Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 18.12.2007, Az.: 7 W 104/07 (L)
Erstattungsfähigkeit von Anwaltskosten nach Klagerücknahme; Passivprozess nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens; Kostentragungspflicht bei Klagerücknahme
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 18.12.2007
- Aktenzeichen
- 7 W 104/07 (L)
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2007, 46748
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2007:1218.7W104.07L.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Otterndorf - 14.11.2007 - AZ: 9b Lw 17/07
Rechtsgrundlagen
- § 91 Abs. 1 ZPO
- § 269 Abs. 3 ZPO
Fundstellen
- NZI 2008, 20
- OLGReport Gerichtsort 2008, 345-346
- ZIP 2008, 760 (Volltext mit amtl. LS)
Amtlicher Leitsatz
Ein Schuldner, der persönlich verklagt wird, obwohl über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet ist, kann wirksam einen Rechtsanwalt mit seiner Rechtsverteidigung beauftragen. Nimmt der Kläger die Klage zurück und werden ihm nach § 269 Abs. 3 ZPO die Kosten des Rechtsstreits auferlegt, gehören die beim Beklagten entstandenen Rechtsanwaltsgebühren zu den Kosten, die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig waren und deshalb nach § 91 ZPO zu erstatten sind.
Tenor:
Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des Amtsgerichts - Landwirtschaftsgericht - Otterndorf vom 14. November 2007 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Wert des Beschwerdeverfahrens: 316 EUR.
Gründe
I.
Der Kläger hatte im März 2007 vor dem Landwirtschaftsgericht eine Klage auf Entlassung bestimmter Teilflächen aus einem im Jahr 2000 begründeten Landpachtverhältnis erhoben. Bereits im Sommer 2005 war über das Vermögen des Beklagten das Insolvenzverfahren eröffnet worden.
Nach Zustellung der Klage haben sich die Prozessbevollmächtigten des Beklagten gemeldet und einen Antrag auf Klageabweisung angekündigt. Sie wiesen zur Begründung unter anderem auf das Insolvenzverfahren hin und rügten insoweit fehlende Passivlegitimation des Beklagten.
Der Kläger hat seine Klage schließlich zurückgenommen. Das Landwirtschaftsgericht hat daraufhin durch Beschluss vom 7. August 2007 die Kosten des Rechtsstreits nach § 269 Abs. 3 ZPO dem Kläger auferlegt. Daraufhin hat die Rechtspflegerin durch den angefochtenen Beschluss die Kosten der Prozessbevollmächtigten des Beklagten antragsgemäß festgesetzt. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Klägers vom 28. November 2007, mit der er geltend macht, die Beauftragung seiner Anwälte als Prozessbevollmächtigte sei unwirksam gewesen, weil der Beklagte nach § 81 InsO keine Verfügungen über die Insolvenzmasse habe vornehmen dürfen. Die durch die unwirksame Beauftragung auf Seiten des Beklagten entstandenen Rechtsanwaltskosten seien keine Kosten der notwendigen Rechtsverteidigung im Sinne von § 91 Abs. 1 ZPO. Im übrigen bestehe nicht einmal ein materiellrechtlicher Kostenerstattungsanspruch.
II.
Die sofortige Beschwerde des Klägers ist nach § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO i. V. m. § 11 Abs. 1 RPlfG und § 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO zulässig. Sie bleibt in der Sache jedoch aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses ohne Erfolg.
1.
Die Verpflichtung zur Kostenerstattung folgt aus der rechtskräftigen Kostengrundentscheidung der Landwirtschaftsrichterin. Diese hat die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 269 Abs. 3 ZPO dem Kläger auferlegt. Der entsprechende Beschluss vom 7. August 2007 ist den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 17. August 2007 zugestellt worden (EB. Bl. 58 d. A.) und mit Ablauf der zweiwöchigen Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde rechtskräftig geworden.
2.
Zu den vom Kläger zu tragenden Kosten des Rechtsstreits gehören aus den zutreffenden Gründen des Kostenfestsetzungsbeschlusses auch die durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten des Beklagten entstandenen Kosten. Denn diese waren zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig (§ 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Der Beklagte hatte durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen nicht seine Rechtsfähigkeit verloren. Er war trotz des laufenden Insolvenzverfahrens berechtigt, als natürliche Person Verträge abzuschließen und neue vermögensrechtliche Verpflichtungen zu begründen (OLG Celle ZInsO 2003, 128). Insoweit hatte er auch seine Prozessführungsbefugnis nicht schlechthin verloren, sondern nur in Bezug auf das vom Insolvenzbeschlag erfasste Vermögen (OLG Celle a.a.O.. Pape ZinsO 2002, 917, 918).
Im vorliegenden Fall lag dem Rechtsstreit zwar keine nach der Insolvenzeröffnung begründete Verpflichtung zugrunde. Der Kläger war kein sogenannter Neugläubiger, sodass die Klage richtigerweise gegen den Insolvenzverwalter zu richten gewesen wäre. Gleichwohl war der Beklagte von einer anwaltlich vertretenen Partei mit einer an ihn persönlich gerichteten Klage überzogen wurden und durfte daher - nach Maßgabe der in § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO getroffenen Bestimmung - einen Anwalt beauftragen (vgl. (Musielak/Wolst, ZPO, 5. Aufl., § 91, Rn. 11), um die Berechtigung seiner persönlichen Inanspruchnahme überprüfen und, wie hier geschehen, im Prozess einwenden zu lassen, dass die Klage gegen den Insolvenzverwalter hätte gerichtet werden müssen. Dementsprechend ist kein Grund ersichtlich, weshalb die hierdurch entstanden gesetzlichen Gebühren und Auslagen der Rechtsanwälte des Beklagten nicht nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO als für die zweckentsprechende Rechtsverteidigung notwendig und damit nicht erstattungsfähig sein sollten.
Davon unberührt bleibt die Frage, wer die Prozessbevollmächtigten des Beklagten bezahlt hätte, wären die Kosten des Rechtsstreits nicht dem Kläger auferlegt worden. Insoweit hätte allerdings der Beklagte nicht die Insolvenzmasse einsetzen dürfen und eine gleichwohl zu ihren Lasten getroffene Verfügung wäre nach § 81 InsO unwirksam gewesen. Auch hätten die Anwälte in die Insolvenzmasse nicht vollstrecken können. Der Umstand, dass der Beklagte die Gebührenforderungen seiner Rechtsanwälte nicht aus der Insolvenzmasse befriedigen konnte, bedingt aber nicht die Unwirksamkeit ihrer Beauftragung als Prozessbevollmächtigte im vorliegenden Rechtsstreit.
Ergänzend sei auch noch der Hinweis erlaubt, dass der Beklagte - abgesehen von eventueller Familienhilfe oder sonstiger Unterstützung durch Dritte - zur Bezahlung auf sein nach § 35 Abs. 2, § 36 Abs. 1 InsO nicht zur Insolvenzmasse gehörendes Vermögen hätte zurückgreifen können.
III.
Die Nebenentscheidungen folgen aus § 97 Abs. 1 und § 3 ZPO.
Die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 ZPO kommt nicht in Betracht.