Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 03.09.2020, Az.: 1 K 129/17

Aspruch der Mutter eines behinderten Kindes auf Zahlung von Kindergeld nach Einstellung wegen Nachweis der Behinderung nur durch Behindertenausweis und Einkommensnachweis

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
03.09.2020
Aktenzeichen
1 K 129/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2020, 70487
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand

Streitig ist, ob der Klägerin für den Monat April 2017 Kindergeld für ein behindertes Kind zusteht.

Die Klägerin ist die Mutter des Kindes A, geb. 1980. Das Kind ist schwerbehindert. Der für das Kind ausgestellte Schwerbehindertenausweis dokumentiert einen Grad der Behinderung von 100 sowie die Merkzeichen G, Bl, H und RF. Weiterhin bestätigte der Schwerbehindertenausweis durch das Merkzeichen B, dass die Notwendigkeit ständiger Begleitung nachgewiesen ist. Das Kind war im Streitmonat verheiratet und hatte mit seiner Ehefrau drei Kinder. Die Ehefrau des Kindes war berufstätig und erzielte Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Das Kind bezog eine Erwerbsunfähigkeitsrente sowie Blindengeld.

Die Klägerin erhielt zunächst laufend Kindergeld für das Kind A.

Der Beklagte forderte die Klägerin im Rahmen einer turnusmäßigen Überprüfung dazu auf, einen aktuellen Nachweis der Behinderung des Kindes vorzulegen sowie nachzuweisen, dass der Sohn infolge seiner Behinderung außerstande ist, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.

Die Klägerin stellte dem Beklagten die Einnahmesituation der Familie des Sohnes dar. Sie reichte den Schwerbehindertenausweis sowie Einkommensnachweise ein.

Aufgrund dieser Belege gelangte der Beklagte zu der Auffassung, der Sohn sei nicht außerstande, sich selbst zu unterhalten. Mit dieser Begründung hob der Beklagte die Festsetzung des Kindergeldes für das Kind ab April 2017 auf.

Die Klägerin legte Einspruch ein. Sie war der Auffassung, ihr stehe weiterhin Kindergeld zu, weil der Sohn aufgrund seiner Behinderung außerstande sei, sich selbst zu unterhalten. Die Berechnung des Beklagten sei unzutreffend, weil diese nicht die Kinderfreibeträge berücksichtige, die dem Sohn und dessen Ehefrau für deren eigene Kinder zustünden. Der Beklagte setze in seiner Berechnung zudem den Unterhaltsanspruch des Sohnes gegenüber seiner Ehefrau zu hoch an. Unterhaltsansprüche gegenüber der Ehefrau habe nämlich nicht nur der Sohn der Klägerin, sondern auch die Kinder des Sohnes hätten Unterhaltsansprüche an die Ehefrau des Sohnes als deren Mutter. Der Beklagte rechne zudem zu Unrecht das Blindengeld des Sohnes zu den Mitteln, mit denen der Sohn seinen Lebensunterhalt bestreiten könne. In seiner Berechnung außer Acht gelassen habe der Beklagte zudem, dass der Ehefrau des Sohnes Fahrtkosten entstanden seien, um den Sohn zum Arzt zu fahren oder auch um andere Termine wahrzunehmen. Ihr Sohn habe etwa fünfzigmal pro Jahr seinen Hausarzt aufgesucht. Auch Aufwendungen im Zusammenhang mit gemeinsamen Urlaubsreisen des Sohnes mit seiner Familie seien zu berücksichtigen, da hierdurch weiterer behinderungsbedingter Mehrbedarf entstanden sei.

