Verwaltungsgericht Osnabrück
Beschl. v. 20.06.2016, Az.: 2 B 4/16

Antragsbefugnis; Aussetzungsantrag; Drittschutz; Einstweiliger Rechtsschutz; Infraschall; Nachbarwiderspruch; Optische Beeinträchtigungen; Subjektive Rechte; tieffrequenter Schall; Windenergieanlage

Bibliographie

Gericht
VG Osnabrück
Datum
20.06.2016
Aktenzeichen
2 B 4/16
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2016, 43460
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. In einstweiligen Rechtsschutzverfahren Dritter gegen Genehmigungen nach dem BImSchG ist - anders als bei Genehmigungen nach dem BauGB - kein vorheriger Aussetzungsantrag bei der Behörde erforderlich.
2. Die Antragsbefugnis folgt auch in Fällen, die in den Anwendungsbereich des UmwRG fallen, nicht schon aus § 4 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 UmwRG. Mit dem BVerwG geht die Kammer weiterhin davon aus, dass § 4 Abs. 3 UmwRG allein die Sachprüfung innerhalb eines (schon aus anderen Gründen) zulässigen Rechtsbehelfsverfahrens betrifft (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.12.2011 - 9 A 30/10 - juris; VG Osnabrück,Urteil vom 28.04.2016 - 2 A 89/14 - juris).
3. Die Kammer schließt aus der Entscheidung des BVerwG vom 22.10.2015 (7 C 15/13, juris), dass eine Genehmigungsentscheidung, die aufgrund einer fehlerhaften UVP-Vorprüfung getroffen worden ist, auf Antrag eines Dritten nach § 4 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 und 2 allein wegen dieses Fehlers aufzuheben ist, ohne dass es darauf ankäme, ob die verletzte Vorschrift der Gewährung materieller subjektiver Rechte dient (vgl. ebenso VG Osnabrück, Urteil vom 28.04.2016 - 2 A 89/14 - juris; VG Freiburg, Beschluss vom 05.02.2016 - 4 K 2679/15 - juris und VG Kassel, Beschluss vom 04.04.2016 - 1 L 2532/15.KS - juris).
4. Auch im Lichte der Rechtsprechung des EuGH vermag allein das Eigentum an Grundstücken im Einwirkungsbereich eines Windparks, auf denen hobbymäßig Tiere gehalten und Obst und Gemüse für den Eigenbedarf angebaut werden, eine Antragsbefugnis nicht zu begründen.

Gründe

Der Antrag, mit dem der Antragsteller die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage (Az. 2 A 11/16) gegen eine der Beigeladenen am 18.08.2015 erteilte Genehmigung zur Errichtung von 12 Windenergieanlagen des Typs Vestas V126-3.3 mit einer Nabenhöhe von 137 m, einem Rotordurchmesser von 126 m und einer Gesamthöhe von 200 m im Außenbereich der Stadt D-Stadt, Simes Tannen (Gemarkung G., Flurstücke 80/1, 84 und 93 der Flur 1, Flurstücke 201, 87/2 und 234 der Flur 2, Flurstücke 121/1, 113 der Flur 3 und Flurstücke 103, 119 und 126/1 der Flur 17), begehrt, ist unzulässig.

Entgegen der Ansicht des Antragsgegners ist es dabei unschädlich, dass der Antragsteller vor Anrufung des Gerichts keinen Aussetzungsantrag beim Antragsgegner gestellt und dessen Bescheidung abgewartet hat. Die vom Antragsgegner zitierte Rechtsprechung des 1. Senats des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (vgl. nur Beschluss vom 15.04.2010 - 1 ME 22/10 -, juris) bezieht sich auf den Eilrechtsschutz gegen baurechtliche Genehmigungen und dürfte nicht auf Genehmigungen, die - wie hier - auf Grundlage des Bundesimmissionsschutzgesetzes (BImSchG) erteilt worden sind, übertragbar sein.

