Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 20.12.2001, Az.: 1 A 186/01

Identität; Jugendhilfe; vorläufig; Zuständigkeit (Jugendhilfe)

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
20.12.2001
Aktenzeichen
1 A 186/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2001, 39570
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Maßgeblichkeit der sich aus den Personaldokumenten ergebenden Identität

Tatbestand:

1

Die Klägerin begehrt die Kostenübernahme für ihre Betreuung in einer Jugendwohngruppe aus Jugendhilfemitteln.

2

Sie ist kolumbianische Staatsangehörige und lebt seit 1993 in Deutschland. Nach den vorliegenden Personaldokumenten ist sie am 19.11.1983 geboren. Ihre Eltern sind hiernach C. E. A. A. und Y. C.. Herr C. hatte sich in Kolumbien das Sorgerecht für die Klägerin übertragen lassen und diese mit nach Deutschland genommen. Die Klägerin lebte zunächst bei Herrn C. und dessen Ehefrau. Nachdem sich Herr C. und dessen Ehefrau getrennt hatte, lebte die Klägerin seit 1996 im Haushalt einer Großtante, Frau C. R.-O., zuletzt in L.. Herr C. lebte in B..

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Die Klägerin wandte sich im Oktober 1998 erstmals an den Beklagten. Ihre Großtante habe ihr gedroht, sie müsse nach Kolumbien zurück und ihr Vater löse Probleme mit Schlägen. Sie habe schon daran gedacht, Tabletten zu nehmen. Am 05.11.1998 kam es zu einem Gespräch mit der Klägerin, in dem sie ihre Probleme noch einmal erläuterte. Ein weiteres Gespräch folgte am 16.11.98. In diesem Gespräch erklärte die Klägerin, ihr Vater nötige sie in sexueller Hinsicht und schlage sie aus nichtigen Anlässen. Sie habe im Übrigen bereits als Kind sexuellen Missbrauch erlebt. Ein weiteres Gespräch mit der Klägerin erfolgte am 01.12.98. In diesem Gespräch teilte die Klägerin erstmals mit, Y. C. sei gar nicht ihr Vater. Er sei der Bruder ihrer Mutter. Sie sei mit falschen Papieren hier. Am 07.12.98 führte ein Mitarbeiter des Amtes für Soziale Dienste des Beklagten ein Gespräch mit Herrn C.. Dieser stimmte einer Unterbringung seiner Tochter außerhalb der Familie nicht zu. Da die Klägerin das Jugendamt um Inobhutnahme gebeten hatte, erfolgte zum 11.12.1998 ihre Unterbringung in der Jugendwohngemeinschaft L..

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Der Beklagte unterrichtete die Beigeladene mit Schreiben vom 15.12.98 von der getroffenen Maßnahme. Gleichzeitig bat der Beklagte die Beigeladene, hinsichtlich der weiteren Betreuung der Klägerin, der Kostenregelung für die Inobhutnahme und der erforderlichen gerichtlichen Maßnahmen zur Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechtes gegenüber dem Vater tätig zu werden. Der SOS-Jugendwohngemeinschaft teilte der Beklagte mit Schreiben vom 18.01.99 mit, er sichere die Übernahme der Kosten der Unterbringung für die Zeit vom 01.12.98 bis 21.01.99 zu. Für weitere Jugendhilfemaßnahmen sei die Beigeladene zuständig. Diese erstattete gegenüber dem Beklagten die aufgewendeten Kosten für die Inobhutnahme in Höhe von 7.341,18 DM.

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Auf Veranlassung der Beigeladenen kam es vor dem Familiengericht in B. zu einem Verfahren der Klägerin gegen Herrn C. auf Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts. In der Sitzung am 11.12.99 erklärte Herr C., die Klägerin sei seine Tochter, wenn er auch mit ihrer Mutter nie verheiratet gewesen sei. Er habe in Kolumbien die Vaterschaft anerkannt. Da die Mutter in schlechten finanziellen Verhältnissen gelebt habe, sei man übereingekommen, dass die Klägerin zu ihrem Vater nach Deutschland ziehen solle. Er habe seine Tochter weder geschlagen noch sexuell genötigt. Das Gericht vertagte das Verfahren terminlos und gab den beteiligten Jugendämtern auf, vordringlich die Identität der Klägerin zu überprüfen. Hierzu regte das Amtsgericht B. an, über den Internationalen Sozialdienst in F. Kontakt zur Mutter der Klägerin in Kolumbien aufzunehmen.

