Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 27.06.2018, Az.: 9 U 78/17

Wirksamkeit der Entlastung des Vorstandes einer Aktiengesellschaft in der Jahreshauptversammlung

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
27.06.2018
Aktenzeichen
9 U 78/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2018, 57708
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 14.09.2017 - AZ: 21 O 24/16

Amtlicher Leitsatz

1. Der Begriff der Unabhängigkeit in Nr. 5.4.2. Satz 1 DCGK ist unbestimmt; deswegen konnte im Streitfall der für eine erfolgreiche Beschlussanfechtung erforderliche eindeutige Gesetzes- oder Satzungsverstoß, der vom Anfechtungskläger insbesondere in fehlender Unabhängigkeit von Aufsichtsratsmitgliedern und deswegen fehlerhafter Entsprechenserklärung gesehen wurde, nicht festgestellt werden.

2. Ist eine Entsprechenserklärung gemäß § 161 AktG fehlerhaft, ist die Schwelle zu einem die Anfechtung eines Entlastungsbeschlusses tragenden schwerwiegenden Gesetzesverstoß regelmäßig erst dann erreicht, wenn die Unrichtigkeit der Erklärung einen nicht unwesentlichen Punkt betrifft und aus dem Fehler ein Informationsdefizit der abstimmenden Aktionäre resultiert, das sich auf den Entlastungsbeschluss auswirkt (Anschluss an BGH, Beschluss vom 14. Mai 2013 - II ZR 196/12 -, juris; BGH, Urteil vom 10. Juli 2012 - II ZR 48/11 -, BGHZ 194, 14, juris Rn. 28; BGH, Urteil vom 21. September 2009 - II ZR 174/08 -, BGHZ 182, 272, juris Rn. 18).

3. Ein solches sich im Entlastungsbeschluss niederschlagendes Informationsdefizit ist dann nicht gegeben, wenn die abstimmenden Aktionäre alle relevanten, aber in der Entsprechenserklärung nicht angeführten Informationen anderweitig aus allgemeinen Quellen erlangen können (Anschluss an BGH, Urteil vom 21. September 2009 - II ZR 174/08 -, BGHZ 182, 272, juris Rn. 18).

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers zu 1) gegen das am 14. September 2017 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Hannover wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger zu 1) hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist (wegen der Kosten) ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger zu 1) darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des insgesamt vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Parteien streiten - soweit im Berufungsverfahren noch von Interesse - um die Wirksamkeit von Beschlüssen der Hauptversammlung der Beklagten vom 22. Juni 2016 betreffend die Wahl von vier Aufsichtsratsmitgliedern und die Entlastung der Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat für das Geschäftsjahr 2015. Das Landgericht hat die allein in die Berufungsinstanz gelangte Klage des Klägers zu 1) (im Folgenden: Kläger), der sich nahezu ausschließlich auf vermeintliche Verstöße gegen Nr. 5.4.2 des Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) stützt, abgewiesen. Dem liegt Folgendes zugrunde:

Am 22. Juni 2016 fand die 56. ordentliche Hauptversammlung der Beklagten statt, an welcher der Kläger als Aktionär teilnahm. Unter den Tagesordnungspunkten 3 und 4 wurde über die Entlastung der Mitglieder von Vorstand bzw. Aufsichtsrat der Beklagten für das Geschäftsjahr (gemäß § 26 Abs. 1 der Satzung der Beklagten [Anlage B1 im Anl.-Bd. B I] das Kalenderjahr) 2015 abgestimmt, die jeweils mit großer Mehrheit erteilt wurde (vgl. Niederschrift des Notars Dr. H., Anlage K 10 im Anl.-Bd. K I, dort S. 26 ff., 36 ff.). Unter Tagesordnungspunkt 5 wurden die der Hauptversammlung durch den Aufsichtsrat zur Wahl vorgeschlagenen Dr. A., F., Dr. K. und P. jeweils mit großer Mehrheit zu Mitgliedern des Aufsichtsrats gewählt (Anlage K 10 im Anl.-Bd. K I, dort S. 40).

Der Kläger meint, die Wahlbeschlüsse seien nichtig oder zumindest anfechtbar, weil die Entsprechenserklärung gemäß § 161 AktG, die Vorstand und Aufsichtsrat der Beklagten am 20. November 2015 (mit Ergänzungen vom 14. März 2016 und 22. April 2016) abgegeben hatten (Anlagenkonvolut K7 im Anl.-Bd. K I), fehlerhaft gewesen und nicht zumindest zeitgleich mit den der Hauptversammlung unterbreiteten Wahlvorschlägen korrigiert worden sei. In dieser Erklärung und ihren Ergänzungen seien keine Abweichungen von Nr. 5.4.2 des Deutschen Corporate Governance Kodex in dessen Fassung vom 5. Mai 2015 (im Folgenden nur: DCGK), wonach dem Aufsichtsrat "eine nach seiner Einschätzung angemessene Anzahl unabhängiger Mitglieder angehören" soll, deklariert worden, obwohl dieser Vorgabe nicht entsprochen worden sei.

