Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 22.12.2010, Az.: 6 A 683/10
Bestehen eines Abschiebungsverbotes für einen afghanischen Staatsangehörigen aus der Provinz Herat; Anwendung des Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer nicht internationaler bewaffneter Konflikte (Zusatzprotokoll II - ZP II) auf Fälle innerer Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und andere ähnliche Handlungen; Auslegung des Begriffs des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts mit Hilfe des Völkerstrafrechts und der Rechtsprechung der Internationalen Strafgerichtshöfe; Betrachten der Sicherheitslage im Distrikt Herat (Afghanistan) zumindest für das Gebiet der Hauptstadt Herat als zufriedenstellend; Gewährung von Abschiebungsschutz trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 S. 3 Aufenthaltsgesetz (AufenthG)
Bibliographie
- Gericht
- VG Stade
- Datum
- 22.12.2010
- Aktenzeichen
- 6 A 683/10
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2010, 32859
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGSTADE:2010:1222.6A683.10.0A
Rechtsgrundlagen
- § 60a Abs. 1 S. 1 AufenthG
- § 60 Abs. 7 S. 1, 2, 3 AufenthG
- § 60 Abs. 11 AufenthG
- Art. 1 Nr. 1, 2 ZP II
- § 34 Abs. 1 S. 1 AsylVfG
Verfahrensgegenstand
Asyl- und Flüchtlingsanerkennung, Abschiebungsschutz, Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung
In der Verwaltungsrechtssache
...
hat das Verwaltungsgericht Stade - 6. Kammer -
auf die mündliche Verhandlung vom 22. Dezember 2010
durch
den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Gärtner als Einzelrichter
für Recht erkannt:
Tenor:
Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Kläger ihre Klage zurückgenommen haben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Die Kläger tragen die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens jeweils zu 1/4.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Kostenbetrages abwenden, sofern nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Kläger sind afghanische Staatsangehörige. Die Kläger zu 2. bis 4. sind die Kinder der Klägerin zu 1.
Die Kläger reisten am 8. Oktober 2009 auf dem Luftweg - von Griechenland (Athen) kommend - in das Bundesgebiet ein und äußerten auf dem Flughafen München ein Asylbegehren.
Die Klägerin zu 1. stellte am 22. Oktober 2009 bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Karlsruhe für sich und ihre Kinder Asylanträge. Sie wurde am 3. November 2009 in Karlsruhe vom Bundesamt zu ihren Asylgründen angehört. Wegen des Ergebnisses wird auf die Niederschrift verwiesen.
Mit Bescheid vom 27. Mai 2010 lehnte das Bundesamt die Anträge der Kläger auf Anerkennung als Asylberechtigte ab und stellte fest, dass bei ihnen weder die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes - AufenthG - noch Abschiebungsverbote nach § 60 Absätze 2 bis 7 AufenthG vorliegen. Zugleich forderte das Bundesamt die Kläger zur Ausreise binnen Monatsfrist auf und drohte ihnen für den Nichtbefolgungsfall die Abschiebung nach Afghanistan an. Das Bundesamt wies darauf hin, dass die Kläger in einen anderen Staat abgeschoben werden können, in den sie einreisen dürfen oder der zu ihrer Rückübernahme verpflichtet ist, insbesondere in den Iran. Wegen der Begründung wird auf den Bescheid verwiesen.
Daraufhin haben die Kläger am 2. Juni 2010 Klage erhoben.
Mit ihrer Klage haben die Kläger zunächst ihre Anerkennung als Asylberechtigte und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft begehrt und hilfsweise die Feststellung eines Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Absätze 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG. höchst hilfsweise die Feststellung eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, erstrebt. In der mündlichen Verhandlung haben sie ihre Klage auf Anerkennung als Asylberechtigte und auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zurückgenommen. Sie begehren nunmehr die Feststellung eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG, hilfsweise die Feststellung eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, hinsichtlich Afghanistan.
Zur Begründung machen sie geltend:
Ein unionsrechtlich determiniertes Abschiebungsverbot im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG in Verbindung mit Art. 15 Buchstabe c) der Richtlinie 2004/83 EG setze einen innerstaatlichen bewaffneten Konflikt voraus. Unstreitig gebe es in Afghanistan Gebiete, in denen ein solcher Konflikt herrsche. Darüber hinaus werde ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt inzwischen zum Teil auch für ganz Afghanistan angenommen (so etwa VG Gießen, Urteil vom 26. August 2010 - 2 K 1754/10 GI-A -). Dies könne im vorliegenden Fall letztlich aber dahingestellt sein. Ein solcher Konflikt herrsche jedenfalls in der Provinz Herat, aus der die Kläger stammten. Die in 16 Distrikte und das Gebiet der Hauptstadt unterteilte Provinz Herat umfasse 63.097 km2. In der Provinz lebten ca. 1,7 Mill. Menschen, von denen 84% Sunniten und 15% Schiiten seien. Ethnisch setze sich die Bevölkerung im Wesentlichen aus Tadschiken und Paschtunen zusammen. Die Provinz habe lange Zeit als vergleichsweise stabil gegolten, was auch der Herrschaft Ismail Khans zugeschrieben werde. Das International Committee of the Red Cross (ICRC) habe aber bereits Ende 2008 festgestellt, dass die Intensität der Kämpfe im Westen Afghanistans das gleiche Niveau wie im Süden und Osten des Landes erreiche. Das Bundesamt liste für den Zeitraum Januar 2008 bis März 2009, ohne dass damit Vollständigkeit beansprucht sein könnte, 31 sicherheitsrelevante Ereignisse auf und komme zu dem Schluss, für Teile der Provinz könne das Vorliegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts nicht ausgeschlossen werden. Für eine Reise nach Herat müssten unsichere Gebiete durchquert werden. Seit dieser Analyse habe sich die Sicherheitslage deutlich weiter verschlechtert. Ghulam Yahya, der vom Bundesamt noch als Akteur geführt worden sei, sei im Oktober 2009 von afghanischen und amerikanischen Streitkräften getötet worden. Dabei habe er bei vielen noch als stabilisierender Faktor gegolten. Abgesehen von kriminellen Gruppierungen, die das Sicherheitsklima nicht unerheblich mitbestimmten, zumal einer der größten Drogenhandelsrouten nach Europa über Herat führe, stünden sich dort vor allem Taliban, die Kontakte zu zahlreichen anderen Gruppen unterhielten, und die Truppen der ISAF gegenüber. Daneben träten einzelne Kommandeure und Milizen in Erscheinung. Von nicht unerheblicher Bedeutung sei auch, dass viele Taliban ursprünglich aus Herat stammten. Die Taliban sollen ihre Kontrolle in weiten Teilen ausgebaut haben. Wie die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) in einer Stellungnahme vom 5. Mai 2010, deren Gegenstand die Sicherheitssituation in Herat sei, unter Berufung auf Reuters berichtet habe, hätten die Taliban vor einem Anschlag gegen einen Polizeikommandanten in Herat im Oktober 2009 die lokale Bevölkerung gewarnt, nicht mit der Regierung zusammenzuarbeiten, ansonsten würden ihre Häuser geplündert. Die Sicherheitslage werde in der Stellungnahme der SFH als deutlich verschlechtert dargestellt. Lege man den Begriff des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts unter Berücksichtigung der Bedeutung dieses Be-griffs im humanitären Völkerrecht aus, so wie er insbesondere in den vier Genfer Konventionen vom 12. August 1949 einschließlich der Zusatzprotokolle I und II vom 8. Juni 1977 - Art. 1 des Zusatzprotokolls zu dem Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer nicht internationaler bewaffneter Konflikte - Zusatzprotokoll II - ZP II gefasst sei, liege ein solcher Konflikt vor, wenn bewaffnete Konflikte im Hoheitsgebiet eines Staates zwischen dessen Streitkräften und abtrünnigen Streitkräften oder anderen organisierten Gruppen stattfinden, die unter einer verantwortlichen Führung eine solche Kontrolle über einen Teil des Staates ausüben, dass sie anhaltende, koordinierte Kampfhandlungen durchzuführen vermögen. Diese Merkmale seien in der Provinz Herat angesichts der sich gegenüberstehenden Konfliktparteien und der dabei mittlerweile von den Taliban wieder erreichten Präsenz als erfüllt anzusehen. Für ein Abschiebungsverbot im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG in Verbindung mit Art. 15 Buchstabe c) der Richtlinie 2004/83 EG sei es nicht nur erforderlich, dass ein bewaffneter innerstaatlicher Konflikt bestehe. Vielmehr müsse der Einzelne darüber hinaus bei einer Rückkehr als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib und Leben infolge willkürlicher Gewalt ausgesetzt sein. Dies könne auch zum einen der Fall sein, wenn individuelle Merkmale sich risikoerhöhend auswirken, zum anderen aber auch dann, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht habe, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften Bedrohung im Sinne der Richtlinie ausgesetzt zu sein. Ob dieses Niveau willkürlicher Gewalt erreicht werde, sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 -) durch die Gerichte aufzuklären. Hier sei die Zahl der sicherheitsrelevanten Ereignisse in Relation zu der durchaus überschaubaren Bevölkerungszahl in der Provinz Herat, die etwa derjenigen Hamburgs entspreche, zu setzen. Zudem sei zu berücksichtigen, dass für den Einzelnen nicht vorhersehbar sei, wo und wann aus welchem Anlass Gewaltakte verübt werden. Der Einzelne müsste sich also jederzeit und überall dem Risiko ausgesetzt sehen. Damit habe die willkürliche Gewalt einen Grad erreicht, der die Annahme rechtfertige, dass einer Zivilperson bei einer Rückkehr allein aufgrund ihrer Anwesenheit eine ernsthafte individuelle Gefahr für Leib und Leben drohe.
Ein Ausweichen nach Kabul könne den Klägern aus den gleichen Gründen nicht angesonnen werden, aus denen für sie zumindest ein Abschiebungsverbot im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen sei. Auch wenn man unterstelle, dass die Kläger nicht allein, sondern mit den Klägern im Parallelverfahren 6 A 736/10, also insbesondere mit dem Ehemann der Klägerin zu 1., zurückzukehren hätten, ändere sich daran nichts. In Rede stehe die Rückkehr einer sechsköpfigen Familie mit vier minderjährigen Kindern. Das jüngste der Kinder sei noch keine fünf Jahre alt. Die Kläger könnten auf einen funktionierenden unterstützungsbereiten Familienverband im Falle einer Rückkehr nicht zurückgreifen. Bereits bei ihrer ersten Rückkehr aus dem Iran nach Afghanistan habe sich die Situation als außerordentlich schwierig dargestellt. Seitdem hätten sich die Rückkehrbedingungen deutlich weiter verschlechtert. Die Kläger hätten ihren gesamten Besitz veräußert, um die Flucht zu finanzieren. Für eine materielle Existenz in Afghanistan unabdingbare Faktoren, an die sie anknüpfen könnten, gebe es nicht mehr. Zielort einer Abschiebung wäre im Übrigen Kabul. Auf sich allein gestellt träfen die Kläger in Afghanistan auf eine insgesamt äußerst schwierige Sicherheits- und Versorgungslage. Wohnungen und Arbeit als Faktoren, die angesichts fehlender sozialer Leistungsnetze für eine materielle Existenz unabdingbar schienen, seien selbst in Kabul knapp und für Rückkehrer ohne besondere Qualifikation praktisch nicht erreichbar. Wenn früher bisweilen behauptet worden sei, IOM und UNHCR würden sich um Rückkehrer kümmern, treffe dies nicht zu. Insbesondere der UNHCR sehe sich für abgeschobene Flüchtlinge aus Westeuropa nicht in einem Mandat. Mittlerweile räume auch das Bundesamt in seinen Bescheiden ein, dass abgeschobene Rückkehrer mit einer substanziellen Unterstützung durch Nichtregierungsorganisationen nicht rechnen könnten. Letztlich blieben abgeschobene Rückkehrer auf sich allein gestellt. In einem Update vom 11. August 2009 habe die SFH ausgeführt: "Zudem ist für eine rückkehrende Person ein starkes Familien-, Sozial- oder Stammesnetz von grundlegender Bedeutung. Ohne dieses kann eine Person in der heutigen Situation nicht überleben". Die skizzierte Entwicklung habe zahlreiche Verwaltungsgerichte veranlasst, die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 AufenthG zu bejahen. Angesichts der Verhältnisse in Afghanistan müsse entgegen der im Bundesamtsbescheid vertretenen Auffassung auch für die Kläger im Falle einer Rückführung der Eintritt einer extremen existenziellen Notlage befürchtet werden.
Die Kläger beantragen,
den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 27. Mai 2010 aufzuheben, soweit er entgegensteht, und die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass bei den Klägern ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG, hilfsweise ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, hinsichtlich Afghanistan vorliegt.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf den Bescheid vom 27. Mai 2010.
Die Klägerin zu 1. und ihr Ehemann, der Kläger zu 1. des Verfahrens 6 A 736/10, sind in der mündlichen Verhandlung informatorisch gehört worden. Wegen des Ergebnisses wird auf die Verhandlungsniederschrift vom 22. Dezember 2010 verwiesen.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf die Gerichtsakten 6 A 683/10 und 6 A 736/10 und auf die beigezogenen Bundesamtsakten und Ausländerakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Das Verfahren ist gemäß § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen, soweit die Kläger ihre Klage hinsichtlich des Asyl- und Flüchtlingsanerkennungsbegehrens zurückgenommen haben.
Die verbleibende Klage ist unbegründet.
1.
Die Kläger haben keinen Anspruch auf Feststellung eines unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG.
Nach dieser Vorschrift, die durch das Richtlinienumsetzungsgesetz vom 19. August 2007 (BGBl. I S. 1970) mit Wirkung vom 28. August 2007 neu in das Aufenthaltsgesetz eingefügt worden ist und der Umsetzung der Regelung über den subsidiären Schutz nachArt. 15 Buchst. c) der Richtlinie 2004/83 EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes vom 29. April 2004 (ABl. Nr. 1 304 S. 12, ber. ABl. 2005 Nr. 1 204 S. 24) dient (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung vom 23. April 2007 zu § 60 AufenthG, BT-Drs 16/5065 S. 187 zu Buchst. d), ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist. Gefahren nach Satz 1 oder Satz 2, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind gemäß § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen. Die Bestimmung entspricht trotz teilweise geringfügig abweichender Formulierung - nicht ausdrücklich erwähnt ist das Merkmal der Bedrohung "infolge willkürlicher Gewalt" - den Vorgaben des Art. 15 c) der Qualifikationsrichtlinie (BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 -, BVerwGE 131, 198 ff.[BVerwG 24.06.2008 - BVerwG 10 C 43.07]).
