Verwaltungsgericht Göttingen
Beschl. v. 30.07.2008, Az.: 3 B 137/08

Amt, abstrakt-funktionell; Amt, konkret-funktionell; Bundesbeamter; Qualifizierungsmaßnahme; Telekom; VCS; Vivento; Vivento Customers Services GmbH; Vorbereitungs- und Orientierungsphase; Weisung; Zuweisung

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
30.07.2008
Aktenzeichen
3 B 137/08
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2008, 45364
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGGOETT:2008:0730.3B137.08.0A

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Die Verpflichtung eines der Personalserviceagentur Vivento angehörigen Bundesbeamten, an einer Qualifizierungsmaßnahme (sog. Vorbereitungs- und Orientierungsphase) bei der Vivento Customers Services GmbH teilzunehmen, stellt sich auch dann als eine dienstliche Weisung im Sinne von § 55 Satz 2 BBG und nicht als Tätigkeitszuweisung gemäß § 4 Abs. 4 PostPersRG dar, wenn dem Betroffenen weder ein Amt im abstrakt-funktionellen Sinne noch ein konkreter Dienstposten zugeordnet ist. Die Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz kommt daher nur nach Maßgabe des § 123 VwGO, nicht aber auf der Grundlage des § 80 VwGO in Betracht.

  2. 2.

    Nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vorzunehmenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ist dem Beamten die Teilnahme an der Qualifizierungsmaßnahme zuzumuten, sofern nicht eine sich hieran anschließende Zuweisung eines dauerhaften amtsangemessenen Dienstpostens bei der Vivento Customers Services von vornherein ausgeschlossen ist.

Gründe

1

I.

Der Antragsteller, der als Technischer Fernmeldeamtmann (Besoldungsgruppe A 11) im Dienst der Antragsgegnerin steht, wird als Angehöriger des Zentralen Betriebes Vivento in G. betreut. Seit 2002 wurde ihm weder ein abstrakt-funktionelles noch ein konkret-funktionelles Amt dauerhaft zugewiesen.

2

Mit Schreiben vom 08. April 2008 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, es sei beabsichtigt, ihn für die Zeit vom 01. Juni 2008 bis zum 28. Februar 2009 der Vivento Customers Services GmbH (VCS) zuzuweisen. Die VCS ist eine 100 %-ige Tochter der Deutschen Telekom AG. Nachdem der Antragsteller unter dem 18. April 2008 erklärt hatte, hiermit nicht einverstanden zu sein, hielt die Antragsgegnerin an ihrem Vorhaben nicht weiter fest.

3

Stattdessen wurde der Antragsteller mit Schreiben der Antragsgegnerin vom 15. Mai 2008 gemäß § 55 Satz 2 BBG angewiesen, an einer Vorbereitungs- und Qualifizierungsmaßnahme teilzunehmen. Zur Begründung führte die Antragsgegnerin aus, hiermit werde eine Zuweisung zur VCS vorbereitet. Das Interesse und die Pflicht der Deutschen Telekom AG beständen darin, den Beschäftigungsanspruch von Beamtinnen und Beamten zu realisieren. Mangels ausreichend vorhandener Arbeitsposten sei dies in der Deutschen Telekom AG jedoch nicht möglich. Die entsprechenden Beschäftigungsmöglichkeiten gebe es indes in der VCS. Die dort vorhandenen Arbeitsposten hätten jedoch besondere Anforderungsprofile, die eine entsprechende Einführung, Vorbereitungs- und Orientierungsphase zwingend erforderlich machen würden. Nach erfolgreichem Abschluss dieser Maßnahme bestehe die Möglichkeit einer dauerhaften Zuweisung einer amtsangemessenen Tätigkeit bei der VCS. Die Maßnahme gliedere sich in eine Einführungsveranstaltung (vom 02. Juni bis 06. Juni 2008 in Magdeburg) und eine sich daran anschließende sog. Vorbereitungs- und Orientierungsphase von voraussichtlich drei Monaten, die der Antragsteller am VCS-Standort G. absolvieren solle (Phase I der Qualifizierungsmaßnahme). In dieser Phase, die von der Vivento durchgeführt werde, stehe das Praxislernen im Vordergrund. Den Beamten würden vertiefte Einarbeitungen angeboten (u.a. zu Produkten, Systemen und Kommunikation), um eine amtsangemessene Tätigkeit bei der VCS wahrnehmen zu können. Hierzu gehöre auch die Eingliederung in ein Team zur praktischen Vertiefung. Am Ende der Phase I erfolge eine Auswahlentscheidung, bei der dem Antragsteller die für ihn geeignete Tätigkeit konkret zugeordnet werden könne. Im Rahmen der nachfolgenden Phase II, die von der VCS durchgeführt werde (und nicht Gegenstand der Anordnung ist), würden ihm die amtsangemessenen Tätigkeiten dauerhaft zugewiesen werden.

