Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 20.02.2017, Az.: 2 A 6163/16
Flüchtlingsschutz; Syrien
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 20.02.2017
- Aktenzeichen
- 2 A 6163/16
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2017, 53573
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 3 AsylVfG
Tenor:
Die Beklagte wird verpflichtet, den Klägern die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG zuzuerkennen. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 31. Oktober 2016 wird aufgehoben, soweit er dem entgegensteht.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand:
Die Kläger sind syrische Staatsangehörige. Bei den Klägern zu 2) bis 7) handelt es sich um die minderjährigen Kinder der Klägerin zu 1). Die Kläger begehren die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
Nach ihrer Einreise in die Bundesrepublik Deutschland stellten sie Asylanträge. Nach Anhörung der Klägerin zu 1) erkannte die Beklagte mit Bescheid vom 31. Oktober 2016, zugestellt am 11. November 2016, den Klägern den subsidiären Schutzstatus zu und lehnte die Asylanträge im Übrigen ab.
Am 23. November 2016 haben die Kläger Klage erhoben.
Die Kläger beantragen,
die Beklagte unter Aufhebung von Ziffer 2 des Bescheides vom 31. Oktober 2016 zu verpflichten, ihnen die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorganges sowie der bei der Kammer geführten Erkenntnismittel zu Syrien Bezug genommen, der Gegenstand der Entscheidungsfindung war.
Entscheidungsgründe
Die Klage, über die nach Übertragungsbeschluss der Kammer der Einzelrichter und im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte, ist zulässig und begründet.
Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG liegen vor.
Die Flüchtlingseigenschaft ist zuzuerkennen, da sich die Kläger nach der Überzeugung des Gerichts aus begründeter Furcht vor Verfolgung durch den syrischen Staat wegen ihrer vermuteten politischen Überzeugung außerhalb Syriens befinden, § 3 Abs. 1, 4 AsylG. Es kann dahinstehen, ob sie Syrien wegen Verfolgung im Sinne dieser Vorschrift verlassen haben; es droht ihnen jedenfalls bei einer Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine solche.
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will. Die Verfolgung kann gemäß § 3c AsylG ausgehen von dem Staat (Nr. 1), Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen (Nr. 2) oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (Nr. 3).
Die Flüchtlingseigenschaft wird nicht zuerkannt, wenn eine interne Schutzmöglichkeit besteht, vgl. § 3e AsylG.
Unter dem Begriff der politischen Überzeugung ist gemäß § 3b Abs. 1 Nr. 5 AsylG insbesondere zu verstehen, dass der Ausländer in einer Angelegenheit, die die in § 3c AsylG genannten potenziellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren betrifft, eine Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertritt, wobei es unerheblich ist, ob er aufgrund dieser Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung tätig geworden ist. Es kommt auch nicht darauf an, ob er diese Merkmale tatsächlich aufweist. Vielmehr reicht es aus, wenn ihm diese von seinem Verfolger zugeschrieben werden, § 3b Abs. 2 AsylG. Für die Beurteilung der Frage, ob die Furcht vor Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG begründet ist, gilt auch bei einer erlittenen Vorverfolgung der einheitliche Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG vom 1. Juni 2011 - 10 C 25.10 - juris, Rn. 22).
Die begründete Furcht vor Verfolgung kann gemäß § 28 Abs. 1a AsylG auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Ausländer das Herkunftsland verlassen hat, insbesondere auch auf einem Verhalten, das Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung ist. Auch soweit die begründete Furcht vor Verfolgung auf Nachfluchtgründen beruht, reicht es bei der Prüfung der Verfolgungsgründe aus, wenn diese Merkmale dem Asylantragsteller von seinem Verfolger zugeschrieben werden, vgl. § 3b Abs. 2 AsylG. Schutz nach § 3 Abs. 1 AsylG kann nur derjenige beanspruchen, der politische Verfolgung bei einer Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat. Eine Verfolgungsgefahr für einen nicht verfolgt Ausgereisten und damit dessen begründete Furcht vor Verfolgung liegt vor, wenn ihm bei verständiger, nämlich objektiver Würdigung der gesamten Umstände seines Falles mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung droht, so dass ihm nicht zuzumuten ist, im Heimatstaat zu bleiben oder dorthin zurückzukehren (BVerwG, Urteil vom 7. Februar 2008 - 10 C 33.07 - juris, Rn. 37).