Zur Auslegung dieser Vorschrift hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 24. Juni 2008 (a.a.O.) ausgeführt:
"aa) § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG setzt - wie die umgesetzte Vorschrift des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie - einen internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikt voraus. Erst wenn Konflikte eine solche Qualität erreicht haben, wird danach ein Schutzbedürfnis für die betroffenen Zivilpersonen anerkannt. Der Begriff des internationalen wie auch des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ist unter Berücksichtigung der Bedeutung dieses Begriffs im humanitären Völkerrecht auszulegen. Dabei sind insbesondere die vier Genfer Konventionen zum humanitären Völkerrecht vom 12. August 1949 (Sartorius II Nr. 53 ff) heranzuziehen. Die Interpretation der in§ 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG und Art. 15 Buchst. c der Richtlinie gewählten Begriffe in Übereinstimmung mit dem humanitären Völkerrecht entspricht dem Kontext der Richtlinie, wie er in den Erwägungsgründen 11 und 25 der Richtlinie zum Ausdruck kommt, die auf die Bindung der Mitgliedstaaten an ihre völkerrechtlichen Verpflichtungen hinweisen. Auch in der Begründung zum Entwurf des Richtlinienumsetzungsgesetzes wird ausgeführt, dass der Begriff des "bewaffneten Konflikts" als völkerrechtlicher Begriff zu verstehen ist (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung a.a.O.).
Gegenstand der vier Genfer Konventionen von 1949 - GK 1949 - ist die Verbesserung des Loses der Verwundeten und Kranken der Streitkräfte im Felde (1. Konvention - BGBl. 1954 II S. 783), sowie der Verwundeten, Kranken und Schiffbrüchigen der Streitkräfte zur See (2. Konvention - BGBl. 1954 II S. 813), die Behandlung von Kriegsgefangenen (3. Konvention - BGBl. 1954 II S. 838) und der Schutz von Zivilpersonen in Kriegszeiten (4. Konvention - BGBl. 1954 II S. 917, ber. 1956 II S. 1586). Nahezu alle Staaten der Welt haben die Abkommen unterzeichnet, die deshalb auch als Völkergewohnheitsrecht angesehen werden können (vgl. Greenwood, in: Fleck, Handbuch des humanitären Völkerrechts in bewaffneten Konflikten, München 1994, S. 20 f. Rn. 125). In Art. 3 der Abkommen wird in übereinstimmendem Wortlaut der innerstaatliche bewaffnete Konflikt beschrieben; zugleich werden Regelungen zur humanen Behandlung von Personen getroffen, die nicht unmittelbar an Feindseligkeiten teilnehmen, wie auch zur Pflege von Kranken und Verwundeten unter Einschluss des Einsatzes von Mitarbeitern des Internationalen Roten Kreuzes. Art. 3 GK 1949 definiert den innerstaatlichen bewaffneten Konflikt nur allgemein als "bewaffneten Konflikt, der keinen internationalen Charakter aufweist und der auf dem Gebiet einer der Hohen Vertragsparteien entsteht".
Eine Präzisierung erfährt der Begriff durch das am 8. Juni 1977 abgeschlossene Zusatzprotokoll zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer nicht internationaler bewaffneter Konflikte (Zusatzprotokoll II - ZP II). Das Zusatzprotokoll I (ZP I) vom gleichen Tag bezieht sich auf die internationalen bewaffneten Konflikte (BGBl. 1990 II S. 1551), das Zusatzprotokoll II auf die nicht internationalen bewaffneten Konflikte (BGBl. 1990 II S. 1637). Das Zusatzprotokoll II definiert in Art. 1 Nr. 1 den Begriff des nicht internationalen bewaffneten Konflikts und grenzt ihn in Nr. 2 von Fällen "innerer Unruhen und Spannungen" ab, die nicht unter den Begriff fallen (zur Entstehungsgeschichte der Vereinbarungen vgl. Ipsen, Völkerrecht, 5. Aufl. 2004, S. 1210 - 1220). Die Vorschrift lautet:
Art. 1 Sachlicher Anwendungsbereich
1.
Dieses Protokoll, das den den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 gemeinsamen Art. 3 weiterentwickelt und ergänzt, ohne die bestehenden Voraussetzungen für seine Anwendung zu ändern, findet auf alle bewaffneten Konflikte Anwendung, die von Art. 1 des Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte (Protokoll I) nicht erfasst sind und die im Hoheitsgebiet einer Hohen Vertragspartei zwischen deren Streitkräften und abtrünnigen Streitkräften oder anderen organisierten bewaffneten Gruppen stattfinden, die unter einer verantwortlichen Führung eine solche Kontrolle über einen Teil des Hoheitsgebiets der Hohen Vertragspartei ausüben, dass sie anhaltende, koordinierte Kampfhandlungen durchführen und dieses Protokoll anzuwenden vermögen.
2.
Dieses Protokoll findet nicht auf Fälle innerer Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und andere ähnliche Handlungen Anwendung, die nicht als bewaffnete Konflikte gelten.
Danach liegt ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt im Sinne des humanitären Völkerrechts jedenfalls dann vor, wenn der Konflikt die Kriterien des Art. 1 Nr. 1 ZP II erfüllt. Er liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn die Ausschlusstatbestände des Art. 1 Nr. 2 ZP II erfüllt sind, es sich also nur um innere Unruhen und Spannungen handelt wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und andere ähnliche Handlungen, die nicht als bewaffnete Konflikte gelten. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konflikts im Sinne von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie nach Auffassung des Senats nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss hierfür aber jedenfalls ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen. Typische Beispiele sind Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfe. Der völkerrechtliche Begriff des "bewaffneten Konflikts" wurde gewählt, um klarzustellen, dass nur Auseinandersetzungen von einer bestimmten Größenordnung an in den Regelungsbereich der Vorschrift fallen (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung a.a.O.). Ob die Konfliktparteien einen so hohen Organisationsgrad erreichen müssen, wie er für die Erfüllung der Verpflichtungen nach den Genfer Konventionen von 1949 und für den Einsatz des Internationalen Roten Kreuzes erforderlich ist, bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung. Die Orientierung an den Kriterien des humanitären Völkerrechts findet ihre Grenze jedenfalls dort, wo ihr der Zweck der Schutzgewährung für in Drittstaaten Zuflucht Suchende nach Art. 15 Buchst. c der Richtlinie widerspricht (vgl. hierzu Urteil des für Berufungen in Asylsachen zuständigen britischen Asylum and Immigration Tribunal - AIT - vom 1. Februar 2008, KH <Article 15(c) Qualification Directive> Iraq CG <2008> UKAIT 00023, Rn. 54 <nicht rechtskräftig>). Das bedeutet jedoch nicht, dass auch ein sog. "low intensity war" die Qualität eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts im Sinne von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie erfüllt, zumal der Begriff wenig präzise erscheint (a.A. Marx, Handbuch zur Flüchtlingsanerkennung - Qualifikationsrichtlinie, Stand: November 2006, § 40 Rn. 7 - 18 und ihm folgend das OVG Schleswig, Urteil vom 21. November 2007 - 2 LB 38/07 - [...]; für den Ausschluss von "low level violence" aus Art. 3 GK 1949 plädiert Bothe, in: Graf Vitzhum, Völkerrecht, 4. Aufl. 2007, S. 722 Rn. 123 m.w.N.).
Weitere Anhaltspunkte für die Auslegung des Begriffs des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts können sich aus dem Völkerstrafrecht ergeben, insbesondere aus der Rechtsprechung der Internationalen Strafgerichtshöfe (vgl. etwa Entscheidung der Berufungskammer des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien vom 2. Oktober 1995, ICTY-Appeals Chamber Prosecuter v. Tadic., Nr. IT-94-1, www.un.org/icty/tadic/appeal/decision-e/51002.htm, Rn. 70; jüngst Urteil vom 3. April 2008, ICTY-Trials Chamber Prosecutor v. Haradinaj et al., Nr. IT-04-84-T, www.un.org/icty/haradinaj/trialc/judgement/tcj080403e.pdf, Rn. 49).
Kriminelle Gewalt dürfte bei der Feststellung, ob ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt vorliegt, jedenfalls dann keine Berücksichtigung finden, wenn sie nicht von einer der Konfliktparteien begangen wird (vgl. auch das britische AIT in seinem Urteil vom 1. Februar 2008, KH <Article 15(c) Qualification Directive> Iraq CG <2008> UKAIT 00023, Rn. 95 ff., das den Gesichtspunkt allerdings im Rahmen der Tatbestandsvoraussetzung der "willkürlichen Gewalt" erörtert; vgl. auch die Differenzierung der Internationalen Strafgerichtshöfe zwischen "war crime" und "purely domestic offence" etwa im Urteil der Berufungskammer des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien vom 12. Juni 2002 - ICTY-Appeals Chamber Prosecuter v. Kunarac et al.; Nr. IT-96-23&23/1, www.un.org/icty/kunarac/appeal/judgement/index.htm, Rn. 58 f.).
bb) Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem angefochtenen Urteil zu Unrecht eine landesweite Konfliktsituation als Voraussetzung für die Schutzgewährung nach Art. 15 Buchst. c der Richtlinie verlangt (UA S. 19). Ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt liegt demgegenüber auch dann vor, wenn die oben genannten Voraussetzungen nur in einem Teil des Staatsgebiets erfüllt sind. Das ergibt sich schon daraus, dass gemäß § 60 Abs. 11 AufenthG auch für die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG die Regeln über den internen Schutz nach Art. 8 der Richtlinie gelten. Ein aus seinem Herkunftsstaat Geflohener kann aber nur auf eine landesinterne Schutzalternative verwiesen werden, wenn diese außerhalb des Gebietes eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikt liegt. Damit wird anerkannt, dass sich ein innerstaatlicher Konflikt nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstrecken muss. Auch nach Art. 1 ZP II genügt, dass die bewaffneten Gruppen Kampfhandlungen in einem "Teil des Hoheitsgebiets" durchführen.
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Nach § 60 Abs. 11 AufenthG bestimmt sich die Möglichkeit der Erlangung internen Schutzes im Fall eines geltend gemachten Abschiebungsverbots im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG nach Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG. Nach Art. 8 Abs. 1 benötigt ein Antragsteller keinen internationalen Schutz, wenn in einem Teil seines Herkunftslandes keine tatsächliche Gefahr besteht, dass er einen ernsthaften Schaden erleidet, und von ihm vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich in diesem Landesteil aufhält. Weiter sind nach Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Antragstellers zum Zeitpunkt der Entscheidung zu berücksichtigen.
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Bei den persönlichen Umständen wäre mit zu berücksichtigen gewesen, aus welcher Herkunftsregion die Kläger stammen und ob in dem Gebiet des internen Schutzes jedenfalls ihr Existenzminimum gesichert ist (zu den weiteren Voraussetzungen des internen Schutzes nach Art. 8 der Richtlinie, vgl. Urteil vom 29. Mai 2008 - BVerwG 10 C 11.07 - zur Veröffentlichung in BVerwGE vorgesehen, Rn. 3b und 4b).
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Nach § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG sind Gefahren im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 oder Satz 2 AufenthG, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt sind, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG ermächtigt die oberste Landesbehörde zur Aussetzung der Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen für die Dauer von längstens sechs Monaten. Ein Ausländer, der die Voraussetzungen des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie erfüllt, hat - wie bereits unter 1. ausgeführt - nach Maßgabe des Art. 24 Abs. 2 einen Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels. Es widerspräche den Vorgaben der Richtlinie 2004/83/EG, wenn einem Ausländer, der Anspruch auf subsidiären Schutz nach Art. 15 Buchst. c der Richtlinie hat und nicht den Ausschlusstatbestand des Art. 24 Abs. 2 Halbs. 2 erfüllt, kein Aufenthaltstitel, sondern lediglich eine Duldung wegen Aussetzung der Abschiebung nach § 60a AufenthG erteilt würde. Deshalb ist § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG richtlinienkonform dahin auszulegen, dass er bei Vorliegen der Voraussetzungen des subsidiären Schutzes nach Art. 15 Buchst. c der Richtlinie keine Sperrwirkung entfaltet.
Von der richtlinienkonformen Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG bleibt die vom Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung vertretene Rechtsauffassung unberührt, dass Ausländer bei der Gewährung nationalen Abschiebungsschutzes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG im Fall allgemeiner Gefahren grundsätzlich auf eine Regelung durch die oberste Landesbehörde nach § 60a AufenthG verwiesen werden dürfen und bei Fehlen einer solchen Regelung das Bundesamt nur dann zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG gelangt ist, wenn dieses zur Vermeidung einer verfassungswidrigen Schutzlücke erforderlich ist (vgl. Urteil vom 12. Juli 2001 - BVerwG 1 C 2.01 - BVerwGE 114, 379 <381 f.>; Beschlüsse vom 23. August 2006 - BVerwG 1 B 60.06 - Buchholz 402.242 § 60 Abs. 2 ff. AufenthG Nr. 19, Rn. 4 und vom 27. November 2007 - BVerwG 10 B 119.07 - [...] Rn. 4).
...
Die Tatbestandsvoraussetzungen der "erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben" entsprechen denen einer "ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit" im Sinne von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie. Hierbei ist zu prüfen, ob sich die von einem bewaffneten Konflikt für eine Vielzahl von Zivilpersonen ausgehende - und damit allgemeine - Gefahr in der Person der Kläger so verdichtet hat, dass sie eine erhebliche individuelle Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG darstellt. Nach Auffassung des Senats kann sich auch eine allgemeine Gefahr, die von einem bewaffneten Konflikt ausgeht, individuell verdichten und damit die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG und des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie erfüllen. Unter welchen Voraussetzungen dies der Fall ist, dürfte eine gemeinschaftsrechtliche Zweifelsfrage sein, die abschließend der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften klären müsste. Insoweit wird auch auf das bereits anhängige Vorlageverfahren des Niederländischen Raad van State (C-465/07, Vorlage vom 17. Oktober 2007, ABl. C 8 vom 12. Januar 2008, S. 5) verwiesen.
