Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 27.05.2004, Az.: 2 A 1643/02

Arbeitszeit; Beamter; Bereitschaft; Bereitschaftsdienst; Berufsfeuerwehr; Brandschutz; Dienst; Feuerwehr; Gefahrenabwehr; Katastrophenschutz; Pflegedienst; Rettungsdienst; öffentlicher Dienst

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
27.05.2004
Aktenzeichen
2 A 1643/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 50972
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
OVG Niedersachsen - 18.06.2007 - AZ: 5 LC 225/04

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Der Dienst im Brandschutz und im Rettungsdienst bei der Berufsfeuerwehr ist eine Tätigkeit im öffentlichen Dienst und bei einem Katastrophenschutzdienst i.S.d. Art. 2 Abs. 2 RL 89/391/EWG. Art. 6 Nr. 2 RL 93/104/EG, der eine Arbeitszeit von höchstens 48 Stunden in der Woche zulässt, findet daher mit der Folge keine Anwendung, dass die wöchentliche Arbeitszeit für die Beamten, die Bereitschaftsdienst von mehr als 30 Stunden in der Woche leisten, im Durchschnitt 56 Stunden beträgt.

Tatbestand:

1

Der Kläger beantragt,

2

den Bescheid der Beklagten vom 25.01.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.03.2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen,

3

ihn zukünftig mit nicht mehr als 40 Stunden wöchentlich, hilfsweise 48 Stunden wöchentlich, einschließlich Bereitschaftsdienstzeiten innerhalb eines Bezugszeitraums von vier Monaten einzusetzen,

4

ihm rückwirkend ab 01.01.1997 für diejenigen Einsatzzeiten, die über 40 Wochenstunden, hilfsweise 48 Wochenstunden, innerhalb eines Bezugszeitraums von vier Monaten, hinausgehen, Dienstbefreiung zu gewähren.

5

Die Beklagte beantragt,

6

die Klage abzuweisen

7

und führt aus, aus der für die Feuerwehr für das Jahr 2001 erstellten Statistik ergebe sich, dass die Einsätze der Notfallrettung im Rettungstransportwagen für den Bereitschaftsdienst in der Zeit zwischen 18:00 Uhr und 07:30 Uhr einen Anteil von 22,73% und 32,60% in Anspruch nehme. Selbst wenn man die Rüst- und Rückfahrzeiten hinzurechne, liege die Dauer der Einsätze zwischen 32,32% und 46,04%. In der restlichen Zeit hätten die Feuerwehrleute Gelegenheit, zu schlafen, sich auszuruhen, zu lesen oder ihre Zeit anders zu gestalten. Für den Brandschutz und die Hilfeleistungen betrage die Einsatzzeit lediglich zwischen 7,69% und 16,14%, unter Berücksichtigung der Rüst- und Rückfahrzeiten 9,9% und 20,18%. Selbst bei der maximalen Dauer der Notfalleinsätze von 46,05% verbliebe den Feuerwehrleuten ein Zeitraum von mehr als 7 Stunden, um sich auszuruhen. Dieser Zeitraum sei ausreichend, um sich zu regenerieren. Per Dienstplan sei ausgeschlossen, dass ein Feuerwehrmann innerhalb von 24 Stunden Rettungsdienst und Brandschutz und Hilfeleistungsaufgaben ausführe. Ein Einsatz erfolge immer nur in einem der Bereiche. Die Simap-Entscheidung, die aufgrund des Vorlagebeschlusses eines spanischen Gerichtes in einem dort laufenden Zivilprozess ergangen sei, binde nur die Beteiligten des nationalen Rechtsstreits.