Gemessen an diesen Kriterien liegen die Voraussetzungen des § 3 AsylG hier vor. Das Gericht ist davon überzeugt, dass die Furcht der Kläger vor einer Verfolgung im Falle einer Rückkehr unter Berücksichtigung der gegenwärtigen politischen Verhältnisse in Syrien, der Asylantragstellung und des Aufenthalts im westlichen Ausland begründet ist.
Das Gericht schließt sich in dieser Frage der Rechtsprechung u.a. des Verwaltungsgerichts Regensburg (Urteile vom 6. Juli 2016 - RN 11 K 16.30889 - juris), des Verwaltungsgerichts Köln (Urteile vom 25. August 2016 - 20 K 6664/15.A - juris, Rn. 17-33, vom 25. Oktober 2016 - 20 K 2890/16.A - juris, vom 6. Dezember 2016 - 20 K 4917/16.A - juris, und vom 24. Januar 2017 20 K 8414/16.A - juris), des Verwaltungsgerichts Trier (Urteil vom 7. Oktober 2016 - 1 K 5093/16.TR - juris), des Verwaltungsgerichts Schleswig (Gerichtsbescheid vom 22. September 2016 - 12 A 232/16 - juris), des Verwaltungsgerichts Münster (Urteile vom 13. Oktober 2016 - 8 K 2127/16.A - juris, und vom 20. Januar 2017 - 8a K 3496/16.A - juris), des Verwaltungsgerichts München (Urteil vom 25. Oktober 2016 - M 13 K 16.322208), des Verwaltungsgerichts des Saarlandes (Urteil vom 11. November 2016 - 3 K 583/16 - juris), des Verwaltungsgerichts Sigmaringen (Urteil vom 23. November 2016 - A 5 K 1495/16 - juris,), des Verwaltungsgerichts Osnabrück (Urteile vom 5. Dezember 2016 - 7 A 35/16 - juris, und vom 13. Januar 2017 - 7 A 167/16 - juris) und des Verwaltungsgerichts Freiburg (Urteil vom 13. Dezember 2016 - A 5 K 2096/16 - juris) an.
In diesen Entscheidungen wurde die vorherige Entscheidungspraxis der Beklagten sowie die entsprechende Rechtsprechung fortgesetzt, wonach der syrische Staat das Stellen eines Asylantrages im Zusammenhang mit einer (illegalen) Ausreise und dem Aufenthalt im westlichen Ausland ungeachtet einer tatsächlichen oppositionellen Haltung als Ausdruck einer regimefeindlichen Gesinnung auffasst mit der Folge, dass den Rückkehrern bei der obligatorischen Befragung durch Sicherheitskräfte mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine konkrete Gefährdung in Form menschenrechtswidriger Behandlung bis hin zur Folter in Anknüpfung an diese, ggf. nur unterstellte politische Gesinnung droht. Unter intensiver Auseinandersetzung mit neueren Erkenntnismitteln, insbesondere der Botschaft Beirut (Auskunft vom 3. Februar 2016), des UNHCR (Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen, 4. aktualisierte Fassung, Stand November 2015), des UN-Menschenrechtsrats („Report of the Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic" vom 11. Februar 2016; Bericht vom 3. Februar 2016 „Out of Sight, Out of Mind: Deaths in Detention in the Syrian Arab Republic”) und von Amnesty International (Amnesty Report 2016), kommen die genannten Gerichte zu dem Ergebnis, dass die vormalige Entscheidungspraxis auch unter den gegenwärtigen Bedingungen aufrecht erhalten bleibt. Dem folgt das entscheidende Gericht. Denn zusammenfassend lassen sich auch den jüngeren Erkenntnismitteln keine Anhaltspunkte entnehmen, aus denen ersichtlich werden könnte, dass sich die Lage für Rückkehrer nach Syrien in letzter Zeit im Unterschied zu der vorher bestehenden Situation verbessert haben könnte.