Dazu behauptet der Kläger, der Aufsichtsrat der Beklagten habe zum Zeitpunkt der Hauptversammlung am 22. Juni 2016 nicht die von der Beklagten in ihrem im Geschäftsbericht 2015 enthaltenen Corporate-Governance-Bericht (Anlage B8 im Anl.-Bd. B I, dort S. 63) selbst für erforderlich erachtete Anzahl von vier im Sinne der Nr. 5.4.2 DCGK unabhängigen Aufsichtsratsmitgliedern auf Anteilseignerseite aufgewiesen. Die dem Aufsichtsrat angehörenden Mitglieder der Familien Y. und P. könnten nicht als unabhängig angesehen werden, weil eben diese Familien Inhaber der Mehrheitsaktionärin der Beklagten, der Y., seien. Auch die zur Wahl vorgeschlagene Dr. K. gehöre zur Familie Y./P. und sei deshalb nicht unabhängig. Die aus dem Staat Q. stammenden Aufsichtsratsmitglieder seien nicht unabhängig, weil zwischen der Q. und der P. bzw. deren Inhaberfamilien seit dem Jahr 2009 enge geschäftliche Verflechtungen bestünden. Die Vertreter des Landes Niedersachsen hätten die besonderen staatlichen Interessen ihres Bundeslandes wahrzunehmen und seien deshalb ebenfalls nicht unabhängig. Das Aufsichtsratsmitglied P. sei Vorstandsvorsitzender der Y. und sei überdies direkt vom Vorstand in den Aufsichtsrat der Beklagten gewechselt. F. schließlich sei als Präsidentin und Vorsitzende des Vorstands der X Bank, bei der es sich um eine der Hausbanken der Beklagten handele, ebenfalls nicht unabhängig.

Der Kläger ist der Auffassung, Vorstand und Aufsichtsrat hätten vor diesem Hintergrund in ihrer vorgenannten Entsprechenserklärung bzw. deren Ergänzungen Abweichungen von Nr. 5.4.2 DCGK mitteilen müssen. Da auch die vom Aufsichtsrat zur Neu- bzw. Wiederwahl vorgeschlagenen vier Personen sämtlich nicht unabhängig im Sinne von Nr. 5.4.2 DCGK gewesen seien, seien Vorstand und Aufsichtsrat der Beklagten zudem verpflichtet gewesen, die Entsprechenserklärung noch vor, spätestens aber zeitgleich mit der Aufsichtsratswahl zu korrigieren. Das Unterlassen einer solchen Korrektur mache schon den Beschluss des Aufsichtsrats, mit dem der Hauptversammlung die vier Kandidaten zur Wahl vorgeschlagen worden seien, nichtig, weshalb auch die nachfolgenden Wahlbeschlüsse der Hauptversammlung nichtig seien. Die Unwirksamkeit jedenfalls der Wahlbeschlüsse folge im Übrigen auch daraus, dass auf Seiten der Aktionäre ein Informationsdefizit geherrscht habe, weil angesichts der fehlerhaften Entsprechenserklärung nicht bekannt gewesen sei, dass der Aufsichtsrat nicht mit der für erforderlich erachteten Anzahl unabhängiger Mitglieder besetzt (gewesen) sei und sich daran durch die Wahl der vorgeschlagenen Kandidaten auch nichts ändern würde.

Der Kläger hält des Weiteren die Entlastungsbeschlüsse für anfechtbar und ist der Ansicht, weder Vorstand noch Aufsichtsrat habe Entlastung erteilt werden dürfen, weil beide Gremien die im vorgenannten Sinne unrichtige Entsprechenserklärung gemäß § 161 AktG vom 20. November 2015 bzw. die Nichtkorrektur der Entsprechenserklärung vom 21. November 2014 zu verantworten hätten (Klagschrift, S. 29 ff. = Bl. 30 ff. Bd. I d.A.).

