Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 31.07.2017, Az.: 1 Ws 166/17

Vollstreckung eines nach Erledigung der Maßregel verbleibenden Strafrestes

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
31.07.2017
Aktenzeichen
1 Ws 166/17
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2017, 19887
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Göttingen - 25.04.2017 - AZ: 51 StVK 33/17

Amtlicher Leitsatz

Ein Strafrest, der nach Erledigung der Maßregel verbleibt, kann im Maßregelvollzug vollstreckt werden (§ 67 Abs. 5 Satz 2 StGB).

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Verurteilten gegen den Beschluss des Landgerichts Göttingen vom 25. April 2017 wird auf ihre Kosten als unbegründet verworfen.

Gründe

I.

Die Beschwerdeführerin (nachfolgend auch: Verurteilte) wurde durch Urteil des Landgerichts A. vom 25. Juni 2007 wegen Mordes zu einer Freiheitsstrafe von 7 Jahren verurteilt, hierneben wurde ihre Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet (Bl. 2 ff. Bd. I d. VH).

Nach den Feststellungen des Landgerichts tötete die damals 22 Jahre alte Verurteilte, die bis dahin überwiegend wegen Diebstahls, aber auch Beleidigung und Betruges strafrechtlich in Erscheinung getreten war, in der Nacht vom 29. November 2006 zum 30. November 2006 gemeinsam mit dem damaligen Mitangeklagten einen zu diesem Zeitpunkt 51 Jahre alten Mann, mit dem die Verurteilte bereits seit mehreren Jahren befreundet war und zu dem sie auch sexuelle Kontakte unterhielt. Diese sexuellen Kontakte lehnte die Verurteilte zwar innerlich ab, weil der fast 30 Jahre ältere Mann für sie eine Art Vater Ersatzfigur darstellte. Sie vermochte sich jedoch den Wünschen des Mannes nicht zu widersetzen. Als die Verurteilte den Mann am Tattag mit dem damaligen Mitangeklagten aufsuchte, schlug das spätere Opfer im weiteren Verlauf des Abends vor, zu dritt miteinander sexuell zu verkehren. Die Verurteilte und ihr Mittäter, die hieran kein Interesse hatten, beschlossen nunmehr, den Mann wegen seiner sexuellen "Übergriffe" gegenüber der Verurteilten zu töten. Um ihren Plan in die Tat umsetzen zu können, gingen sie zum Schein auf dessen Vorschlag ein und nutzten die Situation, um dem arglosen Opfer ein Kissen auf dessen Gesicht zu legen. Im Anschluss daran fügte der Mittäter dem Opfer mit einem von der Verurteilten zuvor überreichten Messer eine 8 cm lange Schnittwunde am Hals sowie mindestens 13 Stiche in den Oberkörper zu, die schließlich zum Tod des Opfers führten.

Nach den weiteren Feststellungen der durch die psychiatrische Gutachterin H. sachverständig beratenen Schwurgerichtskammer war die Steuerungsfähigkeit der Verurteilten bei Begehung der Tat infolge einer Intelligenzminderung an der Grenze von leichter zu mittelgradiger geistiger Behinderung (ICD-10: F70.1) in Kombination mit einer abhängigen Persönlichkeitsstörung (ICD-10: F60.7) erheblich gemindert.

Die negative Gefährlichkeitsprognose im Sinne von § 63 StGB leitete das erkennende Gericht daraus ab, dass aufgrund der Störungen der Verurteilten und vor allem ihrer dadurch bedingten leichten Beeinflussbarkeit und Lenkbarkeit mit weiteren ähnlich gefährlichen Straftaten zu rechnen sei.

Die Maßregel wird nach vorangegangener Untersuchungshaft und einstweiliger Unterbringung seit dem 03. Juli 2007 - mithin seit mittlerweile mehr als 10 Jahren, zum Zeitpunkt der landgerichtlichen Entscheidung seit ca. 9 Jahren 10 Monaten - vollzogen.

