Landessozialgericht Niedersachsen
Urt. v. 30.05.2000, Az.: L 3 P 87/99

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen
Datum
30.05.2000
Aktenzeichen
L 3 P 87/99
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2000, 35416
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2000:0530.L3P87.99.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Hannover - 19.10.1999 - AZ: S 29 P 33/98

Tenor:

  1. Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 19. Oktober 1999 sowie der Schiedsspruch der Beklagten vom 05. Februar 1998 in der Fassung des ersten Änderungsspruches vom 16. Juli 1998 geändert.

  2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senates erneut zu bescheiden.

  3. Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

  4. Die Anschlussberufungen der Beklagten und der Beigeladenen zu 2. werden zurückgewiesen.

  5. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin aus beiden Rechtszügen zu 2/3.

  6. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Der Rechtsstreit betrifft die Aufhebung einer Schiedsstellenentscheidung.

2

Die Klägerin betreibt eine zur Versorgung zugelassene vollstationäre Pflegeeinrichtung im Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes (PflVG). Die Vergütung bestimmte sich bis einschließlich 1997 nach der ersten Alternative der Übergangsbestimmungen in Artikel 49a PflVG. Der Versuch einer Einigung der Beteiligten über die ab 1.1.1998 zu zahlenden Pflegesätze im sogenannten vereinfachten Pflegesatzverfahren (Aufforderung zu den Verhandlungen durch die Klägerin unter dem 13.10.1997) scheiterte. Die Beigeladene zu 3) machte im Zuge der weiteren Verhandlungen unter dem 22.12.97 folgendes Angebot:

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Am 2. Januar 1998 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Festsetzung der Pflegesätze. Mit ihrem Antrag machte sie geltend, die Beigeladene zu 3) habe als Vertreterin der Landesverbände der Pflegekassen in dem Angebot vom 22.12.97 die Behandlungspflege und den Sozialdienst nicht hinreichend berücksichtigt Auch sei sie ihrer Personalkostenkalkulation mit der Erwägung entgegengetreten, daß sie den Anteil der geringfügig Beschäftigten auf 20 % erhöhen könne. Dieses Ansinnen stehe indessen mit dem Versorgungsvertrag nicht in Einklang und sei auch mit der Aufrechterhaltung eines angemessenen Leistungsstandards nicht zu vereinbaren. Die vorgenommenen Kürzungen bei den Fremdleistungen (Wäsche, Gebäudereinigung), dem Verwaltungsbedarf und dem Pflegesachaufwand fänden im Gesetz keine Grundlage. Die BSHG-bezogenen Pflegesätze, die auch ab dem 1.1.1998 Geltung hätten, betrügen unter Berücksichtigung von Pflege, Kost, Logis und Investitionsfolgekostenanteil von DM 38,94 in Pflegestufe G 115,60 DM, Stufe I 138,70 DM, Stufe II 161,80 DM und in Stufe II! 184,90 DM. Die Klägerin beantragte für die Zeit ab 1.1.1998 folgende Pflegesätze:

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Diesen Pflegesätzen lägen unter anderem Personalkosten für die Versorgung von zwei Wachkomapatienten in Höhe von 265 000,- DM zu Grunde. Die Beigeladenen wiesen im Schiedsstellenverfahren darauf hin, daß die unterschiedlichen Personalkostenansätze in den verschiedenen Pflegesatzkalkulationen der Klägerin erklärungsbedürftig seien. Ferner sei aus wirtschaftlichen Gründen eine Veränderung der Stellenstruktur zu erwägen. Die gesonderte Berechnung der Kosten für die Wachkomapatienten sei nach dem SGB XI nicht zulässig. Sie beantragten die Festsetzung folgender Pflegesätze:

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Auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 5.2.1998 erließ die Beklagte am gleichen Tage folgenden Schiedsspruch:

"Vom 5.2.1998 bis zum 31.12.1998 werden als Pflegeentgelt DM 68,95 (Pflegestufe I), DM 89,64 (Pflegestufe II), DM 124,41 (Pflegestufe III) und als Entgelt für Unterkunft und Verpflegung 40,97 DM festgesetzt".