4

Mit Schreiben vom 27. Mai 2008 legte der Antragsteller gegen die Weisung Widerspruch ein. Bei der Anordnung der Teilnahme an der Vorbereitungs- und Qualifizierungsmaßnahme handele es sich tatsächlich nicht um eine Weisung, sondern um eine Tätigkeitszuweisung, also einen Verwaltungsakt. Durch diese werde der rechtswidrige Zustand des faktisch entzogenen Funktionsamtes weiter aufrechterhalten. Da er, der Antragsteller, aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage sei, Call-Center-Tätigkeiten auszuüben, könne der Zweck der Maßnahme (die dauerhafte Zuweisung einer amtsangemessenen Beschäftigung bei der VCS) von vornherein nicht erreicht werden. Entgegen § 4 Abs. 4 PostPersRG habe er der Maßnahme nicht zugestimmt. Ebenso sei er vor Erlass der Zuweisung nicht gemäß § 28 VwVfG angehört worden.

5

Der Antragsteller hat am 09. Juli 2008 um gerichtlichen vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Bei der streitgegenständlichen Anordnung handele es sich um eine Zuweisung gemäß § 123a BRRG. Da weder eine Versetzung noch eine Abordnung vorliege, habe sein Widerspruch entgegen § 126 Abs. 3 BRRG aufschiebende Wirkung. Da er bei der VCS mit einfachsten Tätigkeiten (z.B. mit Rufnummernüberprüfungen) betraut werden solle, sei die dauerhafte Zuweisung einer amtsangemessenen Beschäftigung bei der VCS, also das Ziel der Vorbereitungs- und Orientierungsphase, nicht zu erreichen. An dem VCS Standort G., an dem er wegen seiner gesundheitlichen Einschränkungen allein einsetzbar sei, gebe es keine freien Stellen. Die Antragsgegnerin habe nicht dargelegt, welche konkrete Funktion ihm nach Durchlaufen der Maßnahme zugewiesen werden solle. Mangels konkreter Angabe, wie lange die Vorbereitungs- und Orientierungsphase dauern solle, sei die Weisung nicht hinreichend bestimmt. Da ihm, dem Antragsteller, zur Zeit weder ein Amt im abstrakt-funktionellen Sinne noch im konkret-funktionellen Sinne zugewiesen sei, könne ihm die Antragsgegnerin keine dienstlichen Weisungen erteilen. Da ihm aufgrund seiner gesundheitlichen Situation weder ein Dienstposten mit Leitungsfunktion noch ein Arbeitsplatz in einem Großraumbüro übertragen werden könne, sei eine amtsangemessene Beschäftigung bei der VCS nicht möglich.

6

Der Antragsteller beantragt,

  1. 1.

    die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs vom 27. Mai 2008 gegen die Anordnung der Teilnahme an der Vorbereitungs- und Qualifizierungsphase bei der VCS anzuordnen,

  2. 2.

    hilfsweise, der Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes aufzugeben, den Antragsteller mit sofortiger Wirkung von der Teilnahme an der Vorbereitungs- und Orientierungsphase bei der VCS zu entbinden.

7

Die Antragsgegnerin beantragt,

  1. die Anträge abzulehnen.

