Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 10.09.2010, Az.: 11 A 1897/09

Syrien; Rückübernahmeabkommen; Ajnabi; Ausländerregister; Rückkehrmöglichkeit; Vollstreckungsgegenklage

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
10.09.2010
Aktenzeichen
11 A 1897/09
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2010, 41259
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGOLDBG:2010:0910.11A1897.09.0A

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Hat sich die Ausländerbehörde mit Rücksicht auf die frühere tatsächliche Unmöglichkeit der Rückkehr von Personen, die im syrischen Ausländerregister erfasst sind, durch einen gerichtlichen Vergleich verpflichtet, eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG zu erteilen, kann sie nach Inkrafttreten des deutsch-syrischen Rückübernahmeabkommens eine Vollstreckungsgegenklage erheben.

Amtlicher Leitsatz

  1. 2.

    Die Ausreise ist im Sinne des § 25 Abs. 5 AufenthG nur dann tatsächlich unmöglich, wenn bei prognostischer Betrachtung feststeht, dass der Ausländer in einem überschaubaren Zeitraum von etwa sechs Monaten nicht ausreisen kann. Ist dies dagegen offen, darf eine Aufenthaltserlaubnis nach der genannten Vorschrifte nicht erteilt werden.

Amtlicher Leitsatz

  1. 3.

    Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass auch eine im syrischen Ausländerregister erfasste Person nach dem Inkrafftreten des deutsch-syrischen Rückübernahmeabkommens in ihr Heimatland zurückkehren kann. Dies gilt allerdings nur solange als die syrischen Stellen eine Rückübernahme nicht abschließend ablehnen oder das Rückübernahmegesuch ohne zureichenden Grund zwei Jahre nicht beantwortet wird (im Anschluss an Nds. OVG, Beschluss vom 8. Juli 2010 - 2 LA 278/09 - juris).

Amtlicher Leitsatz

  1. 4.

    Aus Art. 31 StlÜbK kann kein Anspruch auf Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis abgeleitet werden, wenn dem Staatenlosen eine Rückkehr in das Land seines früheren gewöhnlichen Aufenthalts wieder möglich ist.

Tatbestand

1

Der 1956 geborene Beklagte zu 1) und die 1959 zur Welt gekommene Beklagte zu 2) sind Eheleute. Die Beklagten zu 3) - 9) sind ihre zwischen 1987 und 2001 geborenen gemeinsamen Kinder. Die Beklagten sind kurdische Volkszugehörige yezidischen Glaubens aus Syrien; sie sind im dortigen Ausländerregister erfasst.

2

Sie reisten Mitte Oktober 2001 in die Bundesrepublik Deutschland ein und wurden nach dem negativen Abschluss ihres Asylverfahrens (Bescheid des Bundesamtes vom 28. November 2001; VG Oldenburg, Urteil vom 23. April 2003 - 11 A 20/02 -) von dem Kläger zunächst geduldet.

3

Mit Schreiben vom 30. Mai 2003 beantragten sie die Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen und Reiseausweisen für Staatenlose. Zur Begründung hatten sie angeführt, dass sie nicht nach Syrien zurückkehren könnten, da sie die dortige Staatsangehörigkeit nicht besäßen.

4

Nachdem die Anträge nicht beschieden worden sind, haben die Beklagten am 28. März 2006 Klage erhoben (11 A 1763/06). Der Kläger gab dem Begehren der Beklagten vor allem deshalb nicht statt, weil seiner Ansicht nach die Beklagten die türkische Staatsangehörigkeit besitzen könnten.

5

In der mündlichen Verhandlung am 2. April 2008 schossen die Beteiligten dann folgenden Vergleich:

"1. Die Kläger weisen dem Beklagten nach, dass die Klägerin zu 8) einen Nachregistrierungsantrag bei der türkischen Auslandsvertretung gestellt hat, in dem Angaben zu den Namen ihrer Eltern und Großeltern enthalten sind und dem der vorliegende Auszug aus dem türkischen Personenregister betreffend Uso und Hani Tabul sowie ihre drei Kinder beigefügt sind. Sie werden dem Beklagten auch unverzüglich mitteilen, wenn neuere Erkenntnisse darüber bestehen, ob Familienangehörige (insbesondere Eltern der Kläger zu 1) und 2)) im türkischen Register erfasst sind.