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Zur Begründung erläuterte sie im wesentlichen, daß sie wegen des unverzüglich durchzuführenden Schiedsverfahrens nur von einer summarischen Prüfung des Sachverhalts ausgehen könne. Der Vorschlag der Antragsgegner (Beigeladenen) beruhe im wesentlichen auf Vorgaben des sogenannten Standard-Pflegesatz-Modell (SPM), das aber auf Bundesebene noch nicht einmal von allen Pflegekassen und Sozialhilfeträgern verabschiedet worden sei. Die Kalkulationen der Klägerin seien überzogen, soweit sie erhebliche Tarifkostensteigerungen beim Pflegepersonal unterstelle, die sich nach den derzeitigen Tarifverhandlungen des Bundes und der Länder nicht abzeichneten. Die hohen Personalkosten ließen sich auch nicht mit einem hohen Fachkräfteanteil erklären, weil die Klägerin einen Fachkräfteanteil von 50 % noch nicht erreicht habe. Sei mithin festzuhalten, daß weder die Ansätze der Klägerin, noch die der Beigeladenen als tragfähig zu erachten seien, müsse wegen der gebotenen Eile ein anderer geeigneter Maßstab zu Grunde gelegt werden. Sie habe sich aus diesem Grunde an den Vereinbarungen orientiert, die mit 23 anderen Einrichtungen im Bereich der Stadt Hannover mit einer Platzzahl von 80 bis 135 Pflegeplätzen für das Jahr 1998 abgeschlossen wurden. Die Durchschnittswerte, die bei diesen Vereinbarungen zustande gekommen seien, wichen nicht so erheblich von den eigenen Berechnungen der Klägerin ab, die sie unter dem 13.10.1997 im vereinfachten Pflegesatz-Verfahren gemacht habe, dass ihr nicht eine entsprechende Mobilisierung von Wirtschaftlichkeitsreserven zuzumuten sei. Damit sei auch dem Erfordernis der Deckelungsvorschrift in Art. 49b PflVG Rechnung getragen. Soweit der Schiedsspruch im Bereich der Pflegestufe iII unterhalb des Angebots der Beigeladenen im allerletzten Stadium der mündlichen Verhandlung des Pflegesatzverfahrens geblieben sei, rechtfertige sich dies aus der Erwägung heraus, daß ein entsprechendes Abweichen von den Durchschnittssätzen der zum Vergleich herangezogenen Einrichtungen wegen der Komplexität der Berechnungen in der Übergangsphase der BSHG- zu den SGB XI-Pflegesätzen nicht angezeigt sei. Zusätzlich betonte die Beklagte, daß sie eine befriedigende Antwort auf das Problem der Vergütungsberechnung für die Pflege der Wachkomapatienten nicht geben könne. Sie sei an die gesetzlichen Vorgaben der drei Pflegestufen gebunden und könne keine Sondervergütung vorsehen. Dabei sei zu bedenken, daß die Betreuungsleistungen für diese Patienten weit über den in § 14 Abs. 4 SGB XI genannten Katalog hinausgingen und auch den Rahmen dessen sprengten, was im novellierten § 82 Abs. 1 Satz 2 SGB XI von den Begriffen "medizinische Behandlungspflege" und "soziale Betreuung" umfaßt werde. Beziehe man den genannten Betrag von 265 000,- DM in die Berechnung der Pflegesätze ein, erhöhten sich die Pflegesätze in der Stufe I um 5,30 DM, in Stufe U um 6,37 DM und in Stufe III um 9,48 DM. Je nach dem Verhältnis der Platzzahlen zwischen Wachkomapatienten und den übrigen Pflegebedürftigen in einer Einrichtung könnten sich diese Folgen verschärfen oder neutralisieren, immer aber seien die Pflegebedürftigen betroffen, die früher als in anderen Einrichtungen ohne solche Patienten zu Selbstzahlem oder Sozialhilfeempfängern würden. Es sei fraglich, ob der Gesetzgeber solche Gruppensolidarität von Heimbewohnern fordern wolle oder ob nicht die Sozialversicherung auf dem Prinzip der Solidarität aller Versicherten beruhe. Es könne nicht Sinn und Zweck des SGB XI sein, solche Versorgungs- und Vergütungsprobleme von den Vertragsparteien einer Einrichtung lösen zu lassen.

13

Mit ihrer am 18.3.1998 rechtzeitig erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, der Schiedsspruch weise erkennbar Unsicherheiten in Bezug auf die Anwendung der SGB XI - Vorschriften auf. Ein Vergleich mit den Durchschnittspflegesätzen anderer Einrichtungen sei ohne nähere Auseinandersetzung mit deren Struktur willkürlich und verstoße gegen das Prinzip der individuell mit jeder einzelnen Einrichtung auszuhandelnden Vereinbarungen der Pflegesätze. Zu Unrecht habe es die Beklagte im übrigen auch unterlassen, den Pflegesatz für die sogenannte Pflegestufe 0 festzusetzen. Tag des Inkrafttretens der Pflegesatzvereinbarung sei nicht der Tag des Schiedsspruches, sondern der Tag des Eingangs des Antrages der Einrichtung bei der Schiedsstelle.

14

Im gleichzeitig beantragten einstweiligen Rechtsschutzverfahren hat das SG Hannover durch Beschluß vom 22. Juni 1998 folgende ab 5.2.1998 bis 31.12.1998 geltende Pflegesätze festgesetzt:

15

Pflegestufe I 70,00 DM, Pflegestufe II 92,00 DM, Pflegestufe III 135,00 DM und als Entgelt für Unterkunft und Verpflegung 42,00 DM.

16

Die Beklagte hat gegen diesen Beschluß zunächst Beschwerde eingelegt diese aber nach der am 16.7.1998 beschlossenen 1. Änderung ihres Schiedsspruches vom 5.2.1998 wieder zurückgenommen.

