Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 29.10.2009, Az.: 1 K 168/06

Steuerliche Berücksichtigung von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer; Indizierung des Schwerpunkts einer Gesamttätigkeit bei mehreren Erwerbstätigkeiten anhand des Mittelpunktes der Haupttätigkeit; Sendestudio eines Radiosenders als qualitativer Mittelpunkt der Tätigkeit einer Moderation von Radiosendungen; Steuermindernde Berücksichtigung eines häuslichen Arbeitszimmers

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
29.10.2009
Aktenzeichen
1 K 168/06
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2009, 36621
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2009:1029.1K168.06.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - 25.05.2010 - AZ: X B 207/09

Einkommensteuer 2001 - 2003

Aufwendungen für ein Arbeitszimmer sind nur dann unbegrenzt abzugsfähig, wenn es den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer in vollem Umfang steuermindernd zu berücksichtigen sind.

2

Der Kläger erzielte in den Streitjahren Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Moderator von Radiosendungen . und gewerbliche Einkünfte aus dem Betrieb einer Agentur unter der Firma X, die Event-Organisation, Pressearbeit, Marketing und die Durchführung von PR-Maßnahmen anbietet.

3

Eine "Rahmenvereinbarung" des Klägers mit dem Radiosender sieht vor, dass der Kläger als "programmgestaltender Mitarbeiter", und zwar als Autor, Moderator und Reporter eingesetzt werden soll. Für jede Produktion usw. muss zusätzlich eine Einzelvereinbarung geschlossen werden. Dies geschieht mündlich und wird durch den Dienstplan dokumentiert. Weder ist der Radiosender zur Beschäftigung des Klägers verpflichtet noch ist der Kläger gehalten, über die jeweilige Einzelvereinbarung hinaus tätig zu werden. Die Rahmenvereinbarung gilt für jeweils 3 Jahre und wird nach 15 Jahren nicht mehr verlängert. Seine gewerblichen Einkünfte ermittelte der Kläger durch Einnahmeüberschussrechnung gemäß § 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG).

4

Der Kläger ist Eigentümer eines 1920 errichteten Gebäudes, das ursprünglich landwirtschaftlichen Zwecken diente. Es hatte im Zeitpunkt des Erwerbs eine Wohnfläche von 199 qm im Erd- und Obergeschoss, seit den Streitjahren werden zusätzlich weitere 98 qm (Grundfläche ohne Abzug für Schrägen, laut Kläger nutzbar 60 qm), offenbar der frühere Dach- und Heuboden über einer Remise, im Obergeschoss und Spitzboden als Büro genutzt. Der Zugang zum Büro erfolgt durch eine Tür von einem kleinen Stichflur des Obergeschosses aus. Das Obergeschoss ist von dem Wohnflur des Erdgeschosses über eine Treppe erreichbar.

5

Das Büro erstreckt sich über drei, nicht gegeneinander abgeschlossene Ebenen, die mit Holztreppen verbunden sind. Auf der ersten Ebene befanden sich in den Streitjahren die "Schnittstelle", von der aus Sendungen auch per Internet übermittelt werden können, Fax- und Kopiergerät und ein Regal mit Literatur und Aktenordnern, auf der zweiten zwei Schreibtischarbeitsplätze mit PC sowie eine Sitzecke (Couch mit zwei Sesseln und Couchtisch) und auf der dritten eine Unterschrankkonstruktion, in der Videos und CDs aufbewahrt werden, sowie das ehemalige - in den Streitjahren nicht funktionstüchtige - Studio mit Bandmaschine usw. von ., einem früheren Auftraggeber des Klägers.

6

In den Streitjahren machte der Kläger die Kosten für das Büro im Rahmen der gewerblichen Einkünfte als Betriebsausgaben in Höhe von 16.506,74 DM (2001), 16.262,12 EUR (2002) und 5.207,18 EUR (2003) geltend.