Das Verwaltungsgericht Lüneburg (Beschluss vom 17.05.2011 - 2 B 30/11 -, V.n.b.) hat dazu ausgeführt:

„Bei Übertragung dieser Rechtsprechung (des 1. Senats, Erg. durch das Gericht) auf das Immissionsschutzrecht wäre der vorherige Aussetzungsantrag im vorliegenden Fall auch nicht entbehrlich, soweit die Beigeladene mit den Arbeiten zur Errichtung des Vorhabens zwischenzeitlich bereits begonnen haben sollte. Eine drohende Vollstreckung, bei der der Eilantrag ohne vorherigen Aussetzungsantrag bei der Behörde gestellt werden kann (§ 80 a Abs. 3 Satz 2 iVm § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 VwGO), sieht der 1. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht erst dann als gegeben an, wenn der anfechtende Dritte ernsthaft damit rechnen muss, dass das gerichtliche Eilverfahren bei einer vorherigen Einleitung eines behördlichen Aussetzungsverfahrens jedenfalls in erster Instanz aller Voraussicht nach erst zu einem Zeitpunkt abgeschlossen sein wird, zu dem er die für ihn negativen Auswirkungen des Vorhabens bereits hinnehmen muss (Nds. OVG, aaO). Hierfür ist im vorliegenden Fall nichts vorgetragen und auch nichts ersichtlich, zumal die Antragstellerin das Eilverfahren zur Verteidigung ihrer Planungshoheit anstrengt, welche aber noch nicht von der Durchführung der Bauarbeiten, sondern erst von der anschließenden Nutzung als Kleintierkrematorium negativ betroffen wäre.

Der für das Immissionsschutzrecht zuständige 12. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts hat in seiner bisherigen Rechtsprechung allerdings noch nicht entschieden, ob das Erfordernis eines vorherigen Aussetzungsantrages bei der Behörde auch für immissionsschutzrechtliche Genehmigungsentscheidungen gilt. Dagegen spricht nach Auffassung der Kammer, dass der Sinn und Zweck des zwingend vorgeschalteten behördlichen Aussetzungsverfahrens nach Auffassung des 1. Senates des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts auch darin bestehen soll, der verwaltungsinternen Kontrolle zeitweise Vorrang vor der gerichtlichen einzuräumen, um der Bauaufsichtsbehörde und dem Bauherrn Gelegenheit zu geben, gegebenenfalls „nachzulegen“, soweit der Nachbar in seinem Aussetzungsantrag rechtlich triftige Gründe gegen das Vorhaben vorbringt (Nds. OVG, aaO). Dieser Gesichtspunkt kommt im Immissionsschutzrecht aber nicht in gleicher Weise zum Tragen wie im Baurecht, da es an einer Parallelnorm zu § 212 a BauGB fehlt und sich die Behörde daher regelmäßig bereits im Rahmen der Anordnung der sofortigen Vollziehung mit den entgegenstehenden Interessen von Drittbetroffenen auseinandersetzen wird. Das gilt insbesondere dann, wenn - wie hier - der Vorhabensträger die sofortige Vollziehung gerade deshalb beantragt, weil mit Drittwidersprüchen bereits konkret zu rechnen ist. Dafür, dass ein vorheriger Aussetzungsantrag bei der Behörde nur erforderlich ist, soweit die aufschiebende Wirkung der Drittanfechtung bereits kraft Gesetzes entfällt, spricht auch, dass sich § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO, auf den § 80 a Abs. 3 Satz 2 VwGO verweist, seinerseits in seinem originären Anwendungsbereich auf die Regelung in § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bezieht, also auf einen Fall, in dem die aufschiebende Wirkung ebenfalls bereits kraft Gesetzes ausgeschlossen ist.“

Diesen Ausführungen schließt sich die Kammer an.

Der Antrag ist jedoch ungeachtet dieser Frage unzulässig, da der Antragsteller nicht antragsbefugt ist. Die Antragsbefugnis richtet sich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nach § 42 Abs. 2 VwGO analog (vgl. Puttler in Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl., § 80 Rn. 132).