17

Nachdem die Klägerin einen Vergleichsvorschlag auf der Basis des Gerichtsbeschlusses vom 22.6.1998 widerrufen hatte, hat das SG Hannover durch Urteil vom 19.10.1999 den Schiedsspruch der Beklagten vom 5.2.1998 aufgehoben und diese verpflichtet, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes erneut zu entscheiden. Die weitergehende Sachlage auf Festsetzung bestimmter Pflegesätze hat es sinngemäß abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen dargelegt:

18

Die gegen die Schiedsstelle gerichtete Klage sei unter Berücksichtigung des § 86 Absatz 5 Satz 3 SGB XI und §§ 69 Ziffer 2, 70 Ziffern 2 und 4 sowie 71 Abs. 4 SGG zulässig. Bei dem Schiedsspruch handele es sich um einen Verwaltungsakt, weil die Beklagte die Kompetenz zu einseitiger Regelungsbefugnis habe und zwischen den Beteiligten ein funktionales Über- Unterordnungsverhältnis bestehe. Die Klage sei auch begründet, soweit die Klägerin die Aufhebung der Entscheidung der Schiedsstelle und deren Verpflichtung zur Neuentscheidung unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts begehre. Dies begründe sich unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG daraus, daß der Beklagten bei der Festsetzung der Pflegesätze ein Beurteilungsspielraum zustehe, der von den Sozialgerichten nur eingeschränkt überprüfbar sei. Die Festsetzung von Pflegesätzen durch das Gericht selbst scheide unter diesen Umständen aus, so daß die darauf gerichtete Klage insoweit unbegründet sei. Der Schiedsspruch sei zu beanstanden, soweit er seine Wirksamkeit erst ab 5.2.1998 vorsehe und damit zu einer absoluten Prospektivität der Pflegesätze führe. Nach dem Gesamtzusammenhang der gesetzlichen Vorschriften und insbesondere unter Berücksichtigung der Parallel Vorschriften im BSHG müsse jedoch von einer "relativen" Prospektivität ausgegangen werden, mit der Folge, daß maßgebliches Datum für das Inkrafttreten des Schiedsspruches das Datum des Einganges des Antrages auf Erlaß eines Schiedsspruchs, hier also der 2.1.1998, sei. Ferner sei zu beanstanden, daß sich die Beklagte im Rahmen ihres Schiedsspruches ohne nähere Überprüfung an die Vergütungen für andere Pflegeeinrichtungen im Raum Hannover orientiert habe, denn damit werde sie dem im SGB XI vorgesehenen Gebot einer leistungsgerechten, individuellen Vergütung für die stationären Pflegeeinrichtungen nicht gerecht. Zumindest hätte dargelegt werden müssen, ob und inwieweit deren wirtschaftliche Lage mit der Einrichtung der Klägerin vergleichbar sei. Dazu müßten die entsprechenden Versorgungsverträge und Strukturerhebungsbögen, die personelle Ausstattung und der Schwerpunkt der Versorgunsleistungen herangezogen werden. Ansonsten begegne der sogenannte externe Vergleich unter Berücksichtigung der empirisch festgestellten erheblichen Unterschiede im pflegerischen Zeitaufwand bei unterschiedlichen Pflegeeinrichtungen Bedenken. In diesem Zusammenhang sei auch die Versorgung der Wachkomapatienten zu beachten. Aus der räumlichen Struktur der Einrichtung der Klägerin sei im übrigen ein außergewöhnlich hoher Versorgungsstandard nicht ableitbar.

19

Gegen dieses ihrem Bevollmächtigten am 2.11.1999 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 22.11.1999 Berufung eingelegt. Sie macht geltend, das SG habe bei seiner Entscheidung konkrete Pflegesätze benennen müssen und beruft sich dabei auf die Rechtsprechung des BverwG zum BSHG. Ferner wäre die Beklagte konkret auf die Wirksamkeit des Schiedsspruchs zum 2.1.1998 zu verpflichten. Zu Unrecht sei es auch unterlassen worden, eine Festsetzung in Bezug auf den Pflegesatz für die Pflegestufe 0 auszusprechen. Insgesamt seien die Vorgaben für die Neubescheidung durch die Beklagte sehr viel konkreter zu fassen, als es das SG getan habe, denn eine hinreichende Angemessenheitskontrolle der Pflegesätze sei unter Berücksichtigung der Entscheidungsgründe des SG nicht möglich. Soweit ein externer Vergleich mit den Pflegesätzen anderer Einrichtungen durchgeführt werde, habe die Beklagte auch Feststellungen darüber zu treffen, inwieweit den Pflegesätzen der zum Vergleich herangezogenen Einrichtungen auch vergleichbare Leistungen gegenüberständen. Unzutreffend sei es im übrigen, wenn das SG ohne eigene Ermittlungen darlege, daß die räumliche Situation in der Einrichtung der Klägerin keinen besonderen Standard aufweise. Tatsächlich sei es so, daß sie die Vorgaben der gemeinsamen Grundsätze vom 21.10.1996 übererfülle. Neben dem Verhältnis von Einbett- zu Zweibettzimmern sei auch das sonstige räumliche Angebot, wie z.B. Gemeinschaftsräume, Außenflächen pp. zu berücksichtigen.

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Die Klägerin beantragt,

  1. 1.

    das Urteil des SG Hannover vom 19. Oktober 1999 zu ändern sowie den Schiedsspruch der Beklagten vom 5. Februar 1998 in der Fassung des Änderungsbeschlusses vom 16. Juli 1998 aufzuheben

  2. 2.

    die Beklagte zu verurteilen, zu Gunsten der Klägerin für die Zeit vom 02.01.1998 bis 31.12.1998 folgende Pflegesätze festzusetzen:

    Pflegestufe O: 48,87 DM

    Pflegestufe I: 81,45 DM ..., Pflegestufe II: 105,89 DM

    Pflegestufe III: 146,61 DM ..., für Unterkunft und Verpflegung: 43,47 DM

  3. 3.

    hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senates neu zu entscheiden.

