Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 27.12.2007, Az.: 4 W 173/07

Umfang des rechtlichen Gehörs und Erfordernis der Auseinandersetzung im Urteil mit dem Parteivorbringen; Sinn und Zweck der Anhörungsrüge; Pflicht zur Begründung der Anhörungsrüge

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
27.12.2007
Aktenzeichen
4 W 173/07
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2007, 46851
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2007:1227.4W173.07.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 10.09.2007 - AZ: 13 O 6193/00

Fundstelle

  • OLGReport Gerichtsort 2008, 262

Amtlicher Leitsatz

Keine Verpflichtung des Beschwerdegerichts bei einer nicht mehr anfechtbaren Entscheidung zur nochmaligen Begründung durch vorgeschobene Gehörsrüge.

In der Beschwerdesache
...
hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
durch
die Richter am Oberlandesgericht ..., ... und ...
am 27. Dezember 2007
beschlossen:

Tenor:

Die Anhörungsrüge des Beklagten gegen den Beschluss des Senats vom 10. September 2007 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rügeverfahrens hat der Beklagte nach einem Wert von 2.000 EUR zu tragen.

Gründe

1

Die Anhörungsrüge ist unbegründet. Die Gerichte sind nach Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet, das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Hingegen ist es nicht erforderlich, alle Einzelpunkte des Parteivortrags in den Gründen der Entscheidung auch ausdrücklich zu bescheiden (BVerfGE 96, 205, 216 f) [BVerfG 08.07.1997 - 1 BvR 1621/94]. Der Senat hat in dem Beschluss vom 10. September 2007 die von der Anhörungsrüge der Schuldnerin umfassten Angriffe der Rechtsbeschwerde in vollem Umfang darauf geprüft, ob sie die Beschwerde gegen den Haftbefehl des Landgerichts Hannover vom 13. August 2007 rechtfertigen. Er hat die Beanstandungen sämtlich für nicht durchgreifend erachtet und dies in der Begründung des Beschlusses zum Ausdruck gebracht. Dies entspricht regelmäßig und auch hier den Anforderungen, die an die Begründung einer letztinstanzlichen Entscheidung zu stellen sind (vgl. BVerfG NJW 2004, 1371, 1372) [BVerfG 08.01.2004 - 1 BvR 864/03].

2

Von einer weiterreichenden Begründung kann auch in dem Verfahrensabschnitt der Anhörungsrüge abgesehen werden. Weder aus § 321a Abs. 4 Satz 5 ZPO, nach dem der Beschluss knapp begründet werden soll, noch unmittelbar aus dem Verfassungsrecht ergibt sich eine Verpflichtung zu einer weitergehenden Begründung der Entscheidung. Ansonsten hätte es eine Partei in der Hand, mittels einer Anhörungsrüge den Grundsatz auzuhebeln, dass letztinstanzliche Entscheidungen, die nicht der Rechtsbeschwerde unterliegen, - wenn überhaupt - nur knapp zu begründen sind. Das Gericht kann auch im Rahmen der Anwendung des § 321a ZPO nicht als verpflichtet angesehen werden, sich mit jeder Argumentation des Beschwerdeführers auseinander zu setzen (s. auch Zöller-Gummer, ZPO, 26. Aufl., § 572 Rz. 46). Auf Vorbringen, das der Senat für unerheblich hält und das deshalb schon im Beschwerdeverfahren nicht zu bescheiden ist (vgl. BVerfGE 65, 293 [BVerfG 22.11.1983 - 2 BvR 399/81]), braucht das Gericht auch im Rahmen der Anhörungsrüge nicht einzugehen. Eine Pflicht, sich mit jedem noch so entfernten Vorbringen zu befassen, besteht nicht. Hierzu kann das Gericht auch nicht durch ausufernden Vortrag genötigt werden, mit dem eine Änderung der Entscheidung über die Anhörungsrüge erzwungen werden soll. Das Verfahren nach § 321a ZPO dient nicht - auch wenn es zunehmend dazu missbraucht wird - dem Zweck, eine weitere Instanz zu eröffnen und missliebige rechtskräftige Entscheidungen über eine Anhörungsrüge zu beseitigen. Es hat ausschließlich die Funktion, tatsächliche Verstöße gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs auszugleichen und damit einer inflationären Inanspruchnahme des Bundesverfassungsgerichts vorzubeugen. Bei fehlenden Gehörsverstößen kann es auch keinen zusätzlichen Begründungszwang erzeugen, indem unter dem formalen Deckmantel der Gehörsrüge sämtliche schon beschiedenen Argumente erneut in das Verfahren eingeführt werden.

3

Hier hat der Senat den Sachverhalt zur Kenntnis genommen und sich in dem Beschluss vom 10. September 2007 mit den tragenden Gründen der Beschwerdebegründung in der gebotenen konzentrierten Form auseinandergesetzt. Hierauf haben die Mitglieder des Senats in ihren dienstlichen Stellungnahmen zu dem Ablehnungsgesuch des Beklagten bereits hingewiesen. Durch die zwölfseitige Entscheidung zu dem Ablehnungsantrag, in der jeglichem Vorwurf des Beklagten bis ins kleinste Detail nachgegangen worden ist, wird bestätigt, dass eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht festzustellen ist. Anlass, den Beklagten über die Ausführungen in dem Beschluss vom 13. August 2007 hinaus noch einmal zu bescheiden, besteht nicht. Das Verfahren ist abgeschlossen.

4

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO (zur Erforderlichkeit einer Kostengrundentscheidung Baumbach Hartmann, ZPO, 66. Aufl., § 321a Rz. 49).