Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 23.11.2010, Az.: 2 A 31/10
Ausschluss des Baus einer selbstständigen Fremdwerbeanlage in einem Mischgebiet durch Festsetzungen in einem Bebauungsplan; Verfassungsmäßigkeit von Gestaltungsvorschriften eines Bebauungsplans über die äußere Gestaltung von Werbeanlagen i.R.v. Art. 14 Abs. 1 GG
Bibliographie
- Gericht
- VG Stade
- Datum
- 23.11.2010
- Aktenzeichen
- 2 A 31/10
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2010, 32388
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGSTADE:2010:1123.2A31.10.0A
Rechtsgrundlagen
- Art. 14 Abs. 1 GG
- § 6 Abs. 1 BauNVO
- § 6 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO
Verfahrensgegenstand
Baugenehmigung- Werbeanlage
In der Verwaltungsrechtssache
...
hat das Verwaltungsgericht Stade - 2. Kammer -
auf die mündliche Verhandlung vom 23. November 2010
durch
den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Klinge,
den Richter am Verwaltungsgericht Fahs,
die Richterin Pape sowie
den ehrenamtlichen Richter D. und
die ehrenamtliche Richterin E.
für Recht erkannt:
Tenor:
Der Bescheid der Beklagten vom 8. September 2009 und der Widerspruchsbescheid vom 2. Dezember 2009 werden aufgehoben.
Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin die beantragte Baugenehmigung zur Errichtung einer Werbeanlage auf dem Grundstück F. G. (Flurstück H., Flur I., Gemarkung J.) wie beantragt zu erteilen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 11 Zehnteln des jeweils zu vollstreckenden Kostenbetrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung einer Werbeanlage für Fremdwerbung.
Mit am 8. Juli 2009 bei der Beklagten eingegangenem Formularantrag beantragte die Klägerin die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung einer Werbeanlage des Typs City-Star auf Monofuß für wechselnden Plakatanschlag auf dem Flurstück H. der Flur I. der Gemarkung J.. Nach der dem Antrag beigefügten Baubeschreibung handelt es sich um eine freistehende Werbeanlage mit einer Ansichtsfläche von 3.260 x 2.520 mm auf einem Fuß mit einer Höhe von 2.500 mm und einer an der Oberkante des Werberahmens angebrachten Beleuchtung für die Plakatanschläge.
Mit Schreiben vom 22. Juli 2009 hörte die Beklagte die Klägerin zu der beabsichtigten Ablehnung der beantragten Baugenehmigung an. In dem Schreiben heißt es, der Bauantrag sei nicht genehmigungsfähig, weil nach den örtlichen Bauvorschriften des Bebauungsplanes Nr. 121n - Teilbereich 1 - "Beiderseits der K. und östlich der F. " Werbeanlagen nur an der Stätte der Leistung zulässig seien.
In ihrem Antwortschreiben vertrat die Klägerin die Auffassung, in einem Mischgebiet könnten Werbeanlagen durch textliche Festsetzungen in einem Bebauungsplan nicht ausgeschlossen werden. Die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebietes spreche für solche Standwerbeanlagen, und das beantragte Vorhaben füge sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung in die Eigenart eines Mischgebietes ein, so dass Gründe für eine Unzulässigkeit nicht vorlägen.
Die Beklagte hat den Bauantrag mit dem hier angefochtenen Bescheid vom 8. September 2009 abgelehnt. In der Begründung wiederholt sie ihre Ausführungen aus dem Anhörungsschreiben und verweist auf die örtlichen Bauvorschriften in dem Bebauungsplan Nr. 121n. Da es sich nicht um eine Werbeanlage an der Stätte der Leistung handele, sei die beantragte Anlage hier unzulässig. Der Bescheid wurde am 11. September 2009 zugestellt.
