Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 24.08.1995, Az.: 22 U 119/94

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
24.08.1995
Aktenzeichen
22 U 119/94
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1995, 33623
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1995:0824.22U119.94.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 04.05.1994 - AZ: 13 O 193/92

In dem Rechtsstreit

hat der 22. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 4. Juli 1995 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht . sowie die Richter am Oberlandesgericht . und . für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Auf die Berufung des Beklagten wird das am 4. Mai 1994 verkündete Teil-Urteil der 13. Zivilkammer des Landgerichts Hannover teilweise abgeändert, das Teil-Versäumnisurteil vom 22. Dezember 1993 insoweit aufgehoben, als der Beklagte durch dieses zur Herausgabe von Gegenständen verurteilt worden ist, und die Klage insoweit abgewiesen.

    Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

    Beschwer: 41. 076 DM.

Tatbestand:

1

Die Klägerin begehrt Herausgabe von Gegenständen zu Händen eines vom Amtsgericht zu bestellenden Verwahrers.

2

Durch eigenhändiges Testament vom 14. Mai 1977, das sie mit: . unterzeichnete, verteilte die am 24. Januar 1986 verstorbene, in . ansässige Tante der Parteien . ihren Nachlaß auf die Ehefrau des Beklagten . (gesamte bewegliche Habe) und ihre . (Kontenguthaben). Die nächsten lebenden Verwandten bei ihrem Tode waren die Parteien (Kinder des vorverstorbenen Bruders .) und der Stamm des zwischen 1910 und 1912 in die USA ausgewanderten .. Der Beklagte und seine Ehefrau -; diese durch inzwischen wieder eingezogenen Erbschein des Staatlichen Notariats . vom 11. Juli 1986 als Alleinerbin ausgewiesen -; schafften den beweglichen Nachlaß in ihre gemeinsame Wohnung.

3

Die Klägerin hat im Wege teils der Stufen-, teils der Leistungsklage Herausgabe der Nachlaßgegenstände an einen gerichtlich zu bestellenden Verwahrer verlangt. Sie hat gemeint, das Testament der Erblasserin sei mangels ausreichender Unterschrift ungültig. -; Der Beklagte hat sich gegen die Klage zur Wehr gesetzt und vorgetragen, zahlreiche Gegenstände hätten seine Ehefrau und er nicht mehr im Besitz, weil sie inzwischen zerstört oder verschenkt worden seien.

4

Das Landgericht hat den Beklagten durch Teil-Versäumnisurteil vom 22. Dezember 1993 zur eidesstattlichen Versicherung der Vollständigkeit der mit Schriftsatz vom 5. Oktober 1992 vorgelegten Aufstellung über den beweglichen Nachlaß sowie zur Herausgabe zahlreicher Gegenstände verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet der Beklagte sich mit der Berufung hinsichtlich der Verurteilung zur Herausgabe und meint, dieses Begehren scheitere schon daran, daß auch er gesetzlicher Erbe wäre. -; Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil.

Gründe

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Die Berufung ist begründet.

6

Die Klägerin hat gegen den Beklagten als gemeinschaftlichen Schuldner mit seiner Ehefrau . keinen Anspruch auf Herausgabe der in dem Teil-Versäumnisurteil vom 22. Dezember 1993 bezeichneten Gegenstände an sich, den Beklagten und den Stamm . als gesetzliche Miterben der am 24. Januar 1986 verstorbenen Erblasserin (§ 367 Abs. 3, § 365 Abs. 1 Sätze 1, 2 Hs. 1, Abs. 2 ZGB der ehem. DDR) zu Händen eines von dem Amtsgericht . zu bestellenden Verwahrers (§ 400 Abs. 3 ZGB, § 165 Abs. 1 EGG). Ein solcher Anspruch folgt weder aus von der Erblasserin auf die Klägerin übergegangenem Eigentum an den Gegenständen noch aus zwischen Miterben bestehendem Gemeinschaftsverhältnis.

