Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 04.09.2014, Az.: L 8 AY 70/12

Kombinierte Anfechtungs- Verpflichtungs- und Leistungsklage; Zuständige Behörde für eine Rücknahmeentscheidung; Zeitlich nach einem Überprüfungsantrag eintretender Wegfall der Bedürftigkeit; Anspruch auf Asylbewerberleistungen; Rücknahme eines Ablehnungsbescheides im sozialrechtlichen Verwaltungsverfahren; Zuständigkeit für das Überprüfungsverfahren; Keine rechtsmissbräuchliche Beeinflussung der Aufenthaltsdauer bei fehlender Mitwirkung bei der Beschaffung von Ausweispapieren

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
04.09.2014
Aktenzeichen
L 8 AY 70/12
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2014, 30301
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2014:0904.L8AY70.12.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Bremen - 21.05.2012 - AZ: S 24 SO 69/11

Redaktioneller Leitsatz

1. Die Regelung des § 44 Abs. 3 SGB X und die dazu ergangene Rechtsprechung ist nicht so zu verstehen, dass die im Zeitpunkt der Rücknahmeentscheidung für den Erlass eines dem Ausgangsbescheid entsprechenden Verwaltungsaktes aktuell zuständige Behörde für die Rücknahme zuständig ist. Vielmehr ist nur dann, wenn zwischenzeitlich für den Erlass des konkreten nach § 44 Abs. 1 SGB X zu überprüfenden Bescheides eine andere Behörde zuständig geworden ist, diese auch für die Entscheidung über die Rücknahme zuständig. Eine andere Auslegung des § 44 Abs. 3 SGB X könnte auch nicht sachgerecht umgesetzt werden.

2. Grundsätzlich ist in Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X zu klären, ob der Bedarf, der nicht durch die ursprünglich begehrte und zu Unrecht versagte Sozialhilfeleistung gedeckt worden war, noch besteht. Eines derartigen Nachweises bedarf es jedoch bei pauschalierten Leistungen wie nach dem 3. bzw. 4. Kapitel des SGB XII nicht.

3. Der Senat folgt nicht der Rechtsprechung des BSG, nach der bei der Prüfung, ob zwischenzeitlich der ursprüngliche Bedarf, der zu Unrecht nicht durch Sozialhilfeleistungen gedeckt wurde, oder die Bedürftigkeit im oben bezeichneten Sinn entfallen sind, in zeitlicher Hinsicht naturgemäß auf die letzte Tatsacheninstanz abzustellen ist.

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bremen vom 21. Mai 2012 und der Bescheid der Beklagten vom 23. Juni 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Februar 2011 aufgehoben.

Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger für die Zeit vom 1. Januar 2006 bis zum 30. November 2009 unter Änderung diese Zeit betreffender Bewilligungen Leistungen nach § 2 AsylbLG unter Anrechnung bereits erhaltener Leistungen nach §§ 3 ff. AsylbLG zu zahlen.

Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt mit seiner Klage die Verurteilung der Beklagten, unter Aufhebung ihres ablehnenden Bescheides vom 23. Juni 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Februar 2011 auf seinen Antrag vom 10. März 2010 gemäß § 44 SGB X die Bewilligungen von Leistungen gemäß § 3 AsylbLG für den Zeitraum vom 1. Januar 2006 bis zum 30. November 2009 zu ändern und ihm für diesen Zeitraum Leistungen gemäß § 2 AsylbLG unter Anrechnung bereits gewährter Leistungen zu zahlen.

Der am F. 1984 in Syrien geborene Kläger reiste 1999 mit seinen Eltern und Geschwistern in die Bundesrepublik Deutschland ein und lebte bis November 2009 in Lüdenscheid. Sein Asylantrag wurde abgelehnt (rechtskräftig seit 15. Februar 2002). Seither war der Aufenthalt des Klägers geduldet. Am 16. November 2009 erhielt er eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 Satz 1 i.V. mit § 104a Abs. 1 Satz 2 AufenthG (sog. Altfallregelung), am 19. August 2013 eine Niederlassungserlaubnis. In den für den Kläger seit seiner Volljährigkeit getrennt geführten Ausländerakten finden sich keine Hinweise, dass der Kläger zu einer ausländerrechtlichen Mitwirkungshandlung (z. B. Passbeschaffung) aufgefordert worden ist. Nach einem Vermerk vom 22. Mai 2007 (Bl. 69 der Ausländerakten) sind vom Kläger "laut Akte bisher keine weiteren Mitwirkungspflichten gefordert (außer PEP-Antrag ausfüllen in 2003)" worden. Das entsprechende Formular für Passersatzpapier (PEP) hat der Kläger, soweit ersichtlich, zutreffend ausgefüllt und unterschrieben, allerdings sind die Fragen nach der Nummer der Zivilregistrierung nicht ausgefüllt. In der Folgezeit sind seitens der Ausländerbehörde keine Aufforderungen an den Kläger ergangen, vielmehr hat dieser selber mehrere Fahrten nach Berlin zur syrischen Botschaft unternommen und schließlich im November 2009 einen syrischen Pass erhalten.

Der Kläger bezog bis November 2007 von der Beklagten Leistungen nach dem AsylbLG, jedenfalls ab August 2002 nach § 3 AsylbLG. Bewilligungsbescheide sind in den Akten der Beklagten nicht zu finden; den Protokollbögen ist zu entnehmen, dass der Kläger während der gesamten Zeit neben hier nicht streitigen anteiligen Leistungen für Unterkunft und Heizung monatlich Barleistungen in Höhe von 40,90 EUR und Leistungen in Form von Gutscheinen in Höhe von 149,69 EUR erhalten hat. Außerdem hat er etliche Leistungen nach den §§ 4, 6 AsylbLG erhalten. Mit Bescheid vom 28. November 2009 wurde dem Kläger für den Monat Dezember 2009 ein Betrag von 0,00 EUR bewilligt, seither bezog er keine Leistungen nach dem AsylbLG mehr. Im Wintersemester 2009/2010 nahm der Kläger ein Studium an der Hochschule Bremen auf. Seither bezog er Leistungen nach dem BAföG, in der Zeit von Oktober 2009 bis August 2010 in Höhe von 584,00 EUR, nach dem letzten hier bekannten Bewilligungsbescheid bis August 2013 in Höhe von 670,00 EUR, davon jeweils die Hälfte als Darlehen. Für seine Unterkunft in Bremen hatte er eine Warmmiete in Höhe von 245,00 EUR monatlich zu entrichten. Zwischenzeitlich hielt sich der Kläger seit September 2011 mehrere Semester zu einem Auslandsstudium in Kairo auf und erhielt während dieser Zeit weiterhin Leistungen nach dem BAföG (sog. Auslands-BAföG). Direkt nach Abschluss seines Studiums hat er Mitte August 2014 in Karlsruhe eine Arbeit aufgenommen.

Am 11. März 2010 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Überprüfung der Leistungsgewährung nach dem AsylbLG ab Januar 2006 bis zum Ausscheiden aus dem Leistungsbezug und begehrte Leistungen nach § 2 AsylbLG. Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 23. Juni 2010 ab. Der Kläger sei Ausreiseaufforderungen nicht nachgekommen und habe bis 2009 vorsätzlich falsche Angaben gemacht. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 4. Februar 2011).

Gegen diese Entscheidung hat der Kläger durch seinen Bruder am 4. März 2011 Klage beim SG Dortmund erheben lassen, welches den Rechtsstreit an das SG Bremen verwiesen hat. Dieses hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 21. Mai 2012 abgewiesen und zur Begründung lediglich angegeben, der Kläger habe keinen Anspruch auf Nachzahlung der begehrten Leistungen, weil er sich tatsächlich nicht im Bundesgebiet aufhalte.

Gegen den Gerichtsbescheid hat der Kläger am 20. Mai 2012 Berufung eingelegt und darauf hingewiesen, dass er während des Bezuges von BAföG-Leistungen keine Erwerbstätigkeit ausgeübt habe.

Der Kläger beantragt,

1. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bremen vom 21. Mai 2012 und den Bescheid der Beklagten vom 23. Juni 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Februar 2011 aufzuheben,

2. die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger für die Zeit vom 1. Januar 2006 bis zum 30. November 2009 unter Änderung diese Zeit betreffender Bewilligungen Leistungen nach § 2 AsylbLG unter Anrechnung bereits erhaltener Leistungen nach §§ 3 ff. AsylbLG zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung und das Urteil des SG für zutreffend. Außerdem bestreitet sie nunmehr ihre Zuständigkeit (§ 10a AsylbLG) für den Überprüfungsantrag, weil der Kläger nicht mehr der Stadt Lüdenscheid zugewiesen sei.

Außer der Gerichtsakte lagen zwei Ordner Verwaltungsakten, den Leistungsvorgang des Klägers betreffend, sowie zwei Bände Ausländerakten vor. Sie waren Gegenstand des Verfahrens. Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte beider Rechtszüge und der Beiakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, der erforderliche Wert des Beschwerdegegenstandes von über 750,00 EUR ist bei dem hier streitigen Anspruch erreicht (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Die Berufung ist begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger auf dessen Überprüfungsantrag für die Zeit vom 1. Januar 2006 bis zum 30. November 2009 höhere Leistungen nach dem AsylbLG zu zahlen, der die Klage abweisende Gerichtsbescheid des SG ist aufzuheben.

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 23. Juni 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Februar 2011 (§ 95 SGG), mit dem so die Formulierung im angefochtenen Bescheid "eine Rücknahme der Bescheide über die Gewährung von Leistungen nach § 3 AsylbLG für die Zeit vom 1. Januar 2006 bis zum 30. November 2009" abgelehnt worden ist. Hiergegen wendet sich der Kläger zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 i.V. mit Abs. 4, § 56 SGG). Die ursprünglich vom Bruder des Klägers erhobene Klage ist zulässig; die Klageerhebung ist konkludent mit Bevollmächtigung eines Rechtsanwalts zur Weiterführung des Verfahrens genehmigt worden (vgl. BSG, Urteil vom 29. Juni 1995 - 11 Rar 57/94 - juris Rdn. 19). geheilt. Die Klage richtet sich zutreffend gegen die Stadt Lüdenscheid, die für die Entscheidung, ob eine Aufhebungsentscheidung nach § 44 SGB X zu erfolgen hat, sachlich und örtlich zuständig ist.

Unbeachtlich im Hinblick auf die Zuständigkeit der Beklagten ist, dass der Kläger, der während der streitigen Zeit in der Stadt Lüdenscheid und damit im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Beklagten (§ 1 des Nordrhein-Westfälischen Gesetzes zur Ausführung des AsylbLG vom 29. November 1994 GVBl. NRW S. 1087) gewohnt und von dieser bis November 2009 Leistungen nach dem AsylbLG erhalten hat, anschließend nach Bremen verzogen ist. Nach § 44 Abs. 3 SGB X entscheidet über die Rücknahme eines Verwaltungsakts nach dessen Unanfechtbarkeit die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist. Der Senat hat bereits mehrfach entschieden, dass die Regelung des § 44 Abs. 3 SGB X und die dazu ergangene Rechtsprechung nicht so zu verstehen ist, dass die im Zeitpunkt der Rücknahmeentscheidung für den Erlass eines dem Ausgangsbescheid entsprechenden Verwaltungsaktes aktuell zuständige Behörde für die Rücknahme zuständig ist. Vielmehr ist nur dann, wenn zwischenzeitlich für den Erlass des konkreten nach § 44 Abs. 1 SGB X zu überprüfenden Bescheides eine andere Behörde zuständig geworden ist, diese auch für die Entscheidung über die Rücknahme zuständig (vgl. Senatsurteil vom 17. November 2011 L 8 AY 34/10 B, unveröffentlicht; so auch SG Detmold, Urteil vom 24. Juni 2010 S 6 AY 68/09 juris Rdn. 24 m.w.N.; Scheider in Hohm, Kommentar zum AsylbLG, Stand Dezember 2013 § 9 Rdn. 73.2 bis 73.4; wohl offen gelassen durch BSG, Urteil vom 26. Juni 2013 B 7 AY 3/12 R juris Rdn. 10 bis 12; a. A. LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 11. Mai 2011 - L 5 AS 92/07 - juris Rdn. 40). Die Behörde, die den ursprünglichen Verwaltungsakt erlassen hat, soll nur dann für seine Beseitigung nicht mehr zuständig sein, wenn sie entweder zu keinem Zeitpunkt zuständig war oder ihre Zuständigkeit nach Erlass des Verwaltungsaktes, um dessen Beseitigung es geht, entfallen ist. Damit sollte verhindert werden, dass eine andere Behörde über die Beseitigung eines Verwaltungsaktes zu entscheiden hat als diejenige, die nunmehr zuständig ist, den maßgeblichen Sachverhalt zu regeln (vgl. BSG, Urteil vom 9. Juni 1999 B 6 KA 70/98 R juris Rdn. 21). Der vorliegende Fall macht deutlich, dass eine andere Auslegung des § 44 Abs. 3 SGB X auch nicht sachgerecht umgesetzt werden könnte. Für den Kläger ist nach dem Wegzug aus Lüdenscheid keine andere für Leistungen nach dem AsylbLG zuständige Behörde tätig geworden, weil er keine entsprechenden Leistungen mehr beantragt hat, es gäbe demnach keine "zuständige Behörde" i.S. von § 44 Abs. 3 SGB X. Die Voraussetzungen für die begehrte Änderung der Entscheidungen und eine nachträgliche Zahlung höherer Leistungen nach dem AsylbLG liegen vor. Der dem entgegenstehende hier streitige Bescheid der Beklagten vom 23. Juni 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Februar 2011 ist rechtswidrig. Die Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger unter Änderung ihrer die Zeit vom 1. Januar 2006 bis zum 30. November 2009 betreffenden Bewilligungen Leistungen nach § 2 AsylbLG unter Anrechnung bereits erhaltener Leistungen zu zahlen.

Rechtsgrundlage für die Änderung von bestandskräftig gewordenen Verwaltungsakten ist § 9 Abs. 3 AsylbLG i.V.m. § 44 Abs. 1 SGB X. Zwar existieren hier offensichtlich keine schriftlichen Bewilligungsbescheide über die dem Kläger vom 1. Januar 2006 bis zum 30. November 2009 gewährten Leistungen. Die Zahlungen sind jedoch dokumentiert, so dass der Senat keinen Zweifel daran hat, dass der Kläger während der gesamten streitigen Zeit monatlich Barleistungen in Höhe von 40,90 EUR und Leistungen in Form von Gutscheinen in Höhe von 149,69 EUR sowie Leistungen nach den §§ 4, 6 AsylbLG erhalten hat. Diese Leistungen sind konkludent ("in anderer Weise", § 37 Abs. 2 Satz 1 VwVfG) in Form von Verwaltungsakten bewilligt worden.

Nach § 44 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind.

Die Beklagte hat zu Unrecht den Überprüfungsantrag abgelehnt. Sie hatte bei der Auszahlung der Beträge und der Aushändigung der Wertgutscheine das Recht unrichtig angewandt und war zudem von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich als unrichtig erwiesen hat, und dem Kläger deshalb zu Unrecht nicht die ihm zustehenden Leistungen nach dem AsylbLG erbracht. Der Kläger hatte während der gesamten streitigen Zeit einen Anspruch auf Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG. Er gehörte als geduldeter Ausländer (§ 60a AufenthG) bis zum 15. November 2009 zu dem Personenkreis des § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG und hatte wie von § 2 Abs. 1 AsylbLG gefordert vor dem hier maßgeblichen Leistungsbeginn am 1. Januar 2006 über eine Dauer von (mehr als) 36 Monaten (vgl. § 2 Abs. 1 AsylbLG in der Fassung vom 30. Juli 2004, BGBl. I S. 1950) und zum Zeitpunkt der Änderung des § 2 Abs. 1 AsylbLG zum 28. August 2007 (BGBl. I S. 1970) über eine Dauer von (mehr als) 48 Monaten Leistungen nach § 3 AsylbLG bezogen. Die Leistungsberechtigung des Klägers nach dem AsylbLG endete gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 1 AsylbLG mit Ablauf des Monats November 2009, weil in diesem Monat mit der am 16. November 2009 erhaltenen Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 Satz 1 i.V. mit § 104a Abs. 1 Satz 2 AufenthG (sog. Altfallregelung) die Leistungsvoraussetzung des § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG entfallen war. Eine die Leistungsberechtigung nach § 1 Abs.1 Nr. 3 AsylbLG weiterhin begründende Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG aufgrund einer Altfallregelung wird Ausländern nicht "wegen des Krieges in ihrem Heimatland" erteilt (vgl. Frerichs in jurisPK-SGB XII, § 1 AsylbLG Rdn. 88 m.w.N.).

Entgegen der Auffassung der Beklagten kann dem Kläger nicht vorgeworfen werden, dass er die Dauer seines Aufenthalts rechtsmissbräuchlich im Sinne von § 2 Abs. 1 AsylbLG selbst beeinflusst hat. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BSG (insbesondere Grundsatzurteil vom 17. Juni 2008 - B 8/9b AY 1/07 R - juris) setzt nach Auffassung des Senats ein Rechtsmissbrauch in objektiver Hinsicht ein unredliches, von der Rechtsordnung missbilligtes Verhalten voraus. Der Ausländer darf sich nicht auf einen langdauernden Leistungsbezug nach § 3 AsylbLG berufen, den er selbst treuwidrig herbeigeführt hat. Einer zu missbilligenden Pflichtverletzung muss im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ein erhebliches Gewicht zukommen. Nicht jedes irgendwie zu missbilligende Verhalten führt zum Ausschluss von Analog-Leistungen, sondern nur ein Verhalten, das unter jeweiliger Berücksichtigung des Einzelfalls, der besonderen Situation eines Ausländers in der Bundesrepublik Deutschland und der besonderen Eigenheiten des AsylbLG unentschuldbar ist.

Hier fehlt es bereits an einem konkreten "Verhalten" des Klägers, welches die Dauer seines Aufenthalts hätte beeinflussen können. Ihm kann kein rechtsmissbräuchliches Tun oder Unterlassen bezogen auf die Dauer des Aufenthalts vorgeworfen werden. Dabei setzt ein Unterlassen als "Verhalten" voraus, dass der betreffenden Person bewusst war (subjektive Komponente), dass er sich in einer bestimmten Art und Weise verhalten muss, um sich nicht dem Vorwurf des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens ausgesetzt zu sehen. So ist die fehlende Verlängerung eines Ausweispapieres oder das Unterlassen einer Neubeantragung jedenfalls so lange kein rechtsmissbräuchliches Verhalten, bis die Ausländerbehörde konkret zur Mitwirkung (Handlung) auffordert.

Für die Zeit bis zur Volljährigkeit des Klägers im Juli 2002 könnten allenfalls seine Eltern rechtsmissbräuchlich gehandelt haben; dieses wäre dem damals minderjährigen Kläger jedoch nicht zuzurechnen (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 B 8 AY 8/07 R juris Rdn. 15). In der Folgezeit ist den Ausländerakten nicht zu entnehmen, dass der Kläger selber zu einer Mitwirkungshandlung aufgefordert worden ist. Dies ergibt sich im Übrigen auch aus einem Vermerk vom 22. Mai 2007 (Bl. 69 der Ausländerakten), nach dem vom Kläger außer dem Ausfüllen eines PEP-Antrags in 2003 keine weiteren Mitwirkungspflichten gefordert wurden. Das entsprechende Formular für Passersatzpapier (PEP) hat der Kläger, soweit ersichtlich, zutreffend ausgefüllt und unterschrieben. Die Frage nach der Nummer der Zivilregistrierung ist nicht beantwortet, eine weitere Nachfrage der Ausländerbehörde ist nicht ersichtlich. Auch in der Folgezeit sind keine Aufforderungen der Ausländerbehörde an den Kläger ergangen, vielmehr hat dieser selber mehrere Fahrten nach Berlin zur syrischen Botschaft unternommen und schließlich im November 2009 einen syrischen Pass erhalten. Die Behauptung in dem hier angefochtenen Bescheid vom 23. Juni 2010, der Kläger habe bis 2009 vorsätzlich falsche Angaben gemacht, ist offensichtlich unzutreffend.

Der Rücknahme der demnach rechtswidrigen Bewilligungen steht nicht entgegen, dass der Kläger seit August 2014 erwerbstätig ist und ersichtlich Einkommen erzielt, welches über der Bedürftigkeitsgrenze (unbeachtlich ob nach dem BAföG, dem SGB II oder dem AsylbLG) liegt. Maßgebend könnte allenfalls die hier nicht gegebene Erzielung von Einkommen oder Vermögen in der Zeit vor der Stellung des Überprüfungsantrages sein.

Leistungen nach dem AsylbLG sind ebenso wie Sozialhilfeleistungen für einen zurückliegenden Zeitraum grundsätzlich nur dann zu erbringen, wenn die Notlage im Zeitpunkt der beanspruchten Hilfeleistung noch besteht, sie also den Bedarf der hilfebedürftigen Person noch decken können. Etwas anderes gilt jedoch, wenn erst im Rechtsbehelfsverfahren die Hilfegewährung erstritten werden muss. Das Erfordernis eines effektiven Rechtsschutzes gebietet es, in diesen Fällen auch bei fehlender aktueller Bedürftigkeit Leistungen für die Vergangenheit zu gewähren. Die Einklagbarkeit zu Unrecht versagter Leistungen wäre anderenfalls uneffektiv, wenn die Sozialbehörde durch unberechtigtes Bestreiten des Anspruchs den Beginn der Leistung auf Jahre hinausschieben oder gar den mit dem bekanntgewordenen Bedarf entstandenen Anspruch vereiteln könnte (BSG, Urteil vom 29. September 2009 - B 8 SO 16/08 - juris Rdn. 14 unter Hinweis auf frühere Entscheidungen des BVerwG).

Nach der insoweit auch vom erkennenden Senat geteilten Auffassung des BSG (aaO.) muss der Vorrang des effektiven Rechtsschutzes bei der Anwendung der Zugunstenregelung des § 44 SGB X hingegen gegenüber den Besonderheiten des Sozialhilferechts regelmäßig zurücktreten. Effektiver Rechtsschutz wird grundsätzlich schon durch die Möglichkeit gewährt, gegen einen belastenden Bescheid gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen. § 44 SGB X dient dagegen nur der materiellen Gerechtigkeit zu Gunsten der leistungsberechtigten Person auf Kosten der Bindungswirkung von zu ihren Ungunsten ergangenen Verwaltungsakten (BSG aaO., Rdn. 15 unter Hinweis auf BSG SozR 3-1300 § 44 Nr. 21 S 43). Das Gebot der materiellen Gerechtigkeit verlangt unter sozialhilferechtlichen Aspekten gerade nicht, einer früher einmal hilfebedürftigen Person eine Leistung zu gewähren, die nicht mehr benötigt wird.

Grundsätzlich ist deshalb in Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X zu klären, ob der Bedarf, der nicht durch die ursprünglich begehrte und zu Unrecht versagte Sozialhilfeleistung gedeckt worden war, noch besteht. Eines derartigen Nachweises bedarf es jedoch bei pauschalierten Leistungen wie nach dem 3. bzw. 4. Kapitel des SGB XII nicht. Sie sind bei fortdauernder Bedürftigkeit im Rahmen von § 44 Abs. 4 SGB X auch nachträglich zu erbringen, weil der Sozialhilfeträger bei rechtswidriger Leistungsablehnung nicht dadurch entlastet werden darf, dass der Bedarf anderweitig gedeckt wurde (BSG, aaO. Rdn. 20). Auch ein nach dem AsylbLG Leistungsberechtigter muss nicht nachweisen, dass er konkrete Bedarfsanteile der jeweiligen Abteilung der Regelsatzverordnung tatsächlich hatte und durch Selbsthilfe oder Hilfe Dritter gedeckt hat; es ist vielmehr von einem fortbestehenden Bedarf auszugehen. Dies rechtfertigt es, die Differenz zwischen der nach dem AsylbLG und der nach dem SGB XII pauschalierten Leistung in voller Höhe nachzuzahlen und nicht auf eine konkrete Bedarfsdeckung im Einzelfall abzustellen (BSG, Urteil vom 9. Juni 2011 B 8 AY 1/10 R -, juris Rdn. 16). Die Sozialleistung kann ihren Zweck noch erfüllen, weil an die Stelle des ursprünglichen Bedarfs eine vergleichbare Belastung als Surrogat getreten ist (BSG, aaO. Rdn. 14).

Eine derartige "vergleichbare Belastung" liegt nach Auffassung des Sozialhilfesenats des BSG (BSG, aaO. Rdn. 21; zuletzt Urteil vom 26. Juni 2013 - B 7 AY 3/12 R, juris Rdn. 13) dann nicht mehr vor, wenn die Bedürftigkeit inzwischen temporär oder auf Dauer (zum maßgebenden Zeitpunkt der Prüfung s. unten) entfallen ist, etwa weil ein entsprechendes Einkommen erzielt oder Vermögen erworben wurde. Dies gilt, so das BSG, auch bei pauschalierten Leistungen. Ob dieser der Judikatur des BSG zu § 44 SGB X in anderen Leistungsbereichen entgegenstehenden Auffassung (der 8. Senat des BSG erwähnt insoweit selber Urteile vom 25. Oktober 1984 11 RAz 3/83 und vom 14. November 2002 B 13 RJ 47/01 R -; vgl. auch Urteil vom 1. Juni 2010 B 4 AS 78/09 R) zu folgen ist, kann hier dahinstehen (zur Kritik an der Rechtsauffassung des Sozialhilfesenats s. u.a. Conradis in Existenzsicherungsrecht, 2. Aufl. 2012, Kapitel 55 Rdn. 31; Baumeister in jurisPK-SGB X, § 44 SGB X Rdn. 29). Ein derartiger Wegfall der Bedürftigkeit ist im vorliegenden Fall jedenfalls nicht vor dem Tag eingetreten, an dem der Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X gestellt worden ist.

Der Senat folgt nicht der Rechtsprechung des BSG, nach der bei der Prüfung, ob zwischenzeitlich der ursprüngliche Bedarf, der zu Unrecht nicht durch Sozialhilfeleistungen gedeckt wurde, oder die Bedürftigkeit im oben bezeichneten Sinn entfallen sind, in zeitlicher Hinsicht "naturgemäß" auf die letzte Tatsacheninstanz abzustellen ist (so BSG, Urteil vom 29. September 2009 - B 8 SO 16/08 R - juris Rdn. 21). Für die Frage des maßgeblichen Zeitpunkts des anspruchsvernichtenden Bedürftigkeitswegfalls bei einem Zugunstenverfahren nach § 44 SGB X ist vielmehr nach allgemeinen prozessualen Grundsätzen und wegen des Gebots des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) auf den Zeitpunkt der Antragstellung i.S. des § 44 Abs. 4 Satz 3 SGB X bzw. bei einem von Amts wegen eingeleiteten Verwaltungsverfahren auf das Datum der Einleitungsverfügung abzustellen.

Nach allgemeinen Grundsätzen des Prozessrechts ist der für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgebliche Zeitpunkt regelmäßig von der Klageart abhängig. Bei einer Anfechtungsklage i.S. des § 54 Abs. 1 SGG ist grundsätzlich auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung abzustellen, bei einer Verpflichtungs- oder Leistungsklage auf diejenige zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (s. hierzu Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 54 Rdn. 33, 34). Dieser rechtliche Grundsatz ist aber kein abschließender Rechtssatz. Entscheidend ist das materielle Recht, nach dem auch ein anderer Zeitpunkt maßgeblich sein kann (vgl. BSG, Urteil vom 26. Juni 2001 B 2 U 28/00 R - juris Rdn. 13 ff.; Ulmer in Hennig, SGG, Loseblatt-Kommentar, Stand: Oktober 2014, § 54 Rdn. 136; Böttiger in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl. 2014, § 54 Rdn. 98; zu den Ausnahmen vgl. etwa die Einzelfälle bei Keller, aaO., § 54 Rdn. 33a, 34a). Zudem sind die Anspruchstellenden stets so zu stellen, als wenn von vornherein rechtmäßig entschieden worden wäre (BSG, Urteil vom 18. Oktober 2004 - B 2 U 176/04 B - juris Rdn. 6 am Ende; Castendieck in Lüdtke, SGG, 4. Aufl. 2012, § 54 Rdr. 77; Keller, aaO., § 54 Rdn. 34 am Ende).

Weil es bei dem Zugunstenverfahren nach § 44 SGB X um die Überprüfung eines früheren Bescheids geht, ist insoweit (in Bezug auf die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage) auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des nach § 44 SGB X angegriffenen Bescheids "aus heutiger Sicht" abzustellen (BSG, Urteil vom 25. Oktober 1984 - 11 RAz 3/83 - juris Rdn. 10, 11; BSG, Urteil vom 14. November 2002 - B 13 RJ 47/01 R - juris Rdn. 19; Ulmer, aaO., § 54 Rdn. 146). Etwas anderes gilt für den Auszahlungsanspruch nach § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X (in Bezug auf die Leistungsklage) und damit für das hier maßgebliche Tatbestandsmerkmal der Erbringung von Leistungen "nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches", wegen der entsprechenden Anwendung gemäß § 9 Abs. 3 AsylbLG insoweit als "nach den Vorschriften des AsylbLG" zu lesen. Diese Voraussetzung ist im Bereich der Sozialhilfe nach dem SGB XII und des AsylbLG - wie dargelegt - so auszulegen, dass einer (früher einmal) hilfebedürftigen Person eine Leistung nicht zu gewähren ist, wenn sie dieser Leistung nicht (mehr) bedarf (vgl. BSG, Urteil vom 29. September 2009 - B 8 SO 16/08 R - juris Rdn. 15). Da die anspruchstellende Person auch im Zugunstenverfahren stets so zu stellen ist, als wenn von vornherein rechtmäßig entschieden worden wäre, ist der maßgebliche Zeitpunkt für die Prüfung, ob Bedürftigkeit i.S. des AsylbLG oder des SGB XII bzw. des SGB II ununterbrochen fortbesteht, die Einleitung des Verwaltungsverfahrens, sei es auf Antrag oder von Amts wegen.

Die bereits vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Grundsätze für die Fälle, in denen Hilfesuchende bei einer rechtswidrigen Ablehnung innerhalb der gesetzlichen Fristen einen Rechtsbehelf einlegen, im Rechtsbehelfsverfahren die Hilfegewährung erst erstreiten müssen und zwischenzeitlich eine Bedarfsdeckung im Wege der Selbsthilfe oder Hilfe Dritter eintritt (vgl. zu diesen Grundsätzen auch BSG, Urteil vom 29. September 2009 - B 8 SO 16/08 R - juris Rdn. 14 m.w.N.), gelten letztlich auch bei Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X. In beiden Fällen bringt die betroffene Person - einerseits mit Einlegung des Rechtsbehelfs, andererseits mit der Stellung eines Antrags nach § 44 SGB X - zum Ausdruck, dass sie von der Rechtswidrigkeit der behördlichen Entscheidung überzeugt ist. Das Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) erfordert es auch im Zugunstenverfahren, dass die (häufig erhebliche) Dauer des Verwaltungs- und Gerichtsverfahrens, insbesondere aus Gründen der Überlastung, nicht zum Nachteil der Anspruchsstellenden geht (vgl. allgemein Castendieck, aaO., § 54 Rdn. 77).

Der vorliegende Fall, in dem der Kläger erstmals ein paar Tage vor der letzten mündlichen Verhandlung durch Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nach Abschluss des Studiums Einkommen offensichtlich über der Bedürftigkeitsgrenze erzielt hat, macht deutlich, dass die nicht im Einflussbereich des Klägers liegende Terminierung des Senats nicht zu dessen Lasten gehen darf.

Das Abstellen auf den Zeitpunkt der Antragstellung ist auch vor dem Hintergrund geboten, dass ein Überprüfungsverfahren ggfs. von Amts wegen eingeleitet werden kann (oder bei offensichtlicher Rechtswidrigkeit des ursprünglichen Bescheides muss). Eine leistungsberechtigte Person darf nicht schlechter gestellt werden, weil im Einzelfall ein gebotenes Aufgreifen von Amts wegen unterbleibt, ein Überprüfungsantrag - zu Unrecht - erfolglos bleibt und die Behörde sich ggfs. über mehrere Instanzen so lange weigert, zu Unrecht nicht erbrachte Leistungen nachzuzahlen, bis ein ggfs. geringfügiger und/oder nur temporärer Wegfall der Bedürftigkeit eintritt. Deshalb ist auch die Auffassung von Pattar (in Existenzsicherungsrecht, 2. Aufl. 2012, Kapitel 10 Rdn. 52), der anstelle der letzten mündliche Verhandlung einer Tatsacheninstanz auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung abstellen will, nicht konsequent, weil es auch dann weiterhin der Behörde obliegt, über den Prüfungszeitpunkt zu entscheiden.

Die wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers haben sich jedenfalls zwischen dem Beginn der hier streitigen Zeit im Januar 2006 und seinem Überprüfungsantrag vom 10. März 2010 nicht entscheidungserheblich geändert. Er bezog bis einschließlich November 2009 gleichbleibende Leistungen nach § 3 AsylbLG. Aufgrund der ihm im November 2009 erteilten Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 Satz 1 i.V. mit § 104a Abs. 1 Satz 2 AufenthG war er danach bis zum Abschluss seines Studiums dem Grunde nach anspruchsberechtigt nach dem SGB II. Allerdings hatte er während der gesamten Zeit gemäß § 7 Abs. 5 SGB II wegen seiner nach dem BAföG förderungsfähigen Ausbildung keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Die tatsächlich von ihm bezogenen Leistungen nach dem BAföG (bis August 2010 in Höhe von 584,00 EUR) lagen unter den in dieser Zeit maßgebenden Leistungen nach dem SGB II (monatliche Regelleistung 359,00 EUR zzgl. Kosten der Unterkunft 245,00 EUR), sodass von einem Wegfall der Bedürftigkeit insoweit nicht ausgegangen werden kann. Auch andere den Leistungsanspruch hindernde Umstände lagen nicht vor. Insbesondere ist unbeachtlich, dass sich der Kläger zwischenzeitlich während seines Studiums in Kairo nicht im Bundesgebiet aufgehalten hat. Unabhängig davon, dass er seit dem 16. November 2009 ohnehin nicht mehr zum leistungsberechtigten Personenkreis des § 1 AsylbLG gehörte, hat er für die Zeit seines Auslandsaufenthaltes auch keine Leistungen begehrt. Die Anspruchsvoraussetzung des § 1 AsylbLG ("Ausländer, die sich tatsächlich im Bundesgebiet aufhalten") musste der Kläger deshalb nicht erfüllen. Es stand und steht jedem frei, ggf. auch vom Ausland aus Ansprüche zu verfolgen, bei denen der gewöhnliche Aufenthalt während des streitigen Leistungsbezuges in Deutschland liegen musste. Eine Residenzpflicht sieht das Gesetz hierfür nicht vor.

Die dem Kläger von Januar 2006 bis November 2009 zu Unrecht nicht erbrachten Leistungen sind ihm deshalb unter Änderung der entsprechenden Bewilligungen nachzuzahlen. Höhere Leistungen sind allerdings nur dann gerechtfertigt, wenn die nach §§ 3 ff. AsylbLG gewährten Leistungen in der Summe niedriger sind als die Leistungen, die ihm in entsprechender Anwendung des SGB XII zugestanden hätten. Auch Einmalleistungen, die nach §§ 3 ff AsylbLG erbracht wurden, nach dem SGB XII jedoch von der Regelsatzleistung erfasst werden, sind bei dem Gesamtvergleich in Ansatz zu bringen (zur Berechnungsmethode, auch bei Krankenbehandlung nach § 4 Abs. 1 AsylbLG, ausführlich BSG Urteil vom 9. Juni 2011 - B 8 AY 1/10 R - juris Rdn. 18 f.). Eine detaillierte Berechnung durch den Senat ist hier nicht geboten; dies wird die Beklagte in Umsetzung ihrer Verpflichtung aus dem Grundurteil nach § 130 SGG (auch im Zugunstenverfahren nach § 44 SGB X zulässig; s. BSG in ständiger Rechtsprechung, zuletzt Urteil vom 26. Juni 2013 - B 7 AY 3/12 R - juris Rdn. 9) vorzunehmen haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen. Der Senat weicht zudem mit seiner Auffassung, dass ein zeitlich nach dem Überprüfungsantrag eintretender Wegfall der Bedürftigkeit unbeachtlich für die Nachzahlung zu Unrecht nicht erbrachter Sozialhilfeleistungen nach § 44 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 SGB X ist, von der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 29. September 2009 - B 8 SO 16/08 -) ab, so dass auch ein Zulassungsgrund nach § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG vorliegt.