3.1 Tierhalter-Erklärung
Die Tierhalter-Erklärung (Anlage 2) dient zum Nachweis der Unerlässlichkeit zur Vorlage bei der zuständigen Behörde (§ 6 Abs. 5 TierSchG) und bei vorgelagerten und/oder nachgelagerten Fremdbetrieben (Ferkelerzeuger, Ferkelaufzüchter, Mäster) sowohl innerhalb Deutschlands als auch in anderen EU-Mitgliedsstaaten. Die Plausibilität der Tierhalter-Erklärung ist mit folgenden Nachweisen zu belegen:
Nachweis über die systematische Erfassung von Verletzungen an den Ohren und Schwänzen der Schweine,
Nachweis über eine geeignete, mindestens jährlich durchgeführte, betriebsindividuelle Risikoanalyse in Bezug auf das Schwanzbeißen und
Nachweis über die eingeleiteten Optimierungsmaßnahmen.
3.2 Risikoanalyse
Tierhalterinnen und Tierhalter, die die Schwänze ihrer Schweine kupieren und/oder kupierte Schweine einstallen und keine Kontrollgruppe mit unkupierten Tieren halten (Option 1 gemäß Ablaufplan, Anlage 3), müssen zum Nachweis der Unerlässlichkeit des Eingriffs gemäß § 6 Abs. 5 TierSchG i. V. m. der Richtlinie 2008/120/EG und der Empfehlung (EU) 2016/336 eine Risikoanalyse zur Beurteilung der betriebsindividuellen Risikofaktoren in Bezug auf das Auftreten von Schwanzbeißen durchführen. Dabei sind mindestens die Parameter Beschäftigungsmaterial, Stallklima, Gesundheit und Fitness, Wettbewerb um Ressourcen, Ernährung sowie Struktur und Sauberkeit der Bucht zu berücksichtigen.
Die im Rahmen der Erstellung des Aktionsplans abgestimmte, mindestens jährlich durchzuführende Risikoanalyse Kupierverzicht (Anlage 4) entspricht den Anforderungen der Empfehlung (EU) 2016/336 und ist geeignet, um die betriebsindividuellen Risikofaktoren in Bezug auf das Auftreten von Schwanzbeißen zu bewerten. Alternativ kann die Risikoanalyse durch die Tierhalterin oder den Tierhalter auch durch das Schwanzbeiß-Interventions-Programm (SchwIP) des Friedrich-Loeffler-Instituts, Institut für Tierschutz und Tierhaltung (https://schwip.fli.de ) - einzeln oder in Kombination - mit einer geschulten Beraterin oder einem geschulten Berater durchgeführt werden. Die Risikoanalyse muss alle Produktionsstufen umfassen. Sie dient u. a. dazu, anzuzeigen, in welchem Bereich Optimierungsmaßnahmen vorzunehmen sind.
Die Erhebung und Dokumentation von tierbezogenen Indikatoren, die auch Schwanz- und Ohrenverletzungen umfassen, ist Teil dieser Risikoanalyse. Zum Nachweis der Unerlässlichkeit des Kupierens oder der Einstallung kupierter Schweine sind an den Ohren oder Schwänzen entstandene Verletzungen gemäß Aktionsplan mindestens zweimal jährlich systematisch in allen Produktionsstufen zu erfassen.
Es wird empfohlen, die den Tierbestand betreuende Haustierärztin oder den den Tierbestand betreuenden Haustierarzt mit einzubeziehen.
Hinweis zu § 11 Abs. 8 TSchG:
Die mindestens jährliche Durchführung der betriebsindividuellen Risikoanalyse, die systematische Erfassung von Verletzungen an Ohren und Schwänzen und das Ergreifen von geeigneten Optimierungsmaßnahmen dienen - außer bei der Sauenhaltung, wo zusätzliche Indikatoren zu berücksichtigen sind - gleichzeitig der Erfüllung der Anforderungen des § 11 Abs. 8 TSchG an die Durchführung von Eigenkontrollen.