Schließlich will der Kläger eine zur Anfechtbarkeit sowohl der Wahl- als auch der Entlastungsbeschlüsse führende Informationspflichtverletzung darin erblicken, dass den Aktionären kein von der Beklagten in Auftrag gegebener Bericht der amerikanischen Anwaltssozietät D. vorgelegt worden sei, die die Vorgänge um die sogenannte Diesel-Affäre (die Verwendung einer unzulässigen Motorsteuerungssoftware in Dieselmotoren) und eine etwaige Verantwortlichkeit von Organmitgliedern der Beklagten untersuchen sollte (Klagschrift, S. 27 f. = Bl. 28 f. Bd. I d. A.; Berufungsbegründung, S. 21 = Bl. 996 Bd. VI d.A.). Den in erster Instanz des Weiteren erhobenen Vorwurf, eine von ihm im Rahmen der Hauptversammlung vom 22. Juni 2016 gestellte Frage, wer innerhalb des Vorstandes der Beklagten für ad-hoc-Mitteilungen nach § 15 WpHG a.F. zuständig sei, sei nicht beantwortet worden (Klagschrift, S. 34 = Bl. 35 Bd. I d.A.), hat der Kläger im Berufungsverfahren nicht wiederholt.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und dies im Wesentlichen damit begründet, dass keine unrichtige Entsprechenserklärung und damit kein Verstoß gegen § 161 AktG vorgelegen habe, weil dem Aufsichtsrat der Beklagten jedenfalls die von ihr selbst für erforderlich gehaltenen vier unabhängigen Mitglieder angehört hätten (S. 77 i. V. m. S. 55 ff. des landgerichtlichen Urteils [LGU]). Informationspflichtverletzungen lägen nicht vor, weil der Bericht der Anwaltssozietät D. zum Zeitpunkt der Hauptversammlung noch nicht vorgelegen habe (S. 37 LGU) und die vom Kläger gestellte Frage nach der Zuständigkeit für ad-hoc-Mitteilungen entgegen seiner Darstellung beantwortet worden sei (S. 39 LGU).

Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung.

Er beantragt,

unter Abänderung des Urteils der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Hannover wie folgt zu erkennen:

I. Die Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten vom 22.06.2016, mit denen

1. Frau Dr. A.

2. Frau F.

3. Frau Dr. K.

4. Herr H. P.

zu Mitgliedern des Aufsichtsrats der Beklagten gewählt wurden, werden für nichtig erklärt.

II. Die Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten vom 22. Juni 2016 über die Entlastung der Mitglieder des Vorstands der Beklagten für das Geschäftsjahr 2015

1. Herrn M. (TOP 3.1 der Hauptversammlung der Beklagten)

2. Herrn Dr.-Ing. D. (TOP 3.2 der Hauptversammlung der Beklagten)

3. Herrn Dr. S. (TOP 3.3 der Hauptversammlung der Beklagten)

4. Herrn Prof. Dr. H. (TOP 3.4 der Hauptversammlung der Beklagten)

5. Herrn K. (TOP 3.5 der Hauptversammlung der Beklagten)

6. Herrn N. (TOP 3.6. Hauptversammlung der Beklagten)

7. Herrn Ö. (TOP 3.7 der Hauptversammlung der Beklagten)

8. Herrn P. (TOP 3.8. Hauptversammlung der Beklagten)

9. Herrn R. (TOP 3.9 der Hauptversammlung der Beklagten)

10. Herrn Prof. S. (TOP 3.10. Hauptversammlung der Beklagten)

11. Herrn W. (TOP 3.11. Hauptversammlung der Beklagten)

12. Herrn Wi. (TOP 3.12 der Hauptversammlung der Beklagten)

werden für nichtig erklärt.

III. Die Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten vom 22. Juni 2016 über die Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrats der Beklagten für das Geschäftsjahr 2015

1. Herrn H. P. (TOP 4.1 der Hauptversammlung der Beklagten)

2. Herrn H. (TOP 4.2 der Hauptversammlung der Beklagten)

3. Herrn Dr. Al. (TOP 4.3 der Hauptversammlung der Beklagten)

4. Herrn B. (TOP 4.4 der Hauptversammlung der Beklagten)

5. Herrn A. S. (TOP 4.5 der Hauptversammlung der Beklagten)

6. Herrn D. (TOP 4.6 der Hauptversammlung der Beklagten)

7. Frau F. (TOP 4.7 der Hauptversammlung der Beklagten)

8. Herrn Dr. Fi. (TOP 4.8 der Hauptversammlung der Beklagten)

9. Herrn Fr. (TOP 4.9 der Hauptversammlung der Beklagten)

10. Frau F. (TOP 4.10 der Hauptversammlung der Beklagten)

11. Herrn H. (TOP 4.11 der Hauptversammlung der Beklagten)

12. Herrn Hü. (TOP 4.12 der Hauptversammlung der Beklagten)

13. Herrn J. (TOP 4.13 der Hauptversammlung der Beklagten)

14. Frau Dr. K. (TOP 4.14 der Hauptversammlung der Beklagten)

15. Frau P. (TOP 4.15 der Hauptversammlung der Beklagten)

16. Herrn L. (TOP 4.16 der Hauptversammlung der Beklagten)

17. Herrn M. (TOP 4.17 der Hauptversammlung der Beklagten)

18. Herrn Mo. (TOP 4.18 der Hauptversammlung der Beklagten)

19. Herrn O. (TOP 4.19 der Hauptversammlung der Beklagten)

20. Herrn P. (TOP 4.20 der Hauptversammlung der Beklagten)

21. Herrn Dr. P. (TOP 4.21 der Hauptversammlung der Beklagten)

22. Frau P. (TOP 4.22 der Hauptversammlung der Beklagten)

23. Herrn Dr. Y. (TOP 4.23 der Hauptversammlung der Beklagten)

24. Herrn Dr. P. (TOP 4.24 der Hauptversammlung der Beklagten)

25. Herrn W. (TOP 4.25 der Hauptversammlung der Beklagten)

26. Herrn W. (TOP 4.26 der Hauptversammlung der Beklagten)

27. Herrn Z. (TOP 4.27 der Hauptversammlung der Beklagten)

werden für nichtig erklärt.