8

Sie hält ihre Weisung für rechtmäßig und tritt den Ausführungen des Antragstellers im Einzelnen entgegen. Es sei beabsichtigt, dem Antragsteller dauerhaft eine amtsangemessene Tätigkeit bei der VCS zuzuweisen. Dort seien freie Stellen als Standortleiter, Abteilungsleiter, Teamleiter, Key Account Manager, Trainer/Berater, Fachtrainer, Qualitäts-, Gesundheits- und Sicherheitsmanager zu besetzen. Diese Arbeitsposten seien für Beamtinnen/Beamte des höheren bzw. des gehobenen Dienstes amtsangemessen. Sie könnten jedoch erst nach einer vorherigen Qualifikation wahrgenommen werden. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs sei bereits unzulässig. Bei der streitgegenständlichen Maßnahme handele es sich nicht um eine Zuweisung gemäß § 123a BBRG (also einen Verwaltungsakt), sondern um eine Weisung gemäß § 55 BBG. Der weitergehende Antrag des Antragstellers, ihn mit sofortiger Wirkung von der Teilnahme an der Vorbereitungs- und Orientierungsphase bei der VCS zu entbinden, sei zwar als Antrag im Sinne von § 123 VwGO statthaft, jedoch wegen der damit verbundenen Vorwegnahme der Hauptsache unzulässig. Zudem würde es sowohl an einem Anordnungsanspruch als auch an einem Anordnungsgrund fehlen. Die angegriffene Weisung sei nicht vom Vorliegen bestimmter Tatbestandsvoraussetzungen abhängig. Ein Beamter habe kein Recht auf die unveränderte und ungeschmälerte Ausübung des ihm übertragenen konkret-funktionellen Amtes, sondern müsse die Änderung seines dienstlichen Aufgabenbereichs nach Maßgabe seines statusrechtlichen Amtes hinnehmen. Demnach komme dem Dienstherrn eine nahezu uneingeschränkte organisatorische Dispositionsbefugnis zu. Die gerichtliche Überprüfung sei grundsätzlich darauf beschränkt, ob die Gründe des Dienstherrn willkürlich gewesen seien. Der Begriff "Dienst" setze ein konkret-funktionelles Amt nicht voraus. Denn der "Dienst" beschränke sich nicht auf die Erledigung von Dienstgeschäften zur Erfüllung der öffentlichen Aufgaben, sondern erstrecke sich auf sämtliche Leistungen, die der Beamte nach den für ihn geltenden Vorschriften und Weisungen im Rahmen des Dienstverhältnisses zu erbringen habe. Er könne beispielsweise in der Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen bestehen, wenn sie dem Beamten im Diensterfüllungsinteresse in Konkretisierung der allgemeinen Dienstleistungspflicht konkret auferlegt worden sei. Der Antragsteller sei gemäß § 54 Satz 1 BBG verpflichtet, aktiv und engagiert bei der Vermittlung eines neuen Dauerarbeitsplatzes mitzuwirken. Mit der streitgegenständlichen Maßnahme sei auch keine Änderung der Zuordnung des Antragstellers zu einer bestimmten Organisationseinheit der Antragsgegnerin oder zu einem ihrer Tochterunternehmen verbunden. Die Maßnahme sei dem Antragsteller auch zumutbar, da insbesondere berücksichtigt worden sei, dass er ausschließlich in G. und nicht in Großraumbüros oder in Wechselschicht arbeiten könne.

9

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung gewesen.

10

II.

Der Hauptantrag, mit dem der Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz gemäß § 80 Abs. 5 VwGO begehrt, ist bereits unzulässig. Der Hilfsantrag, mit dem der Antragsteller den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO begehrt, ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.