Die Strafvollstreckungskammer hat zur Vorbereitung ihrer Entscheidung ein externes Prognosegutachten bei der Sachverständigen Dr. K. in Auftrag gegeben, welches diese unter dem 30. Januar 2017 schriftlich und im Rahmen der mündlichen Anhörung am 25. April 2017 auch mündlich erstattet und erläutert hat. Sie diagnostiziert der Verurteilten eine abhängige Persönlichkeitsstörung mit emotional-instabilen und dissozialen Anteilen (ICD-10: F60.7) sowie eine Intelligenzminderung an der Grenze von leicht zu mittelgradig mit deutlichen Verhaltensstörungen, die Beobachtung oder Behandlung erfordert (ID-10: F. 70.1). Dabei sei die Intelligenzminderung als führend anzusehen und auch nicht zu beseitigen; jedoch könne die Verurteilte nachreifen und in kleinen Schritten und durch stetige Wiederholung lebenspraktische Fähigkeiten sowie soziale Kompetenzen erlangen. Die Auffälligkeiten im Verhalten der Verurteilten seien insbesondere in der Kombination der leichten Intelligenzminderung mit der Persönlichkeitsstörung zu beurteilen. Durch die Behandlung im Maßregelvollzug habe sich die abhängige Persönlichkeitsstörung, verbunden mit emotionaler Instabilität und dissozialen Anteilen, deutlich abgeschwächt. Das Rückfallrisiko schätzt die Sachverständige - zumindest für erhebliche Straftaten - mit hoher Wahrscheinlichkeit für gering ein. Ein erheblicher Risikofaktor für eine Erhöhung des aggressiv-impulsiven Verhaltens würden jedoch Kontakte zu kriminellen Personen und nicht professionell begleitete Kontakte zu einem sozial randständigen sozialen Milieu (Familie) darstellen. Als geeignetes Entlassungssetting sollte ein engmaschig betreuendes Wohnheim und eine beschützende Arbeitstätigkeit gewählt werden. Darüber hinaus sollte eine Anbindung an eine forensisch-psychiatrische Ambulanz erfolgen. Eine unmittelbare Entlassung sei nicht vertretbar, weil das Entlassungssetting zunächst aufgebaut und die Verurteilte darin dann auch noch erfolgreich erprobt werden müsse.

In ihrer Stellungnahme vom 10. März 2017 bestätigt die Maßregelvollzugseinrichtung weiterhin die Diagnosen einer abhängigen Persönlichkeitsstörung (ICD 10 F 60.7) sowie einer Intelligenzminderung an der Grenze von leicht zu mittelgradig mit deutlichen Verhaltensstörungen (ICD 10 F 70.1). Zum Behandlungsverlauf führt sie aus, dass die Verurteilte im vergangenen Berichtszeitraum zunächst noch auf der Frauenstation 31 des Maßregelvollzugszentrums Niedersachsen in Moringen befunden habe und am 19. Dezember 2016 auf die gemischt-geschlechtliche Resozialisierungsstation 11 im gelockerten Bereich der Klinik verlegt worden sei, da der Verurteilten eine erweitertes Feld für Entwicklungen hätte angeboten werden sollen. Aus Sicht der Einrichtung seien im Vorgriff auf Entlassungsvorbereitungen vor allem Auseinandersetzungen mit männlichen Kommunikationspartnern auf Ebene der Mitpatienten angezeigt, da die Verurteilte ihre Abgrenzungsfähigkeiten zu Männern und Wirkungen ihres Verhaltens diesen gegenüber in realen Auseinandersetzungen im gemischt-geschlechtlichen Bereich reflektieren und Verhaltensänderungen trainieren müsse. Nach Erstattung des schriftlichen Gutachtens der externen Sachverständigen sei es zu einer krisenhaften Entwicklung gekommen, die allerdings auch zu erwarten gewesen sei, da die Verurteilte wenige Regulationsmechanismen in Bezug auf ihre Abgrenzungen und Reflexionen ihrer Wirkungen auf männliche Mitpatienten habe. Die Einrichtung hält es in Bezug auf die Abgrenzungsfähigkeit der Verurteilten und Manipulierbarkeit sowie Selbstkontrolle ihres Verhaltens für erforderlich, dass auf der gemischt-geschlechtlichen Station therapeutisch noch ein Nachreifungsprozess begleitet und reflektiert wird. Vor einer Entlassung sei der Erprobungsrahmen noch zu erweitern und ein Entlassungssetting vorzubereiten, das ein engmaschig betreutes Wohnheim und beschützende Arbeitstätigkeit vorsehe. Aus diesen Gründen empfiehlt die Maßregelvollzugseinrichtung die Fortdauer der Unterbringung (Bl. 6 - 9 Bd. III VH).