Die Klägerin legte durch anwaltlichen Schriftsatz vom 4. Oktober 2009, eingegangen am 5. Oktober 2009, Widerspruch ein. Sie wiederholte ihre Auffassung, dass nach verfassungsrechtlichen Grundsätzen die Beschränkung von Werbeanlagen in einem Misch-, Gewerbe,- Industrie- oder gewerblichen Sondergebiet auf die Stätte der Leistung und damit der völlige Ausschluss von Wirtschaftswerbeträgern im Euroformat ungültig sei. Die Eigenart dieser Gebiete sei gerade dadurch gekennzeichnet, dass verschiedenste Nutzungen, insbesondere auch nicht wesentlich störende Gewerbebetriebe als gleichwertige Funktionen nebeneinander stünden. An diesen planungsrechtlich bestimmten unterschiedlichen Nutzungsweisen der Baufläche dürfe eine baugestalterische Regelung über Anforderungen an Werbeanlagen nicht schlechthin vorbeigehen. Das generalisierende Verbot bestimmter Werbeanlagen in bestimmten Baugebieten müsse seine Entsprechung in einem Mindestmaß an Einheitlichkeit des Baugebietscharakters finden. Eine einheitliche, ein generelles Verbot bestimmter Werbeanlagen umfassende baugestalterische Regelung sei nicht sachgerecht und deshalb nicht mehr mit den Grenzen vereinbar, die durch Artikel 14 Abs. 1 S. 2 Grundgesetz gezogen würden.
Mit Bescheid vom 2. Dezember 2009 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. In der Begründung wiederholt sie, dass nach der örtlichen Bauvorschrift zum Bebauungsplan Nr. 121n Werbeanlagen nur an der Stätte der Leistung errichtet werden dürften. Diesem Erfordernis werde das Vorhaben der Klägerin nicht gerecht, denn es handele sich um eine Anlage zur Fremdwerbung. Eine Verletzung der Eigentumsrechte nach Art. 14 Grundgesetz liege nicht vor, weil eine einheitliche Bebauung des Grundstücks auch über eine Bauvorschrift geregelt werden könne. Dies ergebe sich im vorliegenden Fall einerseits aus der geringen Größe des für ein Mischgebiet festgesetzten Bereiches von 2,30 ha und aus der Eigentumsstruktur der Flächen mit insgesamt nur 3 verschiedenen Eigentümern, wobei die Flächen von 2 Eigentümern bereits mit Gewerbebetrieben einschließlich einem Bürogebäude vollständig bzw. nahezu vollständig bebaut seien. Lediglich ein durch ein Vorflutgewässer von der Erschließungsstraße getrenntes Grundstück sei danach nicht bebaut. Der Bebauungsplan setze für das für die Errichtung der beantragten Werbeanlage vorgesehene Grundstück und die benachbarten Grundstücke ein Mischgebiet nach § 6 der Baunutzungsverordnung fest. Zu den wesentlichen Nutzungen für dieses Gebiet gehörten das Wohnen und die das Wohnen nicht wesentlich störenden Gewerbebetriebe. Von Bedeutung sei dabei die Durchmischung und das Miteinander der vorgegebenen Nutzungen. Bei der weiteren Entwicklung des Gebietes dürfe es nicht zu einem Überwiegen der Hauptnutzung kommen. Dabei sei darauf abzustellen, dass die beiden Nutzungsarten nicht nur gleichgewichtig und wechselseitig verträglich vorhanden seien sollten, sondern auch in ihrer jeweiligen Quantität gemischt würden. Auf den Baugrundstücken seien bereits Gewerbebetriebe ansässig, wobei der südlich gelegene Betrieb im Einmündungsbereich der L. in die F. aus einer Betriebshalle und einem Bürogebäude bestehe. Das letztere Vorhaben sei als Anlage für Verwaltung auch ausnahmsweise in einem Allgemeinen Wohngebiet zulässig und damit dieser Baukategorie noch zuzuordnen. Ansonsten stehe für die Unterbringung von Wohnen nur das nördlich gelegene noch unbebaute Grundstück zur Verfügung. Durch die Zulassung der beantragten Werbeanlage sei ein Übergewicht an gewerblicher Nutzung zu befürchten, womit die gesetzlich vorgeschriebene Durchmischung unmöglich gemacht werde. Der Widerspruchsbescheid wurde am 8. Dezember 2009 zugestellt.