11

Die Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz kommt vorliegend nur nach Maßgabe des § 123 VwGO, nicht aber auf Grundlage des § 80 VwGO in Betracht. Denn bei der mit Schreiben vom 15. Mai 2008 verfügten Teilnahme an der Fortbildungs- und Qualifizierungsmaßnahme handelt es sich um eine Maßnahme der Antragsgegnerin, der keine Verwaltungsaktqualität zukommt (§ 123 Abs. 5 VwGO). Der ausdrücklich als Weisung nach § 55 Satz 2 BBG bezeichneten Anordnung fehlt es an der von § 35 Satz 1 VwVfG vorausgesetzten Außenwirkung. Es handelt sich vielmehr um eine innerbetriebliche Maßnahme der Antragsgegnerin, gegen die im Hauptsacheverfahren Rechtsschutz im Wege der allgemeinen Leistungsklage auf Rücknahme oder auf Nichtvollzug der Weisung erlangt werden könnte (vgl. VG Oldenburg, Beschluss vom 17. Juni 2008 - 6 B 1525/08 -, BA S. 2; Bayerisches Verwaltungsgericht Ansbach, Beschluss vom 05. Juni 2008 - AN 11 E 08.00874 -, BA S. 7; Schleswig-Holsteinisches OVG, Beschluss vom 01. Juli 2008 - 12 B 21/08 -; VG Köln, Beschluss vom 29. Mai 2008 - 15 L 777/08 -, BA S. 2; Bayerisches VG München, Beschluss vom 30. Mai 2008 - M 21 E 08.2514 -, BA S. 7 f.). Durch die verfügte Teilnahme an der Vorbereitungs- und Qualifizierungsphase wird dem Antragsteller kein Dienstposten bei der VCS übertragen und im Sinne von § 4 Abs. 4 PostPersRG zugewiesen. Zwar soll der Antragsteller zur praktischen Vertiefung in ein Team der VCS eingegliedert werden; jedenfalls nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung erfolgt dies jedoch ausschließlich im Rahmen der von der Antragsgegnerin angeordneten Qualifizierungsmaßnahme, die von der Vivento durchgeführt wird. Die Zuweisung einer Tätigkeit bei der VCS erkennt die Kammer hierin nicht (anders: VG Lüneburg, statt aller: Beschluss vom 25. Juni 2008 - 1 B 36/08 -).

12

Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht auf Antrag, auch schon vor Klageerhebung, zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung treffen, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern. Nach Wesen und Zweck dieses Verfahrens darf die vorläufige Regelung grundsätzlich nicht die Entscheidung in der Hauptsache vorwegnehmen (so die weitaus überwiegende Auffassung in der Rechtsprechung, vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 24. Juli 2002 - 5 ME 98/02 -; VG Göttingen, Beschlüsse vom 03. Mai 2002 - 3 B 3167/01 - und vom 10. April 2003 - 3 B 68/03 -). Dies hat seinen Grund darin, dass das einstweilige Rechtsschutzverfahren nach § 123 VwGO regelmäßig nur der vorläufigen Regelung eines Rechtsverhältnisses dient. Dagegen soll einem Antragsteller nicht bereits das gewährt werden, was er nur in einem Hauptsacheverfahren erreichen kann. Das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache kann nur ganz ausnahmsweise durchbrochen werden, sofern dies zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) schlechterdings erforderlich ist. Dies ist dann der Fall, wenn die sonst zu erwartenden Nachteile für den Antragsteller unzumutbar, insbesondere in dem Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären. Diese Durchbrechung ist jedoch nur dann zulässig, wenn ein sehr hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg in der Hauptsache spricht ( OVG Lüneburg, Beschluss vom 02. Februar 2007 - 13 ME 362/06 -, juris, RdNr. 9). Die Verpflichtung einer Behörde zu einem bestimmten Verhalten kann deshalb nur dann ausgesprochen werden, wenn der Antragsteller sowohl die tatsächlichen Voraussetzungen für das Bestehen des entsprechenden Anspruchs (sog. Anordnungsanspruch) mit weitaus überwiegenden Erfolgsaussichten in der Hauptsache als auch die Eilbedürftigkeit der Angelegenheit (sog. Anordnungsgrund) gemäß § 920 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 123 Abs. 3 VwGO glaubhaft macht.

