Verwaltungsgericht Stade
Beschl. v. 27.08.2013, Az.: 1 B 1554/13

Angliederung von Flächen an den gemeinschaftlichen Jagdbezirk

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
27.08.2013
Aktenzeichen
1 B 1554/13
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2013, 44679
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGSTADE:2013:0827.1B1554.13.0A

Fundstelle

  • NdsVBl 2013, 5

Gründe

Die Antragstellerin begehrt die aufschiebende Wirkung der von ihr erhobenen Klage wiederherzustellen.

Mit dieser Klage (1 A 1552/13) begehrt die Antragstellerin die Angliederung von Flächen an ihren Jagdbezirk, den gemeinschaftlichen Jagdbezirk A.. Bei der umstrittenen, ca. 68 hat großen Fläche handelt es sich um das sog. Gebiet H., das in der Gemarkung I. gelegen ist. Der Bereich H. grenzt im Süden an den gemeinschaftlichen Jagdbezirk J., im Norden an die Eigenjagden Niedersächsische Landesforste K. -West und K. -Ost und im Westen und Nord-Westen an den gemeinschaftlichen Jagdbezirk F.. Der Jagdbezirk J. und der Jagdbezirk A. sind im Gebiet des Beigeladenen zu 1. gelegen. I. und F. waren bis zum 31. Oktober 2011 selbständige Gemeinden und sind seit 1. November 2011 Teil der Einheitsgemeinde L., die im Gebiet des Antragsgegners gelegen ist.

Mit Bescheid vom 11. Oktober 1961 war das Gebiet H. von dem ehemaligen Landkreis M. an die in der Gemeinde A. gelegene Eigenjagd N. angegliedert worden. Zu dieser Eigenjagd gehörten außerdem die Flächen des ehemaligen Hofes N., die östlich an den Bereich H. angrenzen und im Jahr 2000 eine Größe von ca. 107 ha hatten. Mit Kaufvertrag vom 14. August 2001 veräußerte die damalige Eigentümerin des ehemaligen Hofes N. einen ca. 55 ha großen Teil der Gesamtfläche von ca. 107 ha. Mit Vertrag vom 27. Juni 2001 hatte sie zuvor den Eigenjagdbezirk bis zum 31. März 2013 erneut verpachtet.

In Anschluss an eine Beratung von Vertretern der Jagdgenossenschaften F. und I., der ehemaligen Samtgemeinde L., des Antragsgegners sowie der Jagdpächter über die Neuordnung der Jagdbezirke in den Gemeinden F. und I. gliederte der Antragsgegner mit Bescheid vom 27. März 2003 die Flächen der Enklave H. an den gemeinschaftlichen Jagdbezirk F. an.

Ende des Jahres 2010 wandte sich die Jagdgenossenschaft J. an den Antragsgegner und beantragte, die Flächen des Bereichs H. an den Jagdbezirk J. anzugliedern. Am 26. September 2012 wandte sich die Antragstellerin an den Antragsgegner. Sie sei Rechtsnachfolgerin der untergegangenen Eigenjagd N.. Mit Auflösung dieser Eigenjagd habe sie einen Anspruch auch auf Angliederung der Flächen im Bereich H.. Diese seien seit über 80 Jahren Teil der Eigenjagd N. gewesen. Die Flächen im Bereich H. gehörten zum beträchtlichen Teil Landwirten aus der Gemeinde A..

Nach Anhörung der Antragstellerin gliederte der Antragsgegner mit Bescheid vom 20. März 2013, der an die Beigeladene zu 2. gerichtet ist, die Grundstücke der Gemarkung I. im Bereich H. mit Wirkung zum 1. April 2013 an den gemeinschaftlichen Jagdbezirk F. an. Zur Begründung führte er aus:

Die Grundstücke gehörten zur Gemarkung I. und damit eigentlich zum gemeinschaftlichen Jagdbezirk I.. Sie seien aber von dem gemeinschaftlichen Jagdbezirk I. durch die beiden Eigenjagden "K. -Ost" und "K. -West" der Niedersächsischen Landesforste abgetrennt. Gemäß § 12 Abs. 3 NJagdG sei die Enklave H. einem oder mehreren der anliegenden gemeinschaftlichen Jagdbezirke in derselben Gemeinde anzugliedern. Da die Flächen der Enklave in westlicher Richtung an den gemeinschaftlichen Jagdbezirk F. angrenzten, würden sie diesem Jagdbezirk angegliedert. Der Jagdbeirat habe hierzu seine Zustimmung erteilt. Der Antragsgegner ordnete die sofortige Vollziehung an. Wegen des erhöhten Wildbestandes in diesem Bereich könne es im öffentlichen Interesse nicht hingenommen werden, dass eine Jagdausübung durch ein Gerichtsverfahren, das mehrere Jahre dauern könne, verhindert werde. An der weiteren zeitnahen Bejagung der Grundstücke im Bereich H. bestehe ein öffentliches Interesse, um zu verhindern, dass das Wild hier eine großflächige Rückzugsfläche erhalte, die eine Regulierung des erhöhten Wildbestandes unmöglich mache.

Mit Bescheid vom 22. März 2013, der an die Antragstellerin gerichtet ist, wiederholte der Antragsgegner diese Entscheidung mit identischer Begründung. Den Antrag der Antragstellerin, die streitige Fläche an den gemeinschaftlichen Jagdbezirk A. anzugliedern, lehnte er ab, weil der gemeinschaftliche Jagdbezirk A. nicht zur Gemeinde L. gehöre.

Die Antragstellerin hat am 28. März 2013 gegen den Bescheid vom 22. März 2013 Klage erhoben. Gleichzeitig hat sie um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Zur Begründung trägt sie vor:

Der Antragsgegner sei für die Entscheidung bereits nicht zuständig. Durch die bestandskräftige Verfügung des ehemaligen Landkreises M. vom 11. Oktober 1961 sei das in Rede stehende Jagdgebiet dem Jagdbezirk N. zugeschlagen worden. Dieser Jagdbezirk gehöre heute zu dem Beigeladenen zu 1. Dieser sei damit auch für die Jagdaufsicht über den Bereich H. zuständig. Soweit sich der Antragsgegner auf seine Verfügung vom 27. März 2003 berufe, sei auch diese wegen der fehlenden Zuständigkeit des Antragsgegners rechtsfehlerhaft. In den zurückliegenden Jahrzehnten habe sich der Antragsgegner um den Bereich H. in jagdlicher Hinsicht nicht gekümmert. Die Verschmelzung des Jagdgebietes H. mit dem Jagdgebiet N. sei nie beendet worden, weshalb beide Jagdgebiete als Einheit zu betrachten seien. Nach der Auflösung der Eigenjagd N. gehöre das Jagdgebiet H. zum Jagdbezirk A.. Das umstrittene Jagdgebiet werde von Pächtern der Eigenjagd N. bejagt. Die Angliederung des Bereiches Hohes Moor an den Jagdbezirk F. im Jahr 2003 sei nicht von Amts wegen vorgenommen worden, sondern um eine Vereinbarung zwischen den Jagdgenossenschaften I. und F. umzusetzen. Diese Vereinbarung sei rechtsunwirksam, weil die Eigentümer der Flächen daran nicht beteiligt gewesen seien und auch nicht gehört worden seien. Es treffe zuletzt nicht zu, dass es in dem fraglichen Gebiet einen erhöhten Wildbestand gebe. Der Schalenwildbestand sei den Abschusslisten entsprechend bejagt worden. Es bestehe deswegen kein öffentliches Interesse an der Anordnung der sofortigen Vollziehung.

Die Antragstellerin beantragt,

die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen den Bescheid vom 22. März 2013 wiederherzustellen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er habe bereits mit Bescheid vom 27. März 2003 die gemeinschaftlichen Jagdbezirke F. und I. abgerundet und dabei die Flächen der Enklave H. dem gemeinschaftlichen Jagdbezirk F. angegliedert. Die Abrundung sei erforderlich gewesen, weil die zusammenhängenden Grundstücksflächen nicht die nach § 12 NJagdG vorgesehene Mindestgröße von 250 ha erreicht hätten. Mit den Bescheiden vom 20. März 2013 und vom 22. März 2013 werde der Bescheid vom 27. März 2003 endgültig vollzogen. Dies sei durch das Ende des Pachtvertrages möglich geworden, der bislang dem Vollzug entgegengestanden habe. Mit der Angliederung der Enklave H. an den gemeinschaftlichen Jagdbezirk F. sei verhindert worden, dass die in seinem Hoheitsgebiet liegenden Flächen an eine Jagdgenossenschaft aus dem Gebiet des Beigeladenen angegliedert würden.

Die Beigeladene zu 2. stellt keinen Antrag. Sie trägt vor, die Verfügung des Landkreises M. aus dem Jahr 1961 sei durch den Untergang der Eigenjagd N. gegenstandslos geworden. Dem habe der Antragsgegner bereits durch die Verfügung vom 27. März 2003 Rechnung getragen.

Der Beigeladene zu 1. stellt keinen Antrag und hat sich zum Verfahren nicht geäußert.

Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

II.

Der Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung der von ihr erhobenen Klage auf der Grundlage des § 80 Abs. 5 VwGO wiederherzustellen, bleibt ohne Erfolg.

Er ist bereits unzulässig. Die Antragstellerin strebt die Angliederung der streitigen Fläche an ihren Jagdbezirk an, bzw. ist der Auffassung, dass die Fläche bereits zu ihrem Jagdbezirk gehöre. In der Hauptsache wäre ihr Begehren durch Verpflichtungsklage oder ggf. durch Feststellungsklage zu verfolgen. In beiden Fällen scheidet eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung aus, denn nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann - abgesehen von den Fällen des Widerspruches - nur die Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung entfalten. In anderen Fällen könnte vorläufiger Rechtsschutz allein auf der Grundlage des § 123 VwGO gewährt werden.

Auch ein derartiger Antrag der Antragstellerin wäre aber ohne Erfolg.

Das Gericht kann auf Antrag auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (§ 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint (§ 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V. mit § 920 Abs. 2 ZPO).

Abgesehen davon, dass durch einstweilige Anordnung die Hauptsache nur in einem Ausnahmefall, der hier nicht ersichtlich ist, vorweggenommen werden darf, hat die Antragstellerin auch einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Das Gebiet H. ist weder als Folge einer gesetzlichen Regelung ihrem Jagbezirk automatisch zugewachsen, noch hat die Antragstellerin einen Anspruch auf Angliederung der Fläche an den gemeinschaftlichen Jagdbezirk A..

Dabei kann sich die Antragstellerin nicht mit Erfolg auf die Verfügung des Landkreises M. vom 11. Oktober 1961 berufen, mit der der Gebietsteil H. der Eigenjagd N. angegliedert worden war. Diese Angliederungsverfügung entfaltet keine Rechtswirkungen mehr. Zwar gilt der Grundsatz, dass derartige Angliederungs- bzw. Abrundungsverfügungen wirksam bleiben, soweit sie nicht aufgehoben werden. Eine Ausnahme ist aber dann zu machen, wenn sie sich im Sinne des § 43 Abs. 2 VwVfG auf andere Weise erledigen. Eine solche anderweitige Erledigung ist gegeben, wenn das Regelungsobjekt eines Verwaltungsaktes wegfällt. Hier ist das Regelungsobjekt der Verfügung vom 11. Oktober 1961 dadurch weggefallen, dass der Eigenjagdbezirk N. durch die den Grundstücksverkäufen des Jahres 2001 nachfolgenden Eigentumsübertragungen untergegangen ist. Ein Eigenjagdbezirk geht unter und erlischt, wenn die Eigentumsfläche durch Flächenveräußerung unter die gesetzliche Mindestgröße von 75 ha (§ 7 BJagdG) fällt. Folge des Unterganges eines Eigenjagdbezirks ist das Erlöschen der Angliederung von Fremdflächen. Diese Wirkungen treten kraft Gesetzes ein, ohne dass es eines Verwaltungsaktes der zuständigen Behörde bedarf (vgl. hierzu z.B.: Pardey, Das Jagdrecht in Niedersachsen, § 7 Ziff. 8; OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 6.3.2002 - 8 A 11516/01 -, [...]; Möller, Umweltrecht, Wald, Planung, Naturschutz, Jagd, 3. Aufl. Band IV, Jagdrecht, S. 109). Wegen des in § 14 BJagdG bestimmten Schutzes des Jagdpächters waren die aus dem Vertrag vom Juni 2001 berechtigten Jagdpächter hier allerdings bis zum Ablauf der Pachtzeit zum 1. April 2013 so zu behandeln, als ob der Eigenjagdbezirk weiter bestehe.

Mit dem Untergang des Eigenjagdbezirks N. ist das Gebiet Hohes Moor nicht Teil des gemeinschaftlichen Jagdbezirks A. geworden, weil es nicht im Bereich der Gemeinde A. gelegen ist. Nach § 8 BJagdG i.V. mit § 12 Abs. 1 NJagdG bilden alle Grundflächen einer Gemeinde oder abgesonderten Gemarkung, die nicht zu einem Eigenjagdbezirk gehören, einen gemeinschaftlichen Jagdbezirk, wenn sie einschließlich befriedeter Flächen 250 ha zusammenhängender Fläche aufweisen. Den Gemeinden stehen Gemarkungen gleich, die - wie die heutigen Gemarkungen I. und F. - vor einem Gemeindezusammenschluss als selbständige politische Einheit bestanden haben (§ 14 NJagdG, Pardey, Das Jagdrecht in Niedersachsen, § 8 BJagdG Ziff. 2). § 8 BJagdG ist der Grundsatz zu entnehmen, dass das Gemeindegebiet und die Flächen eines oder mehrerer darin befindlicher gemeinschaftlicher Jagdbezirke übereinstimmen sollen (vgl. NdsOVG, Urt. v. 16.4.2008 - 4 LB 60/07 -, [...]).

Die Antragstellerin kann auch nicht die Angliederung an ihren Jagdbezirk verlangen. Als Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch kommt allein § 5 Abs. 1 BJagdG in Frage. Danach können Jagdbezirke durch Abtrennung, Angliederung oder Austausch von Grundflächen abgerundet werden, wenn dies aus Erfordernissen der Jagdpflege und Jagdausübung notwendig ist. Hier war es notwendig, das Gebiet H. einem Jagdbezirk anzugliedern, da das Gebiet, das in der Gemarkung I. gelegen ist, selbst die Mindestgröße der §§ 8 BJagdG, 12 NJagdG nicht erreicht, nicht mit den Flächen des Jagdbezirks I. zusammenhängt und bislang durch die Eigentümer der Grundstücke keine Abrundungsverträge (§ 7 NJagdG) geschlossen wurden. Im Fall einer derartigen jagdbezirksfreien größeren Exklave ist die Angliederung an einen Jagdbezirk im Sinne des § 5 BJagdG notwendig (vgl. z.B.: NdsOVG Urt. v. 16.4.2008 - 4 LB 60/07 -, [...]).

Der Antragsgegner war für die Entscheidung über die Angliederung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG i.V. mit § 1 NdsVwVfG örtlich zuständig, weil der Bereich H. in seinem Gebiet gelegen ist. Er war aber nicht verpflichtet, eine Angliederung an den Jagdbezirk A. vorzunehmen. Bei der Entscheidung der Frage, an welchen von mehreren in Betracht kommenden Jagdbezirken die Angliederung zu erfolgen hat, steht der Jagdbehörde Ermessen zu. Der aus § 8 BJagdG folgende Grundsatz, dass das Gemeindegebiet und die Flächen eines oder mehrerer darin befindlicher gemeinschaftlicher Jagdbezirke übereinstimmen sollen, ist dabei zu berücksichtigen (vgl. NdsOVG, Urt. v. 16.4.2008 - 4 LB 60/07 -, [...]). Ein Anspruch der Antragstellerin auf die begehrte Angliederung käme nur dann in Frage, wenn der Ermessensspielraum des Antragsgegners dergestalt reduziert wäre, dass aus Gründen der Jagdausübung und Jagdpflege allein die Angliederung an den Jagdbezirk A. rechtmäßig wäre. Dem Vorbringen der Antragstellerin lassen sich hierfür keine Anhaltspunkte entnehmen; solche sind auch sonst nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung erfolgt gemäß §§ 53 Abs. 2, 52 Abs. 2 GKG. Die Kammer folgt dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Stand 2004), der für Angelegenheiten, in denen um die Abrundung von Jagdbezirken gestritten wird, einen Streitwert von 10.000,00 € vorsieht. Für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes hat die Kammer diesen Wert halbiert.