Der Beklagte wies den Einspruch der Klägerin durch Einspruchsentscheidung vom April 2017 als unbegründet zurück. Zur Begründung stellte der Beklagte eine neue Berechnung zur Beantwortung der Frage an, ob das Kind außerstande sei, sich selbst zu unterhalten. Dabei ging der Beklagte von einem (jährlichen) Gesamtbedarf des Kindes ab April 2017 in Höhe von xxx € aus. Dieser errechne sich aus dem Grundbedarf, dem behinderungsbedingten Mehrbedarf, dem Blindengeld, den Fahrtkosten (pauschal ohne Nachweis) sowie den Aufwendungen für die Begleitung während der Urlaube (pauschal ohne Nachweis). Als Einkünfte und Bezüge des Sohnes berücksichtigte der Beklagte die Erwerbsunfähigkeitsrente abzüglich einer Werbungskostenpauschale und einer Kostenpauschale sowie daneben das Blindengeld. Dadurch habe das Kind eigene Einkünfte und Bezüge in Höhe von xxx € gehabt. Diesen hinzuzurechnen sei der Unterhaltsanspruch des Kindes gegen seine Ehefrau. Als solcher sei die Hälfte der Differenz zwischen den eigenen Einkünften und Bezügen des Kindes einerseits und dem (höheren) Nettoeinkommen der Ehefrau anzusetzen. Bei der Berechnung dieser Differenz setzte der Beklagte lediglich die Einkünfte und Bezüge des Sohnes aus der Erwerbsunfähigkeitsrente an, nicht hingegen das Blindengeld. Aufgrund eines Nettoeinkommens der Ehefrau errechnete der Beklagte dann eine Einkommensdifferenz. Die Hälfte hiervon setzte der Beklagte als Unterhaltsanspruch des Kindes an und errechnete daraus ein verfügbares Nettoeinkommen des Kindes in Höhe von xxx €. Da dies den Bedarf des Kindes in Höhe von xxx € übersteige, sei das Kind nicht außerstande, sich selbst zu unterhalten.

Hiergegen richtet sich die Klage. Die Klägerin ist weiterhin der Auffassung, ihr stehe Kindergeld für ihren Sohn zu, da dieser außerstande sei, sich selbst zu unterhalten. Der Beklagte stelle hierzu weiterhin unzutreffende Berechnungen an. So sei den gesamten Einnahmen der Familie des Sohnes das Existenzminimum von dessen fünfköpfiger Familie gegenüber zu stellen. Insbesondere sei zu beanstanden, bei der Berechnung des Unterhaltsanspruchs des Sohnes gegenüber seiner Ehefrau das Nettoeinkommen der Ehefrau anzusetzen, ohne zuvor von diesem Einkommen das Existenzminimum für eigenen drei Kinder abzuziehen. Durch die Möglichkeit der Übertragung der (hälftigen) Kinderfreibeträge vom Sohn der Klägerin auf dessen Ehefrau ergebe sich sogar ein noch höherer Abzug. Außerdem sei vom Nettoeinkommen der Schwiegertochter noch der Arbeitnehmer-Pauschbetrag in Höhe von 1.000 € abzuziehen. Das Blindengeld habe der Beklagte bei der Bedarfsermittlung und bei den Einnahmen des Sohnes berücksichtigt, es dann aber bei der Berechnung des Unterhaltsanspruchs unberücksichtigt gelassen. Dies sei nicht zutreffend. Als behinderungsbedingter Mehraufwand seien noch Aufwendungen für die Begleitung bei einer Urlaubsreise in Höhe von 767 € sowie Fahrtkosten abzuziehen. Der Sohn habe von seiner Ehefrau im Urlaub begleitet werden müssen. Dazu legte die Klägerin eine Reisebestätigung für einen Urlaub der fünfköpfigen Familie vor. Als behinderungsbedingter Mehrbedarf seien Fahrtkosten in Höhe von 900 € abzuziehen, nämlich pauschal für 3.000 gefahrene Kilometer x 0,30 €/km. Dies sei gerechtfertigt, da mehrere Personen den Sohn aus privaten und gesundheitlichen Gründen gefahren haben. Dabei sei sie insgesamt 1.180 km im Jahr gefahren. Die übrigen Fahrten mache der Sohn mit seiner Ehefrau oder anderen Familienangehörigen. Ergänzend bittet die Klägerin um Berücksichtigung von Beiträgen zu einem Bausparvertrag. Auch seien noch Kinderbetreuungskosten zu berücksichtigen. Weiterhin zahlten ihr Sohn und dessen Ehefrau Kontoführungsgebühren. Es sei zu prüfen, ob ein Kindergeldanspruch für volljährige verheiratete Kinder ab dem Jahr 2012 nicht in allen Fällen unabhängig vom Einkommen des Ehegatten des Kindes bestehe. Hierzu weist die Klägerin auf das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 30. November 2012 (4 K 1569/12 Kg) sowie auf das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 16. Juli 2013 (9 K 935/13) hin, nach denen (bei nicht behinderten Kindern) die Einkünfte und Bezüge des Ehegatten eines volljährigen verheirateten Kindes nach Wegfall des Grenzbetrages 2012 nicht mehr maßgeblich seien. Dies müsse entsprechend auch für behinderte Kinder gelten.