13

Im vorliegenden Fall begehrt der Antragsteller, der Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes aufzugeben, ihn mit sofortiger Wirkung von der Teilnahme an der Vorbereitungsund Orientierungsphase bei der VCS zu entbinden. Mit einer entsprechenden stattgebenden Entscheidung würde die Hauptsache voraussichtlich vorweggenommen werden, da nicht absehbar ist, wann eine Entscheidung über den Widerspruch erfolgen wird, und es für den Fall, dass der Antragsteller vorerst von der Teilnahme freigestellt würde, fraglich erscheint, ob eine Teilnahme zu einem späteren Zeitpunkt und im laufenden Projekt noch erfolgsversprechend wäre. Damit stünde zu befürchten, dass der mit der Maßnahme verfolgte Zweck, die Voraussetzungen für eine alsbaldige Zuweisung des Antragstellers zur VCS zu schaffen, vereitelt würde (vgl. Bayerisches Verwaltungsgericht München, Beschluss vom 30. Mai 2008, a.a.O., BA S. 8). Der Antragsteller hat die Voraussetzungen für die Vorwegnahme der Hauptsache nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein gebotenen summarischen Prüfung nicht glaubhaft gemacht. Jedenfalls kann nicht festgestellt werden, dass ein sehr hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für den Erfolg in der Hauptsache spricht. Vielmehr dürfte die Verpflichtung des Antragstellers zur Teilnahme an der Vorbereitungs- und Orientierungsphase im Rahmen des § 55 Satz 2 BBG in rechtlich nicht zu beanstandender Weise angeordnet worden sein.

14

Soweit der Antragsteller vorträgt, es liege ein Verfahrensfehler vor, da er entgegen § 28 Abs. 1 VwVfG nicht angehört worden sei, vermag er damit nicht durchzudringen. Denn § 28 Abs. 1 VwVfG verpflichtet die Behörde lediglich, dem Betroffenen vor Erlass eines belastenden Verwaltungsaktes Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Ein Verwaltungsakt liegt jedoch -wie dargelegt - nicht vor. Zudem kann die unterbliebene Anhörung eines Beteiligten bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden (§ 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG). Vorliegend ist die ordnungsgemäße Anhörung des Antragstellers im Laufe des vorliegenden gerichtlichen Verfahrens erfolgt.

15

Gemäß § 55 Satz 2 BBG ist ein Beamter verpflichtet, die von seinen Vorgesetzten erlassenen Anordnungen auszuführen und ihre allgemeinen Richtlinien zu befolgen, sofern es sich nicht um Fälle handelt, in denen er nach besonderer gesetzlicher Vorschrift an Weisungen nicht gebunden und nur dem Gesetz unterworfen ist. Dabei sind Weisungen konkret-individuelle dienstliche Anordnungen, durch die von einem Beamten ein bestimmtes Tun oder Unterlassen verlangt wird. Sie können sachlicher oder persönlicher Art sein. Zum Begriff der Weisungen als dienstliche Anordnungen gehört es, dass sie im Dienst oder im Zusammenhang mit dem Dienst ergehen und an den Beamten als den für die Wahrnehmung bestimmter Aufgaben zuständigen Amtsträger oder in Bezug auf sein Dienstverhältnis als Beamter gerichtet sind (GKÖD, Band I, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, Stand: April 2008, K § 55, RdNr. 30). Zwar fehlt es in Bezug auf den Antragsteller an einer Diensterfüllungspflicht, die mit einem Amt im konkret-funktionellen Sinne grundsätzlich verbunden ist. Denn als Angehöriger der Vivento ist dem Antragsteller weder ein Amt im konkret-funktionellem Sinne noch ein konkrete Beschäftigung an einem bestimmten Dienstort zugewiesen. Allerdings ist der Begriff "Dienst" weit auszulegen. Das Bundesverwaltungsgericht hat hierzu in Bezug auf die den privatisierten Nachfolgeunternehmen der Deutschen Bundesbahn zugewiesenen Beamten, denen weder ein Amt im abstraktfunktionellen Sinne noch ein Dienstposten zugeordnet ist, ausgeführt ( BVerwG, Urteil vom 07. September 2004 - 1 D 20.03 -, juris, RdNr. 37):