Die Klägerin hat am 7. Januar 2010 die vorliegende Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgt. Sie vertieft ihre Auffassung, wonach ein genereller Ausschluss von Werbeanlagen in einem durch Bebauungsplan festsetzten Mischgebiet unzulässig sei. Das Bundesverwaltungsgericht gehe in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die baugestalterischen Regelungen über die Benutzung bebauter und unbebauter Grundstücke zum Zwecke der Werbung zu den Vorschriften gehörten, durch welche Inhalte und Schranken des Eigentums im Sinne vonArt. 14 Abs. 1 Satz 2 GG bestimmt würden. Inhaltsbestimmungen und Beschränkungen des Eigentums seien nach dieser grundrechtlichen Vorschrift nur gerechtfertigt, wenn und soweit sie von dem geregelten Sachbereich her geboten und nach ihrer Ausgestaltung selbst sachgerecht seien. Dabei müssten die grundlegende Wertentscheidung des Grundgesetzes zu Gunsten eines sozialgebundenen Privateigentums und das daraus ableitbare Gebot an die Recht setzende Gewalt bei der Bestimmung des Eigentumsinhalts die Belange der Gemeinschaft und die privaten Interessen des Einzelnen in ein ausgewogenen Verhältnis zu bringen, berücksichtigt werden. Danach sei der Ausschluss von Werbeanlagen in einem Mischgebiet bzw. deren Beschränkung auf Anlagen an der Stätte der Leistung nicht zu vereinbaren. Mischgebiete nach BauNVO dienten dem Wohnen und der Unterbringung von Gewerbebetrieben, die das Wohnen nicht wesentlich störten. An dieser bauplanungsrechtlich bestimmten unterschiedlichen Nutzungsweise der Bauflächen in einem Mischgebiet dürfe eine baugestalterische Regelung über Anforderungen an Werbeanlagen nicht schlechthin vorbeigehen. Das generalisierende Verbot bestimmter Werbeanlagen in bestimmten Baugebieten müsse ein Mindestmaß an Einheitlichkeit des Baugebietscharakters vorfinden.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 8. September 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Dezember 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin die begehrte Baugenehmigung für die Errichtung einer Werbeanlage auf dem Flurstück H. der Flur I. der Gemarkung J. (F. G.), wie beantragt, zu erteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verteidigt die Wirksamkeit der örtlichen Bauvorschrift. Auch in Mischgebieten könnten aus baugestalterischen Gründen Anlagen der Fremdwerbung durch eine Gemeinde ausgeschlossen werden. Vorliegend lasse sich die einheitliche städtebauliche Prägung nur dadurch erreichen, dass auch weiterhin auf den Baugrundstücken innerhalb des Baugebietes nur dezente Werbeanlagen an der Stätte der Leistung vorhanden seien. Die bisherigen Werbeanlagen entsprächen diesen baugestalterischen Vorgaben. Hiervon würde die Anlage der Klägerin erstmals unzulässig abweichen. Der maßgebliche Bebauungsplan setze ein Mischgebiet fest, das der Unterbringung von Wohnnutzung sowie von Gewerbebetrieben diene, die das Wohnen nicht wesentlich störten. Es sei dadurch gekennzeichnet, dass Wohn- und Gewerbenutzung gleichwertig nebeneinander stünden. Das gebotene quantitative Mischungsverhältnis von Wohnen und nicht wesentlich störendem Gewerbe könne dabei durch Zulassung eines weiteren gewerblichen Betriebs gestört werden. Dies sei hier der Fall. Zwei der drei Baugrundstücke seien bereits gewerblich genutzt. Würde hier eine weitere gewerbliche Anlage hinzutreten, werde ein deutliches Übergewicht der gewerblichen Nutzung entstehen. Mithin stünden die Festsetzungen des maßgeblichen Bebauungsplanes dem Vorhaben entgegen.
Das Gericht hat das für die Errichtung der Werbeanlage vorgesehene Grundstück und dessen nähere Umgebung in der mündlichen Verhandlung vom 23. November 2010 in Augenschein genommen. Wegen der Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
Wegen der Einzelheiten des Sachvortrags der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat Erfolg.