Der entgegenstehenden Ansicht des OVG Münster (Beschlüsse vom 5. Januar 2012 - 14 A 2484/11.A - juris, Rn. 7, vom 27. Juni 2013 - 14 A 1517/13.A - juris, Rn. 11, vom 13. Februar 2014 - 14 A 215/14.A - juris, Rn. 19) und der daran anknüpfenden Argumentation des OVG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 16. Dezember 2016 - 1 A 10922/16 - juris) folgt das Gericht nicht und verweist insofern auf die Ausführungen in den Urteilen vom 18. November 2016 und 4. Januar 2017 (Az. 2 A 5162/16 und 2 A 5738/16, juris, einsehbar auch in der Rechtsprechungsdatenbank der niedersächsischen Justiz - Niedersächsisches Landesjustizportal).
Das erkennende Gericht geht weiterhin entscheidungserheblich davon aus, dass gem. § 77 Abs. 1 AsylG die Sachlage zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgebend ist und auch nach materiellem Recht allein die zum Zeitpunkt einer Rückkehr bestehende Verfolgungssituation maßgeblich ist, die für den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung in den Blick zu nehmen ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. Oktober 2006 - 1 B 175/06 - juris, Rn 4). Derzeit ist aber von einer Sachlage auszugehen, die Anhaltspunkte für eine dauerhafte Beendigung der militärischen Auseinandersetzungen nicht erkennen lässt. Bereits aus diesem Grund kann nicht damit gerechnet werden, dass in absehbarer Zukunft Flüchtlinge in größerer Anzahl nach Syrien zurückkehren (so auch VG Meiningen, Urteil vom 2. August 2016 - 1 K 20218/16 Me - V.n.b. UA S. 16f, vgl. hierzu auch Thüringer Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 14. Dezember 2016 - 3 ZKO 638/16 - V.n.b.). Zudem wird eine Rückkehr syrischer Staatsangehöriger zum jetzigen Zeitpunkt in der Regel schon deshalb nicht erfolgen, weil ihnen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt wird. Vor diesem Hintergrund ist es aber kaum vorstellbar, dass die syrischen Sicherheitsbehörden davon ausgehen könnten, derzeit aus Europa zurückkehrende Flüchtlinge kehrten deshalb zurück, weil sie (nur) vom Bürgerkrieg geflohen seien, obwohl dieser weiterhin anhält, unterbrochen bislang nur von zeitlich begrenzten Phasen der Waffenruhe. Der hier zu treffenden Prognose ist aber allein diese derzeit vorliegende Sachlage zu Grunde zu legen und nicht eine von den aktuellen konkreten Umständen abstrahierende Mutmaßung, die vorläge, wenn außer Betracht bliebe, dass die Lage in Syrien weiterhin und wohl auch noch auf unabsehbare Zeit von militärischen Auseinandersetzungen geprägt ist. Es greift deshalb zu kurz, nur auf die massenhafte Ausreise seit Beginn des Bürgerkrieges abzustellen, um jetzt für die Flüchtlingsanerkennung zu fordern, dass individuelle Gründe hinzutreten müssten. Dies gilt jedenfalls solange, bis Anhaltspunkte bzw. Referenzfälle dafür vorliegen, dass sich die - derzeit nur vereinzelten - Rückkehrer nur noch abhängig von den Gründen für ihre Flucht bzw. ihre Rückkehr dem Vorwurf regimefeindlicher Betätigung im Ausland ausgesetzt sehen. Den vom Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgericht hierzu eingeholten Auskünften des Auswärtigen Amtes vom 7. November 2016 und des Deutschen Orient-Institutes von November 2016 lassen sich Anhaltspunkte dafür ebenso wenig entnehmen wie den Auskünften des Auswärtigen Amtes an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 2. Januar 2017. Es wird derzeit auch kaum möglich sein, zu dieser Frage valide Daten zu erhalten, da zum einen - wie bereits ausgeführt - die Zahl der Rückkehrer gering ist, es zudem aber auch niemanden geben dürfte, der hinreichend nachprüfbare objektive Erkenntnisse dazu erlangen könnte, was mit diesen Rückkehrern bei einem Grenzübertritt geschieht. In diesem Sinne interpretiert das Gericht auch die genannten