Die Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil und beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sachverhalt, der getroffenen Feststellungen und der Entscheidungsgründe wird auf die angefochtene landgerichtliche Entscheidung (Bl. 915 ff. Bd. VI d. A) Bezug genommen und auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet, weil das Landgericht die streitgegenständlichen Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten vom 22. Juni 2016 zu den Tagesordnungspunkten 3, 4 und 5 im Ergebnis zu Recht als wirksam gefasst angesehen und daher die Klage zutreffend abgewiesen hat. Weder zeigt der Kläger Pflichtverletzungen von Vorstand und Aufsichtsrat auf, die einer Entlastung entgegenstünden (dazu sogleich unter 1.), noch erweisen sich die Wahlbeschlüsse als nichtig oder anfechtbar (dazu unten unter 2.).

1.) Der Anfechtung der unter den Tagesordnungspunkten 3 und 4 gefassten Beschlüsse über die Entlastung der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats der Beklagten für das Geschäftsjahr 2015 bleibt der Erfolg mangels durchgreifenden Anfechtungsgrundes versagt.

Wie andere Hauptversammlungsbeschlüsse auch sind Entlastungsbeschlüsse (nur) dann gemäß § 243 Abs. 1 AktG anfechtbar, wenn ein schwerwiegender Gesetzes- oder Satzungsverstoß aller oder einzelner Organmitglieder feststeht (vgl. statt vieler Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. 2015, § 120 Rn. 43, 49 ff. m. w. N.). Daran fehlt es hier.

a) Einen Gesetzesverstoß sieht der Kläger zunächst in der Abgabe einer seiner Ansicht nach fehlerhaften Entsprechenserklärung gemäß § 161 AktG im November 2015 bzw. der unterbliebenen Korrektur der nach seiner Auffassung ebenfalls bereits fehlerhaften Erklärung aus dem November 2014. Beide Erklärungen seien unrichtig gewesen, weil Vorstand und Aufsichtsrat der Beklagten nicht offenbart hätten, dass dem Aufsichtsrat der Beklagten keine angemessene Zahl unabhängiger Mitglieder angehört habe.

Grundsätzlich können - wie auch vom Kläger zugrundegelegt - die Abgabe einer unrichtigen Entsprechenserklärung zum DCGK und der damit verbundene (mittelbare) Verstoß gegen § 161 AktG einen zur Anfechtbarkeit gleichwohl gefasster Entlastungsbeschlüsse führenden schwerwiegenden Gesetzesverstoß darstellen (vgl. BGH, Urteil vom 16. Februar 2009 - II ZR 185/07 -, BGHZ 180, 9, juris Rn. 19 ff.; BGH, Urteil vom 21. September 2009 - II ZR 174/08 -, BGHZ 182, 272, juris Rn. 16 ff.). Die Anfechtung greift aber nur dann durch, wenn ein schwerwiegender Gesetzes- oder Satzungsverstoß feststeht, d. h., wenn Gegenstand der Entlastung ein Verhalten ist, das eindeutig einen schwerwiegenden Gesetzes- oder Satzungsverstoß darstellt (BGH, Urteil vom 25. November 2002 - II ZR 133/01 -, BGHZ 153, 47, juris Rn. 15).

Gemessen an diesem Maßstab sind die im Streit stehenden Entlastungsbeschlüsse wirksam, weil der Senat schon die Unrichtigkeit der Entsprechenserklärungen vom 21. November 2014 und 20. November 2015 und damit einen eindeutigen Verstoß gegen § 161 AktG nicht hinreichend sicher festzustellen vermag (dazu unter aa.) und weil im Übrigen ein in einer unrichtigen Entsprechenserklärung liegender mittelbarer Gesetzesverstoß - unterstellt, er läge vor - im Streitfall jedenfalls nicht schwerwiegend im vorgenannten Sinne wäre (dazu unter bb.).

aa) Einen eindeutigen Gesetzes- oder Satzungsverstoß kann der Senat nicht feststellen, weil schon das Merkmal der Unabhängigkeit eines Aufsichtsratsmitgliedes in Nr. 5.4.2 Satz 1 DCGK jenseits der Regelbeispiele in Satz 2 der Vorschrift nicht hinreichend bestimmt ist.