Die Klägerin beantragt,

den Aufhebungs- und Änderungsbescheid in der Fassung der Einspruchsentscheidung aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält an seiner Auffassung fest, der Klägerin stehe Kindergeld für den Monat April 2017 für das Kind A nicht zu. Die Voraussetzungen für eine Berücksichtigung als Kind seien nicht erfüllt, weil das Kind nicht außerstande sei, sich selbst zu unterhalten. So könne die Klägerin aus dem Wegfall der Mangelprüfung für volljährige verheiratete nicht behinderte Kinder ab dem Jahr 2012 für den Streitfall nichts herleiten. Denn mangels sachlicher Änderung von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) sei auch nach Wegfall des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG a.F. die Prüfung, ob ein volljähriges behindertes Kind außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, nicht entfallen. Bei dieser Prüfung seien Unterhaltsleistungen des Kindes oder seines Ehegatten an eigene Kinder nicht zu berücksichtigen. Gleiches gelte für die Altersvorsorgeaufwendungen. Das Blindengeld des Sohnes sei bei der Berechnung des Unterhaltsanspruchs des Kindes gegen seinen Ehegatten nicht zu berücksichtigen. Mittel, die dem Kind (oder auch dem Ehegatten) zweckgebunden für einen behinderungsbedingten Mehrbedarf zufließen, seien aus der Berechnung auszuscheiden, da diese zur Deckung eines bestimmten behinderungsbedingten Bedarfs bestimmt und damit dem Partner entzogen seien. Bei der Ermittlung des sich aufgrund des Halbteilungsgrundsatzes ergebenden theoretischen Unterhalts seien daher nur die, sich nach der Berechnung gemäß Kapitel A 19.5 der Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem EStG (DA-KG) ergebenden, verfügbaren Nettoeinkommen des Kindes und seines Ehegatten heranzuziehen. Für eine Anerkennung von Fahrtkosten behinderter Menschen fehle es an ausreichend detaillierten Angaben und Nachweisen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

1. Der erkennende Senat sieht die Klage als nur wegen Kindergeld für den Monat April 2017 erhoben an. Zwar wendet sich die Klägerin gegen den Bescheid, durch den der Beklagte die Kindergeldfestsetzung "ab April 2017" aufgehoben hat. Der Beklagte weist jedoch zurecht darauf hin, dass sich die Bindungswirkung des Aufhebungsbescheids nur bis zum Ende des Monats erstreckt, in dem die Einspruchsentscheidung ergangen ist, dies war noch im April 2017.

2. Der Klägerin steht für das Kind A für den Monat April 2017 kein Kindergeld zu. Im Ergebnis zurecht hat der Beklagte die Voraussetzungen für einen Kindergeldanspruch der Klägerin als nicht erfüllt angesehen.

Gemäß § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Sätze 1 und 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG besteht für ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, ein Anspruch auf Kindergeld, wenn es wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, sofern die Behinderung - wie im Streitfall - vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist. Die Altersgrenze von 25 Jahren gilt jedoch nur für ab dem 2. Januar 1983 geborene Kinder, sodass im Streitfall noch die Altersgrenze von 27 Jahren zur Anwendung kommt. Bei Vollendung des 27. Lebensjahrs des Kindes haben also die durch den Schwerbehindertenausweis belegten Behinderungen (spätestens) vorgelegen.

Ob ein behindertes Kind außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, ist anhand eines Vergleichs zweier Bezugsgrößen zu prüfen, nämlich der dem Kind zur Verfügung stehenden eigenen finanziellen Mittel einerseits und seinem existenziellen Lebensbedarf andererseits (BFH-Urteil vom 12. Dezember 2012 VI R 101/10, BFHE 240, 50, BStBl II 2015, 651, Rz 11). Zu den dem behinderten Kind zur Verfügung stehenden eigenen finanziellen Mitteln gehören nicht nur dessen Einkünfte und Bezüge als verfügbares Einkommen, sondern auch Leistungen Dritter; auf die Herkunft der Mittel und ihre Zweckbestimmung kommt es in diesem Zusammenhang nicht an, soweit diese zur Bestreitung des Lebensunterhalts bestimmt und geeignet sind (vgl. BFH-Urteile vom 13. April 2016 III R 28/15, BFHE 253, 249, BStBl II 2016, 648, Rz 17 und vom 9. Februar 2012 III R 53/10, BFHE 236, 417, BStBl II 2014, 391, Rz 11).