2. Die Kläger werden allen aufgrund des zu 1. genannten Nachregistrierungsantrages von der türkischen Auslandsvertretung geforderten Mitwirkungshandlungen entsprechen.

3. Nach Nachweis der Antragstellung entsprechend der Nr. 1 wird der Beklagte den Klägern für die Dauer von sechs Monaten Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 Abs. 5 AufenthG erteilen.

4. Die Aufenthaltserlaubnisse werden um jeweils ein weiteres halbes Jahr verlängert, solange die Kläger den zu 1. und 2. genannten Mitwirkungshandlungen nachkommen und eine Nachregistrierung der Kläger beim türkischen Generalkonsulat nicht erfolgt ist.

5. Sofern sich aufgrund einer Mitteilung des Generalkonsulats herausstellt, dass die Kläger in der Türkei nicht nachregistriert werden können, werden ihnen neben längerfristigen Aufenthaltserlaubnissen auch Reiseausweise für Staatenlose erteilt.

6. Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger einerseits und der Beklagte andererseits jeweils zur Hälfte."

6

Nachdem die Beklagte zu 8) mit Schreiben vom 8. April 2008 bei dem Türkischen Generalkonsulat einen Nachregistrierungsantrag gestellt hatte, erteilte der Kläger den Beklagten am 25. April 2008 bis zum 24. Oktober 2008 gültige Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 Abs. 5 AufenthG, welche bis zum 24. April 2009 verlängert worden sind.

7

Als das Türkische Generalkonsulat in Hannover mitgeteilt hatte, dass eine Nachregistrierung der Beklagten in der Türkei ausscheide, erteilte der Kläger den Beklagten am 7. Januar 2009 auch für zwei Jahre gültige Reiseausweise für Staatenlose.

8

Am 25. Februar 2009 beantragten die Beklagten unter Hinweis auf Ziffer 5 des geschlossenen Vergleichs bei dem Kläger die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen für die Dauer von drei Jahren. Über diesen Antrag hat der Kläger bisher nicht entschieden. Den Beklagten werden seither Bescheinigungen über die Fortgeltung ihrer Aufenthaltserlaubnisse erteilt.

9

Am 20. Mai 2009 hat sich die Zentrale Aufnahme- und Ausländerbehörde Niedersachsen - Außenstelle Langenhagen - auf Bitten des Klägers an die syrische Auslandsvertretung gewandt damit für die Beklagten nach dem deutsch-syrischen Rückübernahmeabkommen Passersatzpapiere erteilt werden. Mit Schreiben vom 8. Juni 2009 hat der Kläger von den Beklagten die Zustimmung zur Anpassung des geschlossenen Vergleichs an die veränderten Umstände, mithin den Verzicht auf die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen verlangt.

10

Am 23. Juni 2009 haben die Beklagten beim erkennenden Gericht einen Antrag auf Vollstreckung aus dem Vergleich vom 2. April 2008 gestellt (11 D 1802/09).

11

Am 2. Juli 2009 hat der Kläger Vollstreckungsabwehrklage erhoben und um einstweiligen Rechtschutz nachgesucht (11 B 1898/09). Mit Beschlüssen vom 4. August 2009 hat das erkennende Gericht die Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich vom 2. April 2008 eingestellt und den Antrag der Beklagten auf Vollstreckung abgelehnt.

12

Die Beklagte zu 8) ist seit dem 25. März 2009 im Besitz einer bis zum 25. März 2012 geltenden Aufenthaltserlaubnis. Die Beklagte zu 9) hat am 6. Oktober 2009 eine bis zum 6. Januar 2011 geltende Aufenthaltserlaubnis erhalten. Insoweit haben die Beteiligten den Rechtstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.