Die Klägerin hat Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung für die Errichtung einer Werbeanlage auf dem Grundstück Flurstück H. der Flur I. der Gemarkung J. (F. G.). Die Beklagte war daher zur Erteilung der beantragten Baugenehmigung zu verpflichten. Der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 8. September 2009 und der Widerspruchsbescheid vom 2. Dezember 2009 sind rechtswidrig und waren daher aufzuheben (§ 113 Abs. 5 i. V. mit Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -).
Gemäß § 75 Abs. 1 S. 1 Nds. Bauordnung (NBauO) ist eine Baugenehmigung zu erteilen, wenn die Baumaßnahme, soweit sie genehmigungsbedürftig ist und soweit die Prüfung nicht entfällt, dem öffentlichen Baurecht entspricht. Zum öffentlichen Baurecht gehören gemäß § 2 Abs. 10 NBauO alle Vorschriften der NBauO, die aufgrund der NBauO erlassenen Vorschriften und sämtliche Vorschriften des städtebaulichen Planungsrechts.
Die Zulässigkeit der Maßnahme der Klägerin richtet sich nach § 30 Abs. 1 Baugesetzbuch (BauGB), weil das Vorhaben auf einem Grundstück errichtet werden soll, für das ein Bebauungsplan erlassen wurde. Maßgeblich ist der Bebauungsplan Nr. 121n der Beklagten ("Beidseitig der K. und östlich der F., Teilbereich I"), der am 27.09.1999 in Kraft getreten ist. Der Bebauungsplan setzt für das Gebiet ein Mischgebiet i.S.v. § 6 Baunutzungsverordnung 1990 (BauNVO 1990) fest. Nach § 6 Abs. 1 BauNVO 1990 dienen Mischgebiete dem Wohnen und der Unterbringung von Gewerbebetrieben, die das Wohnen nicht wesentlich stören. Welche Nutzungen ihrer Art nach grundsätzlich zulässig sind, bestimmt § 6 Abs. 2 BauNVO. Eine Werbeanlage für Fremdgewerbezwecke, wie sie von der Klägerin geplant ist, stellt sich als eigenständige gewerbliche Hauptnutzung dar (vgl. BVerwGE 91, 234= NVwZ 1993, 983 [BVerwG 03.12.1992 - 4 C 27/91] [1984]). Als solche ist eine Werbeanlage dieser Art in einem durch Bebauungsplan festgesetzten Mischgebiet als nicht störende gewerbliche Nutzung gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO grundsätzlich zulässig.
Dem Antragsbegehren der Klägerin kann die Beklagte nicht mit Erfolg die in dem Bebauungsplan Nr. 121n beigefügte örtliche Bauvorschrift entgegenhalten. Die Beklagte hat von der Ermächtigung des § 9 Abs. 4 BauGB Gebrauch gemacht und eine örtliche Bauvorschrift i.S.v. § 56 NBauO erlassen. (Überschrift § 56 Abs. 2 NBauO, richtig wohl § 56 Abs. 1 Nr. 4 NBauO). Diese bestimmt, dass Werbeanlagen nur an der Stätte der Leistung an der straßenseitigen Fassade bis unter der Traufe zulässig sind und von den Gebäudekanten mindestens einen Meter Abstand halten müssen. Hiernach wäre eine selbständige Fremdwerbeanlage wie die von der Klägerin geplante ausgeschlossen.