Allerdings geht der Senat davon aus, dass ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt normalerweise nicht eine solche Gefahrendichte hat, dass alle Bewohner des betroffenen Gebiets ernsthaft persönlich betroffen sein werden. Das ergibt sich unter anderem aus dem 26. Erwägungsgrund derRichtlinie 2004/83/EG, nach dem Gefahren, denen die Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe eines Landes allgemein ausgesetzt sind, für sich genommen normalerweise keine individuelle Bedrohung darstellen, die als ernsthafter Schaden zu beurteilen wäre. Ausgeschlossen wird eine solche Betroffenheit der gesamten Bevölkerung oder einer ganzen Bevölkerungsgruppe allerdings nicht, was schon durch die im 26. Erwägungsgrund gewählten Formulierung "normalerweise" deutlich wird. Der Zusatz "normalerweise" wurde nach Angaben der Vertreterin des Bundesministeriums des Innern in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nachträglich in den von Deutschland vorgeschlagenen 26. Erwägungsgrund aufgenommen, um die von Deutschland vorgeschlagene striktere Fassung abzumildern. Eine allgemeine Gefahr kann sich aber insbesondere durch individuelle gefahrerhöhende Umstände zuspitzen. Solche individuellen gefahrerhöhenden Umstände können sich auch aus einer Gruppenzugehörigkeit ergeben. In der instanzgerichtlichen Rechtsprechung werden in diesem Zusammenhang für den Irak etwa die Zugehörigkeit zu einer der dortigen politischen Parteien sowie zur Berufsgruppe der Journalisten, Professoren, Ärzte und Künstler genannt (vgl. VGH Mannheim, Beschluss vom 8. August 2007 - A 2 S 229/07 - NVwZ 2008, 447 <449>). Bei Soldaten ist allerdings zu berücksichtigen, dass Personen mit Kombattantenstatus nicht als Angehörige der Zivilbevölkerung im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG anzusehen sind und deshalb nicht durch diese Vorschrift geschützt werden. Zugleich bemerkt der Senat, dass aus seiner Sicht die allgemeinen Lebensgefahren, die lediglich Folge des bewaffneten Konflikts sind - etwa eine dadurch bedingte Verschlechterung der Versorgungslage - nicht in die Bemessung der Gefahrendichte einbezogen werden können (vgl. auch Funke-Kaiser, InfAuslR 2008, 90 <94>). Im Übrigen können für die Feststellung der Gefahrendichte ähnliche Kriterien gelten wie im Bereich des Flüchtlingsrechts für den dort maßgeblichen Begriff der Verfolgungsdichte bei einer Gruppenverfolgung (vgl. Urteile vom 12. Juni 2007 - BVerwG 10 C 24.07 - Buchholz 402.25 § 73 AsylVfG Nr. 28 Rn. 21 bis 23 und vom 18. Juli 2006 - BVerwG 1 C 15.05 - BVerwGE 126, 243 Rn. 20 bis 25), sofern nicht Besonderheiten des subsidiären Schutzes nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG entgegenstehen (zum Erfordernis der Gefahrendichte vgl. auch OVG Münster, Beschluss vom 21. März 2007 - 20 A 5164/04.A - [...] Rn. 30; OVG Schleswig, Urteil vom 21. November 2007 - 2 LB 38/07 - [...] Rn. 49). Die Kläger müssen allerdings stichhaltige Gründe dafür darlegen, dass sie bei einer Rückkehr tatsächlich von einer in Art. 15 Buchst. c der Richtlinie beschriebenen Gefahr betroffen wären (vgl. Art. 2 Buchst. e der Richtlinie).
b)
Bei der Prüfung, ob die Kläger eine erhebliche individuelle Gefahr für Leib und Leben im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG zu befürchten haben, wird der Verwaltungsgerichtshof auch zu berücksichtigen haben, dass den Klägern infolge von "willkürlicher Gewalt" Gefahr drohen muss. Dieses Erfordernis ist zwar nicht ausdrücklich in § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG aufgenommen worden. Die Begründung des Regierungsentwurfs verweist aber darauf, dass die Vorschrift "die Tatbestandsmerkmale des Artikels 15 Buchst. c der Qualifikationsrichtlinie" umfasst und nennt als Regelungsgehalt des umzusetzenden Art. 15 Buchst. c der Richtlinie ausdrücklich die subsidiäre Schutzgewährung "in Fällen willkürlicher Gewalt" im Zusammenhang mit bewaffneten Konflikten (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung vom 23. April 2007, a.a.O. S. 187 zu Buchst. d). Welchen Inhalt dieses Merkmal hat, sieht der Senat als eine gemeinschaftsrechtliche Zweifelsfrage an, die letztlich nur vom Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften geklärt werden kann.
Denkbar ist, dass das Merkmal - ähnlich wie der Begriff des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts - im Licht des humanitären Völkerrechts auszulegen ist. Diese Rechtsauffassung vertreten das britische Asylum and Immigration Tribunal in seinem Urteil vom 1. Februar 2008 (KH <Article 15(c) Qualification Directive> Iraq CG <2008> UKAIT 00023, Rn. 85 bis 94) und ihm folgend die Vertreter des Bundesministeriums des Innern in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat. Danach soll der Begriff der willkürlichen Gewalt (englische Fassung: indiscriminate violence) nur solche Gewaltakte erfassen, die unter Verletzung der Regeln des humanitären Völkerrechts, insbesondere der Genfer Konventionen von 1949 und der zu ihrer Präzisierung vereinbarten Zusatzprotokolle von 1977 begangen werden. Das bezieht sich insbesondere auf Gewalt, die nicht zwischen zivilen und militärischen Objekten unterscheidet (englische Fassung: indiscriminate attacks <"unterschiedslose Angriffe">- vgl. Art. 51 Abs. 4 und 5 ZP I und Art. 13 ZP II). Ferner sollen Anschläge erfasst werden, die nicht auf die bekämpfte Konfliktpartei gerichtet sind, sondern die Zivilbevölkerung treffen sollen (vgl. hierzu Bothe, in: Graf Vitzthum Völkerrecht, 4. Aufl. 2007, S. 689 ff. Rn. 65 f.). Der Begriff erstreckt sich ferner auf Gewaltakte, bei denen die Mittel und Methoden in unverhältnismäßiger Weise die Zivilbevölkerung treffen (z.B. chemische Waffen). Kommt das Berufungsgericht zu dem Ergebnis, dass die Kläger von völkerrechtswidrigen Gewaltakten in dem hier näher beschriebenen Sinn betroffen sind, dürfte das im Rahmen der Prüfung von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG mit zu berücksichtigende Merkmal der willkürlichen Gewalt jedenfalls erfüllt sein.
Nach anderer Ansicht soll das Merkmal der "willkürlichen Gewalt" die Anforderungen begrenzen, die an das Vorliegen einer erheblichen individuellen Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG zu stellen sind. Dies wird mit der fehlenden Zielgerichtetheit willkürlicher Gewaltakte begründet (französische Fassung: violence aveugle - blinde Gewalt). Würden Gewaltakte nicht gezielt gegen bestimmte Personen oder Personengruppen, sondern wahllos ausgeübt, könnten die Betroffenen in aller Regel keine individualisierenden Merkmale vorweisen, die sie von anderen unterscheiden (vgl. Hruschka/Lindner, NVwZ 2007, 645 <649>). In eine ähnliche Richtung zielt die weitere Ansicht, nach der das Erfordernis willkürlicher Gewalt den Anwendungsbereich des 26. Erwägungsgrundes der Richtlinie, demzufolge allgemeine Gefahren für sich genommen normalerweise keine individuelle Bedrohung darstellen, begrenzen soll. Sei die Situation im Herkunftsland von willkürlichen Gewaltmustern geprägt, herrsche keine Situation lediglich allgemeiner Gewalt (vgl. Marx, a.a.O. Rn. 50)."
Zur Auslegung des Tatbestandsmerkmals der "ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit" im Sinne von Art. 15 c) der Qualifikationsrichtlinie hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) in seinem Urteil vom 17. Februar 2009 - C 465/07 -, NVwZ 2009, S. 705 ff., in der Rechtssache Elgafaji vs. Staatssecretaris van Justitie ausgeführt:
"30. Bei Berücksichtigung dieser Vorbemerkungen und der Umstände des Ausgangsverfahrens geht die Frage des vorlegenden Gerichts dahin, ob Art. 15 lit. c i.V. mit Art. 2 lit. e der Richtlinie dahin auszulegen ist, dass das Vorliegen einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit der Person, die die Gewährung des subsidiären Schutzes beantragt, voraussetzt, dass diese Person beweist, dass sie auf Grund von ihrer Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen ist. Bei Verneinung dieser Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, nach welchem Kriterium es sich richtet, ob eine solche Bedrohung als gegeben anzusehen ist.
31. Um diese Fragen zu beantworten, sind die drei in Art. 15 der Richtlinie definierten Arten eines "ernsthaften Schadens" vergleichend zu prüfen, die als Tatbestandsmerkmale erfüllt sein müssen, um den Anspruch einer Person auf subsidiären Schutz zu begründen, sofern gem. Art. 2 lit. e der Richtlinie stichhaltige Gründe für die Annahme vorliegen, dass der Antragsteller bei einer Rückkehr in das betreffende Land "tatsächlich Gefahr liefe, einen ernsthaften Schaden ... zu erleiden".
32. Insoweit ist zu beachten, dass die Begriffe "Verhängung ... der Todesstrafe", "Vollstreckung der Todesstrafe" sowie "Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung eines Antragstellers" in Art. 15 lit. a und b der Richtlinie Situationen erfassen, in denen der den subsidiären Schutz Beantragende spezifisch der Gefahr ausgesetzt ist, einen Schaden ganz bestimmter Art zu erleiden.
33. Hingegen umfasst der in Art. 15 lit. c der Richtlinie definierte Schaden, da er in "einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit" des Antragstellers besteht, eine Schadensgefahr allgemeinerer Art.
34. Es ist dort nämlich in einem weiteren Sinne von "eine[r] ... Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit" einer Zivilperson statt von bestimmten Gewalteinwirkungen die Rede. Außerdem ergibt sich diese Bedrohung aus einer allgemeinen Lage eines "internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts". Schließlich wird die in Frage stehende Gewalt, der die Bedrohung entspringt, als "willkürlich" gekennzeichnet, was impliziert, dass sie sich auf Personen ungeachtet ihrer persönlichen Situation erstrecken kann.
35. In diesem Zusammenhang ist das Adjektiv "individuell" dahin zu verstehen, dass es sich auf schädigende Eingriffe bezieht, die sich gegen Zivilpersonen ungeachtet ihrer Identität richten, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt nach der Beurteilung der zuständigen nationalen Behörden, die mit einem Antrag auf subsidiären Schutz befasst sind, oder der Gerichte eines Mitgliedstaats, bei denen eine Klage gegen die Ablehnung eines solchen Antrags anhängig ist, ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften Bedrohung i.S. des Art. 15 lit. c der Richtlinie ausgesetzt zu sein.
36. Dieser Auslegung, die Art. 15 lit. c der Richtlinie einen eigenen Anwendungsbereich zu sichern geeignet ist, steht nicht der Wortlaut des 26. Erwägungsgrundes der Richtlinie entgegen, wonach "Gefahren, denen die Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe eines Landes allgemein ausgesetzt sind, ... für sich genommen normalerweise keine individuelle Bedrohung dar[stellen], die als ernsthafter Schaden zu beurteilen wäre".
37. Auch wenn dieser Erwägungsgrund impliziert, dass die objektive Feststellung einer Gefahr, die mit der allgemeinen Lage eines Landes im Zusammenhang steht, allein grundsätzlich nicht genügt, um den Tatbestand des Art. 15 lit. c der Richtlinie hinsichtlich einer bestimmten Person als erfüllt anzusehen, bleibt doch durch die Verwendung des Wortes "normalerweise" der Fall einer außergewöhnlichen Situation vorbehalten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass die fragliche Person dieser Gefahr individuell ausgesetzt wäre.
38. Der Ausnahmecharakter einer solchen Situation wird auch durch den subsidiären Charakter des in Frage stehenden Schutzes und durch die Systematik des Art. 15 der Richtlinie bestätigt, da die in Art. 15 lit. a und b definierten Schäden einen klaren Individualisierungsgrad voraussetzen. Auch wenn kollektive Gesichtspunkte für die Anwendung des Art. 15 lit. c der Richtlinie eine bedeutende Rolle in dem Sinne spielen, dass die fragliche Person zusammen mit anderen Personen zu einem Kreis von potenziellen Opfern willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts gehört, ändert dies nichts daran, dass diese Vorschrift systematisch im Verhältnis zu den beiden anderen Tatbeständen des Art. 15 der Richtlinie und deshalb in enger Beziehung zu dieser Individualisierung auszulegen ist.
39. Dies ist dahin zu präzisieren, dass der Grad willkürlicher Gewalt, der vorliegen muss, damit der Antragsteller Anspruch auf subsidiären Schutz hat, umso geringer sein wird, je mehr er möglicherweise zu belegen vermag, dass er auf Grund von seiner persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen ist.
40. Es ist hinzuzufügen, dass bei der individuellen Prüfung eines Antrags auf subsidiären Schutz gem. Art. 4 III der Richtlinie insbesondere zu berücksichtigen sein können
das geografische Ausmaß der Lage willkürlicher Gewalt sowie der tatsächliche Zielort des Antragstellers bei einer Rückkehr in das betroffene Land, wie es sich aus Art. 8 I der Richtlinie ergibt, und
gegebenenfalls das Vorliegen eines ernsthaften Hinweises auf eine tatsächliche Gefahr i.S. von Art. 4 IV der Richtlinie, angesichts dessen der Grad willkürlicher Gewalt, der vorliegen muss, damit der Antragsteller Anspruch auf subsidiären Schutz hat, geringer sein kann.
43. Nach alledem ist auf die vorgelegten Fragen zu antworten, dass Art. 15 lit. c i.V. mit Art. 2 lit. e der Richtlinie wie folgt auszulegen ist:
Das Vorliegen einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit der Person, die die Gewährung des subsidiären Schutzes beantragt, setzt nicht voraus, dass diese Person beweist, dass sie auf Grund von ihrer persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen ist.