13

Der Kläger trägt im Wesentlichen vor: Es sei ihm rechtlich nicht mehr möglich, dem geschlossenen Vergleich nachzukommen. Am 3. Januar 2009 sei das deutsch-syrische Rückübernahmeabkommen in Kraft getreten. Danach könnten auch staatenlose Personen nach Syrien zurückkehren. Ein Ausreisehindernis im Sinne des § 25 Abs. 5 AufenthG bestehe daher nicht mehr. Nach einer Stellungnahme des Niedersächsischen Innenministeriums vom 30. April 2010 würden die syrischen Stellen auch staatenlose Personen, die bei ihnen ansässig gewesen seien, zurücknehmen.

14

Der Kläger beantragt,

  1. die Zwangsvollstreckung aus dem am 2. April 2008 im Verfahren 11 A 1763/06 geschlossenen Vergleich betreffend die Beklagten zu 1) bis 7) für unzulässig zu erklären,

15

Die Beklagten zu 1) bis 7) beantragen,

  1. die Klage abzuweisen.

16

Sie erwidern im Wesentlichen: Es sei unklar, ob die syrischen Behörden aufgrund des deutsch-syrischen Rückübernahmeabkommens tatsächlich Personen zurücknähmen, die staatenlos und im dortigen Ausländerregister eingetragen seien. Fraglich sei auch, ob dies gerade konkret bei ihnen möglich sei, da bis heute keine Reaktion auf den sie betreffenden Rückübernahmeantrag erfolgt sei. Nach dem Rückübernahmeabkommen solle hierüber innerhalb von 60 Tagen entschieden werden. 180 Rückübernahmezusagen, von denen das Niedersächsische Innenministerium berichte, seien angesichts der hohen Zahl von Personen aus Syrien, die in Deutschland lebten, relativ wenig. Ferner stände ihrer Rückkehr Art. 31 StlÜbK entgegen. Man habe sie als Staatenlose aufgenommen. Auch ihre Rechte wie der Zugang zum Arbeitsmarkt und zur Sozialfürsorge seien nur dann gewährleistet, wenn ihr Aufenthaltsstatus unangetastet bleibe. Aufgrund ihres langjährigen Aufenthalts seien sie auch gut in die hiesigen Lebensverhältnisse integriert. Ihnen sei langjährig rechtswidrig Aufenthaltstitel vorenthalten worden. Die Abschiebung von Staatenlosen nach Syrien sei auch eine unmenschliche Behandlung im Sinne des § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK. Außerdem sei das Existenzminimum nicht gesichert, so dass zumindest ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG gegeben sei.

17

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Gerichtsakte des vorliegenden Verfahrens sowie der Rechtstreitigkeiten 11 D 1802/09 und 11 A 1763/06 und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Klägers verwiesen; sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

18

Das Verfahren war betreffend die Beklagten zu 8) und 9) in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen, da der Rechtstreit insoweit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt worden ist.

19

Die Vollstreckungsabwehrklage ist im Übrigen nach den §§ 167 VwGO, 767 ZPO zulässig (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. September 2009 - 4 C 10.01 - BVerwGE 117, 44, 45) und auch begründet.

20

Voraussetzung ist gem. §§ 167 VwGO, 767 Abs. 2 ZPO, dass nach Entstehung des Vollstreckungstitels sachlich-rechtliche Einwendungen entstanden sind, die den bestehenden Anspruch nachträglich vernichten oder in seiner Durchsetzbarkeit hemmen (BVerwG, a.a.O.).

21

Die Beklagten zu 1) bis 7) haben keinen Anspruch auf Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach § 25 Abs. 5 AufenthG mehr. Nach dieser Vorschrift kann abweichend von § 11 Abs. 1 AufenthG einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall des Ausreisehindernisses in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist.

22

Die Ausreise ist aus tatsächlichen Gründen unmöglich, wenn bei prognostischer Betrachtung feststeht, dass in einem überschaubaren Zeitraum von etwa sechs Monaten (vgl. § 26 Abs. 1 Satz 1 AufenthG) eine Ausreise des Betroffenen ausscheidet. Mithin ist eine Ausreise nicht unmöglich, wenn eine nicht nur weit entfernt liegende Möglichkeit besteht, in dieser Frist in das Heimatland zurückzukehren. Es darf also auch dann keine Aufenthaltserlaubnis nach der genannten Vorschrift erteilt werden, wenn sich die Sachlage diesbezüglich als offen darstellt, aber eine Ausreisemöglichkeit praktisch jederzeit entstehen kann (vgl. OVG Saarlouis, Beschluss vom 8. Januar 2010 - 2 A 447/10 - <juris, Rn. 17>; Storr in: Storr u. a., Zuwanderungsrecht, 2. Aufl. 2008, Rn. 34 zu § 25).