Der gesamte existentielle Lebensbedarf des behinderten Kindes setzt sich typischerweise aus dem allgemeinen Lebensbedarf (Grundbedarf) und dem individuellen behinderungsbedingten Mehrbedarf zusammen (BFH-Urteil vom 15. Oktober 1999 VI R 183/97, BFHE 189, 442, BStBl II 2000,72). Sofern sich aus den zur Verfügung stehenden Mitteln eine ausreichende Leistungsfähigkeit des Kindes ergibt, kann davon ausgegangen werden, dass den Eltern kein zusätzlicher Aufwand erwächst, der ihre steuerliche Leistungsfähigkeit mindert (BFH-Urteil vom 8. August 2013 III R 30/12, BFH/NV 2014, 498, Rz 15). Dann ist es auch gerechtfertigt, für behinderte Kinder kein Kindergeld oder keinen Kinderfreibetrag zu gewähren (vgl. BFH-Urteil vom 4. November 2003 VIII R 43/02, BFHE 204, 120, BStBl II 2010, 1046, unter II.1.c).

Des Weiteren hat der BFH entschieden, dass unter den Begriff der Bezüge auch Unterhaltsleistungen des verheirateten oder geschiedenen Ehegatten (§§ 1360, 1360a, 1361, 1569 ff. Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -) als Bezüge i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG a.F. (nach der bis zum 31. Dezember 2011 geltenden Rechtslage) fallen und es der Lebenserfahrung entspricht, dass dem nicht oder geringer verdienenden Ehepartner in etwa die Hälfte des Nettoeinkommens in Form von Geld- und Sachleistungen als Unterhalt zufließt, sofern dem unterhaltsverpflichteten Ehepartner ein verfügbares Einkommen in Höhe des steuerlichen Existenzminimums verbleibt (BFH-Urteile vom 23. November 2011 III R 76/09, BFHE 236, 79, BStBl II 2012, 413, Rz 10; vom 11. April 2013 III R 24/12, BFHE 241, 255, BStBl II 2013, 866, Rz 15 und vom 25. Februar 2015 XI R 14/13, BFH/NV 2015, 836, Rz 17). Verfügt das Kind auch über eigene Mittel, ist zu unterstellen, dass sich die Eheleute ihr verfügbares Einkommen teilen. Unterhaltsleistungen sind daher in Höhe der Hälfte der Differenz zwischen den Einkünften des unterhaltsverpflichteten Ehepartners und den geringeren eigenen Mitteln des Kindes anzunehmen (BFH-Urteil vom 19. April 2007 III R 65/06, BFHE 218, 70, BStBl II 2008, 756). Zur Ermittlung des verfügbaren Nettoeinkommens ist pauschalierend die Summe aller Einnahmen i. S. d. § 2 EStG sowie der Bezüge zu bilden und durch Abzug gewisser Positionen zu korrigieren (BFH-Urteil vom 4. August 2011 III R 48/08, BFHE 234, 310, BStBl II 2011, 975 unter Verweis auf die Verwaltungsvorschriften des Beklagten). Reichen die Einkünfte des Ehepartners für den vollständigen Unterhalt des behinderten Kindes aus und liegt kein weiterer Berücksichtigungstatbestand gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 EStG vor, so entfällt der Kindergeldanspruch.

Bei der Prüfung, ob ein volljähriges behindertes Kind, welches das 25. Lebensjahr vollendet hat, behinderungsbedingt außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, ist auf den Kalendermonat abzustellen. Sonderzuwendungen, Gratifikationen usw., die in größeren als monatlichen Zeitabständen gewährt werden, sowie einmalige Einnahmen sind von dem Monat an zu berücksichtigen, in dem sie anfallen; soweit im Einzelfall keine andere Regelung angezeigt ist, sind sie auf einen angemessenen Zeitraum aufzuteilen und monatlich mit einem entsprechenden Teilbetrag anzusetzen. Jährlich anfallende Einnahmen - wie Weihnachts- oder Urlaubsgeld usw. - sind auf den Zuflussmonat und die nachfolgenden elf Monate aufzuteilen (vgl. zum Ganzen BFH-Urteil vom 24. August 2004 VIII R 83/02, BFHE 207, 244, BStBl II 2007, 248).

Nach diesen Grundsätzen hat die Klägerin für den Monat April 2017 keinen Anspruch auf Kindergeld für ihren Sohn A, da dieser nicht dauernd außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Dabei ist entscheidend, wie im Einzelnen die Berechnung zum Einkommen des Kindes und dessen Bedarf aussieht.

Dem Sohn stehen nach der vom erkennenden Senat angestellten Berechnung im April 2017 finanzielle Mittel von xxx € zur Verfügung, während der existenzielle Lebensbedarf xxx € beträgt.