Bei ihrer persönlichen Anhörung am 25. April 2017 erklärte die Verurteilte, dass sie die Therapie mit ihrer Therapeutin auch im Probewohnen fortsetzen wolle. Der Mitarbeiter B. der Maßregelvollzugseinrichtung teilte mit, dass die Verurteilte vor allem im Hinblick auf ein Probewohnen auf die Resozialisierungsstation verlegt worden sei. Da die Spannungen dort größer geworden seien, sei die Verurteilte auf die Frauenstation rückverlegt worden. Die Sachverständige Dr. K. erklärte, dass die Verurteilte Probleme mit Männern habe, die sich wie ein roter Faden durch ihr Leben zögen. Sie könne sich inzwischen aber deutlich besser abgrenzen. Es müssten jetzt weitere Erprobungen durchgeführt werden; aus psychiatrischer Sicht müsse es einen geregelten Übergang in die Freiheit geben (Bl. 18 - 20 Bd. III VH).

Mit Beschluss vom 25. April 2017 hat die 51. große Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Göttingen die Unterbringung der Verurteilten in einem psychiatrischen Krankenhaus gem. § 67d Abs. 6 S. 2 StGB zum 31. Oktober 2017 für erledigt erklärt und es sogleich abgelehnt, die Vollstreckung des nach Anrechnung der im Maßregelvollzug verbrachten Zeit verbleibenden Strafrestes zur Bewährung auszusetzen. Die mit der Entlassung aus der Unterbringung eintretende Führungsaufsicht wurde auf fünf Jahre festgesetzt, die Verurteilte wurde der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers unterstellt und ihr wurde eine Meldeauflage erteilt. Zur Begründung ihrer Entscheidung führte die Kammer aus, dass sich die Verurteilte mittlerweile seit fast 10 Jahren in der Maßregel befinde, die Voraussetzung der nach § 67 d Abs. 6 S. 2 StGB erforderlichen erhöhten Gefährlichkeit nicht mehr vorläge, so dass die Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht mehr verhältnismäßig sei. Eine solche Gefahr, dass die Verurteilte nach ihrer Entlassung erneut ein Tötungsdelikt oder andere Delikte, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, begehen werde, könne gegenwärtig nicht festgestellt werden. Andererseits könne ihr aber auch keine günstige Kriminalprognose gestellt werden, die eine Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung erlaubt hätte. Zwar sei ein therapeutischer Erfolg erzielt worden, jedoch seien vor einer Entlassung noch weitere Erprobungen durchzuführen und eine geeignetes Entlassungssetting durchzuführen. Erst dann könnten die noch vorhandenen Risikofaktoren abgemildert oder ganz aufgehoben werden. Solange könne der Verurteilten aber noch keine positive Prognose gestellt werden.

Gegen diesen ihm am 16. Juni 2017 zugestellten Beschluss hat der Verteidiger mit Schreiben vom 20. Juni 2017, eingegangen bei Gericht am selben Tag, sofortige Beschwerde eingelegt und diese auf die in Ziffer 5 des Beschlusses angeordnete Vollstreckung der Restfreiheitsstrafe im Maßregelvollzug beschränkt. Der Umstand, dass die Strafvollstreckungskammer nicht hätte positiv feststellen können, dass die Verurteilte Taten ähnlich der Anlasstat begehen werde, hätte hier zu einer neutralen Prognose führen müssen, da die Verurteilte in der Vergangenheit unterhalb der Schwelle zu mittleren Kriminalität - namentlich wegen Diebstahls, Beleidigung und Betruges - strafrechtlich in Erscheinung getreten sei. Darüber hinaus rügt der Verteidiger "die Begründung der StVK Göttingen unter Ziff. 4 , mit der der VU aufgegeben wird, den Rest der Freiheitsstrafe im Maßregelvollzug zu verbringen." Der Verteidiger meint unter Verweis auf eine Entscheidung des OLG Celle vom 10. Mai 2017 (3 Ws 240/17), dass - sollte der Senat beabsichtigen, die Anordnung der Vollstreckung im Maßregelvollzug aufrechtzuerhalten - die Sache dem BGH vorzulegen sei.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, auf die sofortige Beschwerde der Verurteilten den Beschluss des Landgerichts Göttingen vom 24. April 2017 insoweit aufzuheben, als unter Ziff. 5 des Beschlusses die Vollstreckung des Strafrestes im Maßregelvollzug angeordnet worden ist und die weitergehende sofortige Beschwerde der Verurteilten, soweit sie sich auch dagegen wendet, dass das Landgericht Göttingen es unter Ziff. 4 des Beschlusses vom 25. April 2017 abgelehnt hat, die Vollstreckung des verbleibenden Restes der Freiheitsstrafe von sieben Jahren aus dem Urteil des Landgerichts Aurich vom 25. Juni 2007 zur Bewährung auszusetzen, als unbegründet zu verwerfen.