23

Bei Abschluss des Vergleiches zwischen den Beteiligten am 2. April 2008 konnten u.a. Personen, die im syrischen Ausländerregister registriert sind, dauerhaft nicht in ihr Heimatland zurückkehren (vgl. etwa Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 5. Mai 2008, S. 10).

24

Inzwischen ist am 3. Januar 2009 das deutsch-syrische Rückübernahmeabkommen vom 14. Juli 2008 (BGBl. II. S. 812) in Kraft getreten. Nach diesem werden neben syrischen Staatsangehörigen (Art. 1) auf Ersuchen u. a. auch staatenlose Personen übernommen, wenn diesen ein Aufenthaltstitel erteilt wurde, dessen Gültigkeit später abläuft als ein Aufenthaltstitel, der in der Bundesrepublik Deutschland erteilt werden ist (Artikel 2 Abs. 1). Die Eintragung der Beklagten im syrischen Ausländerregister könnte dabei als unbefristeter Aufenthaltstitel angesehen werden.

25

Nach den Erkenntnissen des Gerichts erfolgen auf dieser Grundlage auch tatsächlich Rückführungen von Personen aus dem Ausländerregister nach Syrien.

26

Aus einem Ergebnisprotokoll zu einer Dienstbesprechung des Niedersächsischen Innenministeriums mit den Niedersächsischen Ausländerbehörden am 15./22. Juni 2010 sowie einem E-Mail-Schreiben des Niedersächsischen Innenministeriums an den Kläger vom 30. April 2010 (vgl. auch Schreiben an den Kläger vom 24. August 2010) ergibt sich, dass das Rückübernahmeabkommen von beiden Seiten grundsätzlich uneingeschränkt angewendet wird, auch wenn die syrische Stellen gelegentlich zögerlich tätig werden. Im Jahre 2009 sowie im 1. Quartal 2010 sind weniger als 10 % der Ersuchen abgelehnt worden. Bis zum 31. März 2010 sind bundesweit 200 Rückübernahmezusagen erteilt worden; allein in den letzten Apriltagen 2010 wurden für weitere 14 Personen in Niedersachsen Passersatzpapiere ausgestellt. Solche haben sowohl syrischen Staatsangehörige aber auch Staatenlose und Drittstaatsangehörige nach Art. 2 des Rückübernahmeabkommens erhalten.

27

Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass auch aus Syrien stammende staatenlose Kurden, jedenfalls soweit sie im Ausländerregister registriert sind, grundsätzlich jederzeit Reisedokumente erhalten können und somit die Möglichkeit der Rückkehr in ihr Heimatland keine völlig fernliegende Möglichkeit darstellt (OVG Lüneburg, Beschluss vom 8. Juli 2010 - 2 LA 278/09 - <juris, Rn. 16>; Beschluss vom 13. Januar 2010 - 2 PA 126/09 -; Beschluss vom 17. Dezember 2009 - 2 PA 346/09 -; ebenso OVG Saarlouis, a.a.O.).

28

Im Falle der Beklagten ist die Zentrale Aufnahme- und Ausländerbehörde Niedersachsen auf Bitten des Klägers am 20. Mai 2009 an die syrische Auslandsvertretung herangetreten, sie entsprechend dem Rückübernahmeabkommen aufzunehmen. Die syrischen Stellen haben die Rückübernahme der Beklagten bisher nicht verweigert, sondern prüfen das Ersuchen des Klägers offenbar weiterhin (vgl. Schreiben der Zentralen Aufnahme- und Ausländerbehörde Niedersachsen, Außenstelle Langenhagen, an den Kläger vom 5. August und 4. Mai 2010 sowie 8. Dezember und 26. Mai 2009).

