Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 28.09.2007, Az.: L 1 R 142/07
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 28.09.2007
- Aktenzeichen
- L 1 R 142/07
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2007, 61359
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2007:0928.L1R142.07.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Bremen - AZ: S 23 RI 104/03
In dem Rechtsstreit
...
hat der 1. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen ohne mündliche Verhandlung am 28. September 2007 in Celle
durch seinen Berichterstatter, Richter am Landessozialgericht C., als Einzelrichter
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
TATBESTAND
Die Beteiligten streiten um die Höhe der von der Beklagten an den Kläger gezahlten Altersrente für schwerbehinderte Menschen (AR).
Der im Dezember 1941 geborene Kläger hat eine Lehre zum Schiffbauer absolviert (1958 bis 1961) und von 1961 bis zu einem Unfallereignis im Jahre 1985 zeitweise als Arbeiter im Hafen, zeitweise als Arbeiter in der gewerblichen Fertigung sowie zeitweise als Schiffbauer gearbeitet, jeweils unterbrochen durch Zeiten der Arbeitslosigkeit.
Anlässlich eines (nicht als Wegeunfall) stattgehabten Verkehrsunfalles des Klägers am 11. Dezember 1985 (der Kläger wurde beim Überqueren einer Kreuzung durch eine Kfz angefahren) erlitt er erhebliche Verletzungen im Bereich der unteren Extremitäten (Schien- und Wadenbein-Bruch, Knieschaden), war zunächst arbeitsunfähig (Krankengeld-Bezug) und bezog schließlich von der Beklagten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU), zunächst in Gestalt mehrerer Zeit-Renten, ab April 1990 als Dauerrente.
Die Beklagte führte zunächst kein Beitragsregressverfahren gemäß § 119 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gegen den gegnerischen Haftpflichtversicherer (Thuringia-Versicherung) durch, da der Kläger nach der bis zum 31. Dezember 1991 maßgeblichen Gesetzes - und Rechtssprechungs-Lage über eine sogenannte "unfallfeste Position" verfügt habe. Nach einer Änderung der Rechtslage zum 1. Januar 1992 (Rentenreformgesetz 1992 - RRG 92) trat die Beklagte in das Beitragsregressverfahren gegen die Haftpflichtversicherung ein und schloss einen Vergleich dahingehend, dass für die Zeit von 1992 an von einem unfallbedingten Bruttolohn-Verlust des Klägers von 42 000,- DM/Jahr auszugehen, dieser an die allgemeine Lohnentwicklung anzupassen und die Regressierung des Beitragsschadens auf die Zeit vom 1. Januar 1992 bis zum 31. Dezember 2001 zu beschränken sei, da der Kläger ab 1. Januar 2002 eine abschlagsfreie AR beziehen könne. Über den Vergleich informierte die Beklagte den Kläger und dessen seinerzeitigen Prozessbevollmächtigten.
Im Januar 2002 stellte der Kläger bei der Beklagten den zu diesem Verfahren führenden Antrag auf AR, der von der Beklagten mit dem hier angefochtenen Bescheid vom 31. Januar 2003 dahingehend beschieden wurde, dass dem Kläger AR mit Wirkung ab 1. Januar 2002 mit einem monatlichen Zahlbetrag von ca. 800,- Euro gezahlt wurde. Ausweislich des beigefügten Versicherungskontos seien nach der entsprechend dem Vergleich erfolgten Beitragszahlung durch den Haftpflichtversicherer für die Jahre 1992 bis 2000 Bruttolohn-Verdienste in Höhe von 42 000,- DM/Jahr ansteigend bis auf 48 000,- DM/Jahr zugrunde gelegt worden.
Der Kläger erhob Widerspruch, hielt die Rentenhöhe für nicht nachvollziehbar und führte zur Begründung aus, es sei nicht erklärlich, warum der Rentenzahlbetrag der AR demjenigen der zuvor gezahlten EU-Rente entspreche, obwohl zwischenzeitlich der gegnerische Haftpflichtversicherer die regressierten Beiträge nachgezahlt habe.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 27. März 2003 zurück, verteidigte die vorgenommene Rechnung der Rentehöhe als rechtmäßig und führte zur Begründung u.a. aus: Maßgebliche Rechtslage zur Berechnung der Rentenhöhe sei der Zeitpunkt des Leistungsbeginns, vorliegend also der Januar 2002. Zu diesem Zeitpunkt seien im Vergleich zur früher gezahlten EU-Rente jedoch die Rechtsänderungen des Wachstums- und Beschäftigungsförderungs-Gesetzes (WFG) zu beachten, dass am 1. Januar 1997 in Kraft getreten sei. Das WFG habe unter anderem dazu geführt, dass die ersten 48 Kalandermonate mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung, also letztlich die Zeit der Berufsausbildung, für neu beginnende Renten deutlich niedriger bewertet würden. Dies gelte im Falle des Klägers auch unter Hinzurechnung der inzwischen regressierten Beiträge. Ein Minderzahlbetrag gegenüber der früher gezahlten EU-Rente resultiere für den Kläger allein deshalb nicht, weil vom Gesetz Vertrauensschutz vorgesehen sei.
Gegen den am 28. März 2003 zugegangenen Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 28. April 2003 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Bremen erhoben und zur Begründung ergänzend geltend gemacht: Ein Vergleich der der Rentenberechnung der EU-Rente zugrunde gelegten Entgeltpunkte (EP) mit denjenigen der AR zugrunde gelegten Rentenberechung zeige, dass die EP der AR gegenüber den EP der EU-Rente niedriger bewertet würden. Dies sei in Anbetracht des erst nach der EU-Rentenbewilligung durchgeführten Beitragsregresses nicht erklärbar. Auch sei nicht erkennbar, dass die Beklagte einen Günstigkeitsvergleich zwischen der EU-Rente und der AR durchgeführt habe. Warum dies unterblieben sei, sei ebenso wenig erkennbar. Zu den Fragen der Rentenberechnung sei ein Gutachten eines Renten-Sachverständigen einzuholen. Schließlich sei auch nicht nachvollziehbar, warum sich die Beklagte beim durchgeführten Beitragsregress mit einer Beitragszahlung für die Zeit bis zum 31. Dezember 2001 (Vollendung des 60. Lebensjahres) begnügt habe, obwohl der Kläger erst zum Zeitpunkt der Regelaltersrente (65. Lebensjahr) in Rente gegangen wäre.
Die Beklagte hat vor dem SG im Einzelnen erwidert: Ein Beitragsregress habe überhaupt erst seit dem Jahre 1992 durchgeführt werden können, weil erst das RRG 92 eine Änderung des diesbezüglich maßgeblichen § 62 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) erbracht habe. Für die Zeit ab 1992 habe sich die Beklage dabei in den Verhandlungen mit dem gegnerischen Haftpflichtversicherer nicht in vollem Umfang durchsetzen können, weil der Gegner auf bestehende Vorschäden des Klägers sowie auf die wirtschaftliche Entwicklung bei den Werften hingewiesen habe. Wegen der Beschränkung des zu regressierenden Zeitraums auf die Zeit bis zur möglichen Inanspruchnahme einer AR bei Vollendung des 60. Lebensjahres habe die Beklagte seinerzeit den Kläger auf eine rechtzeitige diesbezügliche Antragstellung der AR hingewiesen. Dies sei vom Kläger auch beachtet worden.
Das SG hat den Kläger mit richterlicher Verfügung darauf hingewiesen, dass die Rentenberechnung vom Gesetz vorgegeben und daher kein Raum für die Einholung eines entsprechenden Sachverständigen-Gutachtens gegeben sei. Außerdem hat das SG der Beklagten die Durchführung einer Proberechnung unter Zugrundelegung eines fiktiv bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres des Klägers durchgeführten Beitragsregresses aufgegeben. Der Kläger hat zur Proberechnung dahingehend Stellung genommen, dass die Proberechnung einen höheren Zahlbetrag für den Fall bestätige, dass der Beitragsregress durch die Beklagte nicht nur bis zur Vollendung des 60., sondern bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres des Klägers durchgeführt worden wäre.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 31. Januar 2007 abgewiesen und zur Begründung im Einzelnen ausgeführt, dass sowohl die Rentenberechnung der Beklagten keine Fehler erkennen lasse als auch der Beitragsregress rechtmäßig durchgeführt worden sei. Dabei folge die Beschränkung des Beitragsregresses auf die Zeit ab Vollendung des 60. Lebensjahres bereits daraus, dass der Kläger mit Inanspruchnahme der AR versicherungsfrei und damit eine Pflichtbeitragsentrichtung nicht mehr möglich sei.
Gegen das ihm am 14. Februar 2007 zugestellte Urteil richtet sich die am 14. März 2007 eingelegte Berufung, mit der der Kläger ergänzend geltend macht: Ein Beitragsregress sei nicht erst für die Zeit ab 1992, sondern auch für den davor liegenden Zeitraum möglich gewesen. Der frühere Beginn des Regresses sei auch von Nöten, da der Kläger durch das Unfallereignis bereits seit dem Jahre 1985 erwerbsunfähig und dementsprechend ohne Pflichtbeiträge sei. Auch habe der Beitragsregress nicht bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres des Klägers beschränkt werden dürfen, weil die zu diesem Zeitpunkt erfolgte Inanspruchnahme der AR allein aufgrund des schädigenden Ereignisses im Jahre 1985 erforderlich geworden sei und der Schädiger den Geschädigten so zu stellen habe, wie er ohne das schädigende Ereignis stehen würde, dass also der Kläger nicht erwerbsunfähig und bis zum 65. Lebensjahr erwerbstätig geblieben wäre. Darüber hinaus werde bestritten, dass bei dem von der Beklagten geführten Regressverfahren keine höheren Regressleistungen durchsetzbar gewesen sein sollen. Der Kläger sei an diesen Verhandlungen nicht beteiligt gewesen und habe von ihnen nichts gewusst. Er sei erst nachträglich hierüber informiert worden. Schließlich sei darauf aufmerksam zu machen, dass der Kläger nach "§ 302 SGB VI" die ihm gezahlte EU-Rente auch über den 1. Januar 2002 hinaus bis zur Vollendung seines 65. Lebensjahres habe beziehen können, was von der Beklagten nicht beachtet worden sei.
Der Kläger beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen sinngemäß,
- 1.
das Urteil des Sozialgerichts Bremen vom 31. Januar 2007 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 31. Januar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. März 2003 abzuändern,
- 2.
die Beklagte zu verurteilen, die ab dem 1. Januar 2002 gewährte Altersrente für Erwerbsunfähige unter Berücksichtigung der Einwendungen des Klägers zur Punktebewertung sowie unter Berücksichtigung der fehlenden Regression in den Jahren 1986 bis 1991 und unter Berücksichtigung weiterer Beitragszahlungen zwischen dem 60. und dem 65. Lebensjahres des Klägers neu zu berechnen,
hilfsweise,
- 3.
die Beklagte zu verpflichten, den Beitrags-Regress gegen die Thuringia-Versicherung neu aufzunehmen wegen der Zeiten 1986 bis 1991 und für die Zeit vom 60. bis zum 65. Lebensjahres des Klägers.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtenen Bescheide als zutreffend und bezieht sich zur Begründung ergänzend auf das Urteil des SG.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des erkennenden Senats durch Urteil seines Berichterstatters als Einzelrichter ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Sie haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidung gewesen.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE
Der erkennende Senat konnte durch Urteil seines Berichterstatters als Einzelrichter ohne mündliche Verhandlung gemäß §§ 155 Abs. 4, 3, 1, 124 Abs. 2, 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden, da sich die Beteiligten zuvor hiermit einverstanden erklärt haben.
Die gemäß §§ 143 ff. SGG statthafte und zulässige Berufung ist unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Neuberechnung der ihm gezahlten AR oder auf "Wiederaufnahme" des durchgeführten Beitragsregressverfahrens durch die Beklagte.
In prozessualer Hinsicht ist das SG zutreffend von der Statthaftigkeit (und Zulässigkeit im Übrigen) der vom Kläger erhobenen Klagen ausgegangen, wobei insbesondere die vom Kläger hilfsweise erhobene Klage (Antrag zu 3.) auf "Wiederaufnahme" des durchgeführten Beitragsregressverfahrens als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage ausgelegt werden kann (ebenso: Landessozialgericht Baden-Württemberg , Urteil vom 20.03.2007, L 9 R 917/05; zitiert nach "Sozialgerichtsbarkeit.de").
Auch in materieller Hinsicht ist das Urteil des SG nicht zu beanstanden.
Zutreffend hat das SG die wesentlichen gesetzlichen Grundlagen der Rentenberechnung der dem Kläger bewilligten AR zitiert und ausgeführt, dass der Kläger gegen die rechtmäßige Durchführung dieser Berechnungsschritte keine substantiierten Einwendungen erhoben hat (Rentenformel des § 64 SGB VI, persönliche EP nach § 66 SGB VI, Rentenartfaktor nach § 67 SGB VI, aktueller Rentenwert nach § 68 SGB VI).
Ebenfalls zutreffend hat das SG darauf aufmerksam gemacht, dass die dem Kläger bei der Berechnung der AR (Leistungsbeginn am 1. Januar 2002) gegenüber der Berechnung der EU-Rente erwachsenen Zahlbetragsminderungen durch die Vertrauensschutzvorschrift des § 88 SGB VI vermieden werden, die im Fall des Klägers auch zur Anwendung gebracht wurde.
Zu den Zahlbetragsminderungen hatte bereits die Beklagte in ihrem Widerspruchsbescheid zutreffend u.a. darauf hingewiesen, dass das maßgebliche Recht der Rentenberechnung nach §§ 300 ff. SGB VI dasjenige des Leistungsbeginns ist, vorliegend also das am 1. Januar 2002 geltende Recht des SGB VI. Ebenso zutreffend hat die Beklagte dabei ausgeführt, dass die Bewertung der ersten Versicherungsjahre im Konto eines Versicherten durch das am 1. Januar 1997 in Kraft getretene WFG deutlich ungünstiger gestaltet wurde.
Hierzu ist vom Senat ergänzend Folgendes auszuführen:
Mit Wirkung vom 1. Januar 1997 wurde § 70 Abs. 3 SGB VI durch das WFG aufgehoben und Zeiten der beruflichen Ausbildung wurden nunmehr als Anrechnungszeiten ausgestaltet (§ 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4a SGB VI in der Fassung des WFG). Sie unterlagen damit von nun an der begrenzten Gesamtleistungsbewertung nach § 71 und § 74 SGB VI. Durch die Begrenzung der Ausbildungsjahre in ihrer rentenrechtlichen Bewertung wollte der Gesetzgeber die Nähe zu den beitragsfreien Zeiten der schulischen Ausbildung verstärken, die zeitgleich auf 36 Monate begrenzt wurden (§ 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 in der Fassung des WFG). Zeiten der beruflichen Ausbildung sind daher seit dem WFG sogenannte beitragsgeminderte Zeiten, also einerseits Ausbildungsanrechnungszeiten, andererseits Beitragszeiten, wenn Pflichtbeiträge für eine versicherungspflichtige Beschäftigung entrichtet worden sind. Hinzu kommt, dass das WFG die durch das RRG 92 vorgenommene Begrenzung der Gesamtleistungsbewertung für bestimmte beitragsfreie Zeiten (auf 75 vom Hundert) in § 263 Abs. 3 SGB VI gestrafft hat und die Begrenzung nunmehr bereits ab dem Jahre 2001 erreicht wird.
Dabei ist vom Senat darauf aufmerksam zu machen, dass die vorgenannten Änderungen im Bereich der rentenrechtlichen Bewertung der ersten Ausbildungsjahre inzwischen nach einem Vorlagebeschluss des Bundessozialgerichts (BSG) vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) für verfassungsmäßig erachtet worden sind (Beschluss vom 27.02.2007, 1 BvL 10/00 ).
Da der Kläger im Berufungsverfahren keine substantiierten weiteren Einwendungen gegenüber der von der Beklagten vorgenommenen Rentenberechnung der AR erhoben hat, ist der angefochtene Bewilligungsbescheid daher nicht zu beanstanden.
Die vom Kläger geltend gemachte Berücksichtigung weiterer Pflichtbeitragszeiten als derjenigen, die bereits im Wege des Beitragsregressverfahrens zugeführt wurden, kann der Kläger nicht beanspruchen. Der Anspruch scheitert aus rechtlichen Gründen bereits daran, dass nur solche Pflichtbeitragszeiten im Versicherungsverlauf und damit in der Rentenberechnung berücksichtigungsfähig sind, die tatsächlich zugeflossen sind. Ausweislich des Versicherungsverlaufs und des aus der Akte ersichtlichen Schriftverkehrs hat der gegnerische Haftpflichtversicherer jedoch die mit ihm getroffene vergleichsweise Regelung zur Beitragsabführung für die Zeit vom 1. Januar 1992 bis zum 31. Dezember 2001 erfüllt, so dass nur für diesen Zeitraum Pflichtbeiträge im Versicherungsverlauf gespeichert und der Rentenberechnung zugrunde gelegt worden sind. Weitere Beitragszeiten, etwa die vom Kläger geltend gemachten Zeiten seit 1985 bis zum 31. Dezember 1991 oder zwischen de Vollendung des 60. und der Vollendung des 65. Lebensjahres, sind als Beitragszeiten nicht verzeichnet und dürfen daher der Rentenberechnung nicht zugrunde gelegt werden.
Damit ist der auf Neuberechnung der AR gerichtete Hauptantrag des Klägers unbegründet.
Unbegründet ist auch der Hilfsantrag des Klägers.
Der vom Kläger im Hilfsantrag geltend gemachte Anspruch auf "Wiederaufnahme" des Beitragsregressverfahrens durch die Beklagte mit dem gegnerischen Haftpflichtversicherer scheitert an dem Abschluss des zwischen der Beklagten und dem Haftpflichtversicherer geschlossenen Vergleichs, der weitere Ansprüche zwischen Beklagter und dem Haftpflichtversicherer ausschließt. Denn dieser Vergleich ist wirksam.
Der Vergleich, der nach dem zutreffenden Hinweis des SG grundsätzlich formlos wirksam ist, durfte von der Beklagten geschlossen werden, weil die Beklagte nach § 119 SGB X hierzu von Gesetzes wegen die Dispositionsbefugnis eingeräumt bekommen hat. Sinn der Vorschrift ist es u.a., sicherzustellen, dass Schadensersatzansprüche, soweit sie sich auf die Alterssicherung beziehen, auch tatsächlich (der gesetzlichen) Alterssicherung des (geschädigten) Versicherten zugeführt werden und nicht etwa zu anderen Zwecken verwendet werden (vgl. die Nachweise bei: LSG Baden-Württemberg, a.a.O.). Nach dem Regelungsgegenstand von Vergleichen im Beitragregressverfahren ist dabei grundsätzlich davon auszugehen, dass die Vergleichsschlüsse die geltend gemachten, sich auf die Alterssicherung beziehenden Ersatzansprüche vollumfänglich (und nicht nur teilweise) regeln sollen. Auch vorliegend ist für eine anderweitige Regelungsintention der Parteien des Vergleichsschlusses (Beklagte und Haftpflichtversicherer) nichts ersichtlich.
Insbesondere diente der geschlossene Vergleich auch gemäß § 779 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) der Beseitigung des Streits oder der Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigem Nachgebens. Ungewissheit bestand danach unter den Parteien darüber, für welchen Zeitraum und in welcher Höhe Rentenversicherungsbeiträge als Schadensersatz zu leisten waren.
Unwirksam wäre der Vergleich nur dann, wenn der nach dem Inhalt des Vertrages als feststehend zugrunde gelegte Sachverhalt der Wirklichkeit nicht entsprochen hätte und der Streit oder die Ungewissheit bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden wäre, § 779 Abs. 1 letzter Halbsatz BGB).
Vorliegend ist indes nicht ersichtlich, dass die Parteien von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen wären. Dies gilt sowohl bezüglich der zeitlichen Geltungsdauer des durchzuführenden Regresses als auch bezüglich der Höhe der zu leistenden Beitragszahlungen:
Nicht zu bestanden ist zunächst, dass die Beklagte das durchgeführte Beitragsregressverfahren auf den Zeitraum ab dem 1. Januar 1992 beschränkt hat.
Die Durchführung des Beitragsregressverfahrens erst ab 1. Januar 1992 entspricht der Rechtslage. Die maßgebliche Vorschrift des § 62 SGB VI, der in engem Zusammenhang mit § 119 SGB X zu sehen ist, ist am 1. Januar 1992 in Kraft getreten und seit dem anwendbar. Für vor diesem Zeitpunkt eingetretene Schadensfälle ist die Vorschrift nicht anwendbar. Dies hat nicht nur der BGH bereits entschieden, der in seinem Urteil vom 10. Dezember 1991 (6 ZR 29/91 ) die Neuregelung ausdrücklich nicht für Versicherungsfälle vor dem 1. Januar 1992 anwendbar hält. Dies entspricht vielmehr auch der überwiegenden Ansicht in der rechtswissenschaftlichen Literatur (Nachweise bei: Biereshorn in: von Wulffen u.a., Kommentar zum SGB X, § 119 Randnote 8; a.A. allerdings: Kasseler-Kommentar-Niesel, § 62 SGB X Randnote 6). Dieser Rechtslage hat die Beklagte entsprochen, in dem sie das Beitragsregressverfahren erst für die Zeit ab 1. Januar 1992 durchgeführt hat.
Ebenso wenig ist rechtlich zu beanstanden, dass die Beklagte den durchgeführten Beitragsregress auf die Zeit bis zum 31. Dezember 2001 beschränkte. Denn dies folgt aus tatsächlichen wie auch aus rechtlichen Umständen. In tatsächlicher Hinsicht kann nicht übersehen werden, dass beim Kläger tatsächlich die von dem gegnerischen Haftpflichtversicherer geltend gemachten "Vorschäden" bestanden haben, so dass ein durchgängiges Erwerbsleben bis zum 65. Lebensjahr nicht unzweifelhaft zugrunde gelegt werden durfte. Dazu ist zum einen auf die vom Kläger bereits im Jahre 1977 erlittene Schultergelenksluxation linksseitig zu verweisen, die nach dem Gutachten des Arztes für Orthopädie Dr. D. vom 3. April 1990 zu einer deutlichen Bewegungseinschränkung bei passiver Funktionsprüfung mit fixiertem Schulterblatt geführt hat. Dies dürfte sich gerade in den vom Kläger stets ausgeübten Tätigkeiten mit körperlicher Belastung im Verlauf der Jahre zunehmend auswirken. Daneben ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger selbst in seinem Antrag auf Rente wegen EU/BU aus dem Jahre 1987 darauf hingewiesen hat, in der Zeit "9/81 bis 8/82" eine "Entziehungskur" gemacht zu haben, weshalb ein weiteres Erkrankungsbild nicht ausgeschlossen werden kann. Vor allem aber durfte sich eine Beschränkung des Beitragsregresses bis zum 31. Dezember 2001 darauf stützen, dass der Kläger mit Wirkung ab 1. Januar 2002 (also unmittelbar ab Vollendung des 60. Lebensjahres) eine Altersrente für Erwerbsunfähige in Anspruch nehmen würde, weil der Kläger bereits seit dem Jahre 1985 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bezog, seit April 1990 als Dauerrente. Damit aber trat Versicherungsfreiheit ein. Eine Pflichtbeitragsentrichtung war nicht mehr möglich. Dies galt gerade auch für den durchzuführenden Beitragsregress, weil die im Wege des Regresses zu zahlenden Beiträge gerade als Pflichtbeiträge gelten (Schadensersatz für die ohne das Unfallereignis vom Arbeitgeber zu zahlenden Rentenversicherungsbeiträge auf das Beschäftigungsentgelt).
Daneben hat die Beklagte beanstandungsfrei auch die Höhe der zu ersetzenden Beiträge im Beitragsregressverfahren geltend gemacht. Der diesbezügliche Vortrag des Klägers, er hätte als gelernter Schiffsbauer ohne das Unfallereignis im Jahre 1995 (bis zu seinem 65. Lebensjahr) wesentlich höhere Brutto-Einnahmen als von der Beklagten und dem Haftpflichtversicherer zugrunde gelegt erzielt, lässt sich anhand des aus der Akte ersichtlichen Lebenslauf des Klägers nicht bestätigen. Danach hat der Kläger zwar eine Lehre zum Schiffsbauer absolviert (4/58 bis 3/61). Entgegen seinem Vortrag hat er jedoch sein Berufsleben nicht und auch nicht überwiegend als Schiffsbauer zurückgelegt. Zwar ist ersichtlich, dass der Kläger in den Jahren 1964 bis 1966 als Schiffsbauer bei verschiedenen Arbeitgebern tätig gewesen ist und zuletzt bei der Firma Weser Stahl-Bau GmbH als Schiffsbauer gearbeitet hat. In den keineswegs unerheblichen Zwischenzeiträumen ist jedoch zum Beispiel eine Tätigkeit als Hafenarbeiter (1966 bis 1967), als Arbeiter in einer Kettenfabrik (1972) sowie "unständige Beschäftigungen im Hafen" von 1974 bis 1981 erkennbar. Zudem ergibt sich aus dem - vom Kläger unbeanstandet belassenen - Versicherungsverlauf, dass zwischen 1961 und 1985 zahlreiche Zeiten der Arbeitslosigkeit vermerkt sind. Von einem durchgängigen Berufsleben als Schiffsbauer musste daher weder die Beklagte noch der gegnerische Haftpflichtversicherer ausgehen. Inwieweit die vorerwähnten Ereignisse der Schultergelenksluxation (1977) sowie der Entziehungskur (1981/1982) weiteren Einfluss auf das Erwerbsleben des Klägers ausgelöst haben, kann zu dessen Gunsten ungeprüft bleiben.
Eine Unwirksamkeit des Vergleichsschlusses ergibt sich schließlich auch nicht dadurch, dass die Beteiligten zur Zeit des Vergleichsschlusses spätere gesetzliche Regelungen noch nicht hätten berücksichtigen können. Zwar verkennt der Senat hierzu nicht, dass die vom Kläger ab dem Jahre 2002 bezogene AR nach den neueren gesetzlichen Regelungen bei vorzeitiger Inanspruchnahme grundsätzlich mit Abschlägen versehen war. Diese gesetzliche Neuregelung wirkt sich jedoch im Falle des Klägers nicht aus, da er nach der ausdrücklichen Regelung im angefochtenen Bescheid von Rentenabschlägen dieser Art gerade ausgenommen war (Vertrauensschutz). Und die vom Kläger im Berufungsverfahren ins Feld geführte Vorschrift des § "302 SGB VI" (gemeint war wohl: § 302b SGB VI) ist entgegen der Auffassung des Klägers keine Vorschrift zur "Verlängerung" einer EU-Rente bis zum Eintritt des 65. Lebensjahres mit der Folge, dass der Kläger diese Rentenart vorliegend zwingend weiter beanspruchen könnte. § 302b SGB VI dient vielmehr dem Zweck, eine Neufeststellung von EU-Renten zugunsten der Rentenversicherungsträger zu vermeiden, die deshalb nötig werden könnte, weil mit Wirkung ab 1. Januar 2001 das Recht der Erwerbsminderungsrenten gemäß §§ 43, 240 SGB VI in Kraft getreten ist. An der Bewilligungsfähigkeit der dem Kläger zum 1. Januar 2002 bewilligten AR wegen Erwerbsunfähigkeit ändert dies nichts. Den entsprechenden Antrag hatte der Kläger auch gestellt.
War nach alledem der zwischen der Beklagten und dem gegnerischen Haftpflichtversicherer geschlossene Vergleich über den durchgeführten Beitragsregress nicht gemäß § 779 BGB unwirksam, was die Beteiligten im Übrigen auch nicht vorgetragen haben, so entfällt damit der hilfsweise geltend gemachte Anspruch des Klägers auf "Wiederaufnahme" der Verhandlungen über den Beitragsregress, da die Beklagte aufgrund ihre durch § 119 SGB X übertragenen Dispositionsbefugnis zum Abschluss des Vergleichs berechtigt war und an den Vergleich gebunden ist.
Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge des § 193 Abs. 1 SGG zurückzuweisen.
Der Senat lässt die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtslage zu, § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG (ebenso in der vergleichbaren Fallkonstellation des LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.03.2007, L 9 R 917/05).