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Die Beklagte beantragt,

  1. 1.

    die Berufung der Klägerin zurückzuweisen,

  2. 2.

    im Wege der Anschlußberufung, das Urteil des SG Hannover vom 19. Oktober 1999 dahingehend zu ändern, daß ihre Verpflichtung aufgehoben wird, für einen externen Vergleich die im Urteil genannten Vergleichskriterien heranzuziehen.

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Sie macht im Wege der unselbständigen Anschlußberufung (Eingang 28. Dezember 1999) gegen das ihr am 1. November 1999 zugestellte Urteil geltend, daß ihre Verpflichtung, beim sogenannten externen Vergleich die wirtschaftliche Lage der anderen Einrichtungen zu ermitteln und zu berücksichtigen, nicht durchführbar sei. Es seien dafür umfangreiche Erhebungen und deren eingehende Auswertung erforderlich, die sie als Schiedsstelle zu leisten nicht in der Lage sei. Dabei sei insbesondere zu bedenken, daß sie nach den gesetzliche Vorgaben verpflichtet sei, über den Schiedsantrag unverzüglich zu entscheiden. Auch sei es fraglich, ob die Vergleichseinrichtungen im Rahmen eines eine andere Einrichtung betreffenden Verfahrens verpflichtet werden können, die ihren Betrieb betreffenden Informationen preiszugeben. Dies gelte im Prinzip für alle vom SG in diesem Zusammenhang herangezogenen Vergleichskriterien. Im übrigen müsse für die Kalkulation des Pflegeaufwandes für die Wachkomapatienten die Regelung im Rahmenvertrag ausgeschöpft werden, eine eigene Kalkulation allein für diesen Personenkreis scheide auf Grund der Regelungen im SGB XI, die auf die Pflegestufen abstelle, aus. Insgesamt sei zu bedenken, daß bei der Anwendung der vom SG genannten Entscheidungsprärogativen der Beurteilungsspielraum der Schiedsstelle in unzulässiger Weise eingeengt werde. Ausdrücklich werde dagegen der vom SG genannte Zeitpunkt des Inkrafttretens der Schiedsstellenentscheidung nicht angefochten.

23

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsalte und den Inhalt der beigezogenen Verfahrensakten S 12 P 32/98 ER des SG Hannover sowie der Unterlagen der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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I.

Berufung und Anschlußberufung sind gemäß § 143 SGG statthaft, ihre Zulassung unter Berücksichtigung der Vorschriften in § 144 SGG nicht erforderlich. Die Berufung der Klägerin wurde form- und fristgerecht eingelegt, denn das Urteil des SG wurde dem PB der Klägerin am 2. November 1999 zugestellt und die Berufung am 22. November 1999 eingelegt. Die von der Beklagten erhobene Anschlußberufung ist unselbständig, denn ihr wurde das Urteil am 1. November 1999 zugestellt, die Anschlussberufungsschrift ging am 28. Dezember 1999 ein. Die Beteiligungsfähigkeit der Beklagten ergibt sich aus § 70 Ziffer 4 SGG in Verbindung mit § 51 Absatz 2 Satz 1 SGG und § 85 Absatz 5 Satz 1 SGB XI.

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1. Die Berufung der Klägerin ist teilweise begründet. Zwar ist das Sozialgericht ihrem Antrag teilweise gefolgt und hat die angefochtene Schiedsstellenentscheidung aufgehoben, dennoch fehlt es der Berufung nicht an dem erforderlichen Rechtsschutzinteresse. Entspricht die in den Urteilsgründen dargelegte Rechtsauffassung des Gerichts nicht der des Berufungsführenden, so kann ein Kläger auch dadurch beschwert sein. Die Feststellung, ob der Berufungsführende beschwert ist, erfordert nach der Rechtsprechung des BSG einen Vergleich zwischen dem rechtskraftfähigen Inhalt der Entscheidung und der vom Kläger im vorinstanzlichen Verfahren zum Ausdruck gebrachten Rechtsauffassung. Werde nach § 131 Abs. 3 SGG ein Bescheid aufgehoben und die Verurteilung zur Erteilung eines neuen Bescheides "unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts" ausgesprochen, so bestimmten erst die das Urteil tragenden Gründe den Umfang und die Grenzen der Rechtskraftwirkung ( BSGE 43, 1 <3> ) .

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Das SG hat in dem angefochtenen Urteil im wesentlichen dargelegt, daß der von der Beklagten vorgenommene externe Vergleich von Vergütungsvereinbarungen mit anderen Pflegeeinrichtungen in Hannover unzulässig sei, weil das SGB XI die Vergütungsvereinbarungen nach dem Individualprinzip vorsehe. Wenn ein derartiger externer Vergleich vorgenommen werde, sei die Feststellung zu treffen, ob und inwieweit die wirtschaftliche Lage der antragstellenden Pflegeeinrichtung diesen Vergleich zulasse. Dies sei von der beklagten Schiedsstelle dadurch zu gewährleisten, daß der Versorgungsvertrag, der Strukturerhebungsbogen, die personelle Ausstattung und der Schwerpunkt der Versorgungsleistung heranzuziehen, beziehungsweise zu ermitteln seien. Auch sei die Versorgung der Wachkomapatienten bei der Ermittlung der Pflegesätze zu beachten. Demgegenüber könne die Raumstruktur der Einrichtung der Klägerin nicht in die Waagschale geworfen werden, weil diese keinen außergewöhnlich hohen Standard aufweise.