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1. Die Klägerin, der Beklagte und der Stamm . haben die Erblasserin nicht beerbt. Durch deren Testament vom 14. Mai 1977 sind sie von der Erbfolge ausgeschlossen (§ 370 Abs. 3 ZGB). Dieses Testament ist nicht wegen Verstoßes gegen Formvorschriften nichtig (§ 373 Abs. 2 ZGB). Die Kürzel . unter dem Text des Testamentes genügen den Anforderungen an eigenhändige Unterschrift (§ 385 Satz 1 Hs, 1 ZGB). In Verbindung mit der angegebenen Anschrift "." und dem bezeichneten Verwandtschaftsverhältnis zu den Bedachten ("meine Nichte . . meine Cousinen . u. .") läßt die Identität von Urheberin des Testamentes und Erblasserin sich hinreichend eindeutig feststellen.

8

Die Form, die damit nach bundesdeutschem Recht gewahrt wäre (vgl. Palandt-Edenhofer, BGB, 54. Aufl., § 2247 Rdnr. 12), genügt auch dem Recht der ehemaligen DDR. Die gegenteilige Ansicht des Landgerichts München II (Urt. v. 1. April 1992 -; 13 O 78/92 -; Seite 9 = Bl. 23 d.A. 22 U 118/94), dessen Urteil für den vorliegenden Rechtsstreit keine Rechtskraftwirkung entfaltet, überzeugt nicht. Aus dem Umstand, daß das Zivilgesetzbuch anders als der Bundesgesetzgeber (§ 2247 Abs. 3 Satz 2 BGB) die Vorschrift des § 21 Abs. 3 Satz 2 TestG (RGBl. I 1938, 973) nicht in die Bestimmung des § 385 ZGB übernommen hat, läßt sich nicht schließen, daß die Formstrenge der alten Regelung gegenüber verschärft werden sollte, sondern vielmehr, daß man die weitere ausdrückliche Erwähnung der Formerleichterung wegen ihrer Selbstverständlichkeit für entbehrlich hielt. Andernfalls hätte man die Formstrenge des BGB in seiner ursprünglichen Fassung wieder eingeführt (dazu: Palandt-Keidel, BGB, 32. Aufl., § 2247 Anm. 1), obwohl man sich von diesem Gesetz gerade durch ein eigenständiges Gesetzeswerk des Zivilrechts lösen wollte. Dementsprechend deuten die Kommentare zum Zivilgesetzbuch in keiner Weise auf eine neuerliche Verschärfung der Form (d. h. vollständige Unterschrift in jedem Falle) hin (vgl. ZGB-Komm., 1. Aufl., § 385 Anm. 1; Westen-Schleider, Zivilrecht im Systemvergleich, Berlin 1984, S. 803).

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2. Selbst wenn gesetzliche Erbfolge eingetreten wäre, bestände der Anspruch nicht.

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a) Aus § 33 Abs. 2 Satz 1 ZGB -; das Recht der ehem. DDR gilt für den vorliegenden Erbfall auch für die Rechtsbeziehungen unter den Erben nach dem Beitritt fort (Art. 235 § 1 Abs. 1 EGBGB) -; läßt er sich nicht ableiten. Es ist nicht so, daß der Beklagte durch den Alleingebrauch der Nachlaßgegenstände im Verhältnis zu den Miterben diesem ihr Eigentum unberechtigt vorenthält. Er ist in gleicher Weise wie diese Gesamteigentümer der Gegenstände (§ 42 Abs. 2, § 400 Abs. 1 ZGB) und ihnen ebenbürtig zu Gebrauch und Besitz berechtigt.

11

b) Das Gemeinschaftsverhältnis unter den Miterben, dessentwegen angesichts der unvollkommenen, aber sachlich gleichen Regelung im Zivilgesetzbuch der ehem. DDR auf das bundesdeutsche Recht zurückgegriffen werden muß, gibt den Anspruch ebenfalls nicht. Jeder Miterbe ist lediglich zum Gebrauch der gemeinschaftlichen Gegenstände berechtigt (§ 743 Abs. 2, § 2038 Abs. 2 BGB), weshalb er auf eine vom Alleingebrauch nur eines Miterben abweichende Benutzungsregelung dringen kann, nicht jedoch dazu, die Nachlaßgegenstände gegen beträchtliche Lagerkosten vom Gebrauch der Erben auszuschließen, bis nach zeitraubender Ermittlung aller Erben die Auseinandersetzung sich bewirken läßt.

12

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 10, §§ 713, 546 Abs. 2 ZPO. Die Beschwer der Klägerin liegt um ein Viertel; das dem Beklagten wirtschaftlich gesehen allemal gebührt, niedriger als der Wert der herausverlangten Gegenstände.