Das Vorliegen einer solchen Bedrohung kann ausnahmsweise als gegeben angesehen werden, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt nach der Beurteilung der zuständigen nationalen Behörden, die mit einem Antrag auf subsidiären Schutz befasst sind, oder der Gerichte eines Mitgliedstaats, bei denen eine Klage gegen die Ablehnung eines solchen Antrags anhängig ist, ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls in die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein."
Das Bundesverwaltungsgericht geht bei der Prüfung des Vorliegens eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts im Sinne von§ 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG auch angesichts des Urteils des EuGH vom 17. Februar 2009 - Rs. C-465/07 - (Elgafaji) weiterhin von den im Urteil vom 24. Juni 2008 (a.a.O.) entwickelten Grundsätzen aus. Es hat hierzu - unter Fortentwicklung seiner Rechtsprechung - in dem Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 - ausgeführt:
... aa)
Bei der Prüfung des Vorliegens eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG ist der Verwaltungsgerichtshof von den im Urteil des Senats vom 24. Juni 2008 (a.a.O. Rn. 19 ff.) entwickelten Grundsätzen ausgegangen und hat den Begriff des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts unter Berücksichtigung der Bedeutung dieses Begriffs im humanitären Völkerrecht ausgelegt, insbesondere in den vier Genfer Konventionen vom 12. August 1949 einschließlich der Zusatzprotokolle I und II vom 8. Juni 1977 - hier einschlägig: Art. 1 des Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer nicht internationaler bewaffneter Konflikte - Zusatzprotokoll II - ZP II - (BGBl. 1990 II S. 1550 <1637>). Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. An diesem Ansatz hält der Senat auch angesichts des inzwischen ergangenen Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 17. Februar 2009 - Rs. C-465/07 - (Elgafaji, ABl EU 2009, Nr. C 90, 4) fest, das sich mit diesem Tatbestandsmerkmal nicht näher befasst hat. Auch soweit die Gerichte des Vereinigten Königreichs in ihrer neueren Rechtsprechung eine eigenständige Auslegung der Voraussetzungen des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie allein nach dessen Sinn und Zweck befürworten (Urteil des Court of Appeal vom 24. Juni 2009, QD and AH v. Secretary of State for the Home Department <2009> EWCA Civ. 620), gibt dies aus Sicht des Senats keinen Anlass, bei der Auslegung des Begriffs des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts von dem bisherigen Ansatz abzurücken.
23 Der Ansatz des Senats sieht, wie sich aus den Ausführungen im Urteil vom 24. Juni 2008 (a.a.O. Rn. 19 ff.) im Einzelnen ergibt, keineswegs eine bedingungslose Übernahme der Anforderungen des Art. 1 ZP II vor, sondern zielt auf eine Orientierung an diesen Kriterien, wobei daneben oder ergänzend auch die Auslegung dieses Begriffs im Völkerstrafrecht berücksichtigt werden kann (Urteil vom 24. Juni 2008 a.a.O. Rn. 23). Die Orientierung am humanitären Völkerrecht bedeutet danach, dass einerseits - am unteren Rand der Skala - Fälle innerer Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und andere ähnliche Handlungen nicht als innerstaatlicher bewaffneter Konflikt gelten (Art. 1 Abs. 2 ZP II) und andererseits - am oberen Rand der Skala - jedenfalls dann ein solcher Konflikt vorliegt, wenn die Kriterien des Art. 1 Abs. 1 ZP II erfüllt sind, d.h. wenn bewaffnete Konflikte im Hoheitsgebiet eines Staates zwischen dessen Streitkräften und abtrünnigen Streitkräften oder anderen organisierten Gruppen stattfinden, die unter einer verantwortlichen Führung eine solche Kontrolle über einen Teil des Hoheitsgebietes des Staates ausüben, dass sie anhaltende, koordinierte Kampfhandlungen durchführen und dieses Protokoll (ZP II) anzuwenden vermögen. Für zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegende Konflikte ist die Annahme eines bewaffneten Konflikts im Sinne von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie nicht von vornherein ausgeschlossen. Typische Beispiele sind Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfe. Der Konflikt muss aber jedenfalls ein gewisses Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen. Wie der Senat ausdrücklich hervorgehoben hat, findet die Orientierung an den Kriterien des humanitären Völkerrechts jedenfalls dort ihre Grenze, wo ihr der Zweck der Schutzgewährung für Zivilpersonen, die in ihrem Herkunftsstaat von willkürlicher Gewalt in bewaffneten Konflikten bedroht sind, entgegensteht. Mit Blick auf diesen Zweck setzt nach Auffassung des Senats das Vorliegen eines bewaffneten Konflikts im Sinne von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie nicht zwingend voraus, dass die Konfliktparteien einen so hohen Organisationsgrad erreicht haben müssen, wie er für die Erfüllung der Verpflichtungen nach den Genfer Konventionen von 1949 und für den Einsatz des Internationalen Roten Kreuzes erforderlich ist (vgl. Art. 1 Abs. 1 ZP II; im Urteil vom 24. Juni 2008 a.a.O. Rn. 22 noch offengelassen). Vielmehr kann es bei einer Gesamtwürdigung der Umstände auch genügen, dass die Konfliktparteien in der Lage sind, anhaltende und koordinierte Kampfhandlungen von solcher Intensität und Dauerhaftigkeit durchzuführen, dass die Zivilbevölkerung davon typischerweise erheblich in Mitleidenschaft gezogen wird. Entsprechendes dürfte auch für das Erfordernis gelten, dass die den staatlichen Streitkräften gegenüberstehende Konfliktpartei eine effektive Kontrolle über einen Teil des Staatsgebietes ausüben muss. Das bedeutet allerdings nicht, dass das Vorliegen eines dieser Merkmale bei der Gesamtwürdigung nicht als Indiz für die Intensität und Dauerhaftigkeit des Konflikts von Bedeutung sein kann.
24 Zusammenfassend betrachtet ist damit dem von der neueren britischen Rechtsprechung betonten Anliegen, die unterschiedlichen Zielsetzungen des humanitären Völkerrechts einerseits und des internationalen Schutzes nach der Qualifikationsrichtlinie andererseits zu beachten, hinreichend Rechnung getragen, ohne dass das Merkmal des bewaffneten Konflikts völlig losgelöst vom bisherigen Verständnis desselben Begriffs im humanitären Völkerrecht interpretiert und damit konturenlos und - entgegen dem Wortlaut der Vorschrift - praktisch entbehrlich würde.
25 Gemessen an diesen Kriterien reichen die Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs für die Annahme eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts im Herkunftsgebiet des Klägers, der Provinz Paktia, aus. Nach den Feststellungen im Berufungsurteil finden im Osten und Süden Afghanistans zwischen den Truppen der ISAF/NATO und der afghanischen Armee einerseits und den Taliban und anderen oppositionellen Kräften andererseits bürgerkriegsähnliche bewaffnete Auseinandersetzungen statt. Dies betreffe auch die im südöstlichen Afghanistan im sog. Paschtunengürtel gelegene Provinz Paktia. Auch diese Region werde von den zunehmenden Kämpfen gegen die Taliban erfasst, deren Angriffe kriegsähnliche Dimensionen annähmen. Dies entspreche auch dem Bericht des Auswärtigen Amtes vom 7. März 2008, wonach seit Frühjahr 2007 vor allem im Süden und Osten des Landes ein Anstieg der gewaltsamen Übergriffe regruppierter Taliban und anderer regierungsfeindlicher Kräfte zu verzeichnen sei (UA S. 19 ff.). Diese Feststellungen sind jedenfalls mit Blick auf den Bericht des Auswärtigen Amtes noch ausreichend aktuell, um den Schluss auf einen innerstaatlichen bewaffneten Konflikt in der Herkunftsregion des Klägers zum Zeitpunkt der Berufungsverhandlung zu rechtfertigen. Dass der Verwaltungsgerichtshof zum Organisationsgrad der Taliban keine ausdrücklichen Feststellungen getroffen hat, ist nach den oben dargestellten Auslegungsmaßstäben unschädlich, da angesichts der festgestellten militärischen Stärke und "Erfolge" der Taliban in Teilen Afghanistans keine Zweifel am Vorliegen eines ausreichend intensiven und dauerhaften bewaffneten Konflikts bestehen. Vom Vorliegen eines nichtinternationalen bewaffneten Konflikts im Sinne des Völkerstrafrechts geht im Übrigen auch der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof für die Auseinandersetzungen zwischen den aufständischen Taliban und der afghanischen Regierung sowie der ISAF in Afghanistan aus (Presseerklärung vom 19. April 2010 Nr. 8/2010; vgl. hierzu auch Ambos, NJW 2010, 1725).
26 bb)
Die Annahme des Berufungsgerichts, dass der Kläger bei einer Rückkehr als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib und Leben (einschließlich körperlicher Unversehrtheit) infolge willkürlicher Gewalt ausgesetzt wäre, hält dagegen einer revisionsgerichtlichen Prüfung nicht stand...
(2)
Für die Zuerkennung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG fehlt es auch an ausreichenden Feststellungen dazu, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan als Zivilperson einer ernsthaften individuellen Bedrohung für Leib oder Leben infolge willkürlicher Gewalt ausgesetzt wäre. Das in Art. 15 Buchst. c der Richtlinie genannte Merkmal der Bedrohung "infolge willkürlicher Gewalt" ist auch in der nationalen Umsetzungsvorschrift des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG sinngemäß enthalten (Urteil vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - a.a.O. Rn. 36). Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in seinem Urteil vom 17. Februar 2009 - Rs. C-465/07 - (Elgafaji a.a.O.) das Erfordernis einer ernsthaften individuellen Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt im Sinne von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie dahingehend ausgelegt, dass es sich auf schädigende Eingriffe beziehe, die sich gegen Zivilpersonen ungeachtet ihrer Identität richteten, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreiche, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestünden, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften Bedrohung im Sinne der Richtlinie ausgesetzt zu sein (Rn. 35). Mit Blick auf den 26. Erwägungsgrund und die Systematik des Art. 15 der Richtlinie bleibe dies allerdings einer außergewöhnlichen Situation vorbehalten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet sei, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestünden, dass die fragliche Person dieser Gefahr individuell ausgesetzt wäre (Rn. 36, 37). Dies sei dahin zu präzisieren, dass der Grad willkürlicher Gewalt, der vorliegen müsse, damit der Antragsteller Anspruch auf subsidiären Schutz habe, um so geringer sein werde, je mehr er möglicherweise zu belegen vermöge, dass er aufgrund von seiner persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen sei (Rn. 39).
33 Aus diesem Verständnis der Vorschrift, das nach Auffassung des Senats der Sache nach den Ausführungen in seinem Urteil vom 24. Juni 2008 entspricht (vgl. Urteil vom 14. Juli 2009 - BVerwG 10 C 9.08 - BVerwGE 134, 188 Rn. 15), folgt, dass in jedem Fall Feststellungen über das Niveau willkürlicher Gewalt in dem betreffenden Gebiet getroffen werden müssen. Liegen keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich; liegen gefahrerhöhende persönliche Umstände vor, genügt auch ein geringeres Niveau willkürlicher Gewalt. Zu diesen gefahrerhöhenden Umständen gehören in erster Linie solche persönlichen Umstände, die den Antragsteller von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen, etwa weil er von Berufs wegen - z.B. als Arzt oder Journalist - gezwungen ist, sich nahe der Gefahrenquelle aufzuhalten. Dazu können aber nach Auffassung des Senats auch solche persönlichen Umstände gerechnet werden, aufgrund derer der Antragsteller als Zivilperson zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte - etwa wegen seiner religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit - ausgesetzt ist, sofern deswegen nicht schon eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Betracht kommt. Auch im Fall gefahrerhöhender persönlicher Umstände muss aber ein hohes Niveau willkürlicher Gewalt bzw. eine hohe Gefahrendichte für die Zivilbevölkerung in dem fraglichen Gebiet festgestellt werden. Allein das Vorliegen eines bewaffneten Konflikts und die Feststellung eines gefahrerhöhenden Umstandes in der Person des Antragstellers reichen hierfür nicht aus. Erforderlich ist vielmehr eine jedenfalls annäherungsweise quantitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen einerseits und der Akte willkürlicher Gewalt andererseits, die von den Konfliktparteien gegen Leib oder Leben von Zivilpersonen in diesem Gebiet verübt werden, sowie eine wertende Gesamtbetrachtung mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung. Insoweit können auch die für die Feststellung einer Gruppenverfolgung im Bereich des Flüchtlingsrechts entwickelten Kriterien entsprechend herangezogen werden (vgl. Beschluss vom 7. August 2008 - BVerwG 10 B 39.08 - [...] Rn. 4 unter Hinweis auf das Urteil vom 24. Juni 2008 a.a.O. Rn. 35; ebenso das britische AIT, Urteil aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22./23. Juli 2009, Afghanistan CG <2009> UKAIT 00044, Rn. 124 ff.).
34 Hierbei ist nach den Ausführungen des Gerichtshofs der Europäischen Union in seinem Urteil vom 17. Februar 2009 (Elgafaji) davon auszugehen, dass nicht nur solche Gewaltakte zu berücksichtigen sind, die die Regeln des humanitären Völkerrechts verletzen (vgl. zu dieser Auffassung auch Urteil des Senats vom 24. Juni 2008 a.a.O. Rn. 37), sondern auch andere Gewaltakte, die nicht zielgerichtet gegen bestimmte Personen oder Personengruppen, sondern wahllos ausgeübt werden und sich auf Zivilpersonen ungeachtet ihrer persönlichen Situation erstrecken (vgl. EuGH a.a.O. Rn. 34). Angesichts der Auslegung des Begriffs der willkürlichen Gewalt durch den Gerichtshof, aber auch mit Blick auf Sinn und Zweck der Schutzgewährung nach Art. 15 Buchst. c der Richtlinie kann dieser Vorschrift eine Beschränkung auf gegen das humanitäre Völkerrecht verstoßenden Gewaltakte, zu denen etwa unvorhersehbare Kollateralschäden nicht zählen würden, nicht entnommen werden (so auch die neuere britische Rechtsprechung, Urteil des Court of Appeal vom 24. Juni 2009, QD and AH v. Secretary of State for the Home Department <2009> EWCA Civ. 620).