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Die Klägerin hat dagegen geltend gemacht, bei den Kalkulationen sei von Tariferhöhungen und von Höherstufungen wegen Alters- und Bewährungsaufstiegen im Bereich der Personalkosten in einer Größenordnung von 2 % auszugehen. Ferner sei nach den Mitteilungen der zuständigen Berufsgenosssenschaft mit einer Erhöhung der Beiträge um 1 % zu rechnen. Auch sei der pflegerische Mehraufwand für die Betreuung von 2 Wachkomapatienten bei der Kalkulation zugrunde zu legen. Der von der Schiedsstelle vorgenommene externe Vergleich mit anderen Pflegeeinrichtungen stelle sich insgesamt als willkürlich dar und verstoße gegen das Prinzip des leistungsgerechten Entgeltes. Im Ergebnis führe dies zu nicht beabsichtigten "Einheitspflegesätzen". Auch sei zu bedenken, dass das SG bei seiner Entscheidung nicht nur die Aufhebung des angefochtenen Schiedsspruchs und die Verpflichtung zur Neuentscheidung habe vorsehen müssen, sondern auch die Verpflichtung zur Festsetzung bestimmter Pflegesätze. Dabei sei auch eine bestimmte Vergütung für die sogenannte Pflegestufe O vorzusehen.

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Das Urteil weicht demnach in wesentlichen, der Rechtskraft fähigen Punkten von den Rechtsansichten der Klägerin ab, nämlich im Hinblick auf die Zulässigkeit eines externen Vergleiches, die Festsetzung von konkreten Pflegesätzen und auf die Entscheidung auch für die sogenannte Pflegestufe 0. Das Rechtsschutzinteresse der Beklagten ergibt sich bereits daraus, daß ihre Entscheidung geändert wurde.

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2. Die Entscheidung der Schiedsstelle nach § 85 Abs. 5 SGB XI unterliegt grundsätzlich der gerichtlichen Nachprüfung. Nach der Rechtsprechung des BSG handelt es sich bei der Entscheidung eines Landessschiedsamtes nach § 368h RVO um einen Verwaltungsakt Es hat dies damit begründet daß das LSchA als Behörde in Erfüllung einer ihm kraft Gesetzes übertragenen Aufgabe auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts einen Einzelfall mit unmittelbarer Wirkung für die Beteiligten regelt. Die Elemente, die für die Annahme eines VA gefordert würden, seien demnach gegeben. Gestärkt werde diese Auffassung dadurch, daß der Gesetzgeber bestimmt habe, daß eine Nachprüfung der Entscheidung des LSchA m einem Vorverfahren nicht stattfinde. Einer solchen Regelung hätte es nicht bedurft, wenn der Schiedsspruch kein VA wäre, denn nur VA's unterlägen überhaupt einer Überprüfung in einem Vorverfahren (vgl. BSGE 20, 73 [BSG 30.10.1963 - 6 RKa 4/62]<75> ) . Dieser Auffassung hat sich das SG Wiesbaden in einer Entscheidung über die Rechtmäßigkeit eines Schiedsspruches nach § 76 SGB XI ohne nähere Bezugnahme auf die Besonderheiten des SGB XI angeschlossen (SG Wiesbaden, Urt. vom 11.11.1997, Breith. 1998, 360). Das BverwG hat in seinem Urteil vom 1.12.1998 betreffend die Rechtmäßigkeit eines Schiedsspruches nach § 94 BSHG die Argumentation des BSG ebenfalls übernommen und zur Erläuterung darauf verwiesen, daß die Schiedsstelle nach § 94 BSHG derjenigen nach § 76 SGB XI nachgebildet sei. Spellbrink hat demgegenüber eingewandt, die plastische Charakterisierung des Schiedsspruches als "vertragsstiftender Verwaltungsakt" vermöge nicht zu verdecken, daß seine Qualifizierung als Verwaltungsakt im Sinne des § 31 SGB X unter Berücksichtigung der dort genannten Tatbestandsmerkmale juristisch nicht ganz "sauber" sei. Bereits die Bezeichnung der paritätisch besetzten Schiedsstelle als "Behörde" sei bedenklich; auch gehe die Festsetzung der Vergütung durch den Schiedsspruch über die Regelung eines Einzelfalles hinaus, weil sie Wirksamkheit für eine Vielzahl von Versicherten und Pflegekassen sowie für evtl beteiligte Sozialhilfeträger entfalte. Vielmehr handele es sich um einen Rechtsakt sui generis, der Elemente eines Vertrages, eines Urteils und eines Verwaltungsaktes beinhalte (vgl. Hauck/Wilde, SGB XI, K § 76, Rdnr. 16).

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Wenn bedacht wird, daß § 1 Abs. 2 SGB X jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt, als Behörde definiert, läßt sich diese Definition auch nach Ansicht des Senates auf die Tätigkeit der Schiedsstelle nach dem SGB XI kaum übertragen, weil sie im Wesentlichen der Streitschlichtung zwischen zwei gleichrangigen Rechtssubjekten dient und die Beteiligten praktisch noch in jedem Verfahrensabschnitt zum Abschluss eigener Vereinbarungen berechtigt sind. Er kann indessen offenlassen, welcher Auffassung zu folgen ist, denn die Anfechtbarkeit der Schiedsstellenentscheidung folgt entweder direkt aus § 54 Abs. 1 SGG oder in analoger Anwendung dieser Vorschrift in Verbindung mit der Rechtsweggarantie aus Art 19 Abs. 4 GG (vgl. Spellbrink, a.a.O.). Der Rechtsweg zur Sozialgerichtsbarkeit ergibt sich aus der Zuweisung in § 85 Abs. 5 Satz 3 SGB XI.