8

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

9

Die Klage ist zulässig. Soweit der Kläger mit Schriftsatz vom 15.09.2003 sein ursprüngliches Begehren auf Ausgleich der nach seiner Auffassung geleisteten Mehrarbeit in Geld nicht mehr weiterverfolgt, sondern statt dessen die Gewährung von Dienstbefreiung geltend macht, stellt dies eine zulässige Klageänderung gemäß § 91 Abs. 1 VwGO dar. Zwar hat die Beklagte in die Änderung der Klage nicht eingewilligt. Das Gericht sieht sie aber als sachdienlich an, weil der Streitstoff im Wesentlichen derselbe bleibt, die Klageänderung die endgültige Beilegung des Streites fördert und dazu beiträgt, einen weiteren Prozess zu vermeiden.

10

Die Klage ist aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 25.01.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.03.2002 ist rechtmäßig. Der Kläger hat daher keinen Anspruch, künftig nur noch mit wöchentlich 40, hilfsweise 48 Stunden einschließlich Bereitschaftsdienst zur Dienstleistung herangezogen zu werden und für die rückwirkende Zeit ab 01.01.1997 Dienstbefreiung für geleistete Mehrarbeit zu erhalten.

11

Die regelmäßige Arbeitszeit der Beamten in Niedersachsen darf nach § 80 Abs. 1 NBG im Jahresdurchschnitt 40 Stunden in der Woche nicht überschreiten. Soweit der Dienst in Bereitschaft besteht, kann die Arbeitszeit nach § 80 Abs. 3 NBG nach den dienstlichen Bedürfnissen verlängert werden. Mehr als 54 Wochenstunden dürfen dann geleistet werden, wenn die Bereitschaft in diesem Zeitraum mehr als 30 Stunden beträgt. Eine Gesamtarbeitszeit von 66 Wochenstunden darf nicht überschritten werden. Die in Ausübung der Ermächtigung der Landesregierung durch § 80 Abs. 9 (= § 80 Abs. 5 a.F.) NBG erlassene Nds.ArbZVO setzt die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit in ihrem § 2 Abs. 1

12

ebenfalls auf 40 Stunden fest, lässt gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 aber für einzelne Verwaltungsbereiche abweichende Regelungen zu, wenn es die besonderen Belange erfordern und der Gesundheitsschutz der Beamtinnen und Beamten gewahrt bleibt. Die Ermächtigung zur Regelung der Arbeitszeit der Beamtinnen und Beamten des Feuerwehrdienstes wird mit § 11 Nds.ArbZVO auf das Innenministerium übertragen. Die auf dieser Ermächtigungsgrundlage erlassene ArbZVO-Feu setzt die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit auf durchschnittlich 56 Stunden fest, soweit wöchentlich mehr als 30 Stunden Bereitschaftsdienst geleistet werden oder im Anschluss an den Bereitschaftsdienst eine Freizeit von gleicher Dauer gewährt wird. Für die Beamten der Feuerwehr, die aus dienstlichen Gründen keinen Bereitschaftsdienst leisten, gilt § 2 Abs. 1 und 3 Nds.ArbZVO entsprechend (§ 1 Abs. 3 ArbZVO-Feu).