Entgegen der Ansicht des Antragstellers, der sich auf die Rechtsprechung des OVG NRW bezieht, führt die neuere Rechtsprechung des EuGH (vgl. nur Urteil vom 07.11.2013 - C-72/12, „Altrip“ - und vom 15.10.2015 - C-137/14 -, jeweils zit. nach juris) dabei nicht zu einer „Abschaffung“ des Systems der Antrags- und Klagebefugnis aus § 42 Abs. 2 VwGO, soweit - wie hier - der Anwendungsbereich des Umweltrechtsbehelfsgesetzes (UmwRG) eröffnet ist. Die beschließende Kammer hat dazu jüngst (Urteil vom 28.04.2016 - 2 A 89/14 -, juris) ausgeführt:

Die Kammer folgt hingegen nicht der (neueren) Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts des Landes Nordrhein-Westfalen, wonach die Klagebefugnis in Fällen, die in den Anwendungsbereich des UmwRG fallen, bereits aus § 4 Abs. 3, Abs. 1 UmwRG i.V.m. § 3a Satz 4 UVPG im Lichte der UVP-Richtlinie und des Art. 9 Abs. 2 Aarhus-Konvention folgt (vgl. Beschluss vom 18.12.2015 - 8 B 400/15 - juris; Urteil vom 25.02.2015 - 8 A 959/10 - juris). Vielmehr geht die Kammer - ihrer bisherigen Rechtsprechung folgend (vgl. Beschluss vom 12.09.2013 - 2 B 29/12 - n.v.) mit dem BVerwG auch weiterhin davon aus, dass § 4 Abs. 3 UmwRG allein die Sachprüfung innerhalb eines (schon aus anderen Gründen) zulässigen Rechtsbehelfsverfahrens betrifft (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.12.2011 - 9 A 30/10 - juris; ebenso Beschluss vom 27.06.2013 - 4 B 37/12 - juris; ebenso VG Freiburg, Beschluss vom 05.02.2016 - 4 K 2679/15 - juris; dem folgend VG Kassel, Beschluss vom 04.04.2016 - 1 L 2532/15.KS - juris).

Zwar gilt § 4 Abs. 1 UmwRG gemäß § 4 Abs. 3 UmwRG entsprechend für Rechtsbehelfe von Beteiligten nach § 61 Nr. 1 und 2 VwGO. Damit wird auch Individualklägern ein subjektives Recht auf Durchführung einer „erforderlichen“ UVP eingeräumt. Die Vorschrift ist jedoch nicht geeignet, eine Klagebefugnis gemäß § 42 Abs. 2 VwGO zu statuieren. Innerhalb eines - wie hier - bereits zulässigen Rechtsbehelfs erweitert die Norm damit jedoch den Prüfungsumfang (…).“

Maßgeblich sind somit weiterhin die Voraussetzungen des § 42 Abs. 2 VwGO.

Gem. § 42 Abs. 2 VwGO ist eine Anfechtungsklage - und entsprechend auch der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes - nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den angegriffenen Verwaltungsakt in eigenen Rechten verletzt zu sein. Dafür reicht die schlichte Behauptung einer Rechtsverletzung nicht aus, vielmehr muss eine Rechtsverletzung in dem Sinne möglich sein, dass zum einen eine subjektive Rechte begründende Norm vorhanden ist und zum anderen - jeweils nach dem Vortrag des Klägers - zumindest die Möglichkeit besteht, dass seine durch diese Norm geschützten Rechte verletzt sein könnten. Die Klage ist allerdings nur dann unzulässig, wenn eine Rechtsverletzung des Klägers offensichtlich und eindeutig nach jeder denkbaren Betrachtungsweise unmöglich erscheint (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.06.1993 - 3 C 3.89 -, juris).