Der DCGK selbst definiert den Begriff nicht. In der Literatur führt ein Mitglied der "Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex" aus, der Begriff bezeichne eine "innere Haltung, die gewährleistet, dass [ein Aufsichtsratsmitglied] bei der Erfüllung seiner Aufgaben vorrangig das Unternehmensinteresse verfolgt und, wo erforderlich, Entscheidungen des Vorstands oder des kontrollierenden Aktionärs und der 'abhängigen' Aufsichtsratsmitglieder entgegentritt"; notwendig sei "eine Konkretisierung dieses unbestimmten Begriffs, die nach Ziff. 5.4.2 S. 1 DCGK jenseits der im Kodex ausdrücklich angeführten Beispiele ebenfalls der Einschätzungsprärogative des Aufsichtsrats überlassen ist" (Baums, ZHR 2016, 697 ff., Zitate 702 f.). Das deckt sich mit dem Erwägungsgrund (18) der Empfehlung der Europäischen Kommission vom 15. Februar 2005 (2005/162/EG, ABl. EU L 52/51), in dem es heißt, es gebe "keine einheitliche Auffassung darüber (...), was Unabhängigkeit genau bedeutet", so dass die Definition dessen, "was unter Unabhängigkeit zu verstehen ist, (...) in erster Linie der Verwaltungs-/Aufsichtsrat selbst festlegen" sollte.

Angesichts dieser vom Normgeber bewusst in Kauf genommenen Unschärfe des Begriffs der Unabhängigkeit sieht sich der Senat außer Stande, mit der im Sinne des Beschlussmängelrechts erforderlichen Eindeutigkeit festzustellen, dass dem Aufsichtsrat der Beklagten im Geschäftsjahr 2015 nicht die von ihr selbst für geboten gehaltene Anzahl unabhängiger Mitglieder angehört hat und somit eine fehlerhafte Entsprechenserklärung gegeben ist.

Insofern wird schon der Kläger, der als anfechtender Aktionär die Voraussetzungen des von ihm behaupteten Gesetzes- oder Satzungsverstoßes darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen hat (vgl. nur Hüffer/Koch, AktG, 12. Aufl. 2016, § 243 Rn. 60), seiner Darlegungslast nicht gerecht, weil er nicht klar benennt, welche Aufsichtsratsmitglieder seiner Auffassung nach nicht unabhängig sind und woraus dies jeweils folgen soll, sondern letztlich der Beklagten und dem Senat die Prüfung überlässt, ob die von der Beklagten für angemessen erachtete Anzahl von vier unabhängigen Aufsichtsratsmitgliedern erreicht wird oder nicht. Zudem zeigt er nicht einmal auf, welche Mitglieder von Aufsichtsrat und Vorstand bei welcher personellen Zusammensetzung des Aufsichtsrats, die sich im Entlastungszeitraum verändert hat, pflichtwidrig an welchen Entsprechenserklärungen bzw. deren Aktualisierungen mitgewirkt haben.

Vor dem Hintergrund des im vorgenannten Sinne unscharfen Begriffs der Unabhängigkeit ist deren Fehlen in Bezug auf einzelne Aufsichtsratsmitglieder, das der Senat positiv feststellen müsste, auch nicht ohne Weiteres ersichtlich. Denn zu berücksichtigen ist, dass die Gewährung einer breiten Einschätzungsprärogative der Gesellschaft selbst (s.o.) spiegelbildlich gerade auch eine Einschränkung der Nachprüfbarkeit der Auffassung der betroffenen Gesellschaft bzw. ihrer Organe auf Fälle evident fehlender Unabhängigkeit bedeutet. Orientiert man sich diesbezüglich an den in Nr. 5.4.2 Satz 2 DCGK genannten Regelbeispielen, könnte eine evident fehlende Unabhängigkeit im vorgenannten Sinne aufgrund persönlicher wie geschäftlicher Beziehungen zur Y. und damit zu einem kontrollierenden Aktionär der Beklagten für die ihrem Aufsichtsrat angehörenden Mitglieder der Familien Y. und P. am nächsten liegen, doch wäre dann noch zu hinterfragen, ob diese Beziehungen auch einen wesentlichen und nicht nur vorübergehenden Interessenkonflikt (so das weitere tatbestandliche Erfordernis des Regelbeispiels aus Nr. 5.4.2 Satz 2 DCGK) begründen können. Das ist aber weder ersichtlich noch vorgetragen, so dass hier wie auch in Bezug auf die Unabhängigkeit anderer Aufsichtsratsmitglieder die Überschreitung des der Beklagten zukommenden Ermessensspielraums nicht (sicher) festgestellt werden kann. Dasselbe gilt jedenfalls in Bezug auf das Aufsichtsratsmitglied F. und die Aufsichtsratsmitglieder aus dem Staat Q.

