Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 12.05.2004, Az.: 6 C 1864/04
Anordnungsgrund; Anspruch auf Wechsel; außerkapazitäre Hochschulzulassung; Hochschulzulassung; kapazitätsbeschränkter Studiengang; NC-Studiengang; Ortswechsel; Studienbewerber; Studienort
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 12.05.2004
- Aktenzeichen
- 6 C 1864/04
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2004, 50572
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- Art 12 Abs 1 GG
- § 2 Abs 1 StudPlVergV ND
- § 7 Abs 1 HSchulZulG ND
- § 1 ZZ-VO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Der Umstand, dass ein Studierender der Zahnmedizin den Leistungsnachweis für ein Praktikum trotz zweimaliger Wiederholung nicht erbracht hat und dass ihm deshalb an seiner Universität nach Maßgabe der Studienordnung kein weiterer Versuch offen steht, stellt keinen ausreichenden Anordnungsgrund für einen Wechsel des Studienorts außerhalb der durch die ZZ-VO festgesetzten Kapazität dar.
2. Im außerkapazitären Verfahren sind allenfalls persönliche und familiäre Gründe für den Erlass einer einstweiligen Anordnung denkbar, die so gravierend sind, dass sie einen sofortigen Ortswechsel unter Umgehung des hochschulzulassungsrechtlich vorgegebenen Verfahrens an eine Hochschule in Hannover zur Verwirklichung des Berufswunsches (hier: Zahnarzt) dringend geboten erscheinen lassen.
Gründe
I. Der Antragsteller ist Studierender im Studiengang der Zahnmedizin an der Universität D. und dort im 6. Fachsemester immatrikuliert. Mit Schreiben seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 13. April 2004 stellte er bei der Antragsgegnerin erfolglos den Antrag, ihn außerhalb der festgesetzten Kapazität im 5. Fachsemester, hilfsweise in einem niedrigeren Fachsemester, zum Studium der Zahnmedizin zuzulassen.
Mit dem am 13. April 2004 bei Gericht eingegangenen Antrag beansprucht der Antragsteller einstweiligen Rechtsschutz mit dem Ziel, die Antragsgegnerin zu seiner vorläufigen Zulassung zum Studium der Zahnmedizin außerhalb der durch die Studienplatzzahl festgesetzten Kapazität zu verpflichten. Zur Begründung führt er aus, die durch Verordnung festgesetzte Zulassungszahl erschöpfe nicht die bei der Antragsgegnerin tatsächlich vorhanden Ausbildungskapazität in Zahnmedizin. Mit der Antragsbegründung legt der Antragsteller - jeweils in Fotokopie - das Zeugnis über das Bestehen der naturwissenschaftlichen Vorprüfung sowie Bescheinigungen über die erfolgreiche Teilnahme an den in § 26 Abs. 4 der Approbationsordnung für Zahnärzte (AppOZ) vorgeschriebenen Vorlesungen und praktischen Übungen mit Ausnahme einer Bescheinigung über die erfolgreiche Teilnahme an der praktischen Übung in Biochemie (physiologisch-chemisches Praktikum) und der Bescheinigungen über die Teilnahme an den Vorlesungen in Physiologie und physiologischer Chemie vor. Ferner legt der Antragsteller ein Schreiben des Instituts für Biochemie der Universität D. vor, in der bescheinigt wird, dass der Antragsteller die Leistungen für das Praktikum in Biochemie nach zweimaliger Wiederholung nicht mit Erfolg erbracht hat und deshalb eine nochmalige Wiederholung nach § 10 Abs. 1 der Studienordnung für den Studiengang Zahnmedizin nicht zulässig ist.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
die Antragsgegnerin im Wege einstweiliger Anordnung zu verpflichten, ihn im Sommersemester 2004 - gegebenenfalls nach Maßgabe eines gerichtlich angeordneten Losverfahrens - vorläufig zum Studium der Zahnmedizin im 5. Fachsemester, hilfsweise in einem niedrigeren Fachsemester, zuzulassen.
Die Antragsgegnerin hat sich vorliegend nicht geäußert. Auf Anfrage der Kammer hat die Antragsgegnerin in dem Verfahren 6 C 1544/04 mit Schriftsatz vom 10. Mai 2004 mitgeteilt, dass im Sommersemester 2004 im Studiengang Zahnmedizin jeweils 72 Studierende im 4. und 2. Fachsemester eingeschrieben sind.
II. Soweit der Antragsteller mit dem Hauptantrag die vorläufige Zulassung zum Studium der Zahnmedizin im 5. Fachsemester, hilfsweise im 3. oder 1. Fachsemester, beansprucht, fehlt es schon ersichtlich an einem die einstweilige Anordnung tragenden Anordnungsanspruch.
Für den bei der Antragsgegnerin eingerichteten Studiengang Zahnmedizin ist seit vielen Jahren (s. bereits die Verordnung über Zulassungszahlen für Studienplätze zum Sommersemester 1997 - ZZ-VO 1997 -; Nds. GVBl. 1998 S. 4) eine Zulassungsbeschränkung vorgesehen, die im Sommersemester keine freien Studienplätze für Erstsemester (Zulassungszahl Null) vorsieht. Durch das seit fortlaufend so praktizierte Prinzip des Studienjahres können in einem Sommersemester nur Bewerber in höheren Fachsemestern mit jeweils gerader Semesterzahl zugelassen werden, § 2 Satz 3 Nr. 2 Buchst. a) der ZZ-VO 2003/2004 (vom 3.7.2003; Nds. GVBl. S. 256).
Demnach käme eine vorläufige Zulassung des Antragstellers im Studiengang Zahnmedizin bei der Antragsgegnerin allenfalls im 4. oder 2. Fachsemester in Betracht. Auch der darauf hilfsweise gerichtete Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist jedoch abzulehnen:
Der Antragsteller zählt nicht zum Kreis der Studienbewerber, die entweder als Studienanfänger oder - unter Wechsel des Studiengangs - als sog. „Quereinsteiger“ einen Studienplatz bei der Antragsgegnerin beansprucht und durch die kapazitätsbeschränkenden Regelungen (Numerus clausus) bisher an der Aufnahme des Studiums gehindert waren. Vielmehr ist der Antragsteller bereits im Besitz eines Studienplatzes im Studiengang Zahnmedizin, und zwar an der Universität D.
Rechtsschutzziel des Antragstellers ist es im vorliegenden Verfahren somit nicht, im Wege einer vorläufigen Regelung das Recht auf Zulassung zum Studium seiner Wahl zu sichern, welches Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit dem Gleichheitssatz und dem Sozialstaatsgebot jedem hochschulreifen Bewerber, gleich ob als Studienanfänger (BVerfGE 33, 303, 329ff.) oder als sog. Quereinsteiger (BVerfGE 43, 34, 43 [BVerfG 13.10.1976 - 1 BvR 135/75]) gewährleistet. Der Antragsteller muss folglich nicht mehr unter Berufung auf die Numerus-clausus-Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geltend machen, dass sich absolute Zulassungsbeschränkungen am Rande des verfassungsrechtlich Hinnehmbaren bewegen müssen und dass im Falle von Zulassungsbeschränkungen eine Auswahl zwischen "prinzipiell Gleichberechtigten" vorzunehmen ist (BVerfGE 39, 258, 269 f. [BVerfG 09.04.1975 - 1 BvR 344/73]). Vielmehr zählt der Antragsteller als im Studiengang Zahnmedizin an der Universität D. endgültig immatrikulierter Studierender zu denjenigen, denen dieses Recht auf Teilhabe an einer kapazitätsbeschränkten Berufsausbildung bereits erfüllt worden ist. Daraus kann mit dem VGH Baden-Württemberg (Urteil vom 6.8.1985, BVBlBW 1985 S. 421) mit guten Gründen der Schluss gezogen werden, dass Art. 12 Abs. 1 GG einen Anspruch auf Wechsel des Studienortes in einem kapazitätsbeschränkten Studiengang außerhalb der zulassungsrechtlichen Vergaberegelungen nicht hergibt.
Jedenfalls fehlt es aber an der Glaubhaftmachung, dass die von dem Antragsteller begehrte einstweilige Anordnung im Sinne von § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO nötig ist, um wesentliche Nachteile abzuwenden (Anordnungsgrund).
Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, dass und warum er zur Vermeidung eines Rechtsverlustes auf einen sofortigen Wechsel seines Studienortes von D. nach Hannover unter Umgehung des dafür hochschulzulassungsrechtlich vorgesehenen Verfahrens angewiesen wäre. Allein die Tatsache, dass er einen für alle Kandidaten der zahnärztlichen Vorprüfung im Rahmen dieses Studiengangs vorgeschriebenen Leistungsnachweis in Gestalt der erfolgreichen Teilnahme am Praktikum in Biochemie an der Universität D. trotz zweimaliger Wiederholung nicht erbracht hat und dass deshalb für ihn nach § 10 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 1 der Studienordnung der Universität D. (vom 27.9.1996) an dieser Universität keine weitere Wiederholungsmöglichkeit besteht, stellt keinen ausreichenden Anordnungsgrund für einen Wechsel von D. nach Hannover außerhalb der durch die ZZ-VO 2003/2004 festgesetzten Kapazität dar. Im außerkapazitären Verfahren sind allenfalls Gründe für den Erlass einer einstweiligen Anordnung denkbar, die so gravierend sind, dass sie einen sofortigen Ortswechsel unter Umgehung des hochschulzulassungsrechtlich vorgegebenen Verfahrens an eine Hochschule in Hannover zur Verwirklichung des Berufswunsches (Zahnarzt) dringend geboten erscheinen lassen. Denkbar wären insoweit Fallgestaltungen, bei denen die - auch nur vorübergehende - Fortsetzung des Studiums an einem anderen Ort und das Warten auf einen nach Maßgabe der jeweiligen Vergabe-Verordnung geregelten Studienplatzwechsel aus persönlichen oder finanziellen Gründen für den Studierenden eine besondere Härte bedeuten würde (Beschluss der Kammer vom 3.5.2004 - 6 C 820/04 -).
Derartige besondere Gründe hat der Antragsteller nicht vorgetragen. Er hat nicht einmal dargelegt, dass er grundsätzlich auf die gerichtliche Entscheidung im vorliegenden Verfahren angewiesen ist, um sein Zahnmedizinstudium fortsetzen zu können. Weder hat der Antragsteller vorgetragen, dass er sich bei der Antragsgegnerin innerhalb der Bewerbungsfrist des § 2 Abs. 1 Satz 1 Hochschul-Vergabe-VO um einen innerkapazitären Studienplatz für Zahnmedizin im Sommersemester 2004 beworben und im Vergabeverfahren nach § 7 Abs. 1 des Niedersächsischen Hochschulzulassungsgesetzes (NHZG) einen abschlägigen Bescheid der Antragsgegnerin erhalten hätte. Noch hat er dargelegt, dass er auch an keiner anderen Hochschule entweder im innerkapazitären Vergabeverfahren oder im Wege des Studienplatztauschs in zumutbarer Weise einen innerkapazitären Studienplatz erhalten könnte. Im Übrigen fehlt es schon an einer Darlegung, dass der Antragsteller das Studium an der Universität D. gegenwärtig nicht mehr fortsetzen kann. Der Antragsteller hat dazu weder behauptet, dass ihm wegen des endgültigen Nichtbestehens des Leistungsnachweises für das Biochemie-Praktikum durch die Universität D. in absehbarer Zeit die Zwangsexmatrikulation drohte, noch hat er substantiiert vorgetragen, dass er den fehlenden Nachweis über das Praktikum in Biochemie auch nicht unter Aufrechterhaltung seiner gegenwärtigen Immatrikulation an einer anderen deutschen Hochschule erlangen könnte.