"Der Begriff ‚Dienst‘ im Sinne von § 73 BBG, § 9 BBesG ist - wie der Vertreter des Bundesinteresses zutreffend ausgeführt hat - weit auszulegen. Er setzt ein Amt im konkretfunktionellen Sinne nicht voraus. Zum Dienst kann auch eine etwa unterwertige Beschäftigung gehören, wenn der Beamte gegen deren Zuweisung (und die ihr zugrunde liegende Versetzung) nicht mit Rechtsmitteln vorgeht (vgl. Urteile vom 10. Juni 1998 -BVerwG 1 D 39.96 - S. 33 f. UA und vom 26. Februar 2004 - BVerwG 1 D 3.03 - S. 7 f. UA; ferner Beschluss vom 22. Juni 1995 - BVerwG 1 DB 33.94 -; unzutreffend BDH 7, 88, wo unerlaubtes Fernbleiben wegen einer unzumutbaren und daher "unzulässigen" Beschäftigung verneint wird, also nicht strikt zwischen Rechtmäßigkeits- und Rechtswirksamkeitsfragen unterschieden wird). Dienst im Sinne der genannten Vorschriften beschränkt sich darüber hinaus nicht auf die Erledigung von Dienstgeschäften zur Erfüllung der öffentlichen Aufgaben, die einem Träger öffentlicher Verwaltung oder nach dessen Privatisierung von einem Privatunternehmen zugewiesen sind. Vielmehr erstreckt er sich auf sämtliche Leistungen, die der Beamte nach den für ihn geltenden Vorschriften (und Weisungen) im Rahmen des Dienstverhältnisses zu erbringen hat (vgl. Urteil vom 25. September 2003 - BVerwG 2 C 49.02 - Buchholz 240 § 9 BBesG Nr. 26). Dienst kann etwa auch in einer Heimbereitschaft mit Anwesenheitspflicht bestehen (Beschluss vom 30. März 2000 - BVerwG 1 DB 24.99 -), ebenso in der Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen, wenn sie dem Beamten im Diensterfüllungsinteresse in Konkretisierung der allgemeinen Dienstleistungspflicht konkret auferlegt worden ist. Von einem Beamten, der etwa nach Wegfall der früheren Dienststelle oder nach langwierigen Erkrankungen beschäftigungslos geworden ist, kann auch verlangt werden, dass er, wenn er die Zuweisung zur DB Vermittlung GmbH mit Rechtsmitteln nicht angreift, indem er eine amtsgemäße Beschäftigung einfordert, Zeiten der Heimbereitschaft aktiv nutzt, um an der ‚beruflichen Rehabilitation‘ mitzuwirken. Allerdings muss diese ‚berufliche Rehabilitation‘ eines Lebenszeitbeamten unbeschadet einer vorübergehend möglichen unterwertigen Tätigkeit auf längere Sicht darauf angelegt sein, ihm eine Beschäftigung zu ermöglichen, die seinem Status (noch) entspricht. Der Beamte darf nicht aus dem Dienst hinausgedrängt werden. Insbesondere darf er nicht durch die Anweisung von Pseudobeschäftigungen zur Untätigkeit in perspektivlosem Zuwarten genötigt werden. Derartige Maßnahmen kann er - und muss er gegebenenfalls, wenn er der Anweisung nicht folgen will - erfolgreich angreifen."

16

Diesen Ausführungen schließt sich die Kammer für den vorliegenden Fall einer Weisung im Sinne einer dienstlichen Anordnung an.

17

Bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vorzunehmenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage bestehen auch keine ernstlichen Zweifel daran, dass sich die Antragsgegnerin im Rahmen der ihr zustehenden Weisungsbefugnis gehalten hat. Die Kammer sieht jedenfalls derzeit keine durchgreifenden Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin entgegen ihren ausdrücklichen Erklärungen sowohl im außergerichtlichen als auch im gerichtlichen Verfahren nicht beabsichtigt, mit den angeordneten Maßnahmen eine dauerhafte Zuweisung einer Tätigkeit bei der VCS gemäß § 4 Abs. 4 Satz 2 PostPersRG vorzubereiten. Hiernach ist eine dauerhafte Zuweisung einer dem Amt entsprechenden Tätigkeit auch ohne Zustimmung des Beamten zulässig bei Unternehmen, deren Anteile ganz oder mehrheitlich der Aktiengesellschaft gehören, bei der der Beamte beschäftigt ist, wenn die Aktiengesellschaft hieran ein dringendes betriebliches oder personalwirtschaftliches Interesse hat und die Zuweisung nach allgemeinen beamtenrechtlichen Grundsätzen zumutbar ist. Nach dem Vorbringen der Antragsgegnerin ist gegenwärtig von deren ernsthaftem Bestreben auszugehen, den Antragsteller dauerhaft amtsangemessen bei der VCS zu beschäftigen. Bei der streitgegenständlichen Weisung handelt es sich demnach um eine die Zuweisung nach § 4 Abs. 4 Satz 2 PostPersRG vorbereitende Maßnahme. Die Frage der Rechtmäßigkeit einer solchen dauerhaften Zuweisung ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens, sondern wird ggf. in einem eigenständigen Verfahren zu prüfen sein (so auch VG Oldenburg, Beschluss vom 17. Juni 2008, a.a.O., BA S. 5).