31

3 Die Entscheidung der Beklagten unterliegt indessen nur der eingeschränkten Überprüfung durch den Senat. In der bereits genannten Entscheidung betreffend das LSchA hat das BSG dargelegt, daß das Wesen des Schiedsspruches und die Gestaltungsfreiheit des LSchA verkannt würden, wenn die Verurteilung des Schiedsamtes zum Erlaß eines bestimmten Schiedsspruches mit einem vom Gericht formulierten Vertragsinhalt erwartet werde. Die Festsetzung des Vertragsinhaltes durch den Schiedsspruch des LSchA sei eine Form der Schlichtung, nicht der Rechtsfindung; der Schiedsspruch habe die Rechtswirkung einer vertraglichen Vereinbarung im Sinne des § 368g Abs. 2 und 3 RVO. Was die Beteiligten in freier Vereinbarung hätten regeln können, werde im streitschlichtenden Schiedsverfahren durch den Schiedsspruch ersetzt. Soweit nicht "der allgemeine Inhalt" des Gesamtvertrages auf Grund von Mantelverträgen nach § 368g Abs. 2 Satz 2 und 3 RVO festliege und soweit nicht zwingende gesetzliche Vorschriften Schranken errichteten, bestehe für die Beteiligten, die sich über den Gesamtvertrag gütlich einigten, Vertragsfreiheit und für das LSchA ein dementsprechendes Gestaltungsermessen, das sich nach den Kriterien der Sachgemäßheit und Zweckmäßigkeit auszurichten habe ( BSGE 20, 73 [BSG 30.10.1963 - 6 RKa 4/62]<76> ) . Weiterführend hat es später erläutert, daß die gerichtliche Kontrolle der Festsetzung von Vergütungsvereinbarungen durch das Schiedsamt auf die Prüfung beschränkt sei, ob der Entscheidung zutreffend ermittelte Tatsachen zugrunde gelegt worden seien, ob das Schiedsamt die Grenzen des ihm zustehenden Beurteilungsspielraumes eingehalten und sein Gestaltungsermessen - soweit ihm ein solches zukomme - sachgerecht ausgeübt habe (BSG SozR 3-2500 § 85 SGB V Nr. 20).

32

Dieser Rechtsprechung hat sich das BVerwG im Zusammenhang mit Schiedsstellenentscheidung im Sozialhilferecht im Wesentlichen angeschlossen. Die auf der Grundlage des § 94 BSHG errichtete Schiedsstelle sei der im § 76 SGB XI nachgebildet. Aus dem Wesen und den Aufgaben der Schiedsstelle sowie aus der Eigenart ihrer Entscheidungen folge, dass die Gerichte sie nicht vollinhaltlich, sondern nur mit eingeschränkter "Kontrolldichte" überprüfen könnten. Die Besetzung der Schiedsstelle mit weisungsfreien Vertretern der betroffenen Interessengruppen bringe zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber die Mitglieder der Schiedsstelle als mit der zu regelnden Materie vertraute und zu einer vermittelnden Zusammenführung von unter Umständen gegenläufigen Interessen der beteiligten Personen für geeignet halte, eine sach- und interessengerechte Lösung zu finden. Diese vom Gesetz gerade ihnen zugetraute Kompetenz gebiete es, die gerichtliche Überprüfung auf die der Schiedsstelle gesetzten rechtlichen Vorgaben zu beschränken und ihr für ihre Bewertungen und Beurteilungen im Rahmen der unbestimmten Rechtsbegriffe (insbesondere Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit, Leistungsfähigkeit, leistungsgerechtes Entgelt) einen Spielraum, eine Einschätzungsprärogative zu belassen. Deshalb habe sich das Gericht bei der Überprüfung der dem Schiedsspruch zugrunde liegenden Abwägung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange darauf zu beschränken, festzustellen, ob die Schiedsstelle die widerstreitenden Interessen der Vertragsparteien ermittelt, alle für die Abwägung erforderlichen tatsächlichen Erkenntnisse gewonnen und die Abwägung frei von Einseitigkeit in einem den gesetzlichen Vorgaben entsprechenden fairen und willkürfreien Verfahren vorgenommen hat ( BVerwG, Urteil vom 1.12.1998, Az. 5 C 17/97, juris; zur Übertragbarkeit dieser Erwägungen auf die Schiedsstellen nach dem SGB XI Udsching "Die vertragsrechtliche Konzeption der Pflegeversicherung" NZS 1999, 473 <479> und Spellbrink, in Hauck/Wilde, SGB XI, K § 76 Rdnr. 20). Diese grundsätzlichen Erwägungen in Bezug auf die Kontrolldichte der Überprüfung von Schiedsstellenentscheidungen hält der Senat auch in Bezug auf die Entscheidungen der Schiedsstellen nach dem SGB XI für sachgerecht, weil sie im Wesentlichen die gleichen Aufgaben erfüllen, wie das Landesschiedsamt nach § 368g RVO und die Schiedsstelle nach § 94 BSHG.

