Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 31.08.1995, Az.: 22 U 147/94
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 31.08.1995
- Aktenzeichen
- 22 U 147/94
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1995, 33626
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1995:0831.22U147.94.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover - 18.07.1994 - AZ: 20 O 71/93
In dem Rechtsstreit
hat der 22. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 11. Juli 1995 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht . sowie der Richter am Oberlandesgericht . und . für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 18. Juli 1994 verkündete Schlußurteil der 20. Zivilkammer des Landgerichts Hannover unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, die Zwangsvollstreckung in das im Erbbaugrundbuch von . des Amtsgerichts . eingetragene Erbbaurecht wegen eines Betrages von 16.445,71 DM zu dulden.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 3/4, die Beklagte zu 1/4.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beschwer dieses Urteils beträgt für den Kläger 46. 000 DM, für die Beklagte 16.445,71 DM.
Gründe
Die Berufung ist teilweise begründet.
Der Kläger kann von der Beklagten gemäß § 2329 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. § 1973 Abs. 2 Satz 1, § 1990 Abs. 1 Satz 2 BGB die Duldung der Zwangsvollstreckung in das im Erbbaugrundbuch . des Amtsgerichts Hannover eingetragene Erbbaurecht wegen eines Betrages von 16.445,71 DM verlangen. In dieser Höhe steht ihm als von der Erbfolge ausgeschlossenem Abkömmling der Erblasserin ein Ergänzungspflichtteil zu. Für ihn haftet die Beklagte als Beschenkte, weil sie wegen Überschuldung des Nachlasses der am 17. September 1992 verstorbenen Erblasserin als Erbin nicht zur Ergänzung des Pflichtteils verpflichtet ist.
Für die Berechnung des Ergänzungspflichtteils ist eine Schenkung der Erblasserin im Werte von lediglich 130. 000 DM zugrundezulegen. Zwar betrug der Wert des der Beklagten gemäß notariellem Vertrag vom 11. November 1991 schenkweise übertragenen Erbbaurechts unstreitig 260. 000 DM, wobei der Senat davon ausgeht, daß sich dieser Wert nach Abzug des Wertes für das der Erblasserin von der Beklagten an dem Erbbaurecht eingeräumte Wohnrecht ergibt. Ein Wert von 260. 000 DM kann jedoch für die Berechnung des Ergänzungspflichtteils des Klägers nicht berücksichtigt werden. Denn hätte die Erblasserin das Erbbaurecht nicht zu ihren Lebzeiten auf die Beklagte übertragen, wäre nur die von der Erblasserin stammende Hälfte des Erbbaurechts in deren Nachlaß gefallen. Die von ihrem vorverstorbenen Ehemann herrührende Erbbaurechtshälfte, die im wesentlichen dessen Nachlaß bildete, wäre der Beklagten aufgrund des gemeinschaftlichen notariellen Testaments der Eltern der Parteien vom 11. September 1989 als Nacherbin ihres Vaters mit dem Tode der Erblasserin zugefallen (§ 2139 BGB). Daß die Erblasserin zu ihren Lebzeiten das Erbbaurecht insgesamt auf die Beklagte übertragen hat, ändert nichts daran, daß sich sein Wert für die Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs des Klägers nur nach dem Wert der von der Erblasserin stammenden Erbbaurechtshälfte richtet. Eine Berücksichtigung des Wertes des gesamten Erbbaurechts würde dem Sinne der §§ 2325, 2329 BGB widersprechen, zumal der Kläger den Pflichtteil nach seinem Vater unstreitig erhalten hat.
Die Schenkung des halben Erbbaurechts im Werte von 130. 000 DM stellt keine Pflichtschenkung i. S. von § 2330 BGB dar, die die Anwendung der Vorschrift des § 2329 BGB ausschließen würde. Eine sittliche Pflicht der Erblasserin, der Beklagten den Erbbaurechtsanteil zu schenken, bestand mit Rücksicht darauf, daß die Eltern der Parteien die Beklagte in dem gemeinschaftlichen Testament bereits zur alleinigen Nacherbin des Vaters der Parteien und zur Alleinerbin der Erblasserin bestimmt hatten, nicht.