Auskünfte, soweit darin ausgeführt wird, dass zu Eingriffen gegenüber Rückkehrern keine Erkenntnisse vorlägen. Bestätigt wird dies von der Auskunft des Deutschen Orient-Instituts an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof von Januar 2017, wonach belastbare Zahlen über syrische Staatsbürger, die nach längerem Aufenthalt außerhalb Syriens dorthin zurückkehren, kaum verfügbar sind. Darüber hinaus wird in dieser Auskunft aber darauf hingewiesen, dass Berichte zu Befragungen von Rückkehrern oder gar einem allgemeinen Verdacht gegenüber solchen Personen vorliegen, wenn die Wiedereinreise in durch die Regierung kontrolliertes Gebiet erfolgt. Das Gericht folgt insofern nicht den vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (Urteil vom 12. Dezember 2016 - 21 B 16.30338 - juris) gezogenen Schlussfolgerungen aus Ausführungen des Immigration and Refugee Board of Canada vom 19. Januar 2016, wonach jedes Jahr Hunderttausende von Flüchtlingen nach Syrien reisten und eine solche Reisetätigkeit darauf hinweise, dass die in den benachbarten Ländern lebenden syrischen Flüchtlinge trotz des (extrem) repressiven Charakters des syrischen Staates davon ausgehen, im Rahmen der auch an den übrigen Grenzübergängen zu Syrien strengen Grenzkontrollen keiner besonderen Gefährdung ausgesetzt zu sein. Denn die hier relevante aktuelle Lage wird davon nicht erfasst. Dies bereits deshalb, weil sich diese Ausführungen wiederum auf andere Erkenntnismittel vom August 2013 beziehen und damit aus einem Zeitraum, der noch vor der im weiteren Verlauf erfolgenden Eskalation der militärischen Auseinandersetzungen lag. Außerdem kann die in dem genannten Bericht angesprochene Situation von Rückkehrern aus dem unmittelbaren Grenzgebiet zur Türkei, zum Libanon und zu Jordanien nicht verglichen werden mit derjenigen von Flüchtlingen, die nach langjährigem Aufenthalt im westlichen Ausland, insbesondere in Europa, und der dortigen Durchführung eines Asylverfahrens nach Syrien zurückkehren. In der Auskunft vom 2. Januar 2017 weist das Auswärtige Amt zudem ergänzend darauf hin, dass die syrischen Sicherheitsdienste de facto im rechtsfreien Raum agieren und im Allgemeinen Folter in größerem Maßstab anwenden. Dies ergibt sich auch aus weiteren Ausführungen in dem Bericht des Immigration and Refugee Board of Canada vom 19. Januar 2016, wonach jedenfalls traditionell ausgerichtete syrische Offizielle allen im Ausland Asyl Suchenden Regimefeindschaft unterstellten und das Misstrauen insgesamt durch den Konflikt nur noch verstärkt worden sei. Vor diesem Hintergrund kann weiterhin nicht darauf abgestellt werden, dass die derzeit nur sehr wenigen Rückkehrer nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit Maßnahmen politischer Verfolgung ausgesetzt sind. Das Gericht kommt damit, anders als der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in dem o.g. Urteil vom 12. Dezember 2016, auf Grund einer zusammenfassenden Bewertung der gesamten Umstände zu dem Ergebnis, dass weiterhin die für eine Verfolgung derzeit aus Deutschland nach Syrien zurückkehrender Flüchtlinge sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deswegen die dafür sprechenden Tatsachen überwiegen. Diese Einschätzung wird weiterhin auch dadurch gestützt, dass bis zum Frühjahr 2016 annähernd einheitlich, sowohl in der Rechtsprechung, unter Ausnahme der des OVG Münster, als auch in der Entscheidungspraxis des Bundesamts angenommen worden ist, dass bei der Rückkehr des hier relevanten Personenkreises (Asylantragstellung im westlichen Ausland) mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Maßnahmen politischer Verfolgung drohen, hinreichende Erkenntnisse dafür, dass, wann und warum dies sich geändert haben soll, aber nicht vorliegen.
