

Gemäß § 4 Abs. 3 AsylG gelten die §§ 3 c bis 3 e AsylG für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus entsprechend. An diesen Vorschriften scheitert die Zuerkennung nicht.

Die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus scheitert nicht daran, dass die vom Kläger geschilderte Verfolgung von nicht staatlichen Akteuren ausgeht. Denn das Gericht ist davon überzeugt, dass der kolumbianische Staat nicht in der Lage sein wird, i. S. d. § 3 d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten. Gemäß § 3 d Abs. 2 AsylG muss der Schutz vor Verfolgung wirksam sein und darf nicht nur vorübergehender Art sein. Generell ist ein solcher Schutz gemäß Satz 2 der Vorschrift gewährleistet, wenn die in Absatz 1 genannten Akteure geeignete Schritte einleiten, um die Verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung darstellen, und wenn der Ausländer Zugang zu diesem Schutz hat. Einen vollständigen Schutz vor jeglichen kriminellen Übergriffen vermag kein Staat zu bieten. Verlangt wird durch die genannten Vorschriften, dass der Staat die Verfolgungsgefahr durch effektiven Schutz minimiert. Selbst wenn es nicht ausreichen sollte, dass die zuständigen Behörden ihr Bestes tun, wenn der Ausländer darlegen kann, dass das Beste ineffektiv ist und er glaubhaft gemacht hat, dass der Staat zur erforderlichen Schutzgewährung nicht fähig ist (vgl. in diesem Sinne Marx, a. a. O. § 3 d Rn. 33), muss hier von einer solchen Gefahr ausgegangen werden.

Es kommt nicht darauf an, dass der kolumbianische Staat über entsprechende Schutzgesetze gegen Übergriffe Dritter verfügt und dass er in Gebieten, in denen es nach dem Rückzug der Farc-Rebellen infolge des Friedensabkommens 2016 zu Territorial- und Streitereien um Drogen und Rohstoffe gekommen ist, kaum effektive Präsenz auf dem Gebiet der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zeigt. Er ist in den Bereichen der Strafverfolgung in diesen Gebieten quasi nicht existent (vgl. USDOS, Trafficking in Persons Report vom 25.06.2020, S. 1 f.; USDOS, Colombia 2019 Human Rights Report, S. 18; OHCR, Situation of human rights in Colombia, vom 08.05.2020 S. 3; BFA, Länderbericht Kolumbien vom 25.10.2018. S. 7, 11; SFH, Kriminelle Gruppen, Drogenhändler und staatlicher Schutz in der Provinz Valle de Cauca vom 12.03.2021). Denn diese abstrakten Überlegungen erfassen den individuellen Fall des Klägers zu 1.) nicht. Die erlebten Angriffe richteten sich gegen ihn speziell. Gegen derart gezielte Angriffe, mit dem Ziel, den Angegriffenen auszuschalten, ist polizeilicher Schutz nicht möglich.

Schließlich steht dem Kläger zu 1.) interner Schutz i. S. v. § 3 e Abs. 1 AsylG nicht zur Seite.

Gemäß § 3 e Abs. 1 AsylG wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er

1. in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und

2. sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.

Ein solch interner Schutz steht dem Kläger zu 1.) zur Überzeugung des Gerichts nicht in den kolumbianischen Großstädten zur Verfügung, die nicht zu den zwischen der Guerilla und der Regierung umstrittenen Gebieten Kolumbiens gehören. Grundsätzlich bejaht das Gericht einen solchen, zumutbar zu erreichenden internen Schutz. Sämtliche dem Gericht zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel berichten von gezielten Übergriffen von Banden und Guerilleros auf die Zivilbevölkerung lediglich in den nach Rückzug der FARC-Rebellen umkämpften Regionen Kolumbiens. In diesen Gebieten, in denen es nach dem Rückzug der FARC-Rebellen infolge des Friedensabkommens 2016 zu Territorial- und Streitereien um Drogen und Rohstoffe gekommen ist, zeigt der kolumbianische Staat, wie oben dargelegt, kaum effektive Präsenz auf dem Gebiet der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Erkenntnisse darüber, dass der kolumbianische Staat außerhalb der umkämpften Gebiete nicht sein staatliches Gewaltmonopol durchsetzt, hat das Gericht nicht. Keine der aus der den Beteiligten mit der Ladung übersandten Lise ersichtlichen Erkenntnismittel berichtet über Derartiges.

Hierzu gehört insbesondere die Hauptstadt Bogota wie auch andere Millionenstädte wie Cali nicht. Es ist für Personen, die von Verfolgung betroffen sind, grundsätzlich möglich, sich innerhalb des Staatsgebiets Kolumbiens einer solchen Bedrohung zu entziehen. Für Personen, die dem der staatlichen Schutzprogramm der UNP (Unidad Nacional de Proteccion) unterfallen, gibt es sogar staatliche Schutz- und Unterstützungsmaßnahmen, bis hin zu Reisekostenunterstützung (vgl. BFA vom 28.05.2021 Auskunft an das erkennende Gericht, S. 3 f., 7 f.). Deswegen bejaht das Gericht in ständiger Rechtsprechung grundsätzlich die Möglichkeit der Inanspruchnahme internen Schutzes (vgl. nur Urteil vom 17.11.2021 -3 A 94/19-; ebenso VG Lüneburg, Urteil vom 25.08.2021 -1 A 13/20-; VG Oldenburg, Gerichtsbescheid vom 06.10.2021 -13 A 116/21-).