Die von der Beklagten erlassene Gestaltungsvorschrift verstößt jedoch gegen höherrangiges Recht und kann dem Vorhaben nicht entgegengehalten werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts können örtliche Bauvorschriften über die äußere Gestaltung von Werbeanlagen in Bebauungspläne aufgenommen werden, ohne dass diese den bauplanungsrechtlichen Abwägungsgebot gemäß § 1 Abs. 7 BauGB genügen müssen (vgl. BVerwG, Urt. v. 16. März 1995 - 4 C 3/94 - zitiert nach [...]). Zur Begründung ihrer materiell-rechtlichen Wirksamkeit ist jedoch erforderlich, dass solche örtlichen Bauvorschriften mit dem Eigentumsgrundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG vereinbart sind. Nach ständiger Rechtsprechung desselben Gerichts gehören baugestalterische Regelungen über die Benutzung bebauter und unbebauter Grundstücke zum Zwecke der Werbung zu den Vorschriften, durch welche Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinne vonArt. 14 Abs. 1 S. 1 GG bestimmt werden. Inhaltsbestimmungen und Beschränkungen des Eigentums sind nach dieser grundrechtlichen Vorschrift aber nur gerechtfertigt, wenn und soweit sie von dem geregelten Sachbereich her geboten und in ihrer Ausgestaltung selbst sachgerecht sind (BVerwG, Urt. vom 28. April 1972 - 4 C 11/69 - BVerwGE 40, 94[BVerwG 28.04.1972 - IV C 11.69]). Dabei sind die grundlegende Werteinschätzung des Grundgesetzes zugunsten eines sozialgebundenen Privateigentums und die Belange der Gemeinschaft in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen, so dass das baugestalterische Ziel, eine Beeinträchtigung des vorhandenen oder durch Planung erstrebten Charakters eines Baugebiets zu verhindern, seine Entsprechung in dem Baugebietscharakter finden muss (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschl. vom 24. Februar 2003 - 8 S 406/03 - zitiert nach [...]). Eine einheitliche, ein generelles Verbot bestimmter Werbeanlagen umfassende baugestalterische Regelung, die ohne Rücksicht auf eine durch gewerbliche Nutzung geprägte tatsächliche Bebauung in einem Mischgebiet erfolgt ist, ist deshalb mit Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG nicht vereinbar (vgl. VG Freiburg, Urt. v. 24. März 2004 - 2 K 1725/02 - zitiert nach [...]). Ein generelles Verbot in einer Ortssatzung, durch das die Werbung mit großflächigen Werbetafeln in Mischgebieten verboten wird, verstößt gegen Art. 14 GG. Eine entsprechende Ortssatzung ist insoweit nichtig (BVerwG, Urt. v. 28. April 1972 a.a.O.).
Diesen von der Rechtsprechung aufgestellten Erfordernissen entspricht die allgemeine Regel der Beklagten nicht. Großflächige Werbeanlagen sind, wie oben ausgeführt, als selbständige Gewerbebetriebe in einem Mischgebiet nach § 6 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO grundsätzlich zulässig. Die für den generellen Ausschluss dieser Nutzungsart notwendige besondere Rechtfertigung (vgl. VG Würzburg, Urt. v. 19. Mai 2009 - W 408.2254, zitiert nach [...]) fehlt hier. Weder in den textlichen Festsetzungen des Bebauungsplanes selbst noch in der zu dem Bebauungsplan gehörenden Begründung sind Anhaltspunkte zu entnehmen, die auf ein besonderes gestalterisches Konzept oder aber besondere Rücksichtnahmen schließen lassen, welche ausnahmsweise den Ausschluss von an sich zulässigen gewerblichen Nutzungen in dem B-Plan-Gebiet rechtfertigen könnten. Unter Ziffer 5.2.3 "örtliche Bauvorschrift über Gestaltung" wird lediglich der Text der textlichen Festsetzung wiedergegeben. Es fehlen jegliche Auseinandersetzung mit der besonderen Problematik oder Hinweise auf die angestrebten baugestalterischen Ziele. Dies wäre insbesondere deshalb geboten gewesen, weil der Bebauungsplan Nr. 121n in der hier maßgeblichen Fassung aus dem Jahre 1999 nicht nur das Mischgebiet festsetzt, in dem die streitige Anlage errichtet werden soll, sondern auch wesentlich größere weitere Flächen mit gewerblicher Nutzung (GE) belegt. Dass insgesamt für den gesamten Geltungsbereich des Bebauungsplanes ohne Rücksicht auf den festgesetzten Gebietstypus die Errichtung von Fremdwerbeanlagen ohne nähere Begründung ausgeschlossen werden sollte, erscheint danach nicht nachvollziehbar.