Aus diesen Gründen folgt das Gericht auch nicht den Ausführungen des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts, wonach allein die illegale Ausreise, die Asylantragstellung und der Auslandsaufenthalt keine Anzeichen für politische Gegnerschaft zum syrischen Regime darstellten, weil angesichts der erheblichen Zahl der insbesondere im vergangenen Jahr aus Syrien ausgereisten Menschen auch dem syrischen Staat bekannt sein dürfte, dass die weit überwiegende Anzahl der Flüchtenden aus Angst vor dem Bürgerkrieg und den daraus resultierenden Folgen ihr Heimatland verlassen haben (Urteil vom 23. November 2016 - 3 LB 17/16 - juris; ebenso OVG des Saarlandes, Urteil vom 2. Februar 2017 - 2 A 515/17 - juris; VG Minden, Urteil vom 22. Dezember 2016 - 1 K 5137/16.A - juris, und VG Hannover, Urteil vom 8. Februar 2017 - 2 A 3453/16 - juris). Auf diese Umstände kommt es - wie oben dargelegt - hinsichtlich der zu treffenden Gefährdungsprognose indessen nicht an, sondern darauf, welchen Umständen derzeit Zurückkehrende ausgesetzt wären.
Zur Begründung der geänderten Entscheidungspraxis der Beklagten kann auch nicht auf eine neue Passpraxis Syriens abgestellt werden, die im Jahr 2015 zur Ausstellung von mehr als 800.000 Pässen geführt haben soll (vgl. VG Köln, Urteil vom 25. August 2016 - 20 K 6664/15.A - juris, Rn. 24). Denn auch insofern wird nicht die spezifische Situation eines vormalig Ausgereisten, der in Europa Asyl beantragt hat und nunmehr nach Syrien zurückkehrt, im Rahmen der anzustellenden Prognose in den Blick genommen, sondern auf Umstände abgestellt, die möglicherweise die Ausreise erleichtert haben können, denen für die Beurteilung der Situation im Fall der derzeitigen Rückkehr aber keine Aussagekraft zukommt.
Eine innerstaatliche Fluchtalternative steht nicht zur Verfügung. Das Gericht folgt der entsprechenden Annahme der Beklagten in dem angefochtenen Bescheid bzgl. des zuerkannten subsidiären Schutzes. Gemäß § 4 Abs. 3 AsylG kann auch subsidiärer Schutz nicht zuerkannt werden, wenn interner Schutz gem. § 3e AsylG gegeben ist. Anhaltspunkte dafür, dass interner Schutz zwar nicht hinsichtlich der Gefährdungen nach § 4 AsylG, jedoch für Gefährdungen nach § 3 AsylG vorliegt, sind nicht erkennbar. Syrischen Staatsangehörigen ist vielmehr eine legale Rückkehr im Sinne von § 3e Abs. 1 Nr. 2 AsylG nach Syrien nicht möglich, ohne mit den syrischen Sicherheitsbehörden in Kontakt zu kommen und dabei mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit der zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft führenden Gefahrenlage ausgesetzt zu sein. Gebiete Syriens, die derzeit nicht unter der Kontrolle der syrischen Staatsgewalt stehen und an ausländische Regionen grenzen, von denen mithin eine Einreise möglich wäre ohne Kontakt zu syrischen Sicherheitsbehörden, können von Rückkehrern bereits deshalb nicht legal im Sinne von § 3e Abs. 1 Nr. 2 AsylG übertreten werden, weil dazu erforderliche Reisedokumente von den dort derzeit herrschenden Organisationen schon mangels diplomatischer Anerkennung nicht ausgestellt werden können.