Bei der hier gegebenen Konstellation des Rechtsmittels gegen eine einem Dritten erteilte Genehmigung hängt die Antragsbefugnis des Antragstellers, der nicht Adressat des Verwaltungsakts ist, im Sinne der so genannten Schutznormtheorie davon ab, ob die Möglichkeit einer Verletzung von Rechtsnormen besteht, die ausschließlich oder zumindest neben dem mit ihnen verfolgten allgemeinen Interesse auch dem Schutz von Individualinteressen des Antragstellers zu dienen bestimmt sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25.02.1954 - I B 196.53 -; Nds. OVG, Urteil vom 08.03.2006 - 7 KS 146/02 -, jeweils zit. nach juris). Der Antrag ist damit unter anderem dann unzulässig, wenn der Antragsteller nicht hinreichend substantiiert dargelegt hat, dass der angefochtene Verwaltungsakt gerade seine Rechtssphäre betrifft (vgl. Sodan in Sodan/Ziekow, a.a.O., § 42 Rn. 379).

Die mögliche Verletzung einer solchen Rechtsnorm ist hier nicht zur Überzeugung des Gerichts dargetan.

Der durch das Immissionsschutzrecht - insbesondere das in § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG normierte Schutzgebot - vermittelte Drittschutz zielt, soweit es den geschützten Personenkreis betrifft, allein auf die „Nachbarschaft“ im Sinne der §§ 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG ab. „Nachbar“ in diesem Sinne ist jedoch nur derjenige, der eine besondere persönliche oder sachliche Bindung zu einem bestimmten, innerhalb des Einwirkungsbereichs der streitigen Anlage gelegenen Ort aufweist. Dazu gehören zum einen die Eigentümer von Grundstücken im Einwirkungsbereich der Anlage, zum anderen solche Personen, die sich dort - insbesondere etwa als Bewohner, aber auch als Arbeitnehmer - tatsächlich regelmäßig aufhalten, aber auch Personen, denen im Einwirkungsbereich der Anlage befindliche Tiere, Pflanzen oder Sachen gehören (vgl. Jarass, BImSchG, 8. Aufl., § 3 Rn. 33 ff. m.w.N.).

Der Antragsteller ist zwar - durch entsprechende Grundbuchauszüge nachgewiesen - Eigentümer der Grundstücke „A-Straße“ in A-Stadt (Flurstücke 83/3 und 83/1 der Flur 13 in der Gemarkung H.; auf diesem Grundstück befindet sich auch sein Wohnhaus) sowie der Flurstücke 107/1, 107/2, 133/104 und 134/05 der Flur 9 in der Gemarkung H..

Das erstgenannte Grundstück befindet sich jedoch in einer Entfernung von 5,66 km und damit nicht mehr im Einwirkungsbereich der genehmigten Windenergieanlagen, der nach den nachvollziehbaren Angaben im Schalltechnischen Gutachten (vgl. die Karte im Bericht Nr. 3496-14-L1 der IEL GmbH vom 10.10.2014, Bl. 1023 der Beiakte 3), das Bestandteil der Genehmigung ist, einen Radius von etwa 2.500 m um die Anlagen umfasst. Auch die vom Antragsteller befürchteten Einwirkungen durch Infraschall sind angesichts dieser Entfernung nicht relevant. Infraschall ist in der Umwelt ein allgegenwärtiges Phänomen, das außer durch Windkraftanlagen auch noch durch zahlreiche andere Quellen wie den Straßenverkehr, den Wind als solchen und die Meeresbrandung hervorgerufen wird. Tieffrequenter Schall durch Windenergieanlagen liegt im Allgemeinen unterhalb der Wahrnehmungsschwelle des menschlichen Gehörs. Er führt nach dem bisherigen Stand wissenschaftlicher Erkenntnisse grundsätzlich nicht zu Gesundheitsgefahren (vgl. dazu jüngst OVG NRW, Beschluss vom 06.05.2016 - 8 B 866/15 -, juris, m.w.N.). Diese Einschätzung teilt der auch im gerichtlichen Verfahren als antizipiertes Sachverständigengutachten zu berücksichtigende „Windenergieerlass“ („Planung und Genehmigung von Windenergien an Land“ des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie und Klimaschutz vom 24.02.2016 - Nds. MBl. 2016, 190), der dazu unter Nr. 3.4.1.7 „Tieffrequente Geräusche“ ausführt: „Für tieffrequente Geräusche sind in der TA Lärm ausdrücklich eigene Mess- und Beurteilungsverfahren vorgesehen, die in der DIN 45680, Ausgabe März 1997 und dem zugehörigen Beiblatt 1 festgelegt sind. Für Schallwellen im Infraschallbereich unter 8 Hz ist durch Messungen an verschiedenen Anlagetypen nachgewiesen, dass dieser Schall in den für den Lärmschutz im hörbaren Bereich notwendigen Abständen unterhalb der Wahrnehmungsschwelle liegt.“