Die Generalstaatsanwaltschaft meint, dass in Fällen wie dem vorliegenden, in dem die Unterbringung für erledigt erklärt worden ist, weder eine unmittelbare noch eine entsprechende Anwendung des § 67 Abs. 5 S. 2 StGB in Betracht komme.

Der Verteidiger hat mit Schriftsatz vom 20. Juli 2017 nochmals vorgetragen.

II.

Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 463 Abs. 3 S. 1, Abs. 6 S. 1, 454 Abs. 3 S. 1, 462 Abs. 3 S. 1 StPO statthaft. Sie ist auch ansonsten zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt.

In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.

Da der Verteidiger die sofortige Beschwerde wirksam auf die Nichtgewährung der Reststrafenaussetzung zur Bewährung (Ziff. 4 des Beschlusses) sowie die Anordnung der Vollstreckung der Reststrafe im Maßregelvollzug (Ziff. 5 des Beschlusses) beschränkt hat, standen die Erledigung der Unterbringung sowie die im Rahmen der Führungsaufsicht erteilten Weisungen nicht zur Überprüfung an.

Die Strafvollstreckungskammer hat die Vollstreckung des Strafrestes zu Recht nicht zur Bewährung ausgesetzt; darüber hinaus ist auch die Anordnung, dass der Strafrest im Maßregelvollzug zu vollstrecken ist, nicht zu beanstanden.

1. Keine Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung

Aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses kommt eine Vollstreckungsaussetzung des Strafrestes aus dem Urteil des Landgerichts Aurich vom 25. Juni 2017 nach § 67 Abs. 4 StGB i.V.m. § 57 Abs. 1 StGB nicht in Betracht.

§ 57 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB setzt voraus, dass die Aussetzung der Vollstreckung des Restes der Freiheitsstrafe zur Bewährung unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann. Verantworten lässt sich das mit der Aussetzung des Strafrestes verknüpfte Risiko nur, wenn sich eine reelle Chance für ein positives Ergebnis hinsichtlich der Bewährung in Freiheit abzeichnet, also eine begründete Aussicht auf einen Resozialisierungserfolg besteht (OLG Braunschweig, Beschluss vom 25. September 2013, 1 Ws 274 + 275/13, unveröff.; Stree/Kinzig in: Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 57, Rn. 14). Bei der spezialpräventiv auszurichtenden Beurteilung eines Aussetzungserfolges ist hierbei auf das wahrscheinliche Gelingen der Resozialisierung abzustellen. Verantworten lässt sich die Aussetzung nur, wenn unter Berücksichtigung der Bewährungshilfen die Aussicht auf eine Resozialisierung deren Misslingen klar überwiegt (Stree/Kinzig, a.a.O., Rn. 14).

Gemessen an diesen Anforderungen hat die Strafvollstreckungskammer zutreffend festgestellt, dass der Verurteilten eine positive Sozialprognose derzeit nicht gestellt werden kann. Soweit der Verteidiger meint, der Verurteilten könne keine negative Prognose gestellt werden, da sie vor der Anlassverurteilung strafrechtlich lediglich im Bereich unterhalb der Schwelle zur mittleren Kriminalität in Erscheinung getreten sei, verfängt dies nicht. Der Verteidiger verkennt insoweit, dass bei der vorzunehmenden Abwägung sämtliche Umstände in der Person der Verurteilten, namentlich das Vorleben, das Verhalten im Vollzug sowie der in Freiheit zu erwartenden Lebensumstände, in ihrer Gesamtheit einzustellen und gegeneinander abzuwägen sind (OLG Braunschweig, Beschluss vom 16. Mai 2017, 1 Ws 67/17, Rn. 31, zitiert nach juris).