35 Den vorgenannten Anforderungen an die Feststellung des Niveaus willkürlicher Gewalt bzw. der Gefahrendichte genügt das Berufungsurteil nicht. So fehlt es schon an der zumindest annähernd ermittelten Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet zum maßgeblichen Zeitpunkt lebenden Zivilpersonen. Auch die Feststellungen zur Größenordnung der zivilen Opfer sind nur kursorisch und beziehen sich auf einen länger zurückliegenden Zeitpunkt (UA S. 20). Auch deshalb kann die Berufungsentscheidung insoweit keinen Bestand haben..."
Nach dieser Rechtsprechung, der das Gericht folgt, kann im für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage nach § 77 Abs. 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bereits ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt für den Heimat- und letzten Aufenthaltsort der Kläger vor ihrer Ausreise aus Afghanistan, die Stadt Herat in der gleichnamigen afghanischen Provinz, nicht festgestellt werden.
Das Verwaltungsgericht Osnabrück hat zur Sicherheitslage in der Provinz Herat, namentlich in der Stadt Herat, in dem Urteil vom 16. Juni 2009 - 5 A 48/09 - im Entscheidungszeitpunkt (Mitte Juni 2009) Folgendes ausgeführt:
... Nach dem Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan vom 3. Februar 2009 (Stand: Januar 2009; Seite 12 ff.) variiert die Sicherheitslage regional und innerhalb der Provinzen von Distrikt zu Distrikt. Während im Süden und Osten des Landes Aktivitäten regierungsfeindlicher Kräfte gegen die Zentralregierung und die Präsenz der internationalen Gemeinschaft die primäre Sicherheitsbedrohung darstellen, beeinträchtigen im Norden und Westen die Rivalitäten lokaler Machthaber und Milizenführer, die häufig in Drogenhandel und andere kriminelle Machenschaften verstrickt sind, die Sicherheitssituation. Die organisierte Kriminalität hat seit 2007 landesweit stark zugenommen. Wachsende Unzufriedenheit weiter Bevölkerungskreise mit der bisherigen Regierungspolitik, das Wiedererstarken der Taliban und die steigende Kriminalität sowie die Aktivitäten illegaler Milizen und bewaffnete Konflikte zwischen Ethnien bestimmen das Bild. Sicherheitsrelevante Vorfälle mit Sprengfallen und Selbstmordanschlägen nehmen landesweit weiter zu. Von der sich verschlechternden Sicherheitslage sind fast alle Landesteile betroffen. Der UNHCR hat zuletzt am 11. November 2007 eine Einschätzung über die Sicherheitslage in bestimmten Regionen im Hinblick auf die Rückkehr von Flüchtlingen abgegeben.
Während sich die Sicherheitslage im Raum Kabul im Jahre 2008 nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes (Lagebericht, Seite 12 f.) nicht weiter verschlechtert hat, bekämpft die Anti-Terror-Koalition die radikal-islamischen Kräfte vor allem im Süden, Südosten und Osten des Landes. Die Infiltration islamistischer Kräfte (u.a. Taliban) aus dem pakistanischen Paschtunengürtel nach Afghanistan ist ungebrochen, das Rekrutierungspotenzial in afghanischen Flüchtlingslagern auf pakistanischem Territorium scheint noch immer unerschöpflich. Vor allem im Süden, aber auch im Südosten wurde auch 2008 ein deutlicher Anstieg von Anschlägen auf Einrichtungen der Provinzregierungen und Hilfsorganisationen verzeichnet. Gleichzeitig halten Kämpfe zwischen rivalisierenden Milizen weiter an. Dies schließt Fehden zwischen Ethnien ein, die unter anderem für die paschtunisch geprägten Gebiete des Südens typisch sind.
In den westlichen Provinzen Ghor (Westteil), Farah und Nimruz ist eine Reinfiltration von Taliban/Islamisten zu verzeichnen. Im Norden und Nordosten werden zunehmend Aktivitäten von mit Taliban sympathisierenden Gruppen sowie der Hezb-e Islami Hekmatyar (HIG) registriert. Im Nordwesten kommt es immer wieder zu interfraktionellen Kämpfen und erheblichen Spannungen. Die Hauptakteure sind hier Jamiat-e-Islami (tadschikisch), Jumbesh-e-Milli (usbekisch) und Hezb-e-Wahdat (hazaritisch).
Weiter führt das Auswärtige Amt in seinem Lagebericht (Seite 14) aus, dass es seit 2006 regelmäßig zu Übergriffen auf Mitarbeiter von internationalen Hilfsorganisationen bzw. zu Anschlägen auf ausländische Truppen kommt. Das Risiko von Entführungen nimmt für Mitarbeiter internationaler Organisationen weiter zu. Zwischen Juli 2007 und Anfang 2008 kam es zu fünf Entführungsfällen deutscher Staatsangehöriger. Am 15. August 2007 kamen bei einem Sprengstoffanschlag auf Fahrzeuge der deutschen Botschaft zwei Personenschutzbeamte des BKA sowie ein Angehöriger der Bundespolizei ums Leben. Der Anschlag auf das Hotel Kabul Serena am 14. Januar 2008 sowie der Anschlag auf die indische Botschaft am 7. Juli 2008 haben das Unsicherheitsgefühl in den Reihen der internationalen Gemeinschaft erheblich verstärkt. Das Vertrauen in die Fähigkeit der afghanischen Sicherheitskräfte, Anschläge zu verhindern, hat mit dem spektakulären Anschlag auf die Militärberater im April 2008 weiter abgenommen.
Zu einer ähnlichen, differenzierenden Einschätzung der Sicherheitslage gelangt das Informationszentrum Asyl und Migration des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge in seiner Information Afghanistan mit dem Titel "Zur Sicherheitslage in ausgewählten Provinzen (Kabul, Herat, Kandahar, Balkh, Parwan, Ghazni, Paktia, Nangarhar, Laghman, Kunar, Uruzgan)" vom April 2009 (kurz: Information des Bundesamtes). Das Bundesamt geht in Übereinstimmung mit dem Auswärtigen Amt davon aus, dass die Sicherheitslage regional und innerhalb der Provinzen von Distrikt zu Distrikt variiert, stellt gleichzeitig jedoch fest, dass sich die Sicherheitslage im Jahre 2008 insgesamt verschlechtert hat. Dies gilt nach Einschätzung des Bundesamtes insbesondere für den Süden, Südosten und Osten des Landes. Von den vom Bundesamt untersuchten Provinzen kann nach seiner Auffassung lediglich die Provinz Balkh als relativ sicher bezeichnet werden. Die Provinzen Kabul, Herat, Nangarhar und Parwan können als teilweise sicher bezeichnet werden. Als unsicher bzw. überwiegend unsicher müssten Kandahar, Ghazni, Paktia, Laghman, Kunar und Uruzgan betrachtet werden (vgl. das zusammenfassende Vorwort der Information).
Im Einzelnen führt das Bundesamt in seiner Untersuchung aus, in weiten Teilen Afghanistans fänden militärische Auseinandersetzungen zwischen regierungsfeindlichen Kräften einerseits sowie afghanischen und internationalen Truppen andererseits statt. Insbesondere im Süden, Südwesten, Südosten und Osten des Landes stellten Aktivitäten regierungsfeindlicher Kräfte gegen die Zentralregierung und die Präsenz der internationalen Gemeinschaft die primäre Sicherheitsbedrohung dar. Islamistische Kräfte (unter anderem Taliban) sickerten aus dem pakistanischen Paschtunengürtel weiterhin nach Afghanistan ein. Vor allem im Süden, aber auch im Südosten sei auch 2008 ein deutlicher Anstieg von Anschlägen auf Einrichtungen der Provinzregierungen und Hilfsorganisationen verzeichnet worden. Daneben könne es zu Kämpfen zwischen rivalisierenden Milizen kommen, was auch Stammesfehden, die unter anderem für die paschtunisch geprägten Gebiete des Südens typisch seien, einschließe. Im Norden und Westen beeinträchtigten hauptsächlich die Rivalitäten lokaler Machthaber und Milizenführer, die häufig in Drogenhandel und andere kriminelle Machenschaften verstrickt seien, die Sicherheitssituation. Im Nordwesten könne es immer wieder zu interfraktionellen Kämpfen und erheblichen Spannungen kommen. In letzter Zeit seien aber auch im Norden und Westen zunehmend Aktivitäten von Taliban bzw. mit ihnen sympathisierenden Gruppen sowie der Hizb-e-Islami registriert worden, insbesondere in den Provinzen Ghor, Farah und Nimruz, aber auch in Nuristan, Wardak, Logar und Kapisa. Im Raum Kabul gelte die Sicherheitslage zwar als fragil, aber mit Ausnahme einiger Distrikte im Vergleich zu anderen Regionen als zufriedenstellend. Sie habe sich 2008 nicht weiter verschlechtert (vgl. zum Vorstehenden: Seite 1 der Information des Bundesamtes).
Der in der Information des Bundesamtes (Seite 3) abgebildeten grafischen Darstellung der Zahlen der zivilen Opfer in den verschiedenen Regionen Afghanistans lässt sich entnehmen, dass im Jahre 2008 die weitaus meisten Opfer im Süden und Südosten zu beklagen waren. Im Westen des Landes, in dem die Heimatstadt des Klägers gelegen ist, sind insgesamt rund 200 zivile Opfer zu beklagen. Davon entfallen rund 100 Opfer auf den Monat August 2008 (vgl. die Grafik auf Seite 4 der Information des Bundesamtes). Die vom UNHCR herausgegebene Karte über die Einschätzung der Sicherheitslage in allen Distrikten im Oktober 2008 (abgebildet in der Information des Bundesamtes, Seite 7) stellt die Provinz Herat mit grüner Farbe, und damit als Provinz mit niedrigem Sicherheitsrisiko dar. Gleichwohl stuft der UNHCR in seinem Oktober-Update der Ausarbeitung "Die Sicherheitslage in Afghanistan mit Blick auf die Gewährung ergänzenden Schutzes" mehrere Distrikte der Provinz Herat als unsicher ein. Die Stadt Herat selbst wird hingegen vom UNHCR in dieser Karte nicht rot eingefärbt, und damit als unsicher dargestellt (Information des Bundesamtes, Seite 8). Der Unterschied zwischen beiden Karten beruhe, so das Bundesamt (Seite 6 der Information), darauf, dass in der ersten Karte die Erreichbarkeit von Gebieten für Hilfsorganisationen dargestellt werde. Maßgebliche Faktoren hierfür seien politische Stabilität, kriminelle Aktivitäten, die Anwesenheit illegaler bewaffneter Gruppen, Aktionen der Aufständischen und der Sicherheitskräfte, Bedrohungen durch Umweltfaktoren, Effektivität der Kontrolle, Unterstützung für UN-Personal und Akzeptanz der Bevölkerung. Dagegen flössen in die zweite Karte (Seite 8 der Information des Bundesamtes) weitere Faktoren ein wie
Berichte über systematische Akte der Einschüchterung, einschließlich willkürlicher Tötungen, Entführungen und andere Bedrohungen des Lebens, der Sicherheit und der Freiheit durch regierungsfeindliche Elemente und lokale Kriegsherren, militärische Kommandeure und kriminelle Gruppen,
Anschläge regierungsfeindlicher Elemente, einschließlich ausländischer Kämpfer, unter anderem durch den erhöhten und systematischen Gebrauch von Taktiken der asymetrischen Kriegsführung (unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtungen an Straßen, Raketenangriffe, Bomben und Selbstmordanschläge),
Anschläge auf "weiche" Ziele wie Schulen, Lehrpersonal, Kirchenvertreter, Einrichtungen der Gesundheitsversorgung und Personal von Hilfsorganisationen,
militärische Operationen an Orten, wo regierungsfeindliche Gruppen gemeldet wurden oder eine Präsenz aufgebaut haben,
religiöse Konflikte und Stammeskonflikte sowie Konflikte über die Nutzung von Weideland und unzureichende Reaktionen der Zentralregierung, gegen die Gewalt vorzugehen und Zivilisten zu schützen,
sowie illegal Landbesetzungen und Enteignungen mit eingeschränkten Möglichkeiten, dagegen vorzugehen.
Insgesamt sei, so das Bundesamt (Seite 9 der Information), in den letzten Jahren eine Verschlechterung der Sicherheitslage festzustellen. Im Jahre 2008 hätten Anschläge und Kampfhandlungen ein seit dem Sturz der Taliban im Jahre 2001 bisher nicht gekanntes Ausmaß angenommen. Der US-Botschafter in Afghanistan habe bekanntgegeben, dass die Zahl der Bombenanschläge mit rund 2.000 im Jahr 2008 doppelt so hoch gewesen sei als im Jahr 2007. Insgesamt seien bis Ende Oktober 2008 6.792 sicherheitsrelevante Vorfälle gezählt worden. Hierunter fielen bewaffnete Auseinandersetzungen, Entführungen sowie Bomben- und Selbstmordanschläge. Die Angaben über die Anzahl getöteter Zivilisten in Afghanistan variierten und seien mit einiger Vorsicht zu betrachten. Nach Erkenntnissen der Vereinten Nationen seien im Jahr 2008 2.118 Zivilisten bei Gewalttaten im Zusammenhang mit dem bewaffneten Konflikt getötet worden, rund 40% mehr als im Jahre 2007. Die meisten Opfer (ca. 41%) habe es im Süden gegeben. Von den Regierungsgegnern seien 1.160 Zivilisten (die meisten davon bei Anschlägen), von den alliierten Truppen 829 getötet worden. Die Todesursache von weiteren 130 Zivilisten sei nicht bekannt. Die Zahl der getöteten ausländischen Soldaten habe bei 290 und die der getöteten afghanischen Sicherheitskräfte bei ca. 1.000 gelegen. Nach Angaben der NATO seien rund 1.000 Zivilisten neben ca. 5.000 Aufständischen getötet worden. Der US Congressional Research Service (CRS) spreche von ca. 5.400 getöteten Afghanen, einschließlich Taliban im Jahr 2008 (Stand: November 2008). Eine neue Menschenrechtsorganisation namens Afghanistan Rights Monitor (ARM) mit Sitz in Kabul berichte, dass fast 4.000 Zivilisten im Jahr 2008 getötet worden seien, 6.800 seien verletzt und 120.000 zur Flucht gezwungen worden. Die Afghanistan Independent Human Rights Commission (AIHRC) gebe dagegen die Zahl der getöteten Zivilisten mit rund 1.800 an. Im Jahr 2009 habe sich diese Tendenz bisher fortgesetzt. Im Januar 2009 habe es 75 % mehr Vorfälle als im Januar 2008 gegeben (Information des Bundesamtes, Seite 9).