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4. Das BVerwG hat in der o.g. Entscheidung ferner erläutert, daß die Beurteilung, ob ein Anbieter den von ihm geltend gemachten Pflegesatz zur Deckung seiner Selbstkosten wirklich benötige, nicht möglich sei, ohne daß die Schiedsstelle eine an jenen Grundsätzen orientierte "Entscheidung über die Kalkulationsgrundlagen" treffe. Soweit es um die Beachtung der Grundsätze der "Wirtschaftlichkeit", der "Sparsamkeit" und der "Leistungsfähigkeit" gehe, habe sich die gerichtliche Kontrolle gemäß dem Willen des Gesetzgebers, daß die Definition und Ausfüllung dieser Begriffe "Hauptaufgabe" der Schiedsstelle selbst und nicht der Gerichte sein solle, auf die Nachprüfung zu beschränken, ob die Bewertungen der Schiedsstelle dem Sinngehalt dieser unbestimmten Gesetzesbegriffe gerecht würden und, gemessen daran, in Anbetracht des von der Schiedsstelle vollständig ermittelten Sachverhalts vertretbar seien. Solche Bewertungen setzten notwendig einen Vergleich voraus, wobei in Betracht komme, daß Entgelte verschiedener Einrichtungen für vergleichbare Leistungen verglichen würden ("externer Vergleich") oder daß einzelne, interne Positionen der Pflegesatzkalkulation eines Einrichtungsträgers gesondert daraufhin überprüft würden, ob sie einer sparsamen und wirtschaftlichen Betriebsführung entsprächen ("interner Vergleich"). Dabei seien nicht die konkreten Kosten der in Rede stehenden Einrichtung maßgeblich, sondern es gelte - was auch aus der Wortwahl des Gesetzes hervorgehe, das auf "eine Einrichtung" abstelle - ein genereller, nicht auf "die" jeweilige individuelle Einrichtung abstellender Maßstab. Die Erforderlichkeit eines "externen" Vergleichs, also des Vergleichs mit Entgelten, wie sie auch andere Einrichtungen für vergleichbare Leistungen erhöben, folge aus der Verpflichtung der Sozialhilfeträger, nur wirtschaftliche und sparsame Pflegesätze zu vereinbaren (vgl. BVerwG a.a.O.)

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Diese Erwägungen des BVerwG können nach Auffassung des Senates nicht gänzlich auf den vorliegenden Fall übertragen werden. Das folgt daraus, daß im Bereich der Sozialhilfe bei der Bemessung der Pflegeentgelte der "Bedarfsdeckungsgrundsatz des Sozialhilferechts" im Vordergrund steht. Insbesondere verbietet sich der vom BVerwG als zulässig erachtete "externe" Vergleich der von der Pflegeeinrichtung beantragten Entgelte mit den mit anderen Pflegeeinrichtungen vereinbarten Entgelten im vorliegenden Zusammenhang, weil nach dem SGB XI individuelle Vergütungen mit den Pflegeeinrichtungen abzuschließen sind, die einer Überprüfung nach dem BverWG zugrunde gelegten generellen Maßstab nicht zugänglich sind. Der Gesetzgeber geht davon aus, daß die Pflegesatzvereinbarung ebenso wie der (statusbegründende) Versorgungsvertrag, durch den ein Pflegeheim generell zur Versorgung der Versicherten zugelassen wird, öffentlich-rechtliche Verträge darstellen, bei deren Abschluss sich beide Vertragsparteien - Heimträger und Leistungsträger gleichrangig gegenüberstehen. Ausdrücklich ist in den Materialien des Gesetzes erläutert, daß Versorgungsvertrag und Pflegesatzvereinbarung dem Individualprinzip unterliegen (vgl. BT-Drucksache 12/5262, zitiert nach Hauck/Wilde, SGB XI, M 010, Seite 162).

35

Bei Beachtung der vorstehenden Grundsätze begegnet die Entscheidung der Beklagten vom 5. Februar 1998 erheblichen Bedenken. Insbesondere ist die Festsetzung der Pflegesätze auf der Grundlage von Durchschnittsbeträgen der Vergütungen anderer Einrichtungen in Hannover, ohne nähere Begründung der dabei angelegten Maßstäbe nicht nachvollziehbar. Unter Berücksichtigung des zentralen Anliegens der Pflegeversicherung, zu individuellen Vergütungsvereinbarungen mit den Pflegeeinrichtungen zu kommen, ist die Heranziehung von Durchschnittsberechnungen nicht geboten. Die Regelungen in § 85 Abs. 3 Satz 2 bis 4 SGB XI machen vielmehr deutlich, daß bei der Bemessung des Entgelts der Pflegeeinrichtung deren individuelle Verhältnisse der wesentliche Maßstab sein sollen. Die Vereinbarung bzw. Festsetzung der Pflegesätze hat sich an diesen von der Klägerin zur Vorbereitung der Pflegesatzverhandlungen vorgelegten Nachweisen zu orientieren. Die Beklagte ist bezeichnenderweise im Zusammenhang mit der Festsetzung der Entgelte für die Klägerin für das Jahr 1999 auch von diesem Ansatz ausgegangen, während sie in der Begründung des Schiedsspruches vom 5.2.1998 auf diese Gesichtspunkte nicht eingegangen ist. Die Klägerin hat zB ihre Personalkosten auf der Basis einer erwarteten Tariferhöhung von ca 2 % kalkuliert. Die Beklagte hat dies beanstandet, ohne dafür eine nähere Erläuterung zu geben.