Der Sohn A erzielte im Streitmonat aus einer Erwerbsminderungsrente und Blindengeld Einkünfte und Bezüge. Der Ertragsanteil der Erwerbsminderungsrente ist zu den Einkünften und der Kapitalanteil zu den Bezügen des behinderten Kindes zu rechnen, die zur Bestreitung des Unterhalts bestimmt oder geeignet sind (BFH-Urteil vom 15. Oktober 1993 III R 74/92, BFH/NV 1994, 315). Auch das Blindengeld gehört zu den zur Bestreitung des Unterhalts geeigneten Bezügen (BFH-Urteil vom 31. August 2006 III R 71/05, BFHE 214, 544, BStBl II 2010, 1054).

Von der Erwerbsminderungsrente und dem Blindengeld ist der anteilige Werbungskostenpauschbetrag (§ 9a Satz 1 Nr. 3 EStG) für die Erwerbsminderungsrente in Höhe von 102 € x 1/12 = 8,50 € sowie der anteilige Kostenpauschbetrag für Bezüge in Höhe von 180 € x 1/12 = 15,00 € abzuziehen.

Die Aufwendungen für die Kinderbetreuung sind nicht von den Einkünften und Bezügen abzuziehen, da sie im Jahr 2017 lediglich als Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG steuerlich zu berücksichtigen sind (vgl. BFH-Urteil vom 9. Februar 2012 III R 73/09, BFHE 236, 407, BStBl II 2012, 463).

Die geltend gemachten Kontoführungsgebühren sind vom Werbungskostenpauschbetrag abgegolten.

Daneben steht dem Kind ein Unterhaltsanspruch gegen seine Ehefrau zu, der als Leistung Dritter denjenigen Mitteln zuzurechnen ist, die dem Kind für seinen Unterhalt zur Verfügung stehen. Dieser Unterhaltsanspruch errechnet sich wie folgt:

Im Rahmen des Unterhaltsanspruchs ist das eigene Einkommen des Sohns A mit xxx € anzusetzen. Nach der anzuwendenden pauschalierenden Betrachtungsweise gilt das oben Ausgeführte entsprechend.

Bei der Ermittlung des verfügbaren Nettoeinkommens der Eheleute ist entgegen der Auffassung des Beklagten und zugunsten der Klägerin das Blindengeld zu berücksichtigen. Das Argument, das Blindengeld sei zweckgebunden und stehe daher für die gemeinsame Lebensführung nicht zur Verfügung, greift nicht durch. Trotz dieser Erwägung handelt es sich um Bezüge, da auch das Blindengeld zur Bestreitung des Unterhalts geeignet ist (s.o. BFH-Urteil vom 31. August 2006 III R 71/05, BFHE 214, 544, BStBl II 2010, 1054).

Auch aus unterhaltsrechtlicher Sicht ist der Ansicht des Beklagten nicht zu folgen. Zwar wird gemäß § 1610a BGB, wenn für Aufwendungen infolge eines Körper- oder Gesundheitsschadens Sozialleistungen in Anspruch genommen werden, bei der Feststellung eines Unterhaltsanspruchs vermutet, dass die Kosten der Aufwendungen nicht geringer sind als die Höhe dieser Sozialleistungen. Dies unterstützt aber nur vordergründig die Ansicht des Beklagten, da danach zivilrechtlich das Blindengeld bei der Unterhaltsberechnung außer Betracht bleibt. Jedoch gilt § 1610a BGB beim Familienunterhalt - also bei intakter Ehe - nicht, denn die für den Verwandtenunterhalt geltende Bestimmung des § 1610a BGB wird von der gesetzlichen Verweisung in § 1360a Abs.3 BGB nicht erfasst (vgl. Urteil des Oberlandesgericht Düsseldorf vom 21. August 2001 1 UF 63/01, NJW 2002, 1353).

Das zu berücksichtigende Einkommen der Ehefrau beträgt im Monat April 2017 xxx €.

Sie erzielte im Monat April 2017 einen Bruttoarbeitslohn in Höhe von xxx €. Abzüglich der Sozialversicherung von insgesamt xxx € ergibt sich ein Betrag von xxx €. Zugunsten der Klägerin bezieht der erkennende Senat die Lohnsteuer, den Solidaritätszuschlag und die Kirchensteuer in die Abzüge mit ein und legt als Einkommen nur das Nettogehalt von xxx € zugrunde.

