Verwaltungsgericht Göttingen
Beschl. v. 03.07.2008, Az.: 1 B 184/08
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 03.07.2008
- Aktenzeichen
- 1 B 184/08
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2008, 45327
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGGOETT:2008:0703.1B184.08.0A
In der Verwaltungsrechtssache
Streitgegenstand: Entziehung der Fahrerlaubnis
hier: Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO
hat das Verwaltungsgericht Göttingen - 1. Kammer - am 3. Juli 2008 durch den Einzelrichter beschlossen:
Tenor:
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2 500,00 Euro festgesetzt.
Gründe
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat keinen Erfolg.
Der Antragsgegner hat das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheides vom 04.06.2008 in einer den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO genügenden Weise begründet. Er hat ausgeführt, die an der Kraftfahreignung des Antragstellers bestehenden Zweifel hätten sich soweit verdichtet, dass die ernsthafte Besorgnis bestehe, dass andere Verkehrsteilnehmer in ihrer körperlichen Unversehrtheit oder in ihrem Vermögen gefährdet wären, wenn der Antragsteller bis zur endgültigen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Entziehungsverfügung weiterhin am motorisierten Straßenverkehr teilnehmen würde. Diese Formulierungen gehen über formelhafte Wendungen hinaus und lassen in hinreichender Weise erkennen, warum der Antragsgegner dem öffentlichen Interesse an der Sicherheit des Straßenverkehrs den Vorrang vor dem Interesse des Antragstellers eingeräumt hat, Fahrerlaubnis und Führerschein zunächst zu behalten.
Die in materiell-rechtlicher Hinsicht im Rahmen der Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung geht zu Lasten des Antragstellers aus. Das öffentliche Interesse an der Gewährleistung der Verkehrssicherheit überwiegt gegenüber dem privaten Interesse des Antragstellers, von der sofortigen Vollziehung der angeordneten Fahrerlaubnisentziehung verschont zu bleiben. Nach der ständigen Rechtsprechung des zuständigen Fachsenats des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts, der sich die Kammer angeschlossen hat, ist einem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO, der sich gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung einer Fahrerlaubnisentziehungsverfügung wendet, in aller Regel der Erfolg zu versagen, wenn sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ergibt, dass der Antragsteller im Verfahren zur Hauptsache voraussichtlich keinen Erfolg haben wird. Letzteres ist insbesondere dann der Fall, wenn die angegriffene Verfügung offensichtlich rechtmäßig ist (vgl. Nds. Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