Ausweislich der Statistik der UNAMA (Annual Report on Protection of Civilians in Armed Conflict, January 2009, Seite 12; wiedergegeben auf Seite 10 der Information des Bundesamtes) ist die Zahl der zivilen Opfer von 1523 im Jahre 2007 auf 2.118 im Jahre 2008 angestiegen. Von den getöteten Zivilisten seien für mehr als die Hälfte (55 %) Regierungsgegner (sog. Anti Government Elements, AGE's) verantwortlich, während im Jahre 2007 das Verhältnis noch bei 46% (AGE's) zu 41 % (afghanische/ internationale Sicherheitskräfte, PGF) gelegen habe. Dabei seien die meisten Zivilisten bei Selbstmordanschlägen oder durch unkonventionelle Sprengvorrichtungen und bei Luftangriffen ums Leben gekommen (Information des Bundesamtes, Seite 11).
Das Bundesamt weist weiter in seinen Vorbemerkungen zur Situation in ausgewählten Provinzen (Information des Bundesamtes, Seite 13 f.) darauf hin, dass bekanntgewordene sicherheitsrelevante Ereignisse ab dem Jahre 2008 aufgezählt worden seien, hierbei jedoch zu bedenken sei, dass eine derartige Aufzählung nicht vollständig sein könne. Die aufgeführten Ereignisse hätten Erwähnung in der überregionalen Presse gefunden, in der aber nicht über jeden Fall berichtet werde. Die tatsächliche Anzahl dürfte daher um einiges größer sein. Unter Gesamtwürdigung der aktuellen Situation in Afghanistan sei davon auszugehen, dass in weiten Teilen ein innerstaatlicher Konflikt herrsche, der je nach Region unterschiedlich stark ausgeprägt sei. Die Beteiligten seien die afghanischen und internationalen Sicherheitskräfte auf der einen Seite und die Aufständischen, die sich je nach Region anders zusammensetzen könnten, auf der anderen Seite. Die Tatsache, dass auf der Seite der Regierungsgegner verschiedene Gruppierungen stünden, stehe dem nicht entgegen. Die gemeinsamen Eigenschaften dieser Gruppen seien die Gegnerschaft zur gegenwärtigen Regierung und das Ziel, die ausländischen Streitkräfte zu vertreiben. Ob die Taliban, die Hizb-e-Islami oder andere, einzeln, nach Absprache oder im Verbund tätig würden, sei nicht relevant. Dabei hätten sich die Regierungsgegner in den letzten Jahren auf eine für sie mehr erfolgversprechende Guerilla-Taktik verlegt. Typisch seien Sprengfallen, Bombenattentate und Selbstmordanschläge, wobei afghanische Sicherheitskräfte und unbeteiligte Zivilisten häufiger Opfer von Anschlägen würden als ausländische Soldaten, da diese meist besser geschützt seien (z.B. durch gepanzerte Fahrzeuge). Daneben führten sie aber weiterhin militärische Operationen durch, wie etwa der Hinterhalt in Sarobi (Provinz Kabul) vom August 2008 zeige. Aus der Art und Weise wie Anschläge verübt, Ziele ausgesucht und Operationen durchgeführt würden, werde deutlich, dass die Aufständischen zu koordiniertem Handeln fähig seien. Die Zusammenstellung der Ereignisse zeige eine gewisse Dauerhaftigkeit und Intensität der Auseinandersetzungen, aus der sich schließlich auch eine Destabilisierung der staatlichen Ordnung ergebe. Dauerhaftigkeit, Intensität und Destabilisierung seien lediglich je nach Region unterschiedlich stark ausgeprägt. Von den vom Bundesamt untersuchten Provinzen könne lediglich die Provinz Balkh als sicher angesehen werden. Die Provinzen Kabul, Herat, Nangarhar und Parwan könnten als teilweise sicher bezeichnet werden. Als unsicher bzw. überwiegend unsicher müssten Kandahar, Ghazni, Paktia, Laghman, Kunar und Uruzgan betrachtet werden (Seite 14 der Information des Bundesamtes).
Die Provinz Herat, aus der der Kläger stammt, liegt im Westen Afghanistans und grenzt im Norden an Turkmenistan und im Westen an den Iran. Die Provinz ist in 16 Distrikte und das Gebiet der Hauptstadt Herat unterteilt. Sie umfasst 63.097 km2. Das afghanische Central Statistics Office (CSO) gibt die Einwohnerzahl mit ca. 1,7 Mio. (Stand: 2006) an, wobei in der Provinzhauptstadt Herat, der drittgrößten Stadt Afghanistans nach Kabul und Kandahar, rund 397.500 Einwohner leben (Information des Bundesamtes, Seite 25).
Zur Sicherheitslage in der Provinz Herat führt das Bundesamt in seiner Information (Seite 29 ff.) aus, dass Herat im Gegensatz zu den südlichen und östlichen Landesteilen in den letzten Jahren als relativ ruhig gegolten habe, obwohl auch hier die Zahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle seit 2006 angestiegen sei. Der UNHCR habe im Februar und März 2008 lediglich die Distrikte Shindand und Farsi als unsicher eingestuft, im Juni 2008 dann die gesamte Provinz mit Ausnahme der Stadt Herat. Seit Oktober 2008 gelte die gesamte Provinz, mit Ausnahme der Stadt Herat und der Distrikte Kohsan, Kushk (Rubat Sangi), Guzara und Engil (Injil) als unsicher.
Beobachter gingen davon aus, dass die zahlreichen aus dem Iran zurückgekehrten Flüchtlinge zu einer erhöhten Kriminalität wie etwa bewaffneten Raubüberfällen beigetragen hätten. Prominente Personen aus Politik und Wirtschaft würden oft entführt. Allerdings sei auch ein Ansteigen von Taliban-Aktivitäten in der Region festzustellen. Hinterhalte und Überfälle mit Handfeuerwaffen, unkonventionellen Sprengvorrichtungen und indirektem Feuer kämen immer häufiger vor. Eine der am meisten betroffenen Regionen sei das Gebiet um Aziz Abad im südlichen Distrikt Shindand, wo eine Reihe von Überfällen Aufständischer am 22. August 2008 zu einem der verlustreichsten Luftangriffe geführt habe. Primäre Ziele der Aufständischen schienen Mitarbeiter der Provinzregierung zu sein.
Religiös motivierte Auseinandersetzungen scheine es gegenwärtig nicht mehr zu geben. Das Auswärtige Amt berichte, dass es Anfang Februar 2006 anlässlich des schiitischen Ashura-Festes in Herat gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Schiiten gegeben habe. Bei den Ashura-Festen 2007 und 2008 sei die Lage jedoch ruhig geblieben.
Die ISAF sei in Herat durch italienische Truppen vertreten, die dort 2005 ein Provincial Reconstruction Team (PRT) und das Regionalkommando West eingerichtet hätten, zudem vier PRT's und eine vorgeschobene Nachschubbasis unter spanischem Kommando gehörten.
Neben den afghanischen Sicherheitskräften und den Truppen der Anti-Terror-Koalition seien in der Provinz Herat die Taliban aktiv. Der Kommandant Maulawi Abdul Hamid solle seine Basis im Distrikt Shindand haben, der Kommandand Ghulam Yahya Akbari im Distrikt Guzara, der allerdings vom UNHCR im Oktober 2008 noch als relativ sicher eingestuft worden sei, und Mullah Siddiq im Distrikt Shindand.
Über folgende sicherheitsrelevanten Ereignisse in Herat ab 2008 mit getöteten, verletzten oder entführten Zivilisten berichtet das Bundesamt (Seite 30 f. der Information):
24. März 2008 | Vier afghanische Polizisten und zwei Zivilisten werden bei einem Überfall auf ein Fahrzeug der Grenzpolizei getötet. |
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23. Juni 2008 | Beim Angriff auf einen ISAF-Konvoi in Aziz Abad, Distrikt Shindand, werden fünf Zivilisten verletzt und 19 getötet. |
Juli 2008 | Bei einem Luftangriff auf vermutlich von Waffenschmugglern genutzte Gebäude in zwei Dörfern des Distrikts Shindand sterben nach Angaben der Einwohner 50 Zivilisten. |
31. Juli 2008 | Zwei Zivilisten werden bei der Explosion einer Fahrradbombe vor dem pakistanischen Konsulat in Herat verletzt. |
16. August 2008 | Zwei iranische Staatsangehörige werden auf dem Weg von Herat nach Islam Qala entführt. |
22. August 2008 | Bei einem Luftangriff der US-geführten Koalition auf das Dorf Aziz Abad, Distrikt Shindand, werden ca. 90 Zivilisten getötet, darunter zahlreiche Frauen und Kinder. Außerdem werden ca. 30 Aufständische getötet. |
12. September 2008 | Fünf Raketen schlagen in der Nähe des Flughafens Herat ein, verursachen aber keinen Schaden. |
21. September 2008 | Bei einem Angriff Aufständischer in der Nähe des Salama Damms (Distrikt Chishti Sharif) wurden 13 afghanische Polizisten und Arbeiter getötet. |
9. November 2008 | Bei einem Selbstmordanschlag auf einen spanischen ISAF-Konvoi in Aziz Abad, Distrikt Shindand, werden zwei spanische Soldaten getötet und drei weitere verletzt. Auch ein Zivilist wird verletzt. |
16. November 2008 | Zwei US-Soldaten werden bei einem Selbstmordanschlag in der Stadt Herat verletzt. |
3. Dezember 2008 | Aufständische töten zwei Stammesälteste und verletzen zwei weitere in Herat. |
26. Dezember 2008 | Unweit des Provinzflughafens von Herat werden zwei Zivilisten verletzt, als sich ein Selbstmordattentäter in der Nähe eines Militärkonvois in die Luft sprengt. |
16. März 2009 | Bei der Explosion einer Straßenbombe sterben fünf Zivilisten. |
Aufgrund dieser Daten schätzt das Bundesamt im Hinblick auf § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG die Lage in der Provinz Herat wie folgt ein (Seite 32 der Information):
Eine Auswertung der sicherheitsrelevanten Ereignisse des Jahres 2008 bis März 2009 ergebe, dass sich Anschläge und Überfälle gegen afghanische und internationale Sicherheitskräfte richteten und Zivilisten eher zufällig in Mitleidenschaft gezogen würden. Opfer von Entführungen würden hauptsächlich Ausländer, jedenfalls soweit in der Presse darüber berichtet werde. Die hohe Zahl von über 100 getöteten Zivilisten sei hauptsächlich auf einen Luftangriff der US-Truppen im August 2008 zurückzuführen, bei dem etwa 90 Zivilisten getötet worden seien.
Die Sicherheitslage im Distrikt Herat könne zumindest für das Gebiet der Hauptstadt Herat als zufriedenstellend betrachtet werden. Soweit ersichtlich, fänden hier weniger Anschläge als etwa in Kabul statt. In verschiedenen Distrikten (insbesondere Shindand) komme es jedoch zu militärischen Auseinandersetzungen, in deren Rahmen für Zivilisten erhöhte Gefahren bestünden. Gefahrerhöhend könne sich die Tätigkeit für die gegenwärtige Provinzregierung oder für eine ausländische Firma/ Organisation auswirken. Für diese Teile der Provinz Herat könne das Vorliegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts nicht ausgeschlossen werden. Für eine Reise nach Herat müssten unsichere Gebiete durchquert werden.
Das Bundesasylamt der Republik Österreich führt in seiner Staatendokumentation Afghanistan "Analyse der Sicherheitslage in Ghazni und Kabul" vom 15. Dezember 2008 zur Sicherheitslage in Afghanistan zusammenfassend aus, dass diese in ganz Afghanistan weiterhin angespannt bleibe. Die Sicherheitslage sei durch eine erhebliche regionale Differenzierung gekennzeichnet, wobei es in den meisten Provinzen jedoch zu keiner nachhaltigen Stabilisierung der Lage gekommen und eine solche derzeit auch nicht absehbar sei. Die steigende Zahl der Opfer unter den nationalen als auch internationalen Militärs auf der einen Seite als auf der Zivilbevölkerung auf der anderen Seite spräche eine deutliche Sprache. Das konkrete Sicherheitsrisiko liege für die ausländischen Kampftruppen jedoch weit höher als für die jeweils lokale Zivilbevölkerung. Zwar gebe es zivile Opfer, jedoch sei die Bevölkerung im Allgemeinen nicht gezielten Angriffen durch die Taliban oder anderen bewaffneten Gruppierungen ausgesetzt; jedenfalls solange Zivilpersonen nicht ins Fadenkreuz dieser Gruppierungen gelangt seien, etwa durch Kooperation mit ausländischen Truppen. Ähnlich wie bei den internationalen Truppen komme es in den südlichen und in jüngster Zeit den östlichen Regionen Afghanistans zu höheren zivilen Opferzahlen als in West- und Nordafghanistan. Im Süden konzentrierten sich jeweils 90% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle. ... Indirekt stellten die Sicherheitskräfte jedoch sogar einen Risikofaktor für die Zivilbevölkerung dar, da sich Angriffe der Taliban häufig ganz gezielt gegen diese richteten. Es ergebe sich hierdurch die paradoxe Situation, dass zum Nachteil die Nähe der Sicherheitskräfte gemieden werde, obwohl diese eigentlich auch für die Zivilbevölkerung Schutz bieten sollten. ... Zusammengefasst gebe es derzeit folgende relevante Faktoren, die ein Sicherheitsrisiko für Zivilpersonen darstellen könnten:
Die Gefahr, bei offenen Kampfhandlungen von Rebellen und ISAF-Truppen bzw. Soldaten der Operation "Induring Freedom" zwischen die Fronten zu geraten,
das Risiko, bei Bombenanschlägen der Aufständischen in der Nähe der Ziele zu sein; diese seien vor allem gegen westliche Truppen und Vertreter des afghanischen Staates gerichtet. Zivilpersonen seien hier jedenfalls in der Regel nicht direkt Zielgruppe der Anschläge.
Bewaffnete Raubüberfälle durch Kriminelle. Im Einzelnen sind sogar Angehörige der Sicherheitskräfte die Urheber solcher Überfälle...
Gezielte Übergriffe; dies für den Fall, dass eine Person aufgrund des tatsächlichen oder vermuteten Näheverhältnisses zu den internationalen Truppen Aufmerksamkeit erregt habe.