29

Praktisch ausgeschlossen wäre eine Rückübernahme nach Auffassung des Gerichts erst dann, wenn die syrischen Stellen sie endgültig ablehnen würde. Entsprechendes würde auch gelten, wenn die syrischen Stellen ohne zureichenden Grund in einer erheblichen Zeit keine Entscheidung mitteilen würden. Dabei könnte nach Einschätzung des Gerichts nach einem Zeitraum von zwei Jahren ab Eingang des Gesuchs bei den syrischen Behörden nicht mehr ernsthaft mit einer kurzfristigen Rückübernahme der Beklagten gerechnet werden; diese Frist ist aber erst mit Ablauf des 20. Mai 2011 verstrichen. Eine kürzere Frist ist auch nicht mit Blick auf die in Art. 3 Abs. 1 Satz 1 des Rückübernahmeabkommens vorgesehene Äußerungszeit von sechzig Tagen geboten. Denn gem. Satz 2 der Bestimmung gilt nach deren Ablauf die Zustimmung zur Übernahme sogar als erteilt.

30

Andere Ausreisehindernisse im Sinne des § 25 Abs. 5 AufenthG liegen nicht vor. Zur Begründung wird auf den Beschluss der Kammer vom 4. August 2009 - 11 B 1898/09 - (S. 4 f.) hingewiesen. Gesichtspunkte, die eine andere Beurteilung rechtfertigen könne, haben die Beklagten seither nicht vorgetragen.

31

Soweit sie in der mündlichen Verhandlung insbesondere nochmals geltend gemacht haben, dass sich ein Anspruch auf Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnisse aus Art. 31 Abs. 1 StlÜbK ergebe, vermag das Gericht ihnen weiterhin nicht zu folgen. Die Beklagten zu 1) bis 7) befinden sich seit dem Ablauf ihrer Aufenthaltserlaubnisse nicht mehr im Sinne dieser Vorschrift rechtmäßig in der Bundesrepublik Deutschland. Zwar gilt ihre Aufenthaltserlaubnis auf Grund ihres rechtzeitigen Verlängerungsantrages seither als fortbestehend (§ 81 Abs. 4 AufenthG). Diese Fiktionswirkungen vermitteln über das Verfahrensrecht hinaus eine materielle rechtsbegründende Position aber nur dann, wenn auch ein Anspruch auf ein Aufenthaltstitel besteht (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. März 2010 - 1 C 6.09 - InfAuslR 2010, 343), was aus den oben dargestellten Gründen bei den Beklagten zu 1) bis 7) nicht mehr der Fall ist. Die Anwendung des StlÜbK setzt dementsprechend voraus, dass das Land des früheren gewöhnlichen Aufenthalts des Ausländers nicht bereit ist, ihn wieder aufzunehmen (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Februar 2005 - 1 C 17.03 - BVerwGE 123, 18 <23>) . Wenn dies - wie hier - wieder der Fall ist, bedarf es keines besonderen Schutzes des Staatenlosen mehr.

32

Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 2 Satz 1, 167 VwGO, 708 Nr. 11 ZPO. Die Beklagten zu 8) und 9) haben nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes die Kosten des erledigten Teils des Rechtstreits zu tragen. Die Klage wäre nämlich aus den oben genannten Gründen erfolgreich gewesen, wenn den Beklagten nicht aus anderen Gründen Aufenthaltserlaubnisse hätten erteilt werden müssen. Hinsichtlich der Beklagten zu 8) ist zudem darauf hinzuweisen, dass sie bereits bei Stellung des Vollstreckungsantrages 11 D 1802/09 im Juni 2009 im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis gewesen ist. Auch bestand schon damals aufgrund eines Wohnsitzwechsels die Zuständigkeit des Landkreises Soltau-Fallingbostel (vgl. Beschluss der Kammer vom 4. August 2009, a.a.O., S. 5).

33

Gründe, die es nach §§ 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4, 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO rechtfertigen würden die Berufung zuzulassen, vermag das Gericht nicht zu erkennen. Auch die Frage, ob sich aus Art. 31 StlÜbK ein Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnisse der Beklagten zu 1) bis 7) ergibt, lässt sich in Anwendung der erwähnten höchstrichterlichen Rechtsprechung ohne weiteres beantworten.