Dies, obwohl der BFH in ständiger Rechtsprechung zur alten Grenzbetragsregelung die Auffassung vertritt, die Lohnsteuer sei nicht abziehbar (u.a. BFH-Urteil vom 26. September 2007 III R 4/07, BFH/NV 2008, 434). Das FG Sachsen (Urteil vom 2. April 2008 2 K 286/07 (Kg), EFG 2010, 1620) vertritt die Auffassung, dass dies für den Ehegatten im Rahmen des Unterhaltsanspruchs genauso gilt. Der BFH hat in der nachgehenden Entscheidung diese Frage offengelassen (BFH-Urteil vom 23. November 2011 III R 76/09, BFHE 236, 79, BStBl II 2012, 413). Daher ist diese Frage höchstrichterlich noch nicht geklärt.

Insofern liegt der Fall in der Schnittmaterie zwischen Steuerrecht und Familienrecht. Aus steuerrechtlicher Perspektive ist die Lohnsteuer nicht abziehbar. Im Rahmen des Unterhaltsanspruchs wird jedoch auf das verfügbare Nettoeinkommen abgestellt, also die Lohnsteuer abgezogen. So lässt die DA-KG in A 19.5 Satz 2 ebenfalls die Berücksichtigung der Steuerabzugsbeträge zu.

Diese Wertung kann nach Auffassung des Senats auch auf die steuerliche Beurteilung durchschlagen. Bei der Berechnung des Familienunterhalts stützt sich auch der BFH regelmäßig auf die hierzu ergangene zivilrechtliche Rechtsprechung (BFH-Urteil vom 23.11.2011 III R 76/09, BFHE 236, 79, BStBl II 2012, 413). Dies ist auch folgerichtig, da eigene Bezüge des Kindes nur dann vorliegen, wenn ihm tatsächlich finanzielle Mittel zur Verfügung stehen. Im Rahmen des Unterhaltsanspruchs ist daher eine Unterhaltsleistung auch nur anzunehmen, soweit gemeinsames verfügbare Nettoeinkommen vorhanden ist. Damit sind jedoch die Wertungsfragen, ob und in welcher Höhe ein gemeinsames verfügbares Nettoeinkommen vorhanden ist, ebenfalls nach dem Zivilrecht zu lösen. Anderenfalls würde sich auch eine Ungleichbehandlung zu den Fällen der Unterhaltsverpflichtungen getrenntlebender Eheleute ergeben. Im Rahmen intakter Ehen wird es kaum einmal einen Gerichtsprozess zur Unterhaltshöhe geben. Dies ist jedoch bei getrenntlebenden - oder auch geschiedenen - Ehepartnern häufiger der Fall. In diesen Zivilprozessen werden die Unterhaltsansprüche ebenfalls allein zivilrechtlich beleuchtet, sodass auch Unterhaltsverpflichtungen - die in diesen Konstellationen nur dann zu Bezügen führen, wenn und soweit sie tatsächlich erbracht wurden (Zuflussprinzip) - nur nach zivilrechtlichen Maßstäben entstehen. Etwas anderes kann daher nach Auffassung des Senats für die Fälle intakter Ehen nicht gelten.

Daneben ist die Jahressonderzahlung aus November 2016 in Höhe von brutto xxx € anteilig mit 1/12 zu berücksichtigen. Bei netto xxx € sind das mithin xxx €.

Von den so ermittelten Einkünften ist 1/12 des Arbeitnehmer-Pauschbetrags nach § 9a Satz 1 Nr. 1 Buchstabe a) EStG in Höhe von 1.000 €, mithin ein Betrag von 83,33 €, abzuziehen, so dass sich eine Summe der Einkünfte und Bezüge von xxx € ergibt.