Bewaffnete Konflikte zwischen afghanischen Stämmen bzw. Warlords,
Blutrachefehden, die üblicherweise ausschließlich die Zivilbevölkerung beträfen, bzw. Angehörige von Streitkräften sowie Milizen nur im Rahmen ihrer familiären Verbindungen.
Zivilisten seien auch im Bereich der Versorgung und des Nachschubs für die ausländischen Streitkräfte tätig. Letztere hätten die Logistik größtenteils an Privatfirmen ausgelagert, die etwa Kühltransporte zur Versorgung der Truppen mit Lebensmitteln oder Treibstofflieferungen durchführten. Diese seien deutlich von anderen Transporten zu unterscheiden und beliebtes Ziel der Taliban (Analyse des BAA, Seite 16 ff.).
Der UNHCR führt in seinem Bericht vom 6. Oktober 2008 über die Sicherheitslage in Afghanistan mit Blick auf die Gewährung ergänzenden Schutzes aus, subsidiärer Schutz sei für Personen zu befürworten, die aus Gegenden kommen, in denen einzelne oder mehrere der nachfolgenden Ereignisse während der letzten Monate berichtet oder beobachtet worden seien:
Systematische Akte der Einschüchterung, einschließlich willkürlicher Tötungen, Entführungen und anderer Bedrohungen des Lebens, der Sicherheit und der Freiheit, durch regierungsfeindliche Elemente und lokale Kriegsherren ("Warlords"), militärische Kommandeure und kriminelle Gruppen. Nach Auffassung des UNHCR könne angesichts der sogar auf den Hauptverkehrsrouten gestiegenen Unsicherheit nicht erwartet werden, dass afghanische Staatsangehörige durch unsichere Gebiete reisen müssten, um ihren endgültigen Zielort zu erreichen;
Anschläge regierungsfeindlicher Elemente, einschließlich ausländischer Kämpfer, unter anderem durch den erhöhten und systematischen Gebrauch von Taktiken der asymetrischen Kriegsführung (unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtungen an Straßen, Raketenangriffe, Bomben und Selbstmordanschläge),
Anschläge auf "weiche" Ziele wie Schulen, Lehrpersonal, Kirchenvertreter, Einrichtungen der Gesundheitsversorgung (Gesundheitszentren und Personal) und Personal von Hilfsorganisationen;
militärische Operationen an Orten, wo regierungsfeindliche Gruppen ("Anti-Government Elements") gemeldet worden seienoder eine Präsenz aufgebaut hätten;
religiöse Konflikte und Stammeskonflikte sowie Konflikte über die Nutzung von Weideland und unzureichende Reaktionen der Zentralregierung, gegen die Gewalt vorzugehen und Zivilisten zu schützen;
illegale Landbesetzungen und Enteignungen mit eingeschränkten Möglichkeiten, dagegen vorzugehen.
Die Verbreitung sowie die genaue Art der Bedrohungen seien in den verschiedenen Regionen und Provinzen unterschiedlich. Mehrere der vorstehend genannten Bedrohungen seien in den vergangenen Monaten laufend in folgenden Teilen Afghanistans beobachtet oder berichtet worden. Diese Gebiete würden daher als unsicher eingestuft:
...
Im Westen des Landes die Provinz Herat:
Die gesamte Provinz, mit Ausnahme der Stadt Herat und der Distrikte Kohsan, Kushk (Rubat Sangi), Gutzara und Engil (Injil), werde als unsicher eingestuft.
Die Recherchen der Kammer im Internet über zivile Opfer im Zuge eines innerstaatlich bewaffneten Konfliktes in der Provinz Herat brachten hinsichtlich der Provinzhauptstadt keine weiteren Erkenntnisse. Diese Provinz betreffend berichtet die Presse über die vom Bundesamt in seiner Information aufgelisteten Vorfälle hinaus noch von einem Luftangriff der US-Streitkräfte am Montag, dem 16. Februar 2009, bei dem 13 Zivilisten ums Leben gekommen sind, sechs Frauen, zwei Kinder und fünf Männer einer in Zelten lebenden Nomadenfamilie (vgl. www.fr-online.de vom 18.02.2009 "Angriff in Herat US-General untersucht Tod ziviler Opfer"; www.dradio. de vom 22.02.2009 "US-Militär bestätigt den Tod von Zivilisten bei Luftangriff in Afghanistan"). Des Weiteren wird in den Medien von einem um den 13. April 2009 verübten Anschlag in der Provinz Herat berichtet, bei dem vier zivile Insassen eines Minibusses ums Leben kamen, als ein am Straßenrand versteckter Sprengsatz explodierte (vgl. www.kleinezeitung.at vom 13. April 2009 "Tote bei Bombenanschlägen in Afghanistan"; www.dw-world.de vom 13.04.2009 "Tote bei Bombenanschlägen in Afghanistan").
Die Bewertung der vorstehend wiedergegebenen Erkenntnisse ergibt, dass jedenfalls für die Stadt Herat ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt schon nicht festgestellt werden kann. Zwar sind singuläre sicherheitsrelevante Vorfälle mit zivilen Opfern auch für die Stadt Herat selbst dokumentiert, Art und Ausmaß lassen jedoch einen systematischen Kampf der Taliban oder anderer AGO's gegen die Sicherheitskräfte in der Stadt Herat nicht erkennen.
Selbst wenn man entgegen der hier vertretenen Auffassung nicht auf die Provinzhauptstadt Herat isoliert, sondern auf die gleichnamige Provinz in Gänze abstellt und zu Gunsten des Klägers die Provinz als unsicher einstuft (vgl. UNHCR, a.a.O..), folgt diese Einschätzung nicht allein aufgrund des Vorliegens eines innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes zwischen den afghanischen/internationalen Sicherheitskräften und den aufständischen Taliban bzw. anderen AGOs, sondern es tragen nach den vorstehend wiedergegebenen Bewertungskriterien z.B. des UNHCR eine Vielzahl von Faktoren, die für den Anwendungsbereich des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG nicht relevant sind, namentlich kriminell motivierte Gewalttaten mit zivilen Opfern, zur Einstufung der Lage als unsicher bei.
Ungeachtet des Fehlens eines innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes in der Stadt Herat bzw. der gleichnamigen Provinz tritt eigenständig hinzu, dass - einen solchen bewaffneten Konflikt einmal zu Gunsten des Klägers unterstellt - der die Auseinandersetzungen kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt nicht das Ausmaß und die Intensität erreicht, der nach der Rechtsprechung des EuGH (vgl. Urteil vom 17. Februar 2009, a.a.O..) für die Zuerkennung subsidiären Schutzes erforderlich ist. Aus den der Kammer vorliegenden Erkenntnissen ergeben sich keine stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Herat allein durch seine Anwesenheit dort tatsächlich Gefahr läuft, Opfer der Auseinandersetzung zwischen den afghanischen bzw. internationalen Sicherheitskräften und den regierungsfeindlichen Kräften zu werden. Die Zahl der für die Stadt Herat dokumentierten - verhältnismäßig wenigen - sicherheitsrelevanten Vorfälle seit Zunahme der Aktivitäten der Taliban reicht angesichts der Größe des Stadtgebietes, der Einwohnerzahl, des zeitlichen Abstandes der Aktionen, der Anlässe und Zielpersonen bzw. -objekte (auf diese Kriterien ebenfalls abstellend: OVG NRW, Urteil vom 28. Februar 2008 - 20 A 2375/07.A -, [...]) jedenfalls gegenwärtig nicht aus, um ein Gefährdungsniveau anzunehmen, dass die Einstufung als erhebliche individuelle Gefahr für Leib oder Leben im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG bzw. als eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit im Sinne des Art. 15 c der Qualifikationsrichtlinie rechtfertigen würde. Insofern unterscheidet sich die Sicherheitslage in Herat erheblich von der in anderen Landesteilen, für die subsidiärer Schutz durch die Rechtsprechung gewährt wurde (vgl. Hess. VGH, Urteil vom 11. Dezember 2008 - 8 A 611/08.A -, [...], für die Provinz Paktia; VG Würzburg, Urteil vom 30. März 2009 - W 6 K 08.30037 -, für die Provinz Daikundi). Die Kammer kann daher die Frage offen lassen, ab welcher Gefahrenschwelle bzw. Gefahrendichte eine ernsthafte individuelle Bedrohung im Sinne des Art. 15 c der Qualifikationsrichtlinie anzunehmen ist, insbesondere ob hier die von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien zur Feststellung einer Gruppenverfolgung entsprechend heranzuziehen sind (vgl.BVerwG, Beschluss vom 7. August 2008 - 10 B 39/08 -, [...]; ablehnend: VG Würzburg, Urteil vom 30. März 2009 - W 6 K 08.30037 -, u.a. S. 13).
Einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben i.S.d. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG wird der Kläger auch nicht dadurch ausgesetzt, dass er in seine Heimatstadt Herat von Kabul aus über den Landweg nur unter teilweiser Durchquerung unsicherer Provinzen und Distrikte gelangt. Herat selbst verfügt als drittgrößte Stadt des Landes über einen Flughafen. Selbst wenn es an einer Direktflugverbindung von Deutschland oder einem anderen Staat (z.B. den Iran) aus nach Herat fehlen sollte, etwa weil der Flughafen Herat nur von inländischen Verbindungen angeflogen wird, muss der Kläger sich darauf verweisen lassen, von Kabul aus unter Nutzung nahezu täglich angebotener inländischer Linienflüge der afghanischen Fluggesellschaft "PAMIR AIR" oder der privaten Gesellschaft "SAFI-AIR" nach Herat zu reisen..."
Die Sicherheitslage in der Provinz Herat, namentlich in der Provinzhauptstadt Herat, hat sich seit Juni 2009 bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt (Dezember 2010) nicht entscheidungserheblich verändert.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, das Bundesasylamt der Republik Österreich und das Bundesamt für Migration - Schweizerische Eidgenossenschaft - führen in dem Bericht "Sicherheitslage in Afghanistan" - Vergleich dreier Provinzen (Balkh, Herat und Kabul) durch die drei Partnerbehörden Deutschlands, Österreichs und der Schweiz" vom Juni 2010 zur Sicherheitslage in Herat aus:
"... Im Gegensatz zu den südlichen und den östlichen Landesteilen galt Herat in den letzten Jahren als relativ ruhig, obwohl auch hier die Zahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle seit 2006 anstieg. Hierbei handelte es sich zum Teil um Gefechte afghanischer und internationaler Sicherheitskräfte mit aufständischen Gruppen sowie um Anschläge mit improvisierten Bomben, die i.d.R. gegen ausländisches Militär oder Repräsentanten der afghanischen Regierung gerichtet waren, zum anderen Teil aber auch um Raubüberfälle und Entführungen (SFH - Schweizerische Flüchtlingshilfe - (Alexandra Geiser): Afghanistan: Sicherheitslage in Herat, 05.05.2010). Bei den letztgenannten Vorfällen kann oft nicht eindeutig zwischen "kriminellen" Handlungen und solchen im Zusammenhang mit dem Konflikt unterschieden werden. Die Interessen organisierter Banden und der Aufständischen überschneiden sich häufig. So haben etwa die im Drogengeschäft (Entgegen dem allgemeinen Trend ist die Opiumproduktion in Herat 2009 gestiegen, vgl.: United Nations: The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security, 10 March 2010, A/64/705-S/2010/127, S. 23) tätigen Gruppen ein ebenso großes Interesse an einer schwachen staatlichen Ordnung wie die Taliban.
Trotz zum Teil gestiegener Vorkommnisse beurteilte die ISAF Herat im Jahr 2009 generell als ruhige Provinz ohne großen Bedarf an afghanischer Truppenpräsenz. Auch die UNAMA (United Nations Assistance Mission in Afghanistan) schätzte Herat als eine der ruhigsten Provinzen ein, zumal die Polizei dort akzeptabel funktioniere. Allerdings sei Herat von den westlichen Provinzen Herat, Farah, Baghis und Ghor diejenige mit der zweithöchsten Zahl ziviler Opfer gewesen (Bericht einer schwedischen Fact-Finding-Mission, Dezember 2009).
Die folgende Grafik zeigt die monatlichen zivilen Opfer 2009 in der westlichen Region (Regional Command West, Provinzen Herat, Farah, Baghis und Ghor) und die hierfür verantwortlichen Gruppen (AGE, Anti-Government Elements: Regierungsgegner; PGF, Pro-Goverment Forces: Regierungstruppen und Verbündete; Undetermined: keiner Gruppierung zurechenbar) - UNAMA: Afghanistan Annual Report on Protection of Civilians in Armed Conflict 2009, January 2010, S. 27 -. Die hohe Opferzahl im Mai 2009 ist auf einen Luftangriff der internationalen Truppen in der Provinz Farah zurückzuführen (ANSO: The ANSO Report Issue 25, 01.-15.05.2009, S. 9).
......
Auch 2010 kam es zu sicherheitsrelevanten Vorkommnissen in der Provinz Herat. Dabei handelte es sich um Anschläge, Attentate, Raubüberfälle, Entführungen, Gefechte zwischen Regierungsgegnern und internationalen oder afghanischen Sicherheitskräften, aber auch zwischen rivalisierenden Gruppen bzw. Milizen. Die meisten Vorfälle, die mit dem bewaffneten Konflikt in Afghanistan in Zusammenhang gebracht werden können, ereigneten sich außerhalb der Stadt Herat.
Die Karte ..... zeigt die Angriffe bewaffneter Organisationsgruppen (AOG) im ersten Quartal 2010. Demnach hat es in diesem Zeitraum 27 Vorfälle in der Provinz Herat gegeben. Die Darstellung bezieht sich auf Vorfälle, bei denen Handfeuerwaffen, Panzerfäuste, improvisierte Bomben, Mörser und Raketen zum Einsatz kamen. Kriminelle Übergriffe blieben unberücksichtigt (ANSO: Quarterly data report Q. 1 2010, S. 12). Nach Erkenntnissen der Bundesregierung habe es im ersten Quartal 2010 204 Sicherheitsvorfälle im Bereich des Regionalkommandos West (Provinzen Herat, Farah, Baghis und Ghor) gegeben (vgl. BT-Drucksache 17/1729, 14.05.2010, S. 3).