13

Diese Voraussetzungen liegen beim Kläger vor. Er ist Beamter der Berufsfeuerwehr der Beklagten. Er leistet Bereitschaftsdienst von wöchentlich mehr als 30 Stunden Dauer, ihm wird im Anschluss an den Bereitschaftsdienst Freizeit von gleicher Dauer gewährt und seine wöchentliche Arbeitszeit beträgt im Durchschnitt 56 Stunden. Zwar bestreitet der Kläger die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 08.04.2002 beispielhaft für das Kalenderjahr 2001 vorgelegte Auswertung des Anteils der Einsätze im Bereitschaftsdienst und vertritt hierzu die Auffassung, die Einsatzquote liege in der Bereitschaft im Rettungsdienst bei 56,12%. Die Berechnung der Beklagten, die die Dauer der Einsätze mit einem Anteil zwischen 32,32% und 46,04% ermittelt habe, sei fehlerhaft, weil der Zeitraum zwischen arbeitstäglich 17:30 Uhr und 18:00 Uhr nicht erfasst worden sei und zudem die pauschalierten Zeitanteile für die Rückfahrt vom Krankenhaus mit 8 Minuten und für die Rüstzeiten nach Rückkehr zur Rettungswache mit 12 Minuten je Einsatz zu kurz seien. Tatsächlich seien für die Rückfahrt mindestens 15 Minuten und für die Rüstzeit mindestens 20 Minuten je Einsatz zu berücksichtigen. Dem brauchte die Kammer im Einzelnen indes nicht nachzugehen, da der Kläger nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung von den 10 monatlich zu leistenden 24-Stunden-Schichten 2 vollständig im Bereich der Brandbekämpfung eingesetzt ist und aufgrund interner Absprache mit den Kollegen und mit Duldung der Feuerwehrleitung innerhalb der verbleibenden 8 Schichten jeweils die Hälfte der Zeit Dienst auf dem Löschzug und im Rettungstransportwagen leistet. Da die Einsatzzeiten im Brandschutz unstreitig einschließlich Rüst- und Rückfahrzeiten erheblich niedriger, nämlich nach Ermittlung der Beklagten zwischen 9,9% und 20,18%, liegen, ergibt sich als Saldo für die Einsätze während der Bereitschaftsdienstzeiten selbst unter Berücksichtigung der vom Kläger für erforderlich gehaltenen Rüst- und Rückfahrzeiten eine Einsatzquote von deutlich unter 50%. Zudem wird dem Kläger nach dem Dienstplan im Anschluss an jeden Bereitschaftsdienst mindestens eine Freizeit von gleicher Dauer, nämlich einem vollen 24-Stunden-Tag, gewährt. Der vom Kläger wöchentlich geleistete Bereitschaftsdienst beträgt daher mehr als 30 Stunden. Arbeitstäglich leistet er nach eigenen Angaben jeweils von 07:30 Uhr bis 17:30 Uhr Arbeit und im Anschluss bis  07:30 Uhr des Folgetages Bereitschaftsdienst. Je Schicht beträgt der Anteil des Bereitschaftsdienstes mithin 14 Stunden. Bei 10 Schichten in einem Monat sind dies 140 Stunden : 4 (Wochen) = 35 Bereitschaftsdienststunden in der Woche.

14

Der Anwendung der niedersächsischen Arbeitszeitregelung für Beamte im Feuerwehrdienst stehen europarechtliche Vorschriften auch nicht entgegen. Zwar verbietet Art. 6 Nr.2 RL 93/104/EG, dass die durchschnittliche Arbeitszeit pro 7-Tages-Zeitraum einschließlich Überstunden 48 Stunden überschreitet. Die Gerichte der Bundesrepublik Deutschland haben im Falle einer Kollision von Gemeinschaftsrecht mit nationalem Recht den Normenkonflikt auch zu lösen und dabei den Vorrang des Gemeinschaftsrechts sowohl hinsichtlich des primären als auch des sekundären Gemeinschaftsrechts zu beachten (vgl. BVerfG, B. v. 19.11.2003 - 2 BvR 1476/01 -). Zutreffend weist der Kläger zudem darauf hin, dass bei einem Widerspruch zwischen Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht etwa aufgrund mangelhafter Umsetzung einer Richtlinie sich der Betroffene gegenüber den Gerichten der Bundesrepublik Deutschland unmittelbar auf die Richtlinie berufen kann, soweit diese klar und unbedingt ist und zu ihrer Anwendung keines Ausführungsaktes mehr bedarf. Soweit Fragen der Auslegung von EG-Recht betroffen sind, entscheidet hierüber verbindlich der EuGH (vgl. Wank, Bereitschaftsdienst von Ärzten, ZRP 2003, S. 414 ff. m.w.N.).

15

Nach Auffassung des EuGH (vgl. U. v. 03.10.2000, a.a.O. und U. v. 09.09.2003 - C 151/02 -) handelt es sich, was hier zu berücksichtigen sein könnte, auch bei Bereitschaftsdienst um Arbeitszeit. Die Kammer legt diese Auslegung trotz der insoweit bestehenden Bedenken gegen die Auslegungskompetenz des EuGH ihrer Entscheidung zugrunde. Die Zweifel an der Auslegungskompetenz knüpfen daran an, dass Art. 2 Nr. 1 RL 93/104/EG als Arbeitszeit die Zeitspanne definiert, während der ein Arbeitnehmer gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten arbeitet etc., und damit ausdrücklich bestimmt, dass die Auslegung des Arbeitszeitbegriffs nicht gemeinschaftsrechtlichen Grundsätzen sondern den einzelstaatlichen Regelungen folgt. Andererseits wären auch bei rein nationaler Auslegung die Ziele der EG-Richtlinie zu beachten und die Auslegung dem Inhalt der Richtlinie anzupassen, so dass im Ergebnis im Sinne der Feststellungen des EuGH nur die Qualifikation des Bereitschaftsdienstes als Arbeitszeit dem Ziel der Richtlinie entsprechen dürfte.

16

Auch wenn somit der Kläger und die anderen Feuerwehrbeamten der Beklagten die nach Art. 6 Nr.2 RL 93/104/EG höchstzulässige wöchentliche Arbeitszeit von 48 Stunden durch die Leistung von 56 Wochenarbeitsstunden überschreiten, liegt hierin im Ergebnis kein Verstoß gegen EG-Recht. Zwar lässt Art. 17 der RL 93/104/EG Abweichungen u.a. von seinem Art. 6 zu und der vorliegend streitige Sachverhalt erfüllt die Voraussetzungen dieses Ausnahmetatbestandes nicht. Art. 1 Abs. 4 RL 93/104/EG erklärt aber zusätzlich die Regelungen der RL 89/391/EWG u.a. auf die wöchentliche Höchstarbeitszeit für voll anwendbar. Art. 2 Abs. 2 RL 89/391/EWG schließt die Anwendung von Art. 6 Nr.2 RL 93/104/EG aus.

17

Nach Art. 2 Abs. 2 RL 89/391/EWG findet die Richtlinie keine Anwendung, soweit dem Besonderheiten bestimmter spezifischer Tätigkeiten im öffentlichen Dienst z.B. bei den Streitkräften oder der Polizei, oder bestimmte spezifische Tätigkeiten bei den Katastrophenschutzdiensten zwingend entgegenstehen. Diese Voraussetzungen liegen hinsichtlich der Tätigkeit des Klägers nach Überzeugung der Kammer vor. Art. 2 Abs. 2 RL 89/391/EWG enthält zwei Ausnahmebereiche. Der erste betrifft ausschließlich den öffentlichen Dienst und wird durch die Beispielsfälle Streitkräfte und Polizei definiert, der zweite betrifft den Katastrophenschutz unabhängig davon, ob er öffentlich-rechtlich oder privat-rechtlich organisiert ist. Beide Tatbestände werden durch den Dienst in den Feuerwehren erfüllt (so auch BAG, U. v. 29.05.2002 - 5 AZR 370/01 -, PersV 2002, 457 ff; nicht entschieden, sondern dem EuGH vorgelegt: BVerwG, B. v. 17.12.2003 - 6 P 7/03 -, PersR 2004, 106 ff.).

18

Der Dienst in der Feuerwehr weist eine große Nähe zu den Beispielsfällen Streitkräfte und Polizei auf. So werden Wehrpflichtige, die sich zum ehrenamtlichen Dienst als Helfer im Katastrophenschutz verpflichtet haben, nicht zum Wehrdienst herangezogen (§ 13a WPflG). Die prägende Aufgabe der Brandbekämpfung ist zudem seit jeher Teil des staatlichen Sicherheitsbereichs und der Gefahrenabwehr. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts bildeten sich festere Organisationsformen heraus, in größeren Städten wurden Berufsfeuerwehren gegründet. In anderen Gemeinden wurden Vereinigungen gegründet, zu deren Aufgaben auch die Brandbekämpfung und Hilfeleistung bei Not und Gefahr gehörten. Wo solche Vereine nicht zustande kamen, wurden die löschfähigen Personen der Gemeinden durch Polizeiverordnung zur Pflichtfeuerwehr zusammengeschlossen. Durch das preußische Feuerlöschgesetz vom 15.12.1933 wurden die freiwilligen Feuerwehren zu Hilfstruppen der Polizeibehörden umorganisiert (Feuerschutzpolizei). Mit Gesetz über das Feuerlöschwesen vom 23.11.1938 wurden die Feuerwehren Teil der Ortspolizei. Auch wenn nach Ende des Zweiten Weltkriegs mit dem Gesetz über den Feuerschutz im Land Niedersachsen vom 21.03.1949 die Zuständigkeit für den Brandschutz wieder den Ländern zufiel, blieb der Feuerschutz doch eine Aufgabe der Gefahrenabwehr (vgl. zum Vorstehenden Scholz/Thomas, Nds. Brandschutzgesetz, 5. Aufl., S. 19 ff.). Auch der EuGH (vgl. U. v. 03.10.2000 aaO, U. v. 03.07.2001 - Rs C 241/99 -) vertritt den Standpunkt, dass sich die Ausnahmen des Art. 2 Abs. 2 RL 89/391/EWG auf bestimmte spezifische Tätigkeiten im öffentlichen Dienst beziehen, die die öffentliche Sicherheit und Ordnung gewährleisten sollen und für ein geordnetes Gemeinwesen unentbehrlich sind.

19

Unabhängig davon, ob die Feuerwehren öffentlich-rechtlich oder privat-rechtlich organisiert sind, handelt es sich bei ihnen auch um Katastrophenschutzdienste, von denen traditionell neben den Aufgaben der Brandbekämpfung auch technische Hilfeleistungen in

20

Not-, Unglücks- und Katastrophenfällen wahrgenommen werden. Zwar handelt es sich nicht bei jedem Einsatz der Feuerwehr um einen Katastrophenfall i.S.d. § 1 Abs. 2 NKatSG, d.h. einen Notstand, bei dem Leben, Gesundheit, lebenswichtige Versorgung, Umwelt oder erhebliche Sachwerte in einem solchen Ausmaße gefährdet oder beeinträchtigt sind, dass seine Bekämpfung eine zentrale Leitung erfordert. Zu den Aufgaben i.S.d. NKatSG gehört aber u.a. auch der Brandschutz-, Sanitäts- und Versorgungsdienst (§§ 13, 15 Abs. 1). Umgekehrt erfüllen Katastrophenfälle i.S.d. NKatSG den Tatbestand eines Notstands i.S.v. § 1 Abs. 1 NBrandSchG. Eine besondere Verpflichtung der Angehörigen der Feuerwehren ist im Katastrophenschutz auch nicht erforderlich (vgl. Scholz/Thomas, a.a.O., S. 31). § 12 Abs. 1 ZSG unterstellt zudem u.a. die Aufgabenbereiche Brandschutz und Sanitätswesen dem Katastrophenschutz. Wie sich aus § 1 Abs. 1 NBrandSchG eindeutig ergibt, ist die Abwehr von Gefahren durch Brände dabei nicht nur eine abwehrende sondern auch vorbeugende Aufgabe. Die Bekämpfung auch eines kleineren Brandherdes dient in diesem Sinne vorbeugend dessen weiterer Ausbreitung und damit der Verhinderung einer Katastrophe.

21

Indes nehmen die Feuerwehren neben ihren Pflichtaufgaben, zu denen außer der Brandbekämpfung seit alters her auch der Einsatz bei Unglücksfällen und Notständen sowie die Rettung von Menschenleben gehört, auch vielfältige technische Hilfeleistungen, wie das Einfangen von Vögeln, Bienenschwärmen, das Fällen von Bäumen usw. wahr. Hierbei handelt es sich nicht um den Ausnahmetatbestand des § 2 Abs. 2 RL 89/391/EWG erfüllende spezifische Tätigkeiten. Hierauf kommt es im Ergebnis aber nicht an, weil diese nicht unter den Ausnahmetatbestand fallenden Tätigkeiten, die der Kläger auf der Feuerwache 4 bei der Beklagten ggf. wahrnimmt, keinen über 48 Stunden in der Woche hinausgehenden Zeitraum beanspruchen, sondern nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 27.05.2004 eine untergeordnete Bedeutung haben. Der Kläger hat insoweit vorgetragen, dass innerhalb einer Bereitschaftsschicht sowohl Aufgaben des Brandschutzes als auch andere Aufgaben wahrzunehmen seien. Insgesamt 19 Arbeitsplätze seien rund um die Uhr besetzt. 12 Personen seien auf dem Löschzug, 5 Personen auf dem Rettungstransporter und 2 Personen auf dem Sonderfahrzeug tätig. Schon aus dieser Personalverteilung wird deutlich, dass der eindeutige Einsatzschwerpunkt im Bereich der Brandbekämpfung liegt und der Rettungstransport bereits ein deutlich geringeres Gewicht hat. Nur 2 Personen und mithin rund 1/10 der Kapazität sind auf dem Sonderfahrzeug im Einsatz. Dieses Ergebnis spiegelt sich darin wieder, dass von je 10  24-Stunden-Schichten in einem Monat 2 volle Schichten im Bereich der Brandbekämpfung erfolgen und von den restlichen 8 Schichten jeweils die Hälfte der Zeit auf einem Löschzug erfolgt. 6/10 der Arbeitszeit sind die Feuerwehrbeamten damit im Bereich der Brandbekämpfung eingesetzt. Zudem sind noch 2 ½ Mal soviel Personen im Rettungstransportbereich tätig wie auf dem Sonderfahrzeug. Keinesfalls können damit die dort ausgeführten, i.S.d. Art. 2 Abs. 2 der RL 89/391/EWG nicht spezifischen Tätigkeiten einen Anteil von mehr als 48 Stunden in der Woche ausmachen. Darauf, welchen zeitlichen Umfang diese Tätigkeiten genau beanspruchen, kommt es danach nicht mehr an, weil diese in jedem Falle deutlich innerhalb der nach Art. 6 Nr. 2 RL 93/104/EG zulässigen Arbeitszeit stattfinden. Nach den weiteren Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung gibt es den reinen Krankentransportdienst nicht mehr. Im Bereich des Rettungsdienstes werden aber noch intensivmedizinische Verlegungen durchgeführt.

22

Der vorstehend zugrunde gelegte Maßstab einer höchstzulässigen wöchentlichen Arbeitszeit von 48 Stunden folgt aus Art. 6 Nr. 2 RL 93/104/EG i.V.m. den landesrechtlichen Arbeitszeitvorschriften. Ein etwaiger Verstoß gegen Art. 6 Nr. 2 RL 93/104/EG zieht nämlich nicht die Nichtigkeit des § 1 ArbZVO-Feu nach sich, sondern nur dessen Unanwendbarkeit. Im Wege der europarechtlichen Reduktion führt dies zu einer zulässigen Wochenarbeitszeit von 48 Wochenstunden. Diese Arbeitszeit gilt allerdings nicht für reine Verwaltungstätigkeiten bei den Feuerwehren, die der Kläger aber auch nicht ausübt. Da in dem Bereich der reinen Verwaltungstätigkeit kein 30-stündiger Bereitschaftsdienstanteil geleistet wird, gilt insoweit die höchstzulässige Arbeitszeit mit 56 Wochenstunden ohnehin nicht. Für die Verwaltungsbeamten der Feuerwehr greift gemäß § 1 Abs. 3 ArbZVO-Feu i.V.m. § 2 Abs. 1 Nds.ArbZVO die 40-Stunden-Woche.

