Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 12.05.2004, Az.: 3 A 1438/03

Bewilligung von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UVG); Anrechnung von erzielten Einkünften aus Unterhaltszahlungen des anderen Elternteils; Unregelmäßige Zahlungen als Unterhaltszahlungen im Sinne der §§ 1 Abs. 1 Nr. 3a, 2 Abs. 3 Nr. 1 UVG

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
12.05.2004
Aktenzeichen
3 A 1438/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 32983
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGHANNO:2004:0512.3A1438.03.0A

Fundstelle

  • FamRZ 2005, 484 (Volltext mit red. LS)

Verfahrensgegenstand

Unterhaltsvorschussrecht

Redaktioneller Leitsatz

Unregelmäßigen Zahlungen stellen keine Unterhaltszahlungen im Sinne der §§ 1 Abs. 1 Nr. 3 a, 2 Abs. 3 Nr. 1 UVG dar.

In der Verwaltungsrechtssache
hat das Verwaltungsgericht Hannover - 3. Kammer -
auf die mündliche Verhandlung vom 12. Mai 2004
durch
den Richter am Verwaltungsgericht Wagstyl als Einzelrichter
für Recht erkannt:

Tenor:

Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit für erledigt erklärt haben.

Die Beklagte wird unter entsprechender Aufhebung des Bescheides vom 18.07.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.02.2003 verpflichtet, für die Kläger zu 2) und 3) Leistungen nach dem UVG für den Zeitraum vom 01.07.2001 bis zum 30.09.2003 zu Händen der Klägerin zu 1) zu bewilligen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Kostenschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kostengläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Für die 1994 und 1996 geborenen Kläger zu 2) und 3) wurden mit Bescheiden vom 11.11.2000 und 06.06.2001 Leistungen nach dem UVG zu Händen der Klägerin zu 1) bewilligt. Mit Bescheid vom 18.07.2001 hob die Beklagte die Bewilligung mit Ablauf des 30.06.2001 auf und stellte die Zahlungen zum 01.07.2001 ein. Zur Begründung führte sie aus, der Vater würde nunmehr ausreichend Unterhalt zahlen. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies die Bezirksregierung Hannover mit Bescheid vom 26.02.2003 zurück.

2

Daraufhin haben die Kläger Klage erhoben. Sie sind der Auffassung, dass sie nach wie vor einen Anspruch auf Unterhaltsvorschussleistungen hätten. Die Entgeltzahlungen des Ehemanns der Klägerin zu 1) für das Wohnrecht für die von den Klägern bewohnte Wohnung im Haus D. dürfe nicht abgesetzt werden. Diese unregelmäßigen Zahlungen stellten keine Unterhaltszahlungen im Sinne des UVG dar.

3

Mit Bescheid vom 06.01.2004 hat die Beklagte für die Kläger zu 2) und 3) Leistungen nach dem UVG ab dem 01.10.2003 bewilligt, woraufhin die Beteiligten den Rechtsstreit insoweit für erledigt erklärt haben.

4

Die Kläger beantragen,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18.07.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.02.2003 zu verpflichten, für die Kläger zu 2) und 3) Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz für den Zeitraum vom 01.07.2001 bis zum 30.09.2003 zu bewilligen.

5

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

6

Sie ist der Auffassung, dass durch die Entgeltzahlungen des Ehemanns der Klägerin zu 1) für das Wohnrecht der Anspruch auf Leistungen nach dem UVG erloschen sei.

7

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge verwiesen.

Entscheidungsgründe

8

Das Verfahren war einzustellen, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit für erledigt erklärt haben.

9

Im Übrigen ist die zulässige Klage begründet. Die angegriffenen Bescheide erweisen sich als rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten.

10

Die Aufhebung des Bewilligungsbescheides der Beklagten vom 06.06.2001 zum 01.07.2001 durch den angegriffenen Bescheid widerspricht dem Unterhaltsvorschussgesetz (UVG). Nach § 1 Abs. 1 UVG hat Anspruch auf Unterhaltsvorschuss- oder Unterhaltsausfallleistung u.a., wer das 12. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, im Geltungsbereich des Gesetzes bei einem seiner Elternteile lebt, der ledig, verwitwet, geschieden ist oder von seinem Ehegatten getrennt lebt und nicht oder nicht regelmäßig Unterhalt von dem anderen Elternteil mindestens der in § 2 Abs. 1 und Abs. 2 bezeichneten Höhe erhält, d. h. in der Höhe der Regelbeträge, wie sie nach der Regelbetrag-Ordnung jeweils gelten, abzüglich eines Betrages in Höhe der Hälfte des für ein erstes Kind zu zahlenden Kindergeldes, wenn der Elternteil, bei dem das Kind lebt, Anspruch auf volles Kindergeld hat. Nach § 2 Abs. 3 Nr. 1 UVG werden auf die sich nach § 2 Abs. 1 und Abs. 2 UVG ergebenden Unterhaltsleistungen in dem selben Monat erzielte Einkünfte des Berechtigten aus Unterhaltszahlungen des Elternteils, bei dem er Berechtigte nicht lebt, angerechnet.

11

Hieran gemessen stehen den Klägern zu 2) und 3) für den streitbefangenen Zeitraum vom 01.07.2001 bis zum 30.09.2003 Leistungen nach dem UVG zu. Dabei können die Entgeltzahlungen des Ehemannes der Klägerin zu 1) für das Wohnrecht für die von den Klägern bewohnte Wohnung in dem Haus D. nicht abgesetzt werden. Diese unregelmäßigen Zahlungen stellen keine Unterhaltszahlungen im Sinne der §§ 1 Abs. 1 Nr. 3 a, 2 Abs. 3 Nr. 1 UVG dar. Sie können auch nicht als an die Kläger zu 2) und 3) gerichtete so genannte unterhaltsrelevante Leistungen im Rahmen der §§ 1 Abs. 1 Nr. 3 a, 2 Abs. 3 Nr. 1 UVG Berücksichtigung finden. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 2 Abs. 3 Nr. 1 UVG sind lediglich Einkünfte aus Unterhaltszahlungen des anderen Elternteils zu berücksichtigen. Der Begriff der Unterhaltszahlung im Sinne dieser Norm ist anhand der zivilrechtlichen Vorschriften der §§ 1601 ff BGB zu bestimmen. Nach § 1612 Abs. 1 BGB ist der Unterhalt durch Entrichtung einer Geldrente zu gewähren. Der Verpflichtete kann verlangen, dass ihm die Gewährung des Unterhalts in anderer Art gestattet wird, wenn besondere Gründe es rechtfertigen. Haben Eltern einem unverheirateten Kind Unterhalt zu gewähren, so können sie bestimmen, in welcher Art und für welche Zeit im Voraus der Unterhalt gewährt werden soll, wobei auf die Belange des Kindes die gebotene Rücksicht zu nehmen ist (§1612 BGB). Hier fehlt es bereits an einer solchen Bestimmung, da eine Vereinbarung über die Unterhaltsleistungen zwischen der Klägerin zu 1) und ihrem Ehemann nicht zu Stande gekommen ist.

12

Als Unterhaltsleistungen im Sinne des § 1612 Abs. 2 BGB kommen neben dem Barunterhalt auch Naturalunterhalt in Frage, d. h. der Unterhaltsbedarf wird (neben tatsächlicher Betreuungsleistung) durch Sachleistungen gedeckt. Die an den Eigentümer des Hauses gerichteten Zahlungen des Ehemannes der Kläger zu 1) stellen - mangels Vereinbarung weder Bar- noch Sachleistungen an die Kläger zu 2) und 3) dar, weil der Ehemann der Klägerin zu 1) hierdurch unmittelbar keine Leistung an die Kläger zu 2) und 3) erbracht hat. Der Ehemann der Klägerin zu 1) hat den Klägern zu 2) und 3) durch seine Zahlungen auch keinen Naturalunterhalt gewährt, indem er ihnen durch seine Leistungen im Ergebnis die Möglichkeit geboten hat, in der Wohnung weiterhin wohnen zu können. Denn der Unterkunftsbedarf der Kinder ist Teil ihres Betreuungsbedarfs und wird von dem Elternteil sichergestellt, der im Falle der Trennung die tatsächliche Betreuung des Kindes übernommen hat. Die Möglichkeit einer kostenfreien Unterkunft stellt damit nur für den betreuenden Elternteil - hier die Klägerin zu 1) -, nicht aber für das Kind einen bedarfsmindernden Vorteil dar.

13

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 161 Abs. 2, 154 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Wagstyl