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Unter dem 21.12.99 überreichte der Prozessbevollmächtigte von Herrn C. dem Amtsgericht B. zwei schriftliche Unterlagen. Bei der einen handelt es sich um eine Bescheinigung eines Notars aus Kolumbien, wonach die Klägerin am 19. November 1983 geboren und das Kind von Y. E. C. T. und Carmen E. A. A. ist. Die zweite Unterlage betrifft eine Erklärung von Frau A., wonach sie ihrer minderjährigen Tochter K. erlaubt, zusammen mit ihrem Vater, Herrn C., in die Bundesrepublik Deutschland zu reisen. Die Einschaltung des Internationalen Sozialdienstes durch die Beigeladene brachte ein gegenteiliges Ergebnis. Nach einer eidesstattlichen Versicherung einer Frau D. C. T. ist sie die Mutter der Klägerin, die am 19.01.1982 geboren sei. Herr Y. C. sei ihr Bruder und nicht der Vater der Klägerin. Vater des Kindes sei ein Herr R. M.. Auf dessen Namen sei die Klägerin jedoch nicht eingetragen worden, weil die Mutter nicht mit ihm zusammengelebt habe. Weil der leibliche Vater der Klägerin nie seinen Verpflichtungen nachgekommen sei, habe sie ihren Bruder um Hilfe gebeten. Er möge ihre Tochter erziehen und behüten. Deshalb sei die Klägerin getauft und als Tochter ihres Bruders registriert worden. Diese Unterlagen übersandte die Beigeladene unter dem 18.02.2000 an den Beklagten mit dem Hinweis, man gehe davon aus, dass aufgrund dieser Unterlagen für die Jugendhilfe bei der Klägerin der Landkreis Osterholz zuständig sei. Die Beklagte forderte daraufhin beim Beigeladenen die dortigen Verwaltungsakten an, um in eine weitere Prüfung der Angelegenheiten einzutreten. Eine Übersendung dieser Akten erfolgte jedoch nicht. Eine von der Beigeladenen eingeholte Reifebestimmung des Zentralkrankenhauses B.-N. ergab, dass die Angaben der Klägerin zu ihrem tatsächlichen Geburtsdatum 19.01.1982 sehr glaubhaft seien.

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Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin wandte sich unter dem 26.07.2000 an den Beklagten und forderte ihn zur Kostenübernahme für die laufende Betreuung der Klägerin auf. Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Schreiben vom 08.12.2000 ab. Die örtliche Zuständigkeit ergäbe sich nach § 86 Absatz 2 SGB VIII aus dem gewöhnlichen Aufenthalt des sorgeberechtigten Vaters, der in B. lebe. Es lägen zwar Unterlagen über andere Personalien der Klägerin vor. Ihr Reisepass sei als offizielles Dokument für den Identitätsnachweis jedoch maßgeblich. Der Beklagte könne nicht beurteilen, ob die wahre Identität der Klägerin eine andere sei. Bis diese Frage letztlich durch die kolumbianischen Behörden geklärt sei, sei weiter davon auszugehen, dass der Inhalt des Passes der Klägerin zutreffend ihre Personalien und Familienverhältnisse wiedergebe. Die Klägerin müsse sich daher wegen rückwirkender und zukünftiger Jugendhilfeleistungen an die Beigeladene wenden.

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Die Klägerin hat am 16.02.01 Untätigkeitsklage erhoben. Sie macht geltend:

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Es treffe zu, dass die Klägerin nach dem Reisepass am 19.11.83 geboren und Tochter von Herrn C. sei. Tatsächlich verhalte es sich jedoch anders. Herr C. sei lediglich ihr Onkel, und ihr leiblicher Vater lebe in Kolumbien. Sie sei auch bereits am 19.01.82 geboren. Ihre Betreuung sei erforderlich, weil die Klägerin massive seelische Probleme habe. Diese stünden im Zusammenhang mit sexuellen Übergriffen ihres Onkels. Die Anspruchsgrundlage für die geltend gemachten Leistungen ergebe sich aus den §§ 35a, 41 SGB VIII. Dass für die Klägerin ein Hilfebedarf bestehe, sei unstreitig. Streitig sei lediglich die Frage der örtlichen Zuständigkeit. Diese richte sich in der Zeit nach der Inobhutnahme durch den Beklagten bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres der Klägerin, also vom 22.01.99 bis zum 18.01.2000, nach § 86 Absatz 2 SGB VIII. Die Klägerin habe während der letzten sechs Monate vor Beginn der Leistung bei keinem Elternteil einen gewöhnlichen Aufenthalt gehabt, und damit sei der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich die Klägerin zuletzt ihren gewöhnlichen Aufenthalt gehabt habe. Das sei L. im Landkreis O.. In der Zeit ab dem 19.01.2000 bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt richte sich die örtliche Zuständigkeit des Beklagten nach § 86 a SGB VIII. Im Übrigen bestehe auch eine vorläufige Leistungsverpflichtung des Beklagten aus § 86 d SGB VIII. Diese Vorschrift solle es vermeiden, dass verschiedene Jugendhilfeträger auf dem Rücken des Hilfesuchenden Zuständigkeitsstreitigkeiten austragen könnten. Darüber hinaus sei der Beklagte auch zuerst angegangener Träger, so dass eine vorläufige Leistungsverpflichtung auch aus § 43 SGB I gegeben sei. Das Schreiben des Beklagten vom 08.12.2000 sei kein Verwaltungsakt, sondern eine informelle Wiedergabe der Rechtsauffassung des Beklagten.