Der Senat schließt sich insoweit der Generalstaatsanwaltschaft an, die in ihrer Stellungnahme insoweit zutreffend ausgeführt hat:

"Zwar ist das Verhalten der Verurteilten im Maßregelvollzug nach dem Inhalt der aktuellen Stellungnahme des MRVZN Moringen vom 10.03.2017, jedenfalls auf der reinen Frauenstation, als zusehends gereifter anzusehen. In Übereinstimmung mit der Einschätzung des Maßregelvollzugszentrums hat die Sachverständige Dr. K. deutlich gemacht, dass vor einer Entlassung noch weitere Erprobungen durchgeführt und ein - bislang noch nicht vorhandener - geeigneter sozialer Empfangsraum in einem Wohnheim oder einer eng betreuten Wohngemeinschaft gefunden werden müsse. Nur in diesem Entlassungssetting könnten die vorhandenen Risikofaktoren, wie Stressoren, Kontakte zu kriminellen Personen und nicht professionell begleitete Kontakte zu einem randständigen sozialen Milieu, abgemildert oder aufgehoben werden. Erst nach einem positiven Verlauf der Lockerungserprobung sei zu erwarten, dass die Verurteilte auch außerhalb des Maßregelvollzugs keine, zumindest keine erheblichen, rechtswidrigen Taten mehr begehen werde.

Dass die Verurteilte derzeit keineswegs hinreichend gefestigt ist, zeigt auch die Erprobung auf der gemischt-geschlechtlichen Station. Hier ist deutlich geworden, dass sie - was auch bei der Anlasstat eine wesentliche Rolle spielte - im Hinblick auf ihre Abgrenzungsfähigkeit und Manipulierbarkeit sowie Selbstkontrolle erhebliche Defizite aufweist. Dies wird auch von dem Umstand gestützt, dass sie sich ein gemeinsames Wohnen mit ihrem Partner vorstellt, welches nach Einschätzung der Sachverständigen Dr. K. jedoch als äußerst problematisch angesehen wird, da die Verurteilte dann wieder relativ schnell abhängig sei. All dies zeigt, wie auch in der Stellungnahme des MRVZN Moringen vom 10.03.2017 ausdrücklich mitgeteilt wird, dass die Verurteilte noch keine ausreichend stabile Verhaltensänderung erfahren hat, die erwarten ließe, dass sie im Falle aktueller Entlassung in Freiheit mittel bis langfristig ohne (einschlägige) Straftaten leben kann. Auch eine ebenfalls Halt gebende berufliche Perspektive hat die Verurteilte bei Haftentlassung nicht.

Bei der Interessenabwägung zwischen dem Resozialisierungsanspruch und dem Freiheitsgrundrecht der Verurteilten einerseits sowie dem Sicherungsinteresse der Allgemeinheit andererseits wird nicht verkannt, dass die Verurteilte nunmehr nahezu 10 Jahre im Maßregelvollzug verbracht hat. Angesichts der Höhe der Parallelstrafe von 7 Jahren und der Schwere der Anlasstat (Mord) überwiegt jedoch auch vor dem Hintergrund der Dauer der bisher in der Unterbringung verbrachten Zeit das Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit."