Eine Auswertung der 14-täglich erscheinenden ANSO Reports ergab, dass mit Ausnahme der Stadt Herat und der Distrikte Kohsan und Farsi alle Distrikte betroffen waren. Besonders häufig wurden die Distrikte Kushk (Rubat Sangi), Shindand, Chishti Sharif und Kushk-i-Kuhna genannt.
Die Situation in der Stadt Herat hingegen wird durchwegs als verhältnismäßig ruhig beschrieben. Lediglich der Flughafen Herat bzw. die dortige Militärbasis werden vereinzelt ungezielt mit Raketen beschossen (eine Rakete schlug am 18.01.2010 auf freiem Feld ein, drei Raketen trafen im Februar 2010 die Militärbasis). Allerdings ist die Kriminalitätsrate hoch. Es kommt relativ oft zu Raubüberfällen und Entführungen, insbesondere von lokalen Geschäftsleuten oder Mitarbeitern von Nichtregierungsorganisationen. Gezielte Attentate mit Feuerwaffen oder Handgranaten im Rahmen krimineller Auseinandersetzungen kommen ebenfalls vor (vgl. die Zusammenstellung von Ereignissen in den ANSO-Reports 2010).
Konkrete Angaben über die Anzahl der zivilen Opfer, die dem bewaffneten Konflikt in Afghanistan zugeordnet werden können, liegen aktuell nicht vor. Aus Pressemeldungen und Reports kann ihre Zahl auf ca. 40 Personen geschätzt werden.
......."
Die von den Klägern in Bezug genommene Stellungnahme der SFH (Schweizerische Flüchtlingshilfe) - Afghanistan: Sicherheitssituation in Herat - vom 5. Mai 2010 ist in dem vorstehend zitierten Bericht der drei Partnerbehörden vom Juni 2010 berücksichtigt worden. Sie rechtfertigt eine andere Einschätzung insbesondere für die Stadt Herat nicht.
Danach wurde Gholam Yahya, der seit 2006 von verschiedenen Quellen als Verursacher großer Sicherheitsprobleme in der Provinz Herat beschrieben wurde, mit seiner Gruppe für Entführungen von Regierungsbeamten, bewaffnete Überfälle und Selbstmordanschläge verantwortlich war und Verbindungen zu den Taliban, zur Hezb-e-Islami und zu Al Kaida gehabt haben soll, im Oktober 2009 von afghanischen und US-amerikanischen Streitkräften getötet.
Zwar kam es im Jahr 2009 und auch im Jahr 2010 zu verschiedenen Angriffen in Herat, wobei die Taliban oft die Verantwortung übernahmen. Die meisten Anschläge richteten sich jedoch gegen die Zentralregierung und die internationalen Truppen. Allerdings kamen auch viele unbeteiligte Zivilisten ums Leben. Im August 2009 starben in Herat bei der Explosion einer ferngezündeten Bombe, die gegen ein Polizeikonvoi gerichtet war, 12 Personen. Im September 2009 entkam Ismail Khan in Herat nur knapp einem Anschlag. Fünf Personen kamen ums Leben und 17 wurden verletzt; Khan blieb unverletzt. Zwischen Juli und Oktober 2009 starben insgesamt mindestens 29 Zivilisten bei Anschlägen der Taliban in der Provinz Herat. Viele Übergriffe fanden im Guzara-Distrikt statt, den der UNHCR im Jahr 2008 noch als sicher eingestuft hatte. Vor einem Anschlag gegen einen Polizeikommandanten in Herat im Oktober 2009 wurde die lokale Bevölkerung von den Taliban gewarnt, nicht mit der Regierung zusammenzuarbeiten, ansonsten würden ihre Häuser geplündert. Auch in den ersten Monaten des Jahres 2010 erfolgten Anschläge. Im Januar 2010 wurden in Herat ein Distrikt-Gouverneur und fünf Polizisten bei einem Anschlag, zu dem sich die Taliban bekannten, getötet. Bei der Explosion einer Landmine kamen im April 2010 drei Zivilisten ums Leben, sechs wurden verletzt. Einige Tage zuvor starben fünf Kinder bei der Explosion einer weiteren Landmine.
Laut ISAF HQ-Beurteilung ist Herat generell eine ruhige Provinz, ohne großen Bedarf an afghanischer Truppenpräsenz. Auch nach Einschätzung der UNAMA ist Herat eine der ruhigsten Provinzen im Land, zumal die Polizei dort akzeptabel funktioniert. IWPR-Mitarbeiter in Kabul heben hervor, dass die Situation in der Provinzhauptstadt Herat von Ordnung und ökonomischem Fortschritt geprägt ist, dass aber die ländlichen Gebiete unterentwickelt sind (vgl. zum Vorstehenden: Bericht der schwedischen Fact-Finding-Mission vom Dezember 2009, S. 21).
Die Bundesregierung stellt in ihrem Fortschrittsbericht Afghanistan zur Unterrichtung des Deutschen Bundestags vom Dezember 2010 fest, dass bei Anlegung westlicher Maßstäbe nur wenige Provinzen in Afghanistan gut regiert werden (S. 45). Eine effektive. wenn auch zuweilen eher autoritäre Regierungsführung sei zum Beispiel in der Provinz Herat zu beobachten (FN 56).
Danach liegt ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt in der Provinz Herat, insbesondere in der gleichnamigen Provinzhauptstadt, nicht vor.
Jedenfalls ist die Situation in der Herkunftsregion der Kläger nicht durch einen so hohen Grad willkürlicher Gewalt gekennzeichnet, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit dort einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre.
Es lässt sich auch nicht feststellen, dass die Kläger als Zivilpersonen aufgrund gefahrerhöhender persönlicher Umstände in dieser Weise individuell bedroht wären.
Den Klägern kommt die Beweiserleichterung nach § 60 Abs. 11 AufenthG in Verbindung mit Art. 4 Abs. 4 der Qualitätsrichtlinie nicht zugute.
Danach ist die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder solchem Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist, bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder solchem Schaden bedroht wird. Diese Beweiserleichterung in Gestalt einer widerleglichen gesetzlichen Vermutung gilt sowohl für den Flüchtlingsschutz als auch für den subsidiären Schutz nach der Richtlinie (vgl. auch§ 60 Abs. 11 AufenthG); vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 4.09 -. Sie setzt für den subjektiven Schutz voraus, dass der Antragsteller im Herkunftsstaat bereits einen ernsthaften Schaden erlitten hat oder von einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war (Vorschädigung).
Eine solche Vorschädigung lässt sich bei den Klägern nicht feststellen. Die Klägerin zu 1. hat in ihrer Bundesamtsanhörung am 3. November 2009 auf Befragen angegeben, dass ihr und ihrer Familie in Afghanistan nichts passiert sei. Sie hat lediglich erklärt, die Lage dort sei "sehr gefährlich" gewesen, und vorgetragen, ein Schwager sei durch die Taliban getötet worden.
Gefahrerhöhende persönliche Umstände liegen bei den Klägern nicht vor. Sie sind nicht von Berufs wegen gezwungen, sich nahe der Gefahrenquelle aufzuhalten. Die Klägerin zu 1. ist Hausfrau. Die Kläger zu 2. und 3. sind Schüler. Die Klägerin zu 4. ist ein vierjähriges Kind. Die Kläger sind auch nicht aus sonstigen persönlichen Umständen - etwa wegen ihrer religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit - als Zivilpersonen zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte ausgesetzt.
Darüber hinaus muss auch im Fall gefahrerhöhender persönlicher Umstände ein hohes Niveau willkürlicher Gewalt bzw. eine hohe Gefahrendichte für die Zivilbevölkerung in dem fraglichen Gebiet festgestellt werden (BVerwG, Urteil vom 27. April 2010). Eine solche Feststellung kann nach den vorstehenden Ausführungen jedoch für die Heimatregion der Kläger - Herat - nicht getroffen werden.
2.
Die Kläger haben auch keinen Anspruch auf Feststellung eines (nationalen) Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind nach § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann die oberste Landesbehörde aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens sechs Monate ausgesetzt wird.
Das Land Niedersachsen hat durch Runderlass des Nds. Ministeriums für Inneres und Sport vom 9. Juni 2005 (Az.: 45.31-12231/3-6 AFG; Nds. MBl. 2005, S. 496) den zum 30. Juni 2005 ausgelaufenen Abschiebungsstopp nicht verlängert und Rückführungen ab dem 1. Juli 2005 für folgende Personengruppen vorgesehen:
Personen, die wegen einer im Bundesgebiet begangenen Straftat verurteilt wurden, wobei Geldstrafen bis zu 50 Tagessätze (additiv) außer Betracht bleiben können.
Personen, gegen die Ausweisungsgründe nach den §§ 53, 54, 55 Abs. 2 Nrn. 1 bis 5 und 8 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) vorliegen.
Personen, bei denen sonstige Hinweise für eine die Innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdende Betätigung bestehen, wenn die Sicherheitsbedenken nicht innerhalb einer gesetzten angemessenen Frist von der oder dem Betroffenen ausgeräumt werden (von einem Klärungsbedarf ist insbesondere auszugehen, wenn es Anhaltspunkte für Kontakte zu extremistischen Organisationen gibt, insbesondere solche, die in den Verfassungsschutzberichten ausgeführt sind. Insoweit kann auf das Vorbringen im Asylverfahren abgestellt werden).
volljährige allein stehende Männer, die sich zum Zeitpunkt der Beschlussfassung noch keine sechs Jahre im Bundesgebiet aufhalten. Ausgenommen hiervon sind Personen, die als Minderjährige eingereist sind und hier mit ihren Eltern bzw. Elternteilen und ggf. auch Geschwistern in familiärer Gemeinschaft leben. Dies gilt nicht, wenn ein Elternteil in Afghanistan lebt.
Familienangehörige der drei erstgenannten Personengruppen, die mit der betroffenen Person in familiärer Gemeinschaft leben, sind von zwangsweisen aufenthaltsbeendenden Maßnahmen zunächst nicht betroffen. Zugunsten der Wahrung der familiären Einheit ist ihnen die Möglichkeit der freiwilligen Ausreise gegeben.
Danach sind Rückführungen für die Personengruppe, der die Kläger angehören, nicht vorgesehen. Die Klägerin zu 1. lebt mit ihrem Ehemann, dem Kläger zu 1. des Verfahrens 6 A 736/10, und den gemeinsamen minderjährigen Kindern, den Klägern zu 2. bis 4. des vorliegenden Verfahrens und dem Kläger zu 2. des Verfahrens 6 A 736/10, in familiärer Gemeinschaft.
Die Kläger machen allgemeine Gefahren geltend, die aufgrund der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG grundsätzlich nicht rechtfertigen können (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2010 - BVerwG 10 C 10.09 -). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann diese Sperrwirkung nur dann im Wege einer verfassungskonformen Auslegung eingeschränkt werden, wenn für den Schutzsuchenden ansonsten eine verfassungswidrige Schutzlücke besteht (vgl. Urteil vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 -, a.a.O.). Eine solche Schutzlücke besteht für die Kläger indes nach der Erlasslage nicht.
Abgesehen davon können die Kläger im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die sie in Afghanistan erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ohnehin nur ausnahmsweise beanspruchen, wenn sie bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wären. Nur dann gebieten es nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteil vom 29. Juni 2010 - BVerwG 10 C 10.09 -) die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, einem Ausländer trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren.
Wann danach allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung (vgl. hierzu und zum Folgenden: BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2010). Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in seinen Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Dieser hohe Wahrscheinlichkeitsgrad ist ohne Unterschied in der Sache in der Formulierung mit umschrieben, dass die Abschiebung dann ausgesetzt werden müsse, wenn der Ausländer ansonsten "gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde" (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Juli 2001 - BVerwG 1 C 5.01 - BVerwGE 115, 1, 9 f m.w.N.). Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren. Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage beispielsweise auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungerstod ausgeliefert werden würde (vgl. BVerwG, Urteile vom 12. Juli 2001, a.a.O., und vom 29. Juni 2010).
Es gibt keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan im Familienverband mit den Klägern des Verfahrens 6 A 736/10 aufgrund der dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und der damit zusammenhängenden Versorgungslage mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wären.
Die Stadt Herat, die Heimatstadt der Kläger, ist in einem wesentlich besseren Zustand als die Hauptstadt Kabul. Nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes ist Herat "ein Beispiel für gelungenen Wiederaufbau". Die Versorgungssituation ist dort ungleich besser als in Kabul (vgl. Auswärtiges Amt vom 25.07.2008: "Steinmeier in Afghanistan: Herat ein Beispiel für gelungenen Wiederaufbau", abrufbar unter www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/-AAmt/BM-Reisen/2008/Afghanistan; vgl. auch Jürgen Hübschen: "Afghanistan - ein Reisebericht mit ganz persönlichen sicherheitspolitischen Anmerkungen, Teil V: Herat", abrufbar unter: www.solon-line-de/reisebericht-afghanistan-teilV.html; VG Osnabrück, Urteil vom 16. Juni 2009). Die Situation in der Provinzhauptstadt Herat ist - wie bereits erwähnt - nach Einschätzung von IWPR-Mitarbeitern in Kabul von Ordnung und ökonomischem Fortschritt geprägt.
Darüber hinaus sind die Kläger des vorliegenden Verfahrens und des Verfahrens 6 A 736/10 mit den Verhältnissen in Herat vertraut. Der Ehemann der Klägerin zu 1. und Vater der übrigen Kläger des vorliegenden Verfahrens, der Kläger zu 1. des Verfahrens 6 A 736/10, war nach eigenen Angaben in Herat als Händler tätig. Es ist deshalb davon auszugehen, dass er über zahlreiche Geschäftsverbindungen verfügt, die er im Falle einer Rückkehr der Familie wieder aktivieren kann. Er hat damit einen wesentlich leichteren Stand, sich in relativ kurzer Zeit nach einer Rückkehr wieder eine Existenzgrundlage aufzubauen, als andere afghanische Rückkehrer aus dem Ausland. Zudem kann die Familie auf die Unterstützung der nach ihren Angaben im Ausland - insbesondere im Iran - lebenden Verwandten zurückgreifen.
3.
Die Ausreiseaufforderung und die Abschiebungsandrohung sind gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG in Verbindung mit § 59 AufenthG rechtmäßig.
4.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO, 83b AsylVfG. Die Entscheidung über ihre vorläufige Vollstreckbarkeit und die Abwendungsbefugnis ergibt sich aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil ist die Berufung nur zulässig, wenn sie von dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
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