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Die Klägerin beantragt,

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den Beklagten zu verpflichten, der Klägerin Jugendhilfeleistungen gem. §§ 27, 34, 35a, 41 SGB VIII durch therapeutische Unterbringung in der Jugendwohngruppe der SOS-Kinder- und Jugendhilfen B.-V. seit dem 22. Januar 1999 bis auf weiteres zu gewähren, die Kosten zu übernehmen und bereits angefallene Kosten nach Maßgabe des § 44 SGB I zu verzinsen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Die Klage sei bereits unzulässig, denn es liege kein Antrag der Klägerin auf Gewährung von Jugendhilfeleistungen vor. Diese sei nach den gültigen Papieren im Jahre 1983 geboren und damit minderjährig. Den Antrag hätte damit der sorgeberechtigte Elternteil stellen müssen. Dieses sei Herr C.. Herr C. habe aber einen Antrag nicht gestellt. Er habe sich vielmehr ausdrücklich gegen Jugendhilfemaßnahmen ausgesprochen. Im Übrigen habe der Beklagte mit dem Schreiben vom 08.12.2000 einen abschlägigen Bescheid erteilt. Für eine Untätigkeitsklage sei damit kein Raum. In der Sache sei die Klage unbegründet. Örtlich zuständig sei die Beigeladene. Dies ergebe sich aus § 86 Absatz 2 SGB VIII. Herr C., der als sorgeberechtigter Vater gelte, habe seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bereich der Beigeladenen gehabt. Die Rechtssicherheit gebiete es, dass auf offizielle Dokumente abzustellen sei. Der Umstand, dass das Verfahren vor dem Familiengericht in B. mit einer Kostenentscheidung geendet habe, in der das Amtsgericht davon ausgegangen sei, dass Herr C. nicht der leibliche Vater der Klägerin sei, führe zu keiner anderen Beurteilung. Denn diese Feststellung sei nicht in Rechtskraft erwachsen.

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Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Verwaltungsvorgänge sowie die Gerichtsakten im Verfahren 1 A 863/01 und die zu diesem Verfahren vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage hat keinen Erfolg.

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Sie ist unbegründet, weil der Beklagte nicht der örtlich zuständige Jugendhilfeträger für die Erbringung von Leistungen gegenüber der Klägerin in dem hier streitbefangenen Zeitraum ist. Dazu im Einzelnen:

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Der Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Jugendhilfeleistungen in der Form ihrer Unterbringung in der Jugendwohngruppe L. und die Übernahme der hierfür in der Vergangenheit und künftig anfallenden Kosten ergibt sich aus den §§ 35a, 41 SGB VIII. Dass die Klägerin in dieser Form Jugendhilfe benötigt, ist zwischen den Beteiligten nicht streitig. Streitig ist lediglich, ob die Klägerin wirksam einen Antrag auf Gewährung der begehrten Leistungen gestellt hat bzw. ob ein solcher erforderlich ist und ob der Beklagte der örtlich zuständige Jugendhilfeträger ist. Die Stellung eines Antrages ist in der Jugendhilfe materielle Anspruchsvoraussetzung (BVerwG, Urteil v. 28.09.2000, DVBl. 2001, S. 1060 f.). Ein fehlender Antrag kann damit zur Unbegründetheit einer Klage führen, um eine unzulässige Klage handelt es sich dabei jedoch nicht. Im vorliegenden Fall ist die Klägerin nach ihren amtlichen Papieren am 19.11.1983 geboren. Sie ist damit zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung volljährig und auch ohne Beteiligung ihrer sorgeberechtigten Angehörigen antragsbefugt. Im Übrigen gilt § 36 SGB I. Wer das 15. Lebensjahr vollendet hat, kann Anträge auf Sozialleistungen stellen und verfolgen sowie Sozialleistungen entgegennehmen.