Allerdings macht die Konrad Adenauer Stiftung die Frage der internen Sicherheit davon abhängig, wie stark die verfolgte Person exponiert ist und von welchen Akteuren sie verfolgt wird (Auskunft an die erkennende Kammer vom 26.04.2021). Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (a.a.O. S. 6) führt dazu aus, es sei schwierig, Aussagen über die Wirksamkeit von Umsiedlungen einer bedrohten Person in eine andere Region oder Stadt zu machen. Wenn die kriminelle Gruppe eine lokal organisierte Drogenhändlerbande sei, könnte eine solche Umsiedlung den Drohungen ein Ende setzen. Doch wenn diese Drohungen von einer wichtigeren Organisation kämen, die auf nationaler Ebene tätig sei, sei es sehr wahrscheinlich, dass die Person auch in einer größeren Stadt bedroht werde.

Schließlich führt das Auswärtige Amt in seiner Auskunft vom 21.02.2022 an die erkennende Kammer aus, dass von Gewaltandrohung Betroffene oft versuchen sich in anderen Landesteilen und/oder Großstädten in Sicherheit zu bringen. Allerdings könne eine erneute Verfolgung nicht ausgeschlossen werden. Bewaffnete Gruppen seien gut vernetzt und könnten - bei besonderem Interesse an der Person - mit entsprechendem Aufwand Personen landesweit ausfindig machen. Dies gelte für alle Gruppen von Verfolgten; sie seien alle gefährdet, wenn sie über Informationen verfügten, die für die Verfolger ein Risiko darstellten. Aus Sicht des Auswärtigen Amtes mache es keinen signifikanten Unterschied, von welcher Gruppe von Verfolger (staatliche Behörden, Kriminelle, Guerilla oder Paramilitärs) ausgehe, da diese gerade in den Konfliktregionen häufig miteinander verwoben seien und staatliche Behörden zudem oft von kriminellen Gruppen infiltriert seien. Der kolumbianische Staat gehe im Rahmen seiner Möglichkeiten gegen diese kriminellen Gruppen vor, sei jedoch nicht in der Lage, seine Bürger*innen umfänglich und erfolgreich gegen diese kriminellen Aktivitäten zu schützen.

Hier spricht der Gesichtspunkt, dass der Kläger zu 1.) über Erkenntnisse verfügt, die einem Mitglied des Polizeicorps sehr gefährlich werden könnten, wenn er in einem gegen sie angestrengten Strafprozess als Zeuge aussagt, dafür, dass ein intensives Verfolgungsinteresse am Kläger besteht. Es ist aus Sicht des angezeigten Vorgesetzten wie auch der Täter des Überfalls nachvollziehbar, dass sie verhindern müssen, dass der Kläger zu 1.) gegen sie aussagt. Dabei ist es unerheblich, ob ein Strafprozess aktuell anhängig oder abgeschlossen ist. Auch kommt es nicht darauf an, dass es ggf. gegen die Täter von damals noch gar keinen Prozess gegeben hat. In jedem Fall kann es - noch - auf die Aussage des Klägers zu 1.) ankommen, der glaubhaft geschildert hat, dass mittlerweile eine Spezialstaatsanwaltschaft in der Sache weiter ermittelt. Wie sich insbesondere aus der Auskunft des Auswärtigen Amtes ergibt, sind die paramilitärischen Gruppen aufgrund ihrer Beziehungen und Verflechtungen mit staatlichen Stellen auch in der Lage, den Kläger aufzuspüren. Derartige Gefährdungen von Zeugen belegt auch die Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse vom 04. Mai 2016, S. 2. Die Angaben des Klägers spiegeln sich in der Erkenntnislage wider. Dies spricht erneut für die Glaubwürdigkeit des Klägers. Belegen die Erkenntnismittel, dass die nichtstaatlichen Akteure ihre Verfolgungen landesweit ausüben können, kann von dem Asylbewerber nicht erwartet werden, in anderen Landesteilen Schutz zu suchen (Marx, Handbuch zur Qualifikationsrichtlinie, § 14 Rn. 141).

Diese, den Kläger zu 1.) betreffenden Ausführungen, lassen sich nicht auf die Klägerin zu 2.), seine Ehefrau, übertragen. Diese war keinerlei asylerheblichen Handlungen oder Übergriffen ausgesetzt. Das, was sie am 09.04.2021 an Übergriffen erlebt hat, war keine gegen sie persönlich zielgerichtete Verfolgungshandlung. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen des Gerichts im Urteil von heute, den Sohn der Kläger betreffend (3 A 32/22) Bezug genommen. Sie ist lediglich als Familienangehörige des Klägers zu 1.) betroffen. Dem trägt die Regelung in § 26 Abs. 3 i.V.m. Abs. 5 AsylG Rechnung, indem sie der Klägerin zu 2.) einen Anspruch auf Familienflüchtlingsschutz zubilligt. Die familiäre Gemeinschaft bestand schon in Kolumbien. Allerdings besteht dieser Anspruch gemäß § 26 Abs. 3 Nr. 1 AsylG erst, wenn die Entscheidung in Bezug auf den Stammberechtigten unanfechtbar geworden ist. Deshalb erfolgt die Verpflichtung der Beklagten, der Klägerin zu 2.) die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen unter der aufschiebenden Bedingung der Unanfechtbarkeit dieser Entscheidung.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit beruht auf § 83 b AsylG.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO