Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 16.02.2017, Az.: 7 B 983/17

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
16.02.2017
Aktenzeichen
7 B 983/17
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2017, 53850
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Zur Wahrung der Familieneinheit bei asylrechtlicher Abschiebungsandrohung.

Gründe

Der Antragsteller ist Roma aus Serbien.

Er reiste im Oktober 2014 nach Deutschland ein und stellte Asylantrag, den die Antragsgegnerin mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 17. Dezember 2015 (Geschäftszeichen: 5878316-170) als offensichtlich unbegründet ablehnte.

Darauf erhob der Kläger vor dem Verwaltungsgericht Oldenburg Klage im Verfahren 7 A 393/16, die das Gericht mit rechtskräftigem Gerichtsbescheid vom 16. Februar 2016 abwies. Seinen zugleich gestellten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes lehnte das Gericht mit seinem Beschluss vom 3. Februar 2016 im Eilverfahren 7 B 395/16 ab.

Danach kehrte der Antragsteller nach Serbien zurück. Im Dezember 2016 reiste er erneut nach Deutschland ein.

Der Antragsteller war oder ist Lebensgefährte der  ... , Klägerin und Antragstellerin zu 2. in den beiden erledigten Verfahren (s.o.), und ist Vater derer beiden Kinder  ... und  ... , Kläger und Antragsteller zu 3. und 4. in jenen Verfahren (s.o.).  ... ist zudem Mutter des am 27. Mai 2016 in Serbien geborenen Kindes  ... . Für das Kind  ... erkannte am 6. Oktober 2016 in Essen an der Ruhr ein Deutscher notariell die Vaterschaft an. Sie sind derzeit alle in Deutschland aufhältig.

Der Antragsteller stellte am 9. Januar 2017 bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Oldenburg Asylfolgeantrag und gab dazu an, er sei wegen seiner Kinder und wegen seiner familiären Probleme wieder nach Deutschland gekommen (Seite 1 Beiakte 1).

Mit anwaltlichem Schreiben vom 18. Januar 2017 brachte er vertiefend vor, dass er wegen des Aufenthaltes seiner langjährigen Lebensgefährtin  ... in Deutschland, für die eine Aufenthaltserlaubnis beantragt sei, da sie Mutter des (o.a.) deutschen Kindes sei, nach Deutschland gekommen sei. Für ihn selber sei als Vater der beiden weiteren Kinder von  ... bereits die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis beantragt (Seite 36 Beiakte 1).

Mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Oldenburg, vom 31. Januar 2017, zugestellt am 6. Februar 2017, lehnte die Antragsgegnerin den Asylfolgeantrag des Antragstellers als unzulässig, seinen Antrag auf Abänderung des Bescheides vom 17. Dezember 2015 hinsichtlich der Feststellung zu § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG ab, forderte ihn unter Abschiebungsandrohung nach Serbien zur Ausreise binnen Wochenfrist auf und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gem. § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung.

In den Gründen heißt es im Wesentlichen, konkrete Gesichtspunkte, die geeignet wären, die im Erstverfahren getroffenen Bewertungen zu widerlegen oder zumindest nachhaltig zu entkräftigen, seien nicht glaubhaft dargetan. Jedenfalls sei nicht erkennbar, dass sich die Sachlage tatsächlich entscheidungserheblich zu Gunsten des Antragstellers geändert habe. Außerdem habe der Antragssteller nicht glaubhaft gemacht, die Drei-Monats-Frist aus § 51 Abs. 3 VwVfG eingehalten zu haben. Gem. §§ 71 Abs. 4,  34 Abs. 1 AsylG sei Abschiebungsandrohung nach § 59 AufenthG mit Ausreisefrist von einer Woche zu verfügen. Bei der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes auf dreißig Monate hätten zu Gunsten des Antragstellers keine Umstände berücksichtigt werden können, die im Rahmen des Ermessens für ihn gesprochen hätten; soweit er bei seinen Kindern in Deutschland bleiben wolle, führe dies nicht zu einer anderen Bewertung, weil nach Aktenlage nicht ersichtlich sei, dass diese Kinder zur Zeit ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht in Deutschland besäßen.

Am 13. Februar 2017 hat der Antragsteller Klage im Hauptsacheverfahren 7 A 980/17 erhoben und vorliegenden Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt.

Zur Begründung legt er erneut dar, dass er wegen des Bedarfs an räumlicher Nähe zum Aufenthaltsort seiner Kinder in Deutschland Asylfolgeantrag gestellt habe. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für ihn stehe im Raume.

Für das Hauptsacheverfahren werde begehrt, den Bescheid der Antragsgegnerin vom 31. Januar 2017 aufzuheben, soweit mit dem Bescheid ein Einreise- und Aufenthaltsverbot auferlegt wird und soweit die Abschiebung angedroht wird.

Im vorliegenden Eilverfahren beantragt der Antragsteller ausdrücklich (Blatt 2 Gerichtsakte),

die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung des Bundesamtes anzuordnen.

Die Antragsgegnerin hat elektronisch ihren Verwaltungsvorgang vorgelegt (Beiakte 1).

II.

Der nach § 80 Abs. 5 VwGO i.V.m. §§ 71 Abs. 4 1. Halbsatz, 36 AsylG zu beurteilende Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes, über den gem. § 76 Abs. 4 Satz 1 AsylG der Einzelrichter entscheidet, ist unbegründet.

Die im Bescheid der Antragsgegnerin vom 31. Januar 2017 verfügte und allein mit dem Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes angegriffene Abschiebungsandrohung ist, wie im Übrigen auch der gesamte Bescheid vom 31. Januar 2017, rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 80 Abs. 5, § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO, § 36 Abs. 4 AsylG. Zu Recht hält die Antragsgegnerin den Asylfolgeantrag des Antragstellers gem. § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG für unzulässig sowie Abschiebungshindernisse für nicht gegeben und verknüpft dies in ebenfalls rechtlich nicht zu beanstandender Art und Weise sodann mit der hier angegriffenen Abschiebungsandrohung.

Weil dieser Bescheid rechtmäßig und insbesondere auch ordnungsgemäß begründet ist, bezieht sich das Gericht zur Vermeidung von Wiederholungen entsprechend auf § 117 Abs. 5 VwGO und entsprechend § 77 Abs. 2 AsylG zur Begründung des vorliegenden Beschlusses auf dessen Gründe, die es sich insoweit zu Eigen macht. Insbesondere benennt der Antragsteller nicht einen einzigen asylrechtlich beachtlichen Grund für seine erneute Einreise nach Deutschland und ist ein solcher auch ansonsten nicht ersichtlich.

Ergänzend hält das Gericht Folgendes fest:

Das Vorbringen des Antragstellers, Kontakt zu seinen eigenen Kindern haben zu müssen, die ein Aufenthaltsrecht von ihrer Mutter ableiten könnten, die angesichts ihres deutschen Kindes ein Aufenthaltsrecht erlange, greift im vorliegenden asylrechtlichen Verfahren nicht durch. Vielmehr dürfte es sich um eine (insoweit: rein) ausländerrechtliche Angelegenheit handeln, deren weitere Prüfung außerhalb der Zuständigkeit der Antragsgegnerin liegt und welche vielmehr bei der zuständigen Ausländerbehörde angesiedelt ist. Soweit der Kläger vorbringt, in Erwartung eines entsprechenden abgeleiteten ausländerrechtlichen Aufenthaltsrechtes zu stehen, verhilft dies dem Eilantrag gegen die Abschiebungsandrohung nicht - wie auch insgesamt voraussichtlich der Klage im Hauptsacheverfahren nicht - zum Erfolg. Insbesondere liegen insoweit keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vor.

Allerdings müssen die Ausländerbehörden bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des betroffenen Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, pflichtgemäß berücksichtigen, und entspricht dem ein Anspruch des Ausländers auf angemessene Berücksichtigung dieser Bindungen (BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 5. Juni 2013 – 2 BvR 586/13 –, juris). Aber entgegen der wohl vom Antragsteller vertretenen Auffassung ist die Frage, inwieweit eine Familientrennung des Antragstellers von seinen minderjährigen Kindern droht, nicht im vorliegenden Asylverfahren durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (bzw. anschließend das Verwaltungsgericht) zu klären. Zwar verweist § 60 Abs. 5 AufenthG auf die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), die in Artikel 8 EMRK das Familienleben schützt. Indes bezieht sich der Verweis in § 60 Abs. 5 AufenthG aber nur auf solche Abschiebungshindernisse, die in Gefahren begründet liegen, welche dem Ausländer im Zielstaat der Abschiebung drohen ("zielstaatsbezogene" Abschiebungshindernisse). Hindernisse, die einer Vollstreckung der Ausreisepflicht entgegenstehen, weil andernfalls ein geschütztes Rechtsgut im Bundesgebiet verletzt würde ("inlandsbezogene" Vollstreckungshindernisse), fallen dagegen nicht unter § 60 Abs. 5 AufenthG. Der Umfang der in § 24 Abs. 2 AsylG geregelten Pflicht zur Sachaufklärung der Antragsgegnerin im Asylverfahren, ob Abschiebungsverbote vorliegen, wird insoweit von vornherein auf das Vorliegen von zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernissen reduziert. Denn für die Durchführung der Abschiebung und auch für die Entscheidung über alle inlandsbezogenen und sonstigen tatsächlichen Vollstreckungshindernisse ist die Ausländerbehörde zuständig. Zu den ausschließlich von der Ausländerbehörde zu prüfenden Vollstreckungshindernissen gehört auch ein etwaiges Verbot, durch die Abschiebung eine mit Artikel 6 GG und Artikel 8 EMRK nicht vereinbare Trennung von Familienmitgliedern zu bewirken (BVerwG, Urteil < zur Vorgängervorschrift § 53 Absatz 4 AuslG > vom 11. November 1997 - 9 C 13.96 -, BVerwGE 105, 322-328 = juris, Rn. 8 ff.; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 13. Dezember 2012 - A 2 S 1995/12 -, juris, Rn. 15; VG Düsseldorf, Urteil vom 24. April 2015 – 13 K 5706/13.A –, juris). Da das Bundesamt für die Antragsgegnerin demnach über inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse von vornherein nicht entscheidet, kann diese Entscheidung der Antragsgegnerin - anders als der Antragsteller wohl zu meinen scheint - insoweit auch keine Bindungswirkung für die Ausländerbehörde erzeugen. Dementsprechend sieht auch § 43 Abs. 3 AsylG vor, dass die Ausländerbehörde über die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung entscheidet, wenn Eltern und ihre minderjährigen Kinder gleichzeitig einen Asylantrag gestellt haben, um die gemeinsame Ausreise der Familie zu ermöglichen. Mithin ist zusammenfassend festzuhalten, dass Hindernisse, die einer Vollstreckung der Ausreisepflicht entgegenstehen, weil andernfalls ein geschütztes Rechtsgut im Bundesgebiet verletzt würde ("inlandsbezogene" Vollstreckungshindernisse), hier: eventuell die Wahrung der Familieneinheit, nicht § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG unterfallen. Zu solchen ausschließlich von der Ausländerbehörde zu prüfenden Vollstreckungshindernissen gehört auch ein etwaiges Verbot, durch die Abschiebung eine mit Art. 6 GG und Art. 8 EMRK nicht vereinbare Trennung von Familienmitgliedern zu bewirken (VG Düsseldorf, Beschluss vom 23. Januar 2015 – 13 L 3224/14.A –, juris, Rn. 18). Darauf muss der Antragsteller sich verweisen lassen.

Schließlich bemerkt das Gericht, dass die im angegriffenen Bescheid verfügten Nebenbestimmungen, insbesondere die Befristung des Wiedereinreise- und Aufenthaltsverbotes, auch unter Berücksichtigung des diesbezüglichen Vorbringens des Antragstellers hinsichtlich seiner familiären Bindungen angesichts des Umstandes, dass die Antragsgegnerin im angegriffenen Bescheid ihr Ermessen hinreichend betätigt hat, auch nach derzeitigem Sach- und Streitstand keinen rechtlichen Bedenken begegnet, obwohl diese Verfügung des angegriffenen Bescheides hier nicht Gegenstand des vorliegenden Eilverfahrens, sondern insoweit nur Gegenstand des Hauptsacheverfahrens ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, 83b AsylG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.