Andere Ermächtigungsgrundlagen für das Verbot der Fremdwerbeanlagen sind nicht ersichtlich. Nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB i.V.m. § 1 Abs. 1 BauNVO kann in einem Bebauungsplan aus städtebaulichen Gründen u.a. die Art der baulichen Nutzung festgelegt werden. Als eine solche Festsetzung ist grundsätzlich auch die Zulässigkeit bzw. Unzulässigkeit von Werbeanlagen anzusehen. § 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB ermächtigt die Gemeinde aber nicht, über die Zulässigkeit einzelner Anlagen(typen) Entscheidungen zu treffen. Damit würden die gebietsbezogenen Vorschriften der BauNVO und insbesondere die Gliederungsmöglichkeiten der §§ 1 Abs. 4 bis 9 BauNVO unterlaufen. Auch die übrigen Bestimmungen des § 9 Abs. 1 Nr. 2 bis Nr. 26 BauGB und der §§ 2 bis 14 BauNVO über die Art der baulichen Nutzung wären dann überflüssig. Ein so verstandener § 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB widerspräche dem Gesetzesvorbehalt des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG (vgl. BVerwG, Urt. v. 15. August 1991 - 4 N 1/89 - NVwZ 1992, 879 [BVerwG 15.08.1991 - BVerwG 4 N 1.89]; VG Augsburg, Urt. v. 30. April 2010 - Au 5 K 09.484 - zitiert nach [...]). Die Gemeinden sind darauf beschränkt, die Art der baulichen Nutzung in dem Bebauungsplan durch die Ausweisung von Baugebieten festzusetzen. Hierdurch werden die Vorschriften der §§ 2 bis 14 BauNVO Bestandteil des Bebauungsplanes und regeln damit im Grundsatz die zulässige Art der baulichen Nutzung.
Auch § 1 Abs. 5 bzw. Abs. 9 BauNVO sind keine taugliche Rechtsgrundlage für den generellen Ausschluss von Fremdwerbeanlagen. Nach § 1 Abs. 9 BauNVO ist es erforderlich, aber auch ausreichend, dass es spezielle städtebauliche Gründe dafür gibt, die zulässigen Nutzungsarten gegenüber § 1 Abs. 5 BauNVO noch feiner auszudifferenzieren (BVerwGE 77, 317[BVerwG 22.05.1987 - BVerwG 4 C 77.84]). Danach muss sich die Abweichung von den festgelegten Zulässigkeitsregeln im Sinne des § 1 Abs. 5 BauNVO rechtfertigen. In Betracht kommen auch hier das Ziel der Umsetzung eines besonderen Ortsbildes oder der Schutz einer historischen Bausubstanz. Von beiden ist im vorliegenden Fall weder im Bebauungsplan selbst noch in der Begründung zu diesem auch nur ansatzweise die Rede.
Dem Vorhaben der Klägerin kann auch nicht mit Erfolg entgegenhalten werden, durch die Zulassung des weiteren Gewerbebetriebes der Klägerin werde das in einem Mischgebiet gebotene quantitative Mischungsverhältnis von Wohnen und nicht wesentlich störendem Gewerbe gestört und damit die bauplanerische Festsetzung obsolet. Die von der Beklagten zitierte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 4. Mai 1988 - 4 C 34/86 - zitiert nach [...]) stellt darauf ab, dass für den Erhalt des Mischgebietes im Sinne der BauNVO die quantitative Mischung maßgeblich ist, d.h., in welchem Verhältnis dem Wohnen und dem gewerblichen Flächen dienende Anlagen im Baugebiet nach Anzahl und Umfang zueinanderstehen. Erforderlich ist dabei jedoch nicht, dass die beiden Hauptnutzungsarten mit genau oder annähernd gleichen - wie auch immer rechnerisch zu bestimmenden - Anteilen im jeweiligen Gebiet vertreten sind. Allerdings darf auch keine der beiden Hauptnutzungsarten als eigenständige Nutzung im Gebiet völlig verdrängt werden. Dies würde zu einem "Umkippen" des Gebietes führen und die Festsetzung als Mischgebiet würde sich letztlich als funktionslos darstellen. Nach der Rechtsprechung reicht es aber aus, dass im jeweiligen Gebiet nicht eine der beiden Hauptnutzungsarten nach Arten und/oder Umfang beherrschend und in diesem Sinne übergewichtig in Erscheinung tritt. Dies bestimmt sich nicht allein nach den Prozentsätzen der Grundfläche des jeweiligen Mischgebietes, die für die eine oder die andere Nutzungsart in Anspruch genommen werden soll. Ein Missverhältnis kann aus dem Verhältnis der Geschoßflächen oder der Zahl der eigenständigen gewerblichen Betriebe im Verhältnis zu den vorhandenen Wohngebäuden oder auch erst aus mehreren Merkmalen zusammengenommen ergeben. Erforderlich ist stets eine Bewertung aller für eine quantitative Beurteilung in Frage kommenden tatsächlichen Umstände im Einzelfall.