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Auch wenn an die Begründung einer Schiedsstellenentscheidung keine übertriebenen Anforderungen zu stellen sind, sind die wesentliche Gründe für eine Beanstandung der Kalkulationsgrundlagen zu nennen, weil ansonsten eine sachgerechte Überprüfung der Entscheidung weder für die Beteiligten, noch für die Gerichte möglich ist.

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5. Die gänzliche Nichtberücksichtigung der von der Klägerin kalkulierten Aufwendungen für die Wachkomapatienten bei der Festsetzung der Pflegesätze durch die Beklagte ist vom SG zu Recht beanstandet worden. Grundsätzlich gilt nach § 43 Abs. 5 SGB XI, dessen Geltungsdauer bis zum 31.12.2001 verlängert wurde, daß die Aufwendungen für Behandlungspflege und soziale Betreuung von der Pflegekasse zu übernehmen sind. Die Klägerin hat bei der Kalkulation ihrer Pflegesätze diese Aufwendungen nach den üblichen Gesichtspunkten einzubeziehen. Eine vollständige Erstattung der diesbezüglichen Kosten kann sie aber nicht verlangen, insbesondere nicht gesonderte Pflegesätze errechnen, die von den gesetzlich vorgesehenen Pflegestufen abweichen. § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB XI sieht vielmehr vor, daß bei der Zuordnung der Pflegebedürftigen zu den Pflegeklassen in der Regel die Pflegestufen gemäß § 15 SGB XI zugrunde zu legen sind, soweit nicht nach der gemeinsamen Beurteilung des Medizinischen Dienstes und der Pflegeleitung des Pflegeheimes die Zuordnung zu einer anderen Pflegeklasse notwendig oder ausreichend ist. Dass ein solches Abstimmungsverfahren stattgefunden hat, ist nicht ersichtlich.

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6. Das Inkrafttreten des Schiedsspruches zum Zeitpunkt des Eingangs des Schiedsantrages bei der Schiedsstelle - wie von der Beklagten entschieden hält der Senat für sachgerecht. Auch unter Berücksichtigung der Regelung in § 85 Abs. 6 Satz 2 SGB XI, wonach ein rückwirkendes Inkrafttreten von Pflegesätzen nicht zulässig ist, erscheint es zweckmäßig, auf den Zeitpunkt des Eingangs des Schiedsantrages abzustellen, weil zwischen Antragstellung und Erlaß des Schiedsspruchs in der Regel nicht mehr als 4 bis 6 Wochen vergesehen sollten. Satz 2 dürfte auf die Fallgestaltungen zu begrenzen sein, in denen zwischen Aufnahme der Vergütungsverhandlungen und Abschluß der Vereinbarung ungewöhnlich lange Zeiträume liegen und so möglicherweise nicht unerhebliche Rückwirkungszeiträume entstehen könnten. Der Senat hält die Ausführungen des SG Hannover zur relativen Prospektivität der Pflegesätze in dem Urteil vom 27.7.1999 (Breithaupt 2000, S. 227/228) für überzeugend.

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II.

1. Die Anschlußberufung der Beklagten ist nicht begründet. Soweit sie geltend gemacht hat, sie könne die vom SG für notwendig gehaltene Heranziehung von Unterlagen anderer Einrichtungen bei der Durchführung des externen Vergleiches aus Gründen des Datenschutzes, aber auch wegen des damit verbundenen zeitlichen Aufwandes, der dem aus § 85 Abs. 5 Satz 1 SGB XI folgenden Grundsatz der Unverzüglichkeit der Schiedsstellenentscheidung widersprechen würde, nicht nachkommen, kann sie damit nur eingeschränkt durchdringen. Wie bereits dargelegt wurde, hat die Entscheidung der Schiedsstelle in ihrer Begründung die für sie maßgeblichen Gesichtspunkte für die Festsetzung der Pflegesätze wiederzugeben. Auch wenn davon auszugehen ist, dass unter Berücksichtigung der Regelungen in §§ 84, 85 SGB XI in erster Linie für die Festsetzung der Pflegesätze der sogenannte interne Vergleich maßgeblich ist, bringen Pflegesatzverfahren möglicherweise eine Vielzahl von Problemen mit sich, so dass nicht von vornherein gesagt werden kann, welche Unterlagen gegebenenfalls beizuziehen sind. Soweit auf die Entgeltgestaltung anderer Einrichtungen Bezug genommen wird, muss ggf dargelegt werden, worauf im Einzelnen abgestellt wurde.

40

2. Die Beklagte wendet sich ferner gegen ihre Verurteilung zur Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Klägerin. Zu beachten ist aber, daß die nach § 70 Ziffer 3 und 4 SGG Beteiligten so, wie sie ausnahmslos als Gläubiger zu erstattender Kosten ausgeschlossen sind, ausnahmslos mögliche Schuldner solcher Kosten sein können (vgl. Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, 4. Aufl. Stand 3/93, § 193 Anm. 1). Für eine Erstattungspflicht der Beklagten spricht, daß sie nach § 9 Abs. 1 Nds SchVO-SGB XI für ihre Entscheidung Gebühren erheben kann und nach Abs. 3 die beteiligten Organisationen die nicht durch die Gebühren gedeckten Kosten des Verfahrens und der Schiedsstelle anteilig tragen.

41

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

42

Der Senat hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zu entscheidenden Rechtsfragen die Revision zugelassen.