Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 16.11.2012, Az.: 2 Ws 295/12

Entziehen des gesetzlichen Richters bei der Entscheidung der großen Strafvollstreckungskammer statt der funktionell zuständigen kleinen Strafvollstreckungskammer über die Unterbringung

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
16.11.2012
Aktenzeichen
2 Ws 295/12
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2012, 39207
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2012:1116.2WS295.12.0A

Verfahrensgang

vorgehend
StA Lüneburg - AZ: 8101 Js 8840/11
LG Lüneburg - 08.10.2012

Fundstellen

  • NStZ-RR 2014, 5
  • NStZ-RR 2014, 63

Amtlicher Leitsatz

Entscheidet statt der funktionell zuständigen kleinen Strafvollstreckungskammer stattdessen die große Strafvollstreckungskammer, ist der nach § 64 StGB Untergebrachte seinem gesetzlichen Richter entzogen worden. Einer Zurückverweisung der Sache an die kleine Strafvollstreckungskammer bedarf es nicht, weil der Senat als das sowohl der großen als auch der kleinen Strafvollstreckungskammer übergeordnete Beschwerdegericht gemäß § 309 Abs. 2 StPO in der Sache selbst entscheiden kann.

In der Maßregelvollstreckungssache
gegen M.K. ,
geboren am xxxxxx 1984 in V. (Türkei),
zurzeit Psychiatrische Klinik L.,
- Verteidiger: Rechtsanwalt H., C. -
hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die sofortige Beschwerde des Untergebrachten gegen den Beschluss der 1. großen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Lüneburg vom 8. Oktober 2012 nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft durch die Richterin am Oberlandesgericht xxxxxx, den Richter am Oberlandesgericht xxxxxx und den Richter am Landgericht xxxxxx am 16. November 2012
beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben

Der Untergebrachte wird aus der durch das Urteil des Landgerichts Lüneburg vom 7. Februar 2012 angeordneten Unterbringung in einer Entziehungsanstalt in den Vollzug der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus überwiesen.

Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.

Das Landgericht Lüneburg verurteilte den Beschwerdeführer wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung und wegen Beleidigung in Tateinheit mit Bedrohung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten und ordnete seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) an. Die 1. große Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Lüneburg ordnete mit dem angefochtenen Beschluss die Überweisung des Beschwerdeführers in den Vollzug der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) an. Zur Begründung führt die Kammer - gestützt auf zwei Stellungnahmen der behandelnden Ärzte der Psychiatrischen Klinik L. - aus, der Untergebrachte leide vermutlich an einer hebephrenen Schizophrenie, hinter der die bei ihm bestehende Cannabissucht zurücktrete. Der Untergebrachte benötige eine klassische psychiatrische Behandlung aus einer Kombination von Medikation, Psychoedukation und unterstützender Psychotherapie.

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Untergebrachte mit seiner sofortigen Beschwerde. Er erstrebt die Fortführung der Vollstreckung der Maßregel im Rahmen der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt,

die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.

II.

Das Rechtsmittel hat im Ergebnis keinen Erfolg.

1. Der angefochtene Beschluss unterlag allerdings aus formellen Gründen der Aufhebung, weil ein funktionell unzuständiges Gericht, nämlich die große Strafvollstreckungskammer, entschieden hat. Gegen den Unterbrachten war eine Maßregel nach § 64 StGB angeordnet worden. Die Strafvollstreckungskammer in der Besetzung mit drei Richtern ist jedoch nicht zur Entscheidung über den Vollzug der Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt berufen, weil die Voraussetzungen des § 78 b Abs. 1 Nr. 1 GVG nicht erfüllt sind. Zuständig für die Entscheidung war vielmehr nach § 78 b Abs. 1 Nr. 2 GVG die Strafvollstreckungskammer in der Besetzung mit einem Richter. Durch die Entscheidung der großen Strafvollstreckungskammer ist der Untergebrachte somit seinem gesetzlichen Richter entzogen worden. In einem solchen Fall ist der angefochtene Beschluss aufzuheben (vgl. OLG Düsseldorf, NStZ 2000, 444 f.). Einer Zurückverweisung der Sache an die kleine Strafvollstreckungskammer bedarf es nicht, weil der Senat als das sowohl der großen als auch der kleinen Strafvollstreckungskammer übergeordnete Beschwerdegericht gemäß § 309 Abs. 2 StPO in der Sache selbst entscheiden kann (vgl. ebenda und Siolek in LR-StPO, GVG, § 78 b GVG, Rdnr. 17).

2. Die von dem Senat nunmehr selbst vorzunehmende Prüfung der Voraussetzungen des § 67 a Abs. 1 StGB führt zur Überweisung des Beschwerdeführers in den Vollzug der Maßregel der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB). In der Sache teilt der Senat die Auffassung der Strafvollstreckungskammer. Es liegt auf der Hand, dass die bei dem Beschwerdeführer vermutlich bestehende - und noch näher zu diagnostizierende - hebephrene Schizophrenie als führende psychiatrische Erkrankung am ehesten unter den Bedingungen des Maßregelvollzuges nach § 63 StGB therapiert werden kann und somit durch die Überweisung des Untergebrachten in diesen Maßregelvollzug seine Resozialisierung besser gefördert werden kann als durch seinen Verbleib im Maßregelvollzug der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO. Das Rechtsmittel des Beschwerdeführers hat hinsichtlich des erstrebten Zieles (Verbleiben im Maßregelvollzug nach § 64 StGB) in der Sache keinen Erfolg gehabt, sodass er die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen hat.