Die Beklagte stellt im vorliegenden Verfahren darauf ab, dass die Größe des im Bebauungsplan ausgewiesenen Mischgebietes mit 2,3 ha relativ gering ist und 2/3 dieser Fläche bereits durch Gewerbeflächen in Anspruch genommen würden. Dieser Tatbestand würde durch die Zulassung der von der Klägerin beantragten Werbeanlage, die nach ihrer baulichen Gestaltung nur einen vergleichsweise geringen Raum einnimmt und gegenüber den übrigen bereits vorhandenen gewerblichen Nutzungen hinsichtlich ihres Bauvolumens völlig in den Hintergrund treten würde, nicht in erkennbarer Weise beeinflusst. Dies hat die Ortsbesichtigung ergeben. Das Gebiet ist schon jetzt durch die dort befindlichen Gewerbebetriebe und deren Baulichkeiten eindeutig geprägt. Gegenüber dem auf dem Baugrundstück vorhandenen Betriebsgebäude des Gewerbebetriebes würde die beantragte Anlage hinsichtlich ihres Volumens vollständig in den Hintergrund treten. Der geplante Standort ist auch nicht geeignet, die für eine mögliche Wohnnutzung einzig noch freie Fläche nördlich des Baugrundstücks so zu prägen, dass die gewerbliche Nutzung i. S. der obigen Erwägungen die Oberhand erhielte. Dafür sind schon die Abstände viel zu groß. Schon jetzt hat die gewerbliche Nutzung bei der Frage nach der Prägung des Gebietes eindeutig die Oberhand. Nach der Ortsbesichtigung drängt sich eher der Eindruck auf, dass die Annahme der Beklagten, auf den noch unbebauten Flächen könne eine Wohnnutzung entstehen und so das gewünschte Mischungsverhältnis eines Mischgebietes noch entstehen, unrealistisch ist. Die noch freien Flächen sind zwischen der F. und der gewerblichen Nutzung südlich derartig "eingeklemmt", dass sich für eine Wohnbebauung ein Interessent aller Voraussicht nach nicht finden wird. Hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Gebietsstruktur ist die Fremdwerbeanlage der Klägerin von einer zulässigen Werbeanlage an der Stätte der Leistung letztlich nicht zu unterscheiden.
Der Bebauungsplan Nr. 121n hat darüber hinaus nur bereits vorhandene Bebauung überplant und das vorgefundene Größenverhältnis zwischen Gewerbe- und Mischgebietsflächen so übernommen, wobei nicht ersichtlich ist, dass hierauf besonderer Wert gelegt worden ist. Maßgeblich für die planerische Aufteilung des Geländes erscheint vielmehr die Frage der Verträglichkeit der Nutzungen mit der Wohnbebauung im benachbarten Baugebiet M.. Wenn die Beklagte meint, durch die Zulassung der einzelnen Werbeanlage werde der Gebietscharakter bereits gekippt, muss sie sich fragen, ob ihre bauplanerische Festsetzung eines Mischgebietes nicht von vornherein eine Scheinplanung ist. Aufgrund der örtlichen Verhältnisse und der vorhandenen gewerblichen Nutzung würde im Falle der Nichtigkeit des Bebauungsplanes die Werbeanlage der Klägerin aber wohl erst recht zulässig.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Gründe für eine Zulassung der Berufung liegen nicht vor.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil ist die Berufung nur zulässig, wenn sie von dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
...
Streitwertbeschluss:
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf
3.500,00 Euro
(Ziff. 4 a) des Streitwertkataloges der Bausenate des Nds. OVG, NdsVBl. 2002, S. 192)
festgesetzt.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 Euro übersteigt.
...
Fahs
Richterin Pape ist erkrankt und kann daher nicht unterschreiben Klinge