bb) Selbst wenn aber die Unrichtigkeit der Entsprechenserklärung vom 21. November 2014 oder 20. November 2015 im Lichte der Nr. 5.4.2 Satz 1 DCGK und damit ein mittelbarer Verstoß gegen § 161 AktG feststellbar wären, würde dies dem Kläger nicht zum Erfolg verhelfen, weil jedenfalls kein schwerwiegender Gesetzesverstoß vorliegt.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist bei Fehlerhaftigkeit einer Entsprechenserklärung gemäß § 161 AktG die Schwelle zu einem schwerwiegenden Gesetzesverstoß regelmäßig erst dann erreicht, wenn die Unrichtigkeit der Erklärung einen nicht unwesentlichen Punkt betrifft und aus dem Fehler ein Informationsdefizit der abstimmenden Aktionäre resultiert, das sich auf den Entlastungsbeschluss auswirkt (BGH, Beschluss vom 14. Mai 2013 - II ZR 196/12 -, juris; BGH, Urteil vom 10. Juli 2012 - II ZR 48/11 -, BGHZ 194, 14, juris Rn. 28; BGH, Urteil vom 21. September 2009 - II ZR 174/08 -, BGHZ 182, 272, juris Rn. 18; s. auch MünchKomm/Goette, AktG, 4. Aufl. 2018, § 161 Rn. 91 f.; Busch/Link, in: MünchHdB GesR VII, 5. Aufl. 2016, § 46 Rn. 55; Semler/Mutter, Der Aufsichtsrat, 1. Aufl. 2015, § 161 Rn. 68 f.).

Ein solches sich im Entlastungsbeschluss niederschlagendes Informationsdefizit ist vorliegend jedoch nicht gegeben. Können Aktionäre nämlich relevante Informationen aus allgemeinen Quellen anderweitig erlangen, vermag deren Fehlen in einer Entsprechenserklärung die Anfechtung von Entlastungbeschlüssen nicht zu rechtfertigen (vgl. BGH, Urteil vom 21. September 2009 - II ZR 174/08 -, BGHZ 182, 272, juris Rn. 18; Busch/Link, a.a.O., § 46 Rn. 101). So liegt es hier: Die vom Kläger zur Begründung seiner These fehlender Unabhängigkeit der Aufsichtsratsmitglieder der Beklagten herangezogenen Gesichtspunkte waren auch ohne Mitteilung in der Entsprechenserklärung allgemein bekannt.

(1) So sind die historisch gewachsenen (teils unmittelbaren) persönlichen und geschäftlichen Verflechtungen zwischen den Familien Y. und P. einer- und der Beklagten andererseits allgemeinkundig, weshalb auch der Kläger selbst dazu nicht weiter vorträgt, sondern in seiner Klageschrift (dort S. 21 = Bl. 22 Bd. I d. A.) anmerkt, dass es insofern "keiner weiteren Darlegung" bedürfe.

(2) Hinsichtlich der Aufsichtsratsmitglieder P., Dr. K. und F., die zur (Wieder-)Wahl anstanden, ergeben sich die Umstände, aus denen der Kläger ihre fehlende Unabhängigkeit folgern will, aus den der Einladung zur Hauptversammlung (Anlage K3 im Anl.-Bd. K I) beigefügten Anlagen zum Tagesordnungspunkt 5; dass das Aufsichtsratsmitglied P. unmittelbar vor seinem Wechsel in den Aufsichtsrat dem Vorstand der Beklagten angehörte, dürfte einem durchschnittlich informierten Aktionär überdies in der Hauptversammlung bekannt gewesen sein.

(3) Dasselbe gilt für die vom Kläger in Bezug genommenen Beziehungen zwischen der Q. und der Y. bzw. den Familien Y. und P.

(4) Dass schließlich Rolle, Stellung und Unabhängigkeit der Vertreter des Landes Niedersachsen - zum Zeitpunkt der Entsprechenserklärungen vom 21. November 2014 und 20. November 2015 Ministerpräsident W. und Wirtschaftsminister L. - zumindest hinterfragt werden können, ist regelmäßig Gegenstand öffentlicher Diskussion und kann einem durchschnittlich informierten Aktionär nicht verborgen bleiben. Dementsprechend hat auch der Kläger selbst in seiner Klage (dort S. 23 = Bl. 24 Bd. I d. A.) ausgeführt, "die besonderen Beziehungen zwischen dem Land Niedersachsen und der Beklagten" seien nicht weiter darzustellen, sondern "als gerichtsbekannt zugrunde" zu legen. Dann aber kann nicht angenommen werden, dass die Aktionäre der Beklagten sich diesbezüglich in Unkenntnis befanden und ihre Abstimmung von einem Informationsdefizit beeinflusst wurde.

(5) Im Ergebnis ist vielmehr davon auszugehen, dass die Aktionäre der Beklagten zum Zeitpunkt der Abstimmung über die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat am 22. Juni 2016 über alle Informationen verfügen konnten, die die am 21. November 2014 und 20. November 2015 abgegebenen Entsprechenserklärungen aus Sicht des Klägers unrichtig im Hinblick auf Nr. 5.4.2 DCGK gemacht haben sollen. Es ist daher nicht ersichtlich, dass deren etwaige Fehlerhaftigkeit ein Informationsdefizit der Abstimmenden begründet hätte, welches einen dann anzunehmenden Verstoß gegen § 161 AktG als schwerwiegend erscheinen ließe und die Entlastungsbeschlüsse anfechtbar machen würde.