Aus diesem Grund folgt das Gericht auch nicht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Magdeburg (Urteile vom 12., 13., 14. und 18. Oktober 2016 - 9 A 403/16, 9 A 175/16, 9 A 545/16 und 9 A 444/16 - juris), in der maßgeblich auf die derzeitige Situation im jeweiligen Herkunftsort der Kläger abgestellt wird. Dabei wird außer Acht gelassen, dass diese Orte derzeit legal nicht erreicht werden können, ohne in Kontakt mit syrischen Sicherheitsbehörden zu geraten und dabei mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgungshandlungen ausgesetzt zu sein.
Auch für Kinder liegen die Voraussetzungen des § 3 AsylG vor. Das Gericht hält an der bisherigen Ansicht, wonach jedenfalls Kinder im Alter bis zu elf Jahren keine politische Überzeugung bilden könnten und deshalb nicht angenommen werden könne, dass ihr Aufenthalt im westlichen Ausland und die Asylantragstellung vom syrischen Staat als Ausdruck einer regimefeindlichen Gesinnung aufgefasst werde und sie wegen einer vermuteten politischen Überzeugung im Falle einer Rückkehr nach Syrien mit Verfolgungsmaßnahmen zu rechnen hätten, nicht mehr fest. Es folgt vielmehr nun der Ansicht des Verwaltungsgerichts Sigmaringen (Urteil vom 23. November 2016 - A 5 K 1495/16 - juris, Rn 115 - 121, dem folgend VG Osnabrück, Urteil vom 13. Januar 2017 - 7 A 167/17 - juris), da neueren Erkenntnismitteln hinreichende Anhaltspunkte für eine beachtlich wahrscheinliche Verfolgungsgefahr auch für zurückkehrende Kinder, selbst Kleinkinder, entnommen werden können. In dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Syrien des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich vom 5. Januar 2017 wird ausgeführt, dass die syrischen Sicherheitskräfte willkürliche Festnahmen durchführen, auch Frauen und Kinder in Gewahrsam gefoltert werden und Kinder auch deshalb festgenommen werden, um gesuchte Personen zu bewegen, sich den Sicherheitskräften zu stellen. Zudem seien Vergewaltigung und sexueller Missbrauch von Frauen, Männern und auch von Minderjährigen weitverbreitet und würden als Kriegstaktik eingesetzt. Nach der Schnellrecherche Reflexverfolgung der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 25. Januar 2017 sind Verfolgungsmaßnahmen gegenüber Familienangehörigen und auch Kindern Oppositioneller in Syrien ein vertrautes politisches Instrument, das seit dem Ausbruch des Bürgerkrieges zusätzlich an Gewicht gewonnen habe. Es handele sich um ein willkürliches Vorgehen, von dem beispielsweise Familienangehörige von mutmaßlichen Protestierenden, Aktivistinnen und Aktivisten, Mitgliedern von Oppositionsparteien und bewaffneten regierungsfeindlichen Gruppierungen, Dienstverweigerern und Überläufern betroffen seien. Wie ausgeführt ist davon auszugehen, dass im Falle einer Rückkehr von Erwachsenen mit Kindern die Erwachsenen zum jetzigen Zeitpunkt mit hinreichender Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungsmaßnahmen rechnen müssen, weil es nahe liegt, dass die syrischen Sicherheitsbehörden den wenigen Personen, die derzeit nach längerem Aufenthalt im westlichen Ausland und einer dortigen Asylantragstellung zurückkehren, eine oppositionelle Haltung unterstellen, während andere Gründe, insbesondere das Verlassen des Landes wegen kriegerischer Auseinandersetzungen, nicht unterstellt werden dürften, solange diese Auseinandersetzungen noch andauern. Im Zusammenhang mit den oben ausgeführten Erkenntnismitteln, bestätigt durch die Auskunft des Auswärtigen Amtes an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 2. Januar 2017 jedenfalls dahingehend, dass die syrischen Sicherheitsdienste de facto im rechtsfreien Raum agieren und im Allgemeinen Folter in größerem Maßstab anwenden, besteht diese Bedrohungssituation auch für Kinder, die, wie die Erwachsenen, im Falle einer Rückkehr in Kontakt mit diesen Sicherheitsbehörden kommen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 VwGO; 83 b AsylG, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.