Hiervon sind Unterhaltsleistungen an die drei Kinder nicht abzuziehen. Dies entspricht der Auffassung des Beklagten in DA-KG A 19.6 Abs. 2. Der BFH hat bereits entschieden, dass Unterhaltszahlungen des Kindes an dessen eigene Kinder nicht zum Abzug zuzulassen sind (BFH-Urteil vom 9. Februar 2012 III R 73/09, BFHE 236, 407, BStBl II 2012, 463). Grund hierfür sei, dass anderenfalls der Unterhaltsbedarf des (Kindes-)Kindes zu Unrecht eine doppelte Berücksichtigung fände, nämlich beim Kind und (über die Einkünfte und Bezüge des Kindes) auch bei den Großeltern. Der BFH lehnt damit in diesen Fällen ausdrücklich die Regelungen des familienrechtlichen Unterhaltsrechts, nach dem der Kindesunterhalt dem Ehegattenunterhalt sogar vorrangig ist, für das Kindergeldrecht ab. Damit kommt es im Ergebnis in diesen Fällen nicht darauf an, ob das behinderte Kind, für das Kindergeld begehrt wird, eigene (unterhaltsberechtigte) Kinder hat oder nicht. Zwar betraf das genannte BFH-Urteil vom 9. Februar 2012 III R 73/09 (BFHE 236, 407 BStBl II 2012, 463) die damals geltende Rechtslage zur Ermittlung des Jahresgrenzbetrags nicht behinderter Kinder. Der erkennende Senat wendet diese Grundsätze jedoch entsprechend an bei Prüfung, ob ein behindertes Kind dauernd außerstande ist, sich selbst zu unterhalten oder nicht. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist nämlich durch den Wegfall der Jahresgrenzbetragsberechnung des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG a.F. im Jahr 2012 nicht gleichzeitig die Prüfung entfallen, ob ein behindertes Kind dauernd außerstande ist, sich selbst zu unterhalten oder nicht. Im Gegenteil ist dies weiterhin Tatbestandsmerkmal des § 32 Abs. 4 Nr. 3 EStG. Hierdurch sieht der erkennende Senat auch keine Benachteiligung behinderter Kinder gegenüber nicht behinderten Kindern. Denn bis zur Vollendung des 18. Lebensjahrs des Kindes sind die Voraussetzungen für einen Kindergeldanspruch für nicht behinderte und behinderte Kinder gleich (§ 32 Abs. 3 EStG). Erst nach der Vollendung des 18. Lebensjahrs des Kindes kann der Kindergeldanspruch davon abhängen, ob ein Kind behindert oder nicht behindert ist. Unter den Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Nr. 1 und Nr. 2 EStG besteht hingegen für den Kindergeldanspruch wiederum eine völlige Gleichbehandlung behinderter und nicht behinderter Kinder. In diesen Fällen wäre auch nicht zu prüfen, ob das behinderte Kind außerstande ist, sich selbst zu unterhalten oder nicht. Diese Prüfung ist nur erforderlich, wenn sich der Kindergeldanspruch ausschließlich aus der Vorschrift des § 32 Abs. 4 Nr. 3 EStG ergeben kann, also für diejenigen Fälle, in denen für ein nicht behindertes Kind kein Kindergeldanspruch besteht.

Die Grundsätze aus dem BFH-Urteil vom 9. Februar 2012 III R 73/09 (BFHE 236, 407, BStBl II 2012, 463) überträgt der erkennende Senat bei seiner Berechnung des Unterhaltsanspruchs des behinderten Kindes gegenüber seinem Ehegatten in der Weise, dass auch der unterhaltsverpflichtete Ehegatte keine Unterhaltszahlungen an die eigenen Kinder abziehen kann. Denn ansonsten käme es auch hier (mittelbar) zu einer Doppelberücksichtigung, weil zum einen die Unterhaltsansprüche der (Kindes-)Kinder zu einer Verringerung des Einkommens des Ehegatten und damit zu einer Verringerung der Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem Ehegatten und zum anderen zu einer Verringerung des Einkommens des behinderten Kindes führten, so dass die Großeltern deshalb einen Kindergeldanspruch erwerben könnten.

Der erkennende Senat verkennt dabei nicht, dass familienrechtlich der Unterhaltsanspruch des Kindes gegen seinen Ehegatten nicht oder nur in geringerer Höhe bestehen könnte, weil der Unterhaltsanspruch der Kinder des Ehegatten dem Ehegattenunterhalt vorginge. Wie dargestellt gelten jedoch bei der Prüfung des Kindergeldanspruchs andere Grundsätze als im Familienrecht.

Daneben sind die Aufwendungen zur Altersvorsorge ebenfalls im Rahmen des Unterhaltsanspruchs zu berücksichtigen. Familienunterhalt steht einem Ehegatten grundsätzlich in Höhe der Hälfte der beiderseitigen Einkommen der Ehegatten zu (vgl. BFH-Urteil vom 20. März 2002 XII ZR 216/00 FamRZ 2002, 742), soweit diese die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt haben und nicht zur Vermögensbildung verwandt worden sind. (BGH-Urteil vom 14. Januar 2004 XII ZR 149/01, Rn. 21, juris und vom 12. Dezember 2012 XII ZR 43/11, BGHZ 196, 21).