2. Anordnung der Vollstreckung der Reststrafe im Maßregelvollzug

Die Strafvollstreckungskammer hat zu Recht angeordnet, dass der Strafrest in einem psychiatrischen Krankenhaus zu vollziehen ist.

a. Ob in Fällen, in denen ein Strafrest nach Beendigung der Maßregel verbleibt, die Vollstreckung dieses Strafrestes im Maßregelvollzug überhaupt angeordnet werden kann oder die Vollstreckung der Reststrafe zwingend im Strafvollzug zu erfolgen hat, wird in der Rechtsprechung uneinheitlich beurteilt.

aa. Ein Teil der Obergerichte spricht sich gegen eine direkte Anwendung des § 67 Abs. 5 S.2, 1. Halbsatz StGB aus. § 67 StGB trage die Überschrift "Reihenfolge der Vollstreckung" und setze daher prinzipiell ein Nebeneinander von Maßregel und Freiheitsstrafe voraus (KG Berlin, Beschluss vom 18. März 2014, Az.: 2 Ws 77/14, Rn. 6, zitiert nach juris). Ein solches Nebeneinander bleibe im Falle der Aussetzung der Maßregel zur Bewährung bestehen, nicht aber im Falle der Erledigung der Maßregel. Werde die Maßregel für erledigt erklärt, gebe es keine Maßregel mehr, die vollstreckt werden könne, so dass § 67 Abs. 5 S. 2 StGB keine Anwendung finde (OLG Koblenz, Beschl. vom 09. März 2015, Az.: 1 Ws 91/15, Rn. 7, zitiert nach juris). Hinzu trete, dass die Vorschrift des § 67 Abs. 5 S. 2, 1. Halbsatz StGB davon spreche, dass der "Vollzug der Maßregel" und nicht etwa der Vollzug der Strafe in einer Einrichtung des Maßregelvollzugs fortgesetzt werde.

Dieser, sich aus Wortlaut und Systematik der Vorschrift ergebenden Auslegung stehe auch nicht die Intention des Gesetzgebers entgegen. Dieser habe mit der Regelung insbesondere dafür sorgen wollen, dass ein schon erreichter Therapieerfolg nicht wieder gefährdet werde und sicherstellen, dass nach einer an therapeutischen Notwendigkeiten orientierten Unterbringungsdauer eine Bewährungsentscheidung zumindest möglich sei, ohne zwangsläufig zur Rückverlegung in eine Justizvollzugsanstalt nach sich zu ziehen (BT-Drucksache 16/1110, S. 17). Gerade an dieser Fallgestaltung, nämlich einer erfolgten Bewährungsentscheidung, fehle es indes in solchen Fällen.

Eine anderweitige Auslegung des § 67 Abs. 5 S. 2, 1. Halbsatz StGB sei schließlich auch im Hinblick auf die Gesetzgebungskompetenz des Bundes nicht denkbar. Dieser besitze nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG zwar die Gesetzgebungskompetenz für das Strafgesetz und damit auch zur Behandlung der Frage des rechtlichen Charakters der Freiheitsentziehung, nicht jedoch die Gesetzgebungskompetenz bezüglich der Frage der Ausgestaltung des Strafvollzugs. Letztere liege nach dem Grundsatz des Art. 70 GG bei den Ländern. Wolle man die Vorschrift also so verstehen, dass hier die Freiheitsstrafe durch Unterbringung in einer Maßregelvollzugsanstalt vorgesehen werde, so liefe die Landeskompetenz zur Ausgestaltung der Strafvollstreckung soweit ins Leere (KG Berlin, a.a.O., Rn. 8, zitiert nach juris).

Nach dieser Auffassung, die auch von der Generalstaatsanwaltschaft vertreten wird, hat die Vollstreckung der Restfreiheitsstrafe zwingend im Strafvollzug zu erfolgen; der Verbleib des Verurteilten in der Maßregelvollzugseinrichtung scheidet danach bei jedweder Erledigung der Maßregel aus.

bb. Andere Obergerichte hingegen halten § 67 Abs. 5 Satz 2 StGB für anwendbar (OLG Hamm, Beschl. vom 12. Januar 2017, III-4 Ws 372/16, 4 Ws 372/16; OLG Celle, Beschl. vom 02. März 2015, 2 Ws 16/15, 2 Ws 30/15; OLG Düsseldorf, Beschl. vom 12. Dezember 2013, III-2 Ws 576-577/13; OLG Koblenz, Beschl. vom 04. April 2011, 2 Ws 150/11; alle zitiert nach juris). Bei der Regelung des § 67 Abs. 5 Satz 2 StGB handele es sich um eine bloße Regelung zu den Modalitäten des Vollzugs und nicht zu ihrem Rechtscharakter (Strafe/Maßregel), was sich - auch im Vergleich zu der Formulierung in der rein vollzuglichen Regelung des § 67 a StGB - daraus ergebe, dass "nur" vom "Vollzug" der Maßregel bzw. "Vollzug" der Strafe die Rede sei und nicht von "Vollstreckung". Da es sich mithin dem Rechtscharakter nach um eine vollzugliche Überweisungsregelung handele, stünden einer solchen Regelung keine kompetenzrechtlichen Gründe im Hinblick auf die fehlende Gesetzgebungskompetenz des Bundes bzgl. des Strafvollzugs entgegen. Ansonsten müsse man nämlich auch die Regelungen der §§ 67 a und 66 c StGB für kompetenzwidrig erachten, da diese ebenfalls Regelungen zur Ausgestaltung des Vollzugs enthielten (OLG Hamm, a.a.O., Rn. 9).