7

Die Steuererklärungen des Klägers enthalten folgende Angaben:

nichtselbständige ArbeitEinnahmenEinkünfte
2001 (DM)104.11494.810
2002 (EUR)47.26742.557
2003 (EUR)53.99749.291
GewerbebetriebEinnahmenEinkünfte
2001 (DM)238.54816.135
2002 (EUR)41.8735.080
2003 (EUR)66.598./. 11.606
8

Der Beklagte (das Finanzamt) besichtigte das Büro im Rahmen einer betriebsnahen Veranlagung (BNV) am 27. Mai 2004. Dabei erklärte der Kläger, das Büro zu 99 v. H. für seinen Gewerbetrieb und für die Tätigkeit beim Radiosender überhaupt nicht zu nutzen. In einem Schreiben vom 30. Juli 2004 führte der damalige Bevollmächtigte des Klägers aus, das Büro werde nur "gelegentlich" für die Tätigkeit beim Radiosender genutzt. In dem Schreiben vom 17. Dezember 2004 heißt es, das Büro werde überwiegend für die gewerbliche Tätigkeit, aber "auch" für die Tätigkeit beim Radiosender genutzt. Der Kläger betreue mehrere Sendereihen im Radiosender, was umfangreiche Vorarbeiten erfordere. Beim Radiosender stehe kein Arbeitsplatz zur Verfügung. Die Bescheinigung des Radiosenders vom 19. November 2004 bestätige, dass für den Kläger kein persönlicher Arbeitsplatz vorgehalten werde. Die Tätigkeit im Radiosender beschränke sich auf die Moderation der Sendung. Für die Rundfunktätigkeit sei die Archivierung umfangreicher Unterlagen (Manuskripte, Tonbänder, CDs usw.) erforderlich, wofür das Büro genutzt werde.

9

Das Finanzamt ließ in dem nach § 164 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) geänderten Einkommensteuerbescheid 2001 vom 24. Januar 2005 und den unter Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Einkommensteuerbescheiden 2002 vom 7. Februar 2005 sowie 2003 vom 9. Juni 2005 die Kosten des Büros nur noch beschränkt in Höhe von 2.400 DM bzw. 1.250 EUR als Betriebsausgaben bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb zum Abzug zu. Das Finanzamt war der Auffassung, das Büro bilde nicht den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit des Klägers.

10

Im Einspruchsverfahren trug der Kläger vor, die bisherigen Angaben zu den Nutzungsverhältnissen des Büros beruhten auf einem Missverständnis. Gegenüber der BNV habe zum Ausdruck gebracht werden sollen, dass das Büro zu 99 v. H. beruflich, nicht etwa nur gewerblich, genutzt werde. Die Nutzung des Büros für die Tätigkeit beim Radiosender ergebe sich aus der Darstellung vom 2. Mai 2005. Der Kläger habe in den Streitjahren 682 Sendungen für den Radiosender moderiert, davon 84 Nachtsendungen und 68 Sendungen Y. Die Nachtsendungen und die Y würden komplett im Büro vorbereitet. Die Y dauere zwei Stunden und müsse intensiv vorbereitet werden, da es sich um eine reine Musiksendung handele. Die Vorbereitung dauere ca. drei Stunden. Die .stündige Nachtsendung beinhalte keinerlei Beiträge, sondern ausschließlich Moderationen, wofür mindestens drei Stunden Vorbereitungszeit erforderlich seien.

11

Die übrigen Sendungen in der "Tagesfläche" (überwiegend von 16 bis 19 Uhr) würden mit einem Redakteur ab 14 Uhr besprochen. Die Vorbereitungszeit im Büro betrage einschließlich der Ausarbeitung des .spiels Z insoweit ca. zwei Stunden. Hinzuzurechnen sei noch täglich eine Stunde "Allgemein-Recherche", um die Vorbildfunktion als Medienpersönlichkeit wahrnehmen zu können. Alles in allem fiele für die Tätigkeit beim Radiosender jährlich 1881 Stunden Arbeit im Büro an. Da an den Tagen, an denen für den Radiosender gearbeitet werde, kaum Zeit für die gewerbliche Tätigkeit verbleibe, werde das Büro durchschnittlich an 227,33 Tagen (682 Tage : 3) für diese Tätigkeit und nicht für den Gewerbebetrieb genutzt. Beim Radiosender stehe nur der sog. "Moderatoren-Schreibtisch" zur Verfügung, der von den wechselnden Moderatoren belegt werde und für die Vorbereitung von Sendungen damit nicht zur Verfügung stehe. Diese Angaben würden durch die Bescheinigung des Radiosenders vom 25. Januar 2006 bestätigt.