Zur Vereinfachung setzt der Senat vom Einkommen der Ehefrau einen Betrag von xxx € ab.

Der Unterhaltsanspruch des Sohns A beträgt hiernach xxx €. Denn von der Differenz der Einkommen Ehefrau - Kind = xxx € steht dem Sohn A die Hälfte zu, mithin ein Betrag in Höhe von xxx €.

Entgegen der Ansicht des FG Münster (Urteil vom 21. Februar 2013 13 K 1968/11 Kg, EFG 2013, 790) ist kein Erwerbstätigenbonus zu berücksichtigen. Die im Urteil des FG zitierte zivilrechtliche Rechtsprechung ist zu § 1361 BGB, also zum Trennungsunterhalt, ergangen. Im Rahmen einer intakten Ehe gilt der Halbteilungsgrundsatz jedoch uneingeschränkt; ein Erwerbstätigenbonus ist nicht abzuziehen (BGH-Urteil vom 12. Dezember 2012 XII ZR 43/11, BGHZ 196, 21). Damit besteht weder aus steuerrechtlicher noch aus zivilrechtlicher Sicht ein Grund, vom Halbteilungsgrundsatz abzuweichen.

Der existenzielle Lebensbedarf des Kindes A beträgt xxx €.

Der allgemeine Lebensbedarf (Grundbedarf) in Höhe des Grundfreibetrags nach § 32a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 EStG beträgt 8.820 € im Jahr 2017, also 735 € im Streitmonat.

Dazu kommt ein zu berücksichtigender Behinderungsmehrbedarf in Höhe des Blindengelds anstelle des Behindertenpauschbetrags mit einem Betrag von xxx € (BFH-Urteil vom 31. August 2006 III R 71/05, BFHE 214, 544, BStBl II 2010, 1054).

Neben den hiernach zu berücksichtigenden Aufwendungen sind auch Fahrtkosten grundsätzlich zu berücksichtigen (BFH-Urteil vom 17. November 2004 VIII R 18/02, BFH/NV 2005, 691). Hierbei ist unerheblich, wer die Fahrtkosten getragen hat, sie zählen jedenfalls zum behinderungsbedingten Mehrbedarf des Kindes (vgl. BFH-Urteil vom 31. August 2006 III R 71/05, BFHE 214, 544, BStBl II 2010, 1054). Nach den Hinweisen im Einkommensteuer-Handbuch H 33.1-33.4 (Fahrtkosten behinderter Menschen), auf die die DA-KG in A 19.4 Abs. 5 Satz 6 verweist, ist ohne gesonderten Nachweis eine jährliche Fahrleistung von 3.000 km mit einem Kilometersatz von 0,30 €/km, mithin 900 € bzw. 75 €/Monat, als behinderungsbedingter Mehrbedarf anzusetzen. Dies entspricht zudem dem Begehren der Klägerin.

Die finanziellen Mittel des Kindes in Höhe xxx € übersteigen den existentiellen Lebensbedarf des Kindes in Höhe von xxx € mithin um xxx €.

Nach DA-KG in A 19.4 Abs. 5 Satz 7 sind Mehraufwendungen, die einem Kind mit Behinderung anlässlich einer Urlaubsreise durch Kosten für Fahrten, Unterbringung und Verpflegung einer Begleitperson entstehen, bis zu einer Höhe von 767 € pro Kalenderjahr als behinderungsbedingter Mehrbedarf zu berücksichtigen, sofern, wie im Streitfall, die Notwendigkeit ständiger Begleitung durch das Merkzeichen B nachgewiesen ist. In eben dieser Höhe macht die Klägerin die Berücksichtigung von Aufwendungen geltend.

Kinderbetreuungskosten und Aufwendungen für die Altersvorsorge stellen bereits deshalb keinen behinderungsbedingten Mehrbedarf dar, weil sie nicht durch die Behinderung verursacht werden.

Selbst wenn man jedoch wegen der Notwendigkeit der Begleitung des Kindes pauschal und ohne Nachweis 1/12 von 767 €, mithin 63,92 €, sowie die von der Klägerin geltend gemachten Kinderbetreuungskosten von 60 € zzgl. Essensgeld von 23,20 € zugunsten der Klägerin berücksichtigte, überstiegen die finanziellen Mittel des Kindes immer noch den existentiellen Lebensbedarf des Kindes. Das Kind war damit im Streitzeitraum nicht dauernd außerstande, sich selbst zu unterhalten.

Nach alledem war die Klage abzuweisen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

4. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).