23

Die Besonderheiten der genannten Tätigkeiten im öffentlichen Dienst und bei den Katastrophenschutzdiensten i.S.v. Art. 2 Abs. 2 RL 89/391/EWG stehen der Anwendung der Richtlinie auch zwingend entgegen. Bei der insoweit vorzunehmenden Wertung hat die Kammer berücksichtigt, dass die Bediensteten bei der Feuerwehr nach Angaben der Beklagten in der mündlichen Verhandlung alle eine qualifizierte Ausbildung sowohl im Bereich Brandschutz als auch im Bereich Rettungsdienst besitzen. Die Kammer hat weiter berücksichtigt, dass bei einem Einsatz die beteiligten Beamten im Rahmen eines gut aufeinander abgestimmten Teams die notwendigen Maßnahmen schnell und reibungslos ausführen müssen, was ein geradezu „blindes“ Verständnis beim Zusammenwirken voraussetzt. Diese Anforderungen im Notfalleinsatz setzen der für den Fall der Verringerung oder Verkürzung der zu leistenden Schichten erforderlichen Vermehrung des Personalbestandes enge Grenzen.

24

Nach Überzeugung der Kammer überschreitet die für die Feuerwehrbeamten mit über 30-stündigem wöchentlichen Bereitschaftsdienst geltende 56-Stunden-Woche auch nicht die Anforderung des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 RL 89/391/EWG, unter Berücksichtigung der Ziele der Richtlinie eine größtmögliche Sicherheit und einen größtmöglichen Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer zu gewährleisten. Dies ergibt sich bereits daraus, dass der Kläger nicht durch Vorlage entsprechender ärztlicher Bescheinigungen nachgewiesen hat, dass gerade der Umfang des bisher von ihm geleisteten Dienst zu Gesundheitsbeeinträchtigungen geführt hat. Hierzu hätte für ihn aber aufgrund des Beschlusses der Kammer im vorläufigen Rechtsschutzverfahren vom 25.04.2002 aller Anlass bestanden, in dem ihm dies schon entgegengehalten wurde. Sein Hinweis in der mündlichen Verhandlung, er leide unter Schlafstörungen, lässt ein ursächliches Beruhen auf der geleisteten Wochenarbeitszeit ebenso wenig erkennen wie die Erwartung einer Besserung der Beeinträchtigung bei nur 48-stündigem Dienst. Es erscheint der Kammer nach der Lebenserfahrung wahrscheinlicher, dass die spezifische Art der Tätigkeit - und nicht die Dauer der Bereitschaft - psychische Belastungen mit sich bringt. Die allgemeinen mit Schicht- und Nachtarbeit verbundenen Gesundheitsgefahren, auf die sich der Kläger weiter beruft, vermögen jedenfalls nicht zu belegen, dass gerade mit der für ihn einschließlich Bereitschaftsdienst geltenden 56-stündigen wöchentlichen Arbeitszeit nicht das größtmögliche Maß an Sicherheit und Gesundheitsschutz gewahrt wird, auch wenn dem Kläger durchaus einzuräumen ist, dass Schicht- und Nachtarbeit grundsätzlich gesundheitlich belastendere Wirkungen entfalten als normaler Tagesdienst. Schicht- und Nachtdienst ist bei der Feuerwehr aufgrund des rund um die Uhr erforderlichen Schutzes der Allgemeinheit aber geboten.

25

Da die Funktionsfähigkeit der für die Sicherheit der Bürger existentiell notwendigen Einrichtung der Feuerwehr eine Ausnahme von der gemeinschaftsrechtlichen Arbeitsschutzvorschrift des Art. 6 Nr. 2 RL 93/104/EG gebietet, war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

26

Die Kammer lässt die Berufung wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gemäß §§ 124a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zu, weil die den Kern dieses Rechtsstreits bildende Frage des Vorliegens des Ausnahmetatbestands des Art. 2 Abs. 2 RL 89/391/EWG in ihren Auswirkungen über den Einzelfall hinausgeht und aus Gründen der Rechtssicherheit und der Einheit der Rechtsordnung der Klärung bedarf.