3.3 Optimierungsmaßnahmen
Tierhalterinnen und Tierhalter, die aufgrund der Unerlässlichkeit des Kupierens den Eingriff vornehmen und/oder kupierte Schweine einstallen und die noch nicht in den Kupierverzicht einsteigen können (Option 1 gemäß Ablaufplan, Anlage 3), müssen gemäß § 6 Abs. 5 TierSchG und Kapitel 1 Nr. 8 des Anhangs I der Richtlinie 2008/120/EG die Haltungsbedingungen und das Betriebsmanagement in ihren Betrieben dahingehend optimieren, dass Schwanzbeißen zukünftig möglichst vermieden wird und ermöglicht wird, zunächst bei einem Teil des Bestandes auf das Kupieren der Schwänze zu verzichten. Informationen zu geeigneten Optimierungsmaßnahmen sind über die Homepage des LAVES verfügbar (https://www.laves.niedersachsen.de/tiere/tierschutz/tierhaltung/schweine/beispielhafte-manahmentabelle-zurhilfestellung-bei-der-umsetzung-der-rechtsanforderungenbezueglich-des-schwanzkupierens--156336.html).
3.4 Schrittweiser Einstieg in den Kupierverzicht
Betriebe, die mit einer kleinen Gruppe, d. h. mindestens 1 % der Mastplätze bei Mastschweinen, unkupierter Tiere schrittweise in den Kupierverzicht einsteigen (Option 2 gemäß Ablaufplan, Anlage 3), müssen alle unkupiert verbliebenen Ferkel dauerhaft kennzeichnen, um diese plausibel von den anderen Tieren im Betrieb unterscheiden zu können. Entstehende Verletzungen sind zu erfassen. Wenn Verletzungen auftreten, sind durch die Tierhalterinnen und Tierhalter gemäß § 6 Abs. 5 TierSchG und Kapitel 1 Nr. 8 des Anhangs I der Richtlinie 2008/120/EG geeignete Optimierungmaßnahmen zu ergreifen. Wenn bei weniger als 2 % der Tiere Verletzungen an den Schwänzen oder Ohren auftreten, ist die Anzahl an unkupierten Tieren schrittweise zu erhöhen.
3.5 Maßnahmenplan
Tritt in einem Betrieb in einem Zeitraum von zwei Jahren anhaltend Schwanzbeißen mit Verletzungen bei jeweils mindestens 2 % der stichprobenhaft untersuchten Tiere auf, hat die Tierhalterin oder der Tierhalter zum Nachweis der anhaltenden Unerlässlichkeit nach § 6 Abs. 5 TierSchG gemäß Aktionsplan einen schriftlichen Plan, der weitergehende Maßnahmen zur Risikominimierung enthält, zu erstellen und der zuständigen Behörde vorzulegen. Dies ist z. B. der Fall, wenn bei jeder mindestens halbjährlichen Erfassung aufgrund der voliegenden Verletzungen die Unerlässlichkeit für das Kupieren dargelegt wird.
3.6 Ursachen von Schwanzbeißen, Beschäftigungsmaterial
Ein Mangel an geeignetem Beschäftigungsmaterial, ein nicht optimales Stallklima, Gesundheitsprobleme, ein Wettbewerb um Ressourcen wie Futter und Wasser, eine nicht optimale Ernährung sowie eine mangelnde Strukturierung und Sauberkeit der Bucht können die Ursache von Schwanzbeißen sein (Empfehlung [EU] 2016/336). Dem Beschäftigungsmaterial wird in der Empfehlung (EU) 2016/336 ein besonderer Stellenwert eingeräumt. Es sollte sicher, essbar (zumindest "schnüffelbar", vorzugsweise aber mit ernährungsphysiologischen Nutzen), kaubar, untersuchbar, beweg- und bearbeitbar sein. Gemäß der Empfehlung (EU) 2016/336 sollten die Schweine mit dem Beschäftigungsmaterial ihre Grundbedürfnisse befriedigen können, ohne dass ihre Gesundheit Schaden nimmt.
Als Beschäftigungsmaterial sollte daher organisches Material eingesetzt werden (z. B. Gabe von Stroh oder Raufutter auf planbefestigten Böden, Angebot von Stroh, Strohpresslingen, Maissilage und anderem Raufutter in Raufen oder Automaten, idealerweise mit bodennaher Auffangschale). In Großgruppen können z. B. auch Wühlecken oder Wühlareale mit Stroh und/oder Raufutter eingerichtet werden, siehe auch Homepage des LAVES (https://www.laves.niedersachsen.de/tiere/tierschutz/tierhaltung/beschaeftigungsmaterial-fuer-schweine-125541.html). Auch Baumwollseile, Jutesäcke und Weichholz stellen ein geeignetes Beschäftigungsmaterial dar. Metallketten und Kunststoffelemente werden im Gegensatz zu organischem Beschäftigungsmaterial in der Empfehlung (EU) 2016/336 als "marginal interessant " eingestuft und sollten daher durch weitere Materialien ergänzt werden.