Nach der Rechtsprechung darf davon ausgegangen werden, dass ab einem Abstand von 250 m zu einer Windkraftanlage in der Regel durch Infraschall keine erheblichen Belästigungen mehr zu erwarten sind und dass bei Abständen von mehr als 500 m die Windkraftanlage regelmäßig nur einen Bruchteil des in der Umgebung messbaren Infraschalls erzeugt. Es gibt keinen wissenschaftlich gesicherten Hinweis darauf, dass von dem von Windenergieanlagen verursachten Infraschallanteil, der unterhalb der Wahrnehmungsschwelle des menschlichen Gehörs liegt, eine Gesundheitsgefahr oder eine erhebliche Belästigung ausgeht (OVG S-H, Urteil vom 31.07.2015 - 1 MB 14/15 -, juris, m.w.N.). Die Abstände des Wohnhauses des Antragstellers zu den Windenergieanlagen schließen eine Beeinträchtigung durch Infraschall somit aus, so dass sich das Grundstück „A-Straße“ auch unter Berücksichtigung des Infraschalls nicht im Einwirkbereich der Anlage befindet und dem Antragsteller keine Antragsbefugnis vermittelt.

Unzumutbare optische Beeinträchtigungen des Antragstellers sind angesichts der hier bestehenden Entfernung (etwa das 25-fache der Anlagenhöhe) ohnehin ausgeschlossen. Eine dominante und optisch bedrängende Wirkung einer Windenergieanlage ist der Rechtsprechung zufolge bereits in der Regel ausgeschlossen, wenn der Abstand zwischen einem Wohnhaus und einer Windkraftanlage mindestens das Dreifache der Gesamthöhe der geplanten Anlage beträgt (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 21.06.2010 - 12 ME 240/09 -; OVG NRW, Urteil vom 28.08.2008 - 8 A 2138/06 -, jeweils zit. nach juris, und auch Nr. 3.4.1.9 des „Windenergieerlasses“, a.a.O.). Bei dem hier vorherrschenden Abstand kann eine optische Beeinträchtigung des Grundstücks „A-Straße“ damit ausgeschlossen werden.

Die übrigen Grundstücke befinden sich zwar in einer Entfernung von mindestens 312,9 m von der nächstgelegenen Windenergieanlage „WEA Ka 04“, werden allerdings „lediglich“ zum Anbau von Obst und Gemüse zur Deckung des Eigenbedarfs, zur Tierhaltung in geringem Umfang und zur Brennholzgewinnung genutzt und sind mit ca. 2,5 ha Mischwald bestockt. Der Rest der Fläche (0,3 ha) ist Grünland; weiterhin befindet sich den Angaben des Antragstellers zufolge ein Stall, in dem zwei Schweine, zwei Gänse, zwei Schafe und ein Bienenvolk - jeweils zur Deckung des Eigenbedarfs - sowie Esel gehalten werden, auf den betroffenen Flächen (vgl. Bl. 34 und 145 ff. der GA).