Nach dieser Auffassung ist die Vollstreckung der Restfreiheitsstrafe im Strafvollzug nicht zwingend, sondern nur dann erforderlich, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen. Die Anordnung der Vollstreckung der Restfreiheitsstrafe im Maßregelvollzug ist danach möglich.

cc. Schließlich halten einige Instanzgerichte eine analoge Anwendung des § 67 Abs. 5 Satz 2 StGB für möglich (LG Leipzig, Beschl. vom 13. Mai 2011, I StVK 246/11; LG Koblenz, Beschl. vom 22. Juli 2015, 14d StVK 478/14; jeweils zitiert nach juris).

dd. Der Senat schließt sich der unter lit. bb. dargestellten Auffassung an und hält § 67 Abs. 5 Satz 2 StGB für (direkt) anwendbar. Die Erledigung der Maßregel und der Verbleib des Verurteilten in der Maßregeleinrichtung stehen nur scheinbar in Widerspruch. Den Materialien zum "Gesetz zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt" vom 16. Juli 2007 (BGBl. I S. 1327) lässt sich entnehmen, dass der Gesetzgeber mit der Regelung des § 67 Abs. 5 StGB Gesichtspunkten der Spezialprävention Vorrang vor den zeitlichen Begrenzungen des § 57 Abs. 1 StGB geben und insbesondere dafür sorgen wollte, dass ein schon erreichter Therapieerfolg nicht wieder gefährdet wird (vgl. dazu BT-Drucks. 16/1110, S. 17). Die Norm berücksichtigt zugleich das "allgemeine Vollzugsprinzip", dass die Anstalten möglichst wenig gewechselt werden sollen (Schöch in: Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl., § 67, Rn. 52).

Bei § 67 Abs. 5 StGB handelt es sich um eine Spezialregelung über die Art des Vollzugs (Schöch, a.a.O., Rn. 54), ohne dass damit dessen Gegenstand (Maßregel oder Strafe) festgelegt würde. Nur ein solches, vom Wortlaut der Norm gedecktes Verständnis vermag zwanglos zu erklären, dass auch bei einer Maßregelvollstreckung, die gem. § 67 d Abs. 2 S. 1 StGB zur Bewährung ausgesetzt wird, weil zu erwarten ist, dass der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine erheblichen rechtswidrigen Taten mehr begehen wird, der "Vollzug der Maßregel", also der Verbleib in der Maßregelvollzugseinrichtung, ggf. fortdauern kann. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn der für die Strafaussetzung unabdingbare Halbstrafenzeitpunkt gem. § 67 Abs. 5 S. 1 StGB noch nicht erreicht ist (Schöch, a.a.O.; OLG Düsseldorf, a.a.O., Rn. 28, zitiert nach juris).

Es ist kein Grund ersichtlich, dass die Vorschrift dann nicht auch bei einer bisher vollzogenen und nunmehr erledigten Maßregelunterbringung gelten soll. Ihrem Sinn und Zweck nach greift die Norm ein.

Die Überlegungen der gegenteiligen - unter lit. aa. dargelegten - Auffassung stehen der hier vertretenen nicht entgegen. Es trifft zwar zu, dass die Erledigung der Maßregel dieser die Grundlage entzogen hat und die Unterbringung daher nicht weiter vollstreckt werden darf. Jedoch wird in direkter Anwendung des Gesetzes in einem solchen Fall die Strafe vollstreckt - und nicht die (erledigte) Unterbringung -, was ausnahmsweise in einer Einrichtung des Maßregelvollzugs geschieht.

Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich zudem, dass der Gesetzgeber ein weites Verständnis von § 67 Abs. 5 S. 2 StGB hat. Denn dem Gesetzentwurf lag hinsichtlich der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gem. § 64 StGB die Ansicht zugrunde, dass die Unterbringung ggf. über die hierfür in § 67 d Abs. 1 S. 3. StGB bestimmte Höchstfrist hinaus weiter vollzogen werden dürfe (vgl. dazu BT-Drucks. 16/1110, S. 14). Dann ist jedoch die Maßregel ebenfalls bereits erledigt (Schöch, a.a.O.).

Durch die hier vertretene Auffassung entstehen der Beschwerdeführerin keine Nachteile. Der Senat ist nicht der Auffassung, dass der Vollzug der Reststrafe in einer Justizvollzugsanstalt von geringerer Eingriffsqualität ist.

b. Im Ergebnis zu Recht hat die Strafvollstreckungskammer angeordnet, dass die Vollstreckung der Restfreiheitsstrafe im Maßregelvollzug erfolgen soll. Denn es bestand keine Veranlassung, die Verurteilte aus Gründen, die in ihrer Person liegen, in den Strafvollzug zu überführen. Im Gegenteil: sie profitiert vom weiteren Verbleib in der Maßregelvollzugseinrichtung. Die Verurteilte leidet noch unter einer abhängigen Persönlichkeitsstörung mit emotional-instabilen und dissozialen Anteilen (ICD-10: F60.7) sowie einer Intelligenzminderung an der Grenze von leicht zu mittelgradig mit deutlichen Verhaltensstörungen, die Beobachtung oder Behandlung erfordert (ID-10: F. 70.1), wenngleich sie im Verlauf der Unterbringung von der Behandlung profitiert hat. Die Strafvollstreckungskammer hat die Unterbringung allein aus Verhältnismäßigkeitsgründen für erledigt erklärt, zugleich aber festgestellt, dass weiterer Behandlungsbedarf besteht. Soweit die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme ausgeführt hat, dass die therapeutischen Möglichkeiten ausgeschöpft sind, trifft dies nicht zu. Zwar hat die Sachverständige Dr. K. im Anhörungstermin angegeben, dass im Maßregelvollzug alles erreicht worden sei; zugleich hat sie aber angeben, dass weitere Erprobungen, die sie im Einzelnen benannt hat, erforderlich seien. Die von der Sachverständigen erforderlich gehaltenen Erprobungen lassen sich in dieser Form jedoch allein aus dem Maßregelvollzug heraus bewerkstelligen. Daneben haben die behandelnden Ärzte erklärt, dass bei der Verurteilten noch vor Aufnahme einer Erprobungsmaßnahme ein Nachreifungsprozess auf der gemischt-geschlechtlichen Station der Einrichtung erforderlich sei, der therapeutisch begleitet und reflektiert werden müsse. Auch dies kann mit den dem Strafvollzug zur Verfügung stehenden Möglichkeiten nicht geleistet werden.

3. Divergenzvorlage

Entgegen der Auffassung des Verteidigers besteht kein Anlass zu einer Vorlage der Sache an den BGH gem. § 121 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 3 GVG. Nach dem Wortlaut der Vorschrift besteht die Vorlagepflicht bei einer beabsichtigen divergierenden Beschwerdeentscheidung über die Erledigung einer Maßregel der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung oder in einem psychiatrischen Krankenhaus oder über die Zulässigkeit ihrer weiteren Vollstreckung von einer nach dem 01. Januar 2010 ergangenen Entscheidung. Vorliegend geht es jedoch - schon allein aufgrund der vorgenommenen Beschränkung - nicht um eine abweichende Auffassung des Senates bzgl. der Voraussetzungen einer Erledigung sondern lediglich darum, ob die Anordnung der Vollstreckung der Restfreiheitsstrafe nach einer Erledigung in einer Maßregelvollzugseinrichtung zulässig ist. Dem entsprechend hat in der Vergangenheit auch kein anderes Oberlandesgericht - trotz abweichender Auffassungen - eine Vorlage veranlasst.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.