18

Soweit der Antragsteller vorträgt, die zeitliche Festlegung der Maßnahme sei nicht hinreichend konkret, vermag er damit nicht durchzudringen. Die Angabe "für voraussichtlich drei Monate" ist in einer dienstlichen Weisung inhaltlich hinreichend bestimmt (so auch VG Oldenburg, Beschluss vom 17. Juni 2008, a.a.O., BA S. 6).

19

Der vom Antragsteller geäußerte Einwand, er solle bei der VCS mit einfachsten Tätigkeiten betraut werden, weshalb das Ziel der angewiesenen Qualifizierungsmaßnahme gar nicht zu erreichen sei, rechtfertigt den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht. Nach dem hier anzulegenden Maßstab, wonach für die Durchbrechung des Verbots der Vorwegnahme der Hauptsache ein sehr hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg in der Hauptsache vorhanden sein muss, reicht der Vortrag des Antragstellers nicht aus, um bereits jetzt sicher davon ausgehen zu können, dass nach Ablauf der streitgegenständlichen Maßnahmen eine rechtmäßige Zuweisung im Sinne von § 4 Abs. 4 PostPersRG nicht erfolgen kann. Vielmehr sind nach dem Vortrag der Antragsgegnerin bei der VCS freie Stellen als Standortleiter, Abteilungsleiter, Teamleiter, Key Account Manager, Trainer/Berater, Fachtrainer, Qualitäts-, Gesundheits- und Sicherheitsmanager zu besetzen. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass diese Stellen für Beamte/Beamtinnen des gehobenen Dienstes nicht amtsangemessen sind, liegen nicht vor. Allein der Umstand, dass zu der angewiesenen Orientierungsphase auch das Erlangen eines Einblicks in den Tagesablauf eines Call-Centers gehört, rechtfertigt nicht die Annahme, bei dem beabsichtigten dauerhaften Einsatz des Antragstellers handele es sich um eine unterwertige Tätigkeit. Denn die konkrete künftige Tätigkeit soll dem Antragsteller - was rechtlich nicht zu beanstanden ist - erst nach drei Monaten zugewiesen werden. Er ist daher darauf zu verweisen, ggf. gegen eine nachfolgende Zuweisung um Rechtsschutz nachzusuchen, sobald diese verfügt worden ist. Nach der gebotenen summarischen Prüfung ist auch nicht davon auszugehen, dass bei dem VCS Standort G. keine freien Stellen verfügbar sind. Der Antragsteller selbst hat eine von der Antragsgegnerin erstellte Übersicht vorgelegt, nach der im genannten Standort jeweils eine Stelle als Teamleiter, Fachtrainer und Gesundheitsmanager vakant ist. Es ist somit nicht ausgeschlossen, dass dem Antragsteller nach Durchlaufen der angewiesenen Qualifizierungsmaßnahme ein amtsangemessener Dienstposten übertragen werden kann, der auch seine gesundheitlichen Einschränkungen hinreichend berücksichtigt.

20

Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin während der Orientierungsphase die gesundheitliche Situation des Antragstellers nicht hinreichend berücksichtigt hat, liegen nicht vor. Dies wird von dem Antragsteller auch nicht vorgetragen.

21

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Streitwertbeschluss:

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 3 Nr. 1 und 2 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG. Die wirtschaftliche Bedeutung der Weisung ist für den Antragsteller nicht bezifferbar. Von einer Minderung des sich für die Hauptsache ergebenden Streitwertes von 5 000,- € ist mit Blick auf die mit dem Begehren einhergehende Vorwegnahme der Hauptsache abzusehen.