Diese Nutzungen bedingen keine mögliche Rechtsverletzung des Antragstellers durch das genehmigte Vorhaben. Windenergieanlagen können akustische und optische Beeinträchtigungen verursachen. Diese potentiellen Beeinträchtigungen haben jedoch keinen Einfluss auf den Obst- oder Gemüseanbau oder die Waldwirtschaft. Eine unzumutbare Beeinträchtigung der auf den Flächen für den Eigenbedarf gehaltenen Tiere ist ebenfalls ausgeschlossen. Wie bereits ausgeführt, ist die Wirkung von Infraschall wissenschaftlich nicht belegt. Es liegen auch keinerlei Erkenntnisse über die Wirkung von Infraschall auf Tiere vor. Dafür, dass die „gewöhnlichen“ Schallimmissionen und auch etwaige optische Beeinträchtigungen durch Schattenwurf die gehaltenen Tiere unzumutbar beeinträchtigen, liegen ebenfalls keine Erkenntnisse vor. Dies wird auch vom Antragsteller nicht substantiiert dargelegt. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang überdies, dass es sich bei der Tierhaltung des Antragstellers um eine Hobbytierhaltung in geringstem Umfang für den Eigenbedarf handelt.

Eine Beeinträchtigung des Antragstellers selbst, der sich zur Versorgung der Tiere, zur Bewirtschaftung der Flächen, aber auch zur Erholung auf den betroffenen Grundstücken aufhält, ist ebenfalls nicht ersichtlich. Ausgehend vom oben skizzierten Umfang des immissionsschutzrechtlichen Nachbarschaftsbegriffs ist die - im Übrigen nicht näher dargelegte - Verweildauer des Antragstellers, der die Flächen nebenberuflich bewirtschaftet und auch die Tierhaltung hobbymäßig betreibt, nicht ausreichend, um von einer Betroffenheit im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG zu sprechen.

Allein der Umstand, dass der Antragsteller (seinen Angaben nach) die Grundstücke in Zukunft intensiver nutzen, dort weitere Tiere halten, Eselwanderungen anbieten und umfangreicheren Obstanbau betreiben - und sich dementsprechend auch häufiger dort aufhalten - möchte, reicht schließlich ebenfalls nicht aus, um ihm bereits im vorliegenden Verfahren die erforderliche Antragsbefugnis zuzugestehen; dies würde den gesetzlich normierten Begriff der „Nachbarschaft“ ins Uferlose und damit in einer dem Gesetzeszweck offensichtlich widersprechenden Weise ausdehnen.

Würde man dem Antragsteller hier allein wegen seiner Eigentümerstellung dennoch eine Antragsbefugnis zuerkennen, führte dies angesichts der damit zusätzlich eröffneten Rügemöglichkeiten auf Grundlage des § 4 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 UmwRG dazu, dass er sich im Rahmen der Überprüfung der Genehmigung und damit auch der UVP-Vorprüfung auch auf die Verletzung nicht unmittelbar seinem Schutz dienender Rechte berufen könnte (vgl. Urteil der Kammer vom 28.04.2016 - 2 A 89/14 -, juris). Eine derart umfassende Rügemöglichkeit für einen Grundstückseigentümer, der im Einwirkungsbereich der genehmigten Anlage lediglich über unbebaute Wald- und Grünflächen verfügt, auf denen er in seiner Freizeit Obst und Gemüse anbaut und Tiere für den Eigenbedarf bzw. als Hobby hält, dehnte den Rechtsschutz nach Ansicht der Kammer auch im Lichte der mit Blick auf die UVP-Richtlinie ergangenen Rechtsprechung des EuGH (vgl. Urteile vom 07.11.2013 und vom 15.10.2015, a.a.O.) unverhältnismäßig aus.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen beruht die Entscheidung auf § 162 Abs. 3 VwGO. Diese hat einen Antrag gestellt und sich einem Kostenrisiko ausgesetzt, so dass es unbillig wäre, ihre Kosten nicht für erstattungsfähig zu erklären.

Die Streitwertfestsetzung erfolgt gemäß §§ 53 Abs. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziff. 19.2, 2.2.2 und 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der am 31.05./01.06.2012 und am 18.07.2013 beschlossenen Änderungen (abzurufen unter www.bverwg.de).