Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 10.05.2017, Az.: 3 Ws 240/17

Anordnung der Vollstreckung der nach Anrechnung des Maßregelvollzugs verbleibenden Restfreiheitsstrafe bei Erledigung der Maßregel wegen Unverhältnismäßigkeit

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
10.05.2017
Aktenzeichen
3 Ws 240/17
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2017, 35928
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hildesheim - 30.03.2017 - AZ: 23 StVK 23/17

Fundstelle

  • StV 2018, 367

Amtlicher Leitsatz

Bei Erledigung der Maßregel wegen Unverhältnismäßigkeit kommt die Anordnung der Vollstreckung einer nach Anrechnung verbleibenden Restfreiheitsstrafe im Maßregelvollzug nicht in Betracht; in derartigen Fällen ist § 67 Abs. 5 Satz 2 StGB weder direkt noch analog anwendbar.

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft wird der Beschluss der 1. großen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hildesheim vom 30. März 2017 insoweit aufgehoben, als unter Ziffer 3) die Vollstreckung der Restfreiheitsstrafen im Maßregelvollzug angeordnet worden ist.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen des Verurteilten fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe

I.

Mit Beschluss vom 30. März 2017 hat die Strafvollstreckungskammer die durch Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 8. Dezember 2003 angeordnete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus für erledigt erklärt, weil die weitere Vollstreckung der Maßregel unverhältnismäßig wäre (§ 67d Abs. 6 Satz 1 StGB). Außerdem hat die Strafvollstreckungskammer die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die zugleich verhängte Freiheitsstrafe von einem Jahr angerechnet und die Vollstreckung der nach Anrechnung verbleibenden Restfreiheitsstrafe sowie weiterer - nach jeweiliger Verbüßung von zwei Dritteln verbliebener - Restfreiheitsstrafen aus Urteilen des Landgerichts Hildesheim vom 29. Mai 1995 und vom 6. Juli 1998 nicht zur Bewährung ausgesetzt und angeordnet, dass die Strafhaft im Maßregelvollzug zu vollstrecken ist.

Gegen diesen am 6. April 2017 durch Vorlage der Akten zugestellten Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde der Staatsanwalt, die am 11. April 2017 beim Landgericht eingegangen und durch die Generalstaatsanwaltschaft auf die Anordnung der Vollstreckung der Restfreiheitsstrafen im Maßregelvollzug beschränkt worden ist.

II.

Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache Erfolg. Die in Ziffer 3 des Beschlusses angeordnete Vollstreckung der Restfreiheitsstrafen im Maßregelvollzug ist aufzuheben.

Eine unmittelbare oder entsprechende Anwendung des § 67 Abs. 5 Satz 2 StGB kommt insoweit nicht in Betracht (vgl. OLG Koblenz, 1. Strafsenat, Beschluss vom 9. März 2015 - 1 Ws 91/15 -, juris; KG, Beschluss vom 18. März 2014 - 2 Ws 77/14 -, juris; OLG Frankfurt, Beschluss vom 3. Juni 2005 - 3 Ws 298 - 299/05 -, juris; NK-StGB-Pollähne § 67 Rn. 28). Denn die Anwendung von § 67 Abs. 5 Satz 2 StGB setzt das Nebeneinander von Strafe und Maßregel voraus. Daran fehlt es im vorliegenden Fall schon von vornherein bei den Freiheitsstrafen, neben denen nicht auch eine Maßregel verhängt worden sind. Aber auch, soweit die Maßregel für erledigt erklärt worden ist, besteht dieses Nebeneinander nicht; denn es gibt keine Maßregel mehr, die vollstreckt werden könnte.

Der Gegenansicht (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12. Dezember 2013 - III-2 Ws 576 - 577/13 - juris; OLG Koblenz, 2. Strafsenat, Beschluss vom 4. April 2011 - 2 Ws 150/11 - juris; Fischer StGB 64. Aufl. § 67d Rn. 24) folgt der Senat nicht. Diese vermengt in unzulässiger Weise die Frage der - nach Landesrecht zu beurteilenden - tatsächlichen Ausgestaltung des Vollzuges der Freiheitsstrafe (in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Justizvollzugsanstalt) mit der unabhängig davon - nach Bundesrecht - zu klärenden Frage des rechtlichen Charakters der Freiheitsentziehung (Maßregel oder Freiheitsstrafe); nur über Letztere hat die Strafvollstreckungskammer zu entscheiden.

Eine analoge Anwendung des § 67 Abs. 5 Satz 2 StGB kommt mangels einer planwidrigen Regelungslücke ebenfalls nicht in Betracht (vgl. KG aaO.; OLG Koblenz aaO.).

Einer gesonderten Anordnung, dass die Restfreiheitsstrafen im Strafvollzug zu vollstrecken sind, bedarf es nicht; dies folgt vielmehr bereits aus den rechtskräftigen Verurteilungen, die Grundlage der Vollstreckung sind (KG aaO.).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 473 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 StPO; denn das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft erfolgte weder zugunsten noch zuungunsten des Verurteilten, sondern verfolgte allein das Ziel, die angefochtene Entscheidung mit dem Gesetz in Einklang zu bringen (vgl. KG aaO.; OLG Koblenz aaO.; LR-Hilger StPO 26. Aufl. § 473 Rn. 24; Meyer-Goßner/Schmitt StPO 60. Aufl. § 473 Rn. 17).