Bei der Berechnung des Ergänzungspflichtteils ist jedoch nach § 2316 Abs. 1 Satz 1, § 2057 a Abs. 1 Satz 2 BGB zugunsten der Beklagten zu berücksichtigen, daß sie als Abkömmling der Erblasserin während längerer Zeit durch erhebliche Pflegeleistungen dazu beigetragen hat, daß das im wesentlichen aus dem Erbbaurecht bestehende Vermögen der Erblasserin bis zur Übertragung des Erbbaurechts erhalten worden ist. Allerdings ist nicht anzunehmen, daß erhebliche Pflegeleistungen für die Erblasserin von der Beklagten schon in den Jahren 1980 bis 1988 erbracht worden sind. In dieser Zeit war der Vater der Parteien noch rüstig und hat sich insbesondere um den Einkauf und die Gartenarbeiten gekümmert. Die Pflege der Erblasserin war in diesem Zeitraum noch nicht sonderlich aufwendig. Erhebliche Pflegeleistungen hat die Beklagte erst in der Zeit von 1989, als der Vater der Parteien an Krebs erkrankte, woran er 1990 verstarb, bis zur Übertragung des Erbbaurechts am 31. März 1992 -; an diesem Tage ist die Grundbuchumschreibung erfolgt -; erbracht. In dieser Zeit, mithin drei Jahre lang, hat die Beklagte die Erblasserin, die damals ein Pflegefall war, allein gepflegt. Dies ist letztlich unter Verzicht auf berufliches Einkommen erfolgt. Denn ohne die Pflege der Erblasserin hätte die Beklagte ein höheres Einkommen erzielen können. Für die Leistungen der Beklagten ist ein Betrag von 54. 000 DM zur Ausgleichung zu erbringen. Der Senat schätzt den monatlichen Wert der Pflegeleistungen der Beklagten, auch wenn zugunsten des Klägers unterstellt wird, daß die Beklagte damals unentgeltlich im Hause der Eltern der Parteien gewohnt hat, gemäß § 287 ZPO auf 1. 500 DM.
Eine Ausgleichung von Leistungen des Klägers kann nicht erfolgen. Die von ihm behaupteten Garten- und Malerarbeiten stellen keine besonderen Leistungen i. S. von § 2057 a Abs. 1 Satz 1 BGB dar. Die Gartenarbeiten betreffen die einmalige Anlegung des Rasens und dessen Pflege seit der Erkrankung des Vaters der Parteien. Nennenswerte sonstige Gartenarbeiten hat der Kläger nicht erbracht. Die von ihm behaupteten Malerarbeiten hat die Erblasserin bezahlt. Daß die Malerarbeiten besonders billig waren, ist angesichts des für sie von der Erblasserin gezahlten Werklohnes von 27.712,84 DM nicht erkennbar.
Es errechnet sich somit folgender Ergänzungspflichtteil des Klägers:
- | 10.217,15 DM | negativer Nachlaß der Erblasserin |
---|---|---|
+ | 130.000,00 DM | fiktiver Nachlaß der Erblasserin |
119.782,85 DM | ||
- | 54.000,00 DM | Ausgleichsbetrag für Pflegeleistungen der Beklagten |
65.782,85 DM. |
Hiervon macht der Ergänzungspflichtteil des Klägers bei einer Pflichtteilsquote von 1/4 16.445,71 DM aus.
Auf den Ergänzungspflichtteil braucht sich der Kläger Zahlungen der Eltern der Parteien, wie sie sich aus den Quittungen vom 1. Dezember 1977, 1. Mai und 1. Dezember 1978 ergeben, nicht anrechnen zu lassen. Wie der Bestätigung des Vaters der Parteien vom 29. Juni 1980 zu entnehmen ist, sind die quittierten Beträge von den Eltern der Parteien tatsächlich nicht gezahlt worden.
Die Nebenentscheidungen folgen aus § 92 Abs. 1, § 708 Nr. 10, § 713 ZPO.