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Der Beklagte ist nicht örtlich zuständiger Jugendhilfeträger. Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich im vorliegenden Fall aus §§ 86 Absatz 1, 86 a Absatz 4 SGB VIII. Hiernach ist für die Gewährung von Leistungen der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich die Eltern ihren gewöhnlichen Bereich haben. Nach Absatz 2 ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich der personensorgeberechtigte Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, wenn die Elternteile verschiedenen gewöhnliche Aufenthalte haben. Im vorliegenden Fall lebte Herr Y. C. im Zeitpunkt des Beginns der Maßnahme (11.12.98) im Zuständigkeitsbereich der Beigeladenen. Nach den vorliegenden amtlichen Papieren ist Herr C. der Vater der Klägerin und personensorgeberechtigt. Zwar bestehen an der Richtigkeit dieser Feststellung nicht unerhebliche Zweifel. Die Kammer ist jedoch der Auffassung, dass solange eine Berichtigung der vorhandenen Legitimationspapiere durch die hierfür zuständigen kolumbianischen Behörden nicht erfolgt ist, vom Inhalt der vorhandenen Urkunden auszugehen ist. Dies gilt umso mehr, als Herr C. die Darstellung der Klägerin bestreitet, er sei nicht ihr Vater, sondern vielmehr ihr Onkel. Das Gericht ist bei dieser Sachlage gehalten, sich an den vorliegenden amtlichen Unterlagen zu orientieren. Im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung der Frage der örtlichen Zuständigkeit zweier beteiligter Jugendhilfeträger kann es nicht Aufgabe des Verwaltungsgerichts sein, inzident Personenstandsfragen - möglicherweise unter Berücksichtigung kolumbianischen Familienrechts - zu klären. Solange eine gegenteilige urkundliche Regelung nicht erfolgt ist, hat die Kammer somit davon auszugehen, dass Herr C. der Vater der Klägerin und diese am 19.11.1983 geboren ist. Dies hat zur Folge, dass die Beigeladene als zuständiger örtlicher Jugendhilfeträger für die Angelegenheiten der Klägerin feststeht.

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Dem entspricht es, dass die Beigeladene in der Vergangenheit ihre örtliche Zuständigkeit tatsächlich anerkannt hat. Denn auf das Schreiben des Beklagten vom 15.12.1998, mit dem dieser die Beigeladene zur Übernahme des Jugendhilfefalles aufgefordert hat, ist die Beigeladene konkret tätig geworden. So erstattete die Beigeladene die Kosten der vorangegangenen Inobhutnahme der Klägerin, leitete ein Verfahren vor dem Familiengericht wegen Entzugs des Aufenthaltsbestimmungsrechtes gegenüber Herrn C. ein und stellte Nachforschungen über den Internationalen Sozialdienst an. Damit hat die Beigeladene ihre örtliche Zuständigkeit jedenfalls zunächst anerkannt und danach gehandelt.

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Zwar war der Beklagte zunächst als zuerst angegangener Jugendhilfeträger gemäß § 43 SGB I verpflichtet, vorläufige Leistungen gegenüber der Klägerin zu erbringen. Besteht ein Anspruch auf Sozialleistungen und ist zwischen mehreren Leistungsträgern streitig, wer zur Leistung verpflichtet ist, kann der unter ihnen zuerst angegangene Leistungsträger vorläufig Leistungen erbringen, deren Umfang er nach pflichtgemäßen Ermessen bestimmt. Er hat Leistungen nach Absatz 1 zu erbringen, wenn der Berechtigte es beantragt; die vorläufigen Leistungen beginnen spätestens nach Ablauf eines Kalendermonats nach Eingang des Antrags. Diese Voraussetzungen lagen vor. Die antragsbefugte Klägerin hat im Vorfeld ihrer Inobhutnahme wiederholt ein Tätigwerden des Beklagten beantragt. Diese Initiative hat dazu geführt, dass die Klägerin nunmehr seit mehreren Jahren stationär betreut wird. Gleichwohl hat der Beklagte auf diesen an ihn herangetragenen Hilfebedarf nicht in der Weise reagiert, wie es in § 43 SGB I vorgesehen ist, nämlich abgesehen von der Inobhutnahme und verschiedenen Beratungsgesprächen nicht die laufenden Betreuungskosten der Klägerin übernommen. Daraus folgt jedoch nicht, dass die Klägerin diesen Anspruch auf vorläufige Leistungen nunmehr im gerichtlichen Verfahren mit Erfolg geltend machen kann. Zum einen hat sie im Termin zur mündlichen Verhandlung keinen Antrag auf Gewährung vorläufiger Leistungen gestellt; zum anderen hat die Kammer mit dem auf die mündliche Verhandlung vom 20.12.2001 ergangenen Urteil gerade festgestellt, dass die Beigeladene örtlich zuständiger Leistungsträger in dem hier streitbefangenen Zeitraum ist. Damit ist bereits begrifflich für die Verpflichtung zur Gewährung vorläufiger Leistungen kein Raum mehr, weil der Tatbestand des § 43 SGB I nicht (mehr) gegeben ist.