12

Das Einspruchsverfahren blieb erfolglos (Einspruchsbescheid vom 24. April 2006). Das Finanzamt blieb bei seiner Auffassung, der qualitative Schwerpunkt der Gesamttätigkeit des Klägers befinde sich nicht im Büro. Es handele sich auch um ein häusliches Arbeitszimmer im Sinne des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Einkommensteuergesetz (EStG), sodass die Abzugsbeschränkung dieser Vorschrift eingreife. Das Büro sei in die häusliche Sphäre eingebunden.

13

Der qualitative Schwerpunkt der Moderatorentätigkeit des Klägers liege im Radiosender-Studio, weil dort die wesentliche und prägende Tätigkeit, die Moderation, ausgeübt werde. Auch der quantitative Mittelpunkt der Moderatorentätigkeit befinde sich nicht im Büro, da nach der letzten Schilderung der Abläufe die Tätigkeit überwiegend außerhalb des Büros ausgeübt werde. Der Kläger übe eine Vollzeitbeschäftigung beim Radiosender aus, sodass der Mittelpunkt dieser Haupttätigkeit nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH-Urteil vom 16. Dezember 2004 IV R 19/03, BStBl II 2005, 212) den Mittelpunkt der Gesamttätigkeit indiziere. Hiergegen richtet sich die Klage.

14

Der Kläger meint, die Bezeichnung "häusliches Arbeitszimmer" für das Büro werde den tatsächlichen Gegebenheiten nicht gerecht. Bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände (insbesondere Größe und Gesamtinfrastruktur, teilweise sieben Meter hohe Räume, Ausstattung als Tonstudio und Medienarchiv, komplette Spezialverkabelung der gesamten Arbeitsstätte für Tonstudionutzung mit variablen Einzelarbeitsmöglichkeiten, professionelle Kopiermaschine, EDV-Anlage, Art der dort ausgeführten Tätigkeiten, Zusammenhang mit weiteren betrieblich genutzten Räumen auf dem Grundstück, Ausbau und Präsentation des Anwesens als X, Gesamtbetätigung des Klägers einschließlich der Arbeiten für Rundfunkanstalten als Medien-[Klein-]-Unternehmer, Arbeitsraumcharakter ohne Wohnatmosphäre, räumliche Entfernung zum separaten Wohnbereich im Erdgeschoss) trete die häusliche und wohnliche Privatsphäre zugunsten des eindeutig betrieblichen Bereichs zurück. Wäre der Zugang nicht durch den Hausflur so unproblematisch möglich, ließe sich der Zugang mit geringem Aufwand genauso gut über die Remise herstellen. Die Remise werde für die Lagerung von Veranstaltungstechnik und -ausstattung sowie als Garage genutzt. Eine prägende oder überlagernde Nutzung des Anwesens zu Wohnzwecken finde nicht statt. Der Kläger wohne dort allein.

15

Die vom Finanzamt vorgenommene strikte Trennung der Einkunftsarten sei ungeeignet, die tatsächlichen und relevanten Umstände zur Feststellung des Mittelpunkts der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung zu erfassen. Die Tätigkeit insgesamt - auch die für den Radiosender - sei "in einem Gesamtzusammenhang als Medien-Klein-Unternehmer" zu sehen.

16

Es gäbe keine regelmäßigen oder festen Termine im Radiosender. Die meisten Sendungen dauerten 2,5 Stunden netto, manche auch 5 Stunden, in manchen Wochen gäbe es mehrere Sendetermine pro Woche, in anderen gar keine oder sehr wenige. Ca. 40 v. H. der Sendungen fänden am Wochenende oder an Feiertagen statt. Der Einsatz werde über die vom Radiosender festgelegten Monatspläne geregelt. Für alle Arbeiten, seien sie für den Radiosender oder für Dritte, leiste der Kläger die wesentlichen Arbeiten in dem Büro. Vorgaben über Ort, Art und Umfang der Vorbereitung mache der Radiosender nicht. Der Radiosender setze voraus, dass der Moderator diese Vorarbeiten erbringe. Im Jahr 2003 habe der Kläger 184 Sendungen beim Radiosender moderiert, davon seien 78 - und acht weitere Radiosendungen - ausschließlich im heimischen Büro vorbereitet worden.

17

In dem Büro befinde sich auch das Archiv des Klägers, das er für die Vorbereitung der Sendungen nutze. Das .spiel Z erfordere erhebliche Vorarbeiten bei der Medien- und Nachrichtenauswertung im Büro. Soweit Redakteure Sendungen für das Wochenende und Feiertage vorbereiteten, erhalte der Kläger regelmäßig die Inhalte zur Sendungsvorbereitung per Fax oder Mail in das Büro übermittelt, bei Bedarf werde dann noch telefoniert. Die Ausstrahlung der Sendung vom Funkhaus aus mache dann nur noch den geringsten Teil der eigentlichen Arbeitsleistung des Klägers aus. Vergleichbar einem Landwirt, der die Milch in der Molkerei abliefere, präsentiere der Kläger im Funkhaus letztlich das Ergebnis seiner Arbeit.

18

Die Agentur X habe in den letzten Jahren Countrymusikfestivals, Fahrzeugpräsentationen für Autohäuser, Konzerte mit Musikdarbietungen, PR-Feste für Unternehmen und Jazz-Frühschoppen veranstaltet, Künstler und Prominente vermittelt, Unternehmen und Verbände bei der Öffentlichkeitsarbeit beraten oder auch die Eröffnung einer Museumsausstellung oder ein Oldtimertreffen organisiert. Der Kläger arbeite auch als Sprecher für Industriefilm-Produktionen, Hörfunkwerbung oder als Moderator von Veranstaltungen. Ferner habe er mit . ein Buch geschrieben und zwei CDs als . veröffentlicht. Auch insoweit seien die wesentlichen Tätigkeiten in dem Büro erfolgt.

19

Angesichts der Unsicherheit über Umfang und Dauer der Beschäftigung beim Radiosender dürfe diese Tätigkeit nur als Teil der Gesamttätigkeit als Medienunternehmer gesehen werden. Dem Kläger obliege es, für eine hinreichende Auslastung durch Aufträge vom Rundfunk oder anderen Auftraggebern zu sorgen und die hierfür erforderliche betriebliche Infrastruktur und die Betriebsstätte dazu vorzuhalten. Die Informationsbeschaffung und -verarbeitung nähmen einen großen Teil der Arbeitszeit des Klägers in Anspruch. Wenn am nächsten Tag eine Hörfunksendung sei, müsse der Kläger auch über aktuelle gravierende Ereignisse (Katastrophen, Anschläge usw.) informiert sein.

20

Der Kläger beantragt,

unter Änderung der Einkommensteuerbescheide 2001 vom 24. Januar 2005, 2002 vom 7. Februar 2005, 2003 vom 9. Juni 2005 und des Einspruchsbescheids vom 24. April 2006 die Aufwendungen für das Büro unter Minderung der Betriebsausgaben bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb um 2.400 DM (2001) und je 1.250 EUR (2002 und 2003) in Höhe von 16.506,74 DM (2001), 16.262,12 EUR (2002) und 5.207,18 EUR (2003) als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen.

21

Der Beklagte hält an seiner Rechtsauffassung fest und beantragt,

die Klage abzuweisen.

22

Ergänzend weist er darauf hin, dass der Kläger den Sachverhalt hinsichtlich der Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers in mehrfach geänderten Fassungen vorgetragen habe. Der Kläger habe seine Tätigkeiten in seinen Steuererklärungen selbst als zwei unterschiedliche Tätigkeiten beurteilt. Die Kosten des Büros seien ohne Aufteilung nach Nutzungsverhältnissen ausschließlich bei den gewerblichen Einkünften geltend gemacht worden. Nach dem im Einspruchsverfahren vorgetragenen Tagesablauf bei den 530 "Flächensendungen" der Streitjahre habe der Kläger an diesen Tagen nur drei Stunden im Büro zugebracht, wobei eine Stunde "allgemeine Information" in nicht unerheblichem Teil auch den Privatbereich berühre. Dagegen habe er sich 5 Std. 45 Min. im Radiosender-Gebäude aufgehalten. Bei jährlich 176 Arbeitstagen mit Flächensendungen und durchschnittlich 220 - 240 Arbeitstagen eines Berufstätigen pro Jahr sei der Kläger überwiegend außerhalb des häuslichen Arbeitszimmers tätig geworden.

Entscheidungsgründe

23

Die Klage ist unbegründet. Die angefochtenen Bescheide verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Einkommensteuer der Streitjahre ist nicht zu hoch festgesetzt.

24

Bei dem Büro handelt es sich um ein häusliches Arbeitszimmer im Sinne des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Einkommensteuergesetz (EStG). Ein unbeschränkter Abzug der Aufwendungen des Arbeitszimmers kommt jedoch nicht in Betracht.

25

Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Einkommensteuergesetz (EStG) dürfen Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer den Gewinn nicht mindern. Dies gilt nicht, wenn die betriebliche oder berufliche Nutzung des Arbeitszimmers mehr als 50 v.H. der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit beträgt oder wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. In diesen Fällen wird nach Satz 3 1. Halbsatz der Vorschrift in der für die Streitjahre geltenden Fassung die Höhe der abziehbaren Aufwendungen auf 2 400 DM (2001) bzw. 1.250 EUR (2002 und 2003) begrenzt. Die Begrenzung entfällt, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet. Die Vorschrift gilt nach § 9 Abs. 5 EStG auch für die Werbungskosten aus nichtselbständiger Arbeit.

26

1.

Der Begriff des häuslichen Arbeitszimmers ist im Gesetz nicht näher bestimmt. Der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zufolge erfasst die Bestimmung das häusliche Büro, d.h. einen Arbeitsraum, der seiner Lage, Funktion und Ausstattung nach in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebunden ist und vorwiegend der Erledigung gedanklicher, schriftlicher oder verwaltungstechnischer Arbeiten dient (ständige Rechtsprechung, s. etwa BFH-Urteile vom 19. September 2002 VI R 70/01, BFHE 200, 336, BStBl II 2003, 139; vom 20. November 2003 IV R 30/03, BFHE 204, 176, BStBl II 2004, 775; vom 18. August 2005 VI R 39/04, BFHE 211, 447, BStBl II 2006, 428; vom 22. November 2006 X R 1/05, BFHE 216, 110, BStBl II 2007, 304). Der Nutzung entsprechend ist das häusliche Arbeitszimmer typischerweise mit Büromöbeln eingerichtet, wobei der Schreibtisch regelmäßig das zentrale Möbelstück darstellt (BFH-Urteile vom 16. Oktober 2002 XI R 89/00, BFHE 201, 27, BStBl II 2003, 185; vom 20. November 2003 IV R 3/02, BFHE 205, 46, BStBl II 2005, 203).

27

Räumlichkeiten, die ihrer Ausstattung und Funktion nach nicht einem Büro entsprechen, sind auch dann nicht dem Typus des häuslichen Arbeitszimmers zuzuordnen, wenn sie ihrer Lage nach mit dem Wohnraum des Steuerpflichtigen verbunden und deswegen in dessen häusliche Sphäre eingebunden sind. Dies trifft u.a. auf als Lager, Werkstatt, Arztpraxis oder Ausstellungsraum genutzte Räume zu (BFH-Urteile vom 19. März 2003 VI R 40/01, BFH/NV 2003, 1163; in BFHE 200, 336, BStBl II 2003, 139; in BFHE 205, 46, BStBl II 2005, 203; vom 5. Dezember 2002 IV R 7/01, BFHE 201, 166, BStBl II 2003, 463; vom 26. Juni 2003 VI R 10/02, BFH/NV 2003, 1560; in BFHE 201, 27, BStBl II 2003, 185; in BFHE 204, 176, BStBl II 2004, 775). Im Einzelfall ist das häusliche Arbeitszimmer von anderen beruflich oder betrieblich genutzten Zimmern im häuslichen Bereich abzugrenzen.

28

Danach liegt hier ein häusliches Arbeitszimmer vor. Es handelt sich um einen zur restlichen Wohnung durch eine Tür abgeschlossenen Raum, der vorwiegend der Erledigung gedanklicher, schriftlicher oder verwaltungstechnischer Arbeiten dient. Er ist überwiegend mit Büromöbeln sowie einer Sitzecke ausgestattet. Mittelpunkt sind die beiden PC-Arbeitsplätze auf der 2. Ebene. Die 1. und 3. Ebene wurden in den Streitjahren von dem Kläger im Wesentlichen zum Aufbewahren von Arbeitsutensilien (Archiv) und Bürogeräten genutzt. Das Tonstudio ist in den Streitjahren nicht betriebsbereit gewesen. Trotz der bedarfsgerechten technischen Ausstattung handelt es sich nach Funktion und Ausstattung weiterhin um ein häusliches Arbeitszimmer. Auch der ungewöhnliche Zuschnitt des teilweise sieben Meter hohen Raumes ändert daran nichts.

29

Der Raum ist auch in die häusliche Sphäre eingebunden. Er ist von den Wohnräumen im Obergeschoss über einen zur Wohnung gehörenden Stichflur zu erreichen. Wohnräume und Arbeitszimmer bilden eine Wohneinheit. Dass auch eine andere Gestaltung des Zugangs zu dem Arbeitszimmer möglich gewesen wäre, ist unerheblich. Zu beurteilen ist der tatsächlich verwirklichte Sachverhalt.

30

2.

Die Aufwendungen für das Arbeitszimmer sind jedoch - wie geschehen - nur begrenzt abziehbar. Das Arbeitszimmer bildet nicht den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung des Klägers.

31

a.

Das häusliche Arbeitszimmer eines Steuerpflichtigen, der seinen Beruf teilweise im Arbeitszimmer und teilweise außer Haus ausübt, bildet den Betätigungsmittelpunkt im Sinne der Abzugsbeschränkung, wenn dort die für den ausgeübten Beruf wesentlichen und prägenden Tätigkeiten verrichtet werden (BFH-Urteile vom 13. November 2002 VI R 82/01, BFHE 201, 93, BFH/NV 2003, 688; vom 13. November 2002 VI R 104/01, BFHE 201, 100, BFH/NV 2003, 691; vom 13. November 2002 VI R 28/02, BFHE 201, 106, BFH/NV 2003, 693; vom 23. Januar 2003 IV R 71/00, BFHE 201, 269, BFH/NV 2003, 859; vom 9. April 2003 X R 75/00, BFH/NV 2003, 917; vom 29. April 2003 VI R 78/02, BFHE 202, 303, BFH/NV 2003, 1117). Maßgeblich ist der qualitative Schwerpunkt der beruflichen Betätigung, während dem zeitlichen Umfang der Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers nur eine indizielle Bedeutung zukommt. Dabei kann das häusliche Arbeitszimmer selbst dann (noch) den Mittelpunkt einer beruflichen Betätigung bilden, wenn die außerhäuslichen Tätigkeiten zeitlich überwiegen.

32

Geht der Steuerpflichtige hingegen mehreren Erwerbstätigkeiten nach, lassen sich die folgenden Fallgruppen unterscheiden: Bilden bei allen - jeweils - die im häuslichen Arbeitszimmer verrichteten Arbeiten den qualitativen Schwerpunkt, so liegt dort auch der Mittelpunkt der Gesamttätigkeit. Bilden hingegen die außerhäuslichen Tätigkeiten - jeweils - den qualitativen Schwerpunkt der Einzeltätigkeiten bzw. lassen sich diese keinem Schwerpunkt zuordnen, so kann das häusliche Arbeitszimmer auch nicht durch die Summe der darin verrichteten Arbeiten zum Mittelpunkt der Gesamttätigkeit werden. Bildet das häusliche Arbeitszimmer schließlich den qualitativen Mittelpunkt lediglich einer Einzeltätigkeit oder mehrerer Einzeltätigkeiten, nicht jedoch im Hinblick auf die übrigen, so muss anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles wertend entscheiden, ob die Gesamttätigkeit gleichwohl einem einzelnen qualitativen Schwerpunkt zugeordnet werden kann und ob dieser im häuslichen Arbeitszimmer liegt. Abzustellen ist dabei auf das Gesamtbild der Verhältnisse und auf die Verkehrsanschauung, nicht auf die Vorstellung des betroffenen Steuerpflichtigen (vgl. zum Ganzen BFH-Urteil vom 13. Oktober 2003 VI R 27/02, BStBl II 2004, 771).

33

Der Schwerpunkt der Gesamttätigkeit wird allerdings durch den Mittelpunkt der Haupttätigkeit indiziert. Liegt der Mittelpunkt der Haupttätigkeit nicht im häuslichen Arbeitszimmer, indiziert dies regelmäßig, dass auch der qualitative Schwerpunkt der Gesamttätigkeit des Steuerpflichtigen nicht im häuslichen Arbeitszimmer liegt.

34

Als Haupttätigkeit in diesem Kontext ist jede nichtselbständige Vollzeitbeschäftigung eines Steuerpflichtigen auf Grund eines privatrechtlichen Arbeits-/Angestelltenverhältnisses oder eines öffentlich-rechtlichen Dienst-Verhältnisses anzusehen. Insoweit kann typisierend davon ausgegangen werden, dass der vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer dem Arbeitgeber regelmäßig seine "normale" Arbeitszeit und damit seine "volle" Arbeitskraft schuldet.

35

Geht der Steuerpflichtige indes mehreren selbständigen Tätigkeiten oder nichtselbständigen Teilzeitbeschäftigungen nach, muss zur Bestimmung der Haupttätigkeit auf weitere Indizien zurückgegriffen werden. In Betracht kommen, insoweit teilweise abweichend von der zuvor vorgenommenen Beurteilung des Mittelpunktes einer jeden Einzeltätigkeit, alternativ oder kumulativ die Höhe der jeweils erzielten Einnahmen, das den einzelnen Tätigkeiten nach der Verkehrsauffassung zukommende Gewicht und der auf die jeweilige Tätigkeit insgesamt entfallende Zeitaufwand. Die Gewichtung der einzelnen Indizien ist nach den Umständen des Einzelfalls zu bestimmen und obliegt grundsätzlich dem Finanzgericht als Tatsachengericht (BFH-Urteil vom 16. Dezember 2004 IV R 19/03, BStBl II 2005, 212).

36

b.

Danach sind hier die Voraussetzungen für einen unbegrenzten Abzug der Arbeitszimmeraufwendungen nicht gegeben. Der Kläger geht mehreren Erwerbstätigkeiten nach, wobei der qualitative Schwerpunkt der Gesamttätigkeit nicht im Arbeitszimmer liegt.

37

aa.

Der Kläger hat nicht nur eine einheitliche Tätigkeit als Medien-Klein-Unternehmer ausgeübt. Die unselbständige Tätigkeit als Moderator beim Radiosender ist jedenfalls von der selbständigen gewerblichen Tätigkeit unter der Firma X zu trennen. Dies folgt schon aus der Gesetzessystematik des § 2 Abs. 2 EStG, wonach für jede Einkunftsart der Gewinn bzw. Überschuss als Differenz von Einnahmen und Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten gesondert zu ermitteln ist. Ob der Kläger nur eine oder mehrere gewerbliche Tätigkeiten ausübt und wo der qualitative Schwerpunkt der ggf. mehreren gewerblichen Tätigkeiten liegt, bedarf hingegen keiner Entscheidung. Der Senat geht insoweit zugunsten des Klägers davon aus, dass der qualitative Schwerpunkt der gewerblichen Tätigkeit(en) im Arbeitszimmer liegt.

38

bb.

Die Haupttätigkeit des Klägers ist jedoch die Moderation von Radiosendungen. Der qualitative Mittelpunkt dieser Tätigkeit liegt aber nicht im Arbeitszimmer, sondern im Sendestudio des Radiosenders. Dies indiziert, dass sich auch der qualitative Mittelpunkt der Gesamttätigkeit nicht im Arbeitszimmer befindet.

39

Dabei kann dahinstehen, ob das Arbeitsverhältnis des Klägers angesichts der besonderen vertraglichen Gestaltung durch Rahmenvereinbarung und gesondert abzuschließende Einzelvereinbarungen als Vollzeitbeschäftigung im Sinne der BFH-Rechtsprechung (in BStBl II 2005, 212 [BFH 16.12.2004 - IV R 19/03]) anzusehen ist und der zeitliche Umfang einer Vollzeitbeschäftigung erreicht wird.

40

Für die Wertung, die Moderation der Radiosendungen sei die Haupttätigkeit des Klägers, spricht aber vor allem der zeitliche Umfang, den sie erfordert. Der Kläger ist durchschnittlich an 227 Tagen pro Jahr für den Radiosender tätig gewesen und hat an diesen Tagen nach eigener Darstellung kaum Zeit für die gewerbliche Tätigkeit gehabt. Das schließt nicht aus, dass der Kläger - wie in der mündlichen Verhandlung von ihm erläutert - auch an diesen Tagen nach seiner Rückkehr vom Studio gegen 20 Uhr Zeit verbleibt, noch für seinen Gewerbebetrieb tätig zu werden. Selbst bei großzügiger Schätzung zugunsten des Klägers beträgt der zeitliche Aufwand für die Tätigkeit als Radiomoderator damit aber mindestens 80 v. H. der Jahresarbeitszeit und ist bei weitem höher als der für die gewerbliche Tätigkeit. Die wirtschaftliche Bedeutung der Tätigkeiten für den Kläger entspricht dem jeweiligen zeitlichen Aufwand. Die Einkünfte aus der unselbständigen Tätigkeit übertreffen die aus Gewerbebetrieb in allen Jahren um ein Mehrfaches. In dem bei den Gerichtsakten befindlichen Flyer der X stellt sich der Kläger auch selbst als "Rundfunk-Moderator" vor.

41

Dass die Einnahmen aus Gewerbebetrieb die aus nichtselbständiger Arbeit im Durchschnitt der Streitjahre - im Jahr 2001 sogar um mehr als 100 v. H. - übersteigen, sieht der Senat nicht als entscheidend an. Dieses Ergebnis beruht nahezu vollständig auf den hohen Einnahmen aus Gewerbebetrieb des Jahres 2001, die auf die Veranstaltung von zwei Countryfestivals mit hohen Einnahmen aus Kartenverkäufen und Sponsorenbeiträgen zurückzuführen sind und denen auch mit den Festivals zusammenhängende hohe Betriebsausgaben gegenüberstehen. Es handelt sich um Sondereffekte, die nur im Jahr 2001 angefallen sind. In den beiden anderen Jahren ist die Summe der Einnahmen bei beiden Einkunftsarten hingegen nahezu ausgeglichen.

42

Es ist zwar verständlich, dass sich der Kläger aufgrund der Unsicherheit bezüglich Umfang und Dauer der Beschäftigung beim Radiosender ein "zweites Standbein" schafft. Jedenfalls in den Streitjahren liegt nach der Verkehrsauffassung das Schwergewicht der Tätigkeiten des Klägers aber auf der Moderation von Radiosendungen. Dies wird daran deutlich, dass er schon aus wirtschaftlichen Gründen trotz der fehlenden vertraglichen Verpflichtung die angebotenen Moderationen beim Radiosender möglichst wahrnimmt und im Fall von Terminkollisionen mit den gewerblichen Tätigkeiten den Sendetermin mit einem Kollegen tauscht. Dafür spricht auch, dass der Kläger; wie aus dem Flyer ersichtlich, seine professionelle Moderatorentätigkeit im Rahmen des Gewerbebetriebs gezielt werblich einsetzt, um seine Agentur von anderen, die ähnliche Dienstleistungen anbieten, abzuheben.

43

Der qualitative Mittelpunkt der Haupttätigkeit des Klägers als Moderator von Radiosendungen liegt im Sendestudio des Radiosenders. Die für den Beruf des Radiomoderators wesentliche und prägende Tätigkeit ist, wie schon die Berufsbezeichnung zeigt, die Moderation von Sendungen. Dass der Kläger umfangreiche, für die Tätigkeit notwendige Vorarbeiten in dem Arbeitszimmer erledigt, ist nicht entscheidend. Wie das Finanzamt zutreffend dargelegt hat, folgt im Übrigen aus den Angaben des Klägers zu seinem Tagesablauf bei der Moderation von sog. Flächensendungen, dass der Kläger an diesen durchschnittlich 176 Tagen pro Jahr mehr Zeit im Radiosender-Gebäude als im Arbeitszimmer verbringt.

44

Die Tätigkeit des Klägers ist nicht mit der Milchablieferung eines Landwirtes bei der Molkerei zu vergleichen. Das Produkt, das der Landwirt am Markt anbietet, ist die auf seinem Hof erzeugte Milch, das Produkt des Klägers ist die Moderation der Sendung und nicht das im Arbeitszimmer entwickelte Sendekonzept.

45

3.

Es bedarf keiner Entscheidung, ob der vom Finanzamt berücksichtigte Abzugsbetrag zu Recht die Einkünfte aus Gewerbebetrieb gemindert hat. Er hat sich in allen Streitjahren in voller Höhe steuermindernd ausgewirkt. Eine Verböserung der Steuerfestsetzung ist wegen der Rechtsschutzfunktion des finanzgerichtlichen Verfahrens ausgeschlossen.

46

4.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.