b) Der Kläger kann die Anfechtung der Entlastungsbeschlüsse auch nicht auf eine Informationspflichtverletzung stützen. Denn soweit er die Nichtvorlage eines Berichts der Anwaltssozietät D. zum sogenannten Diesel-Skandal moniert, bleibt dies schon deshalb ohne Erfolg, weil die Beklagte unwidersprochen vorgetragen hat, dass ein solcher Bericht zum Zeitpunkt der verfahrensgegenständlichen Hauptversammlung noch nicht existent war (Klagerwiderung, S. 49 = Bl. 330 Bd. III d. A.). Den (durchaus fragwürdigen) Umstand, dass der in Auftrag gegebene Bericht offenbar bis heute nicht vorliegt, hat der Senat nicht zu bewerten, weil es hier nur auf den Zeitpunkt der Hauptversammlung vom 22. Juni 2016 ankommt.

2.) Auch die zu Tagesordnungspunkt 5 der Hauptversammlung vom 22. Juni 2016 gefassten Beschlüsse zur (Wieder-)+ Wahl von vier Aufsichtsratsmitgliedern sind wirksam, weil sie weder auf nichtigen Vorschlägen beruhen noch sonst anfechtbar sind.

a) Entgegen der Auffassung des Klägers beruhen die Wahlen der Aufsichtsratsmitglieder P., Dr. J., F. und Dr. K. nicht auf nichtigen Wahlvorschlägen des Aufsichtsrats an die Hauptversammlung und sind nicht schon deshalb ihrerseits nichtig oder anfechtbar.

In diesem Kontext kann - was der Senat allerdings, wie oben ausgeführt, mangels sicherer Feststellbarkeit verneint - zunächst dahinstehen, ob die Wahlvorschläge des Aufsichtsrats der Beklagten überhaupt, wie der Kläger meint, mangels Unabhängigkeit der zur Wahl vorgeschlagenen Personen im Widerspruch zu der am 20. November 2015 abgegebenen und am 14. März 2016 sowie 22. April 2016 ergänzten Entsprechenserklärung standen.

Denn auch solche Wahlvorschläge, die der Aufsichtsrat im Widerspruch zu einer Entsprechenserklärung nach § 161 AktG beschließt, ohne diese zugleich anzupassen, sind nicht aus diesem Grund nichtig (aA wohl - allerdings nicht die Entscheidungsgründe tragend - OLG München, Urteil vom 6. August 2008 - 7 U 5628/07 -, juris Rn. 40; wie hier: LG München I, Urteil vom 22. November 2007 - 5 HK O 10614/07 -, juris; Spindler/Stilz/Bayer/Scholz, a. a. O., § 161 Rn. 98; Hüffer/Koch, a. a. O., § 161 Rn. 32; MünchKomm/Koch, AktG, 4. Aufl. 2016, § 251 Rn. 5; Busch/Link, a. a. O., § 46 Rn. 95 f.). Das folgt daraus, dass der in die Zukunft gerichtete Teil der Entsprechenserklärung keine Bindungswirkung entfaltet, sondern der Aufsichtsrat frei bleibt, davon abzuweichen (Spindler/Stilz/Bayer/Scholz, a. a. O.). Eine solche Abweichung mag dann zwar dazu führen, dass die Entsprechenserklärung unrichtig wird, berührt aber nicht die Wirksamkeit des sie herbeiführenden Aufsichtsratsbeschlusses. Die Wahl der vier vorgenannten Aufsichtsratsmitglieder beruhte somit auf wirksamen Beschlussvorschlägen.

b) Die zum Tagesordnungspunkt 5 gefassten Wahlbeschlüsse der Hauptversammlung vom 22. Juni 2016 sind auch nicht anfechtbar, weil sie nicht an einem schweren und eindeutigen Gesetzesverstoß kranken.

aa) Der Kläger stützt sich auch hier zunächst auf das von ihm behauptete Fehlen der Unabhängigkeit der gewählten vier Mitglieder des Aufsichtsrats und die sich daraus ergebende Abweichung von der von Vorstand und Aufsichtsrat der Beklagten abgegebenen Entsprechenserklärung. Insofern gilt:

(1) Dass die Wahlbeschlüsse nach Ansicht des Klägers zu einer Abweichung von der bestehenden Entsprechenserklärung bzw. zur Fortdauer einer solchen Abweichung führen, vermag eine erfolgreiche Beschlussanfechtung keinesfalls zu begründen, weil die Hauptversammlung nicht Adressat der aus § 161 AktG resultierenden Verpflichtungen ist (Schmidt/Lutter/Spindler, AktG, 3. Aufl. 2015, § 161 Rn. 64 a); zur Abgabe einer entsprechenden Erklärung sind vielmehr nur Vorstand und Aufsichtsrat verpflichtet. Die Hauptversammlung bleibt frei, auch solche Beschlüsse zu fassen, die im Widerspruch zu einer abgegebenen Entsprechenserklärung stehen.

(2) Ein Wahlbeschluss kann sich zwar dann als anfechtbar erweisen, wenn er auf Vorschlägen beruht, die sich als Abweichung von einer zuvor abgegebenen Entsprechenserklärung darstellen, ohne dass sich die Abstimmenden darüber im Klaren sind. Denn der durchschnittliche Aktionär wird im Regelfall davon ausgehen, dass auch durch die ihm unterbreiteten Vorschläge den Vorgaben des DCGK weiterhin entsprochen werden wird. Entscheidendes Kriterium ist mithin auch hier die Frage des Bestehens eines Informationsdefizits bei den abstimmenden Aktionären (MünchKomm/Goette, a. a. O., § 161 Rn. 94 f.; Busch/Link, a. a. O., § 46 Rn. 98 ff.; Hüffer/Koch, a. a. O., § 161 Rn. 32 a.E.; Schmidt/Lutter/Spindler, a. a. O., § 161 Rn. 64a a.E.).

Im Streitfall verhilft jedoch auch dies der Klage nicht zum Erfolg, weil schon nicht feststellbar ist, dass die Wahl der vom Aufsichtsrat vorgeschlagenen Personen zu einer Unrichtigkeit der zuvor abgegebenen Entsprechenserklärung bezüglich der Anzahl von vier unabhängigen Aufsichtsratsmitgliedern geführt hat und weil - selbst wenn dies der Fall gewesen wäre - die Wahl jedenfalls nicht von einem Informationsdefizit der Abstimmenden beeinflusst war.

Insofern kann zunächst auf die obigen Ausführungen verwiesen werden: Der Senat kann schon eine Unterschreitung der von der Beklagten für angemessen gehaltenen Anzahl von vier unabhängigen Aufsichtsratsmitgliedern und damit einen mittelbaren Verstoß gegen § 161 AktG nicht feststellen, weil Nr. 5.4.2 DCGK diesbezüglich zu unbestimmt ist. Gerade in Bezug auf die Wahlbeschlüsse zeigt sich dabei im Übrigen auch die Bedeutung der der Beklagten zukommenden Einschätzungsprärogative: Wäre die Überprüfbarkeit ihrer Auffassung nicht auf Fälle evident fehlender Unabhängigkeit beschränkt, liefe sie Gefahr, auch bei einer aus ihrer Sicht vertretbaren Ansicht zur Frage der Unabhängigkeit einzelner Aufsichtsratsmitglieder rückwirkend für einen erheblichen Zeitraum ohne ordnungsgemäß besetzten Aufsichtsrat dazustehen. Dies würde voraussehbar zu erheblichen wirtschaftlichen Folgen führen, die im Übrigen weder im Interesse eines Aktionärs noch im Interesse der Verfasser der weichen Formulierungen der Nr. 5.4.2 des DCGK liegen dürften.

Jedenfalls aber waren den abstimmenden Aktionären die Umstände, aus denen der Kläger das Fehlen der Unabhängigkeit der gewählten vier Aufsichtsratsmitglieder (oder von insgesamt vier der zehn Aufsichtsratsmitglieder der Eigentümerseite) herleiten will, nicht zuletzt aufgrund deren Vorstellung in der der Einladung zur Hauptversammlung beigefügten Anlage zu Tagesordnungspunkt 5 bekannt. Aus einer unterbliebenen Anpassung der Entsprechenserklärung hat sich mithin kein Informationsdefizit für die Aktionäre ergeben, so dass die Wahlbeschlüsse auch unter diesem Aspekt nicht anfechtbar, sondern wirksam sind.

bb) Soweit sich der Kläger schließlich auch für die Anfechtung der Wahlbeschlüsse auf eine aus der unterbliebenen Vorlage des Berichts der Anwaltssozietät D. zur sogenannten Diesel-Affäre resultierende Informationspflichtverletzung beruft, kann er auch damit aus dem oben genannten Grund kein Gehör finden: Nach dem unwidersprochenen Vortrag der Beklagten lag ein solcher Bericht am 22. Juni 2016 noch nicht vor und konnte daher den Aktionären jedenfalls vor diesem Zeitpunkt auch nicht zugänglich gemacht werden.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat. Denn der Senat weicht nicht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes oder eines anderen Oberlandesgerichts ab; folglich erfordern auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Revisionsgerichts. Einer Zulassung der Revision bedarf es namentlich nicht im Hinblick auf die Abweichung von der Auffassung des OLG München in dessen Urteil vom 6. August 2008 (7 U 5628/07, juris Rn. 40), wonach ein im Widerspruch zu einer abgegebenen Entsprechenserklärung stehender Wahlvorschlagsbeschluss des Aufsichtsrats nichtig sein soll, wenn die Erklärung nicht zugleich angepasst wird, weil die entsprechenden Ausführungen des OLG München als bloßes obiter dictum nicht tragend waren (so ausdrücklich in jenem Verfahren BGH, Beschluss vom 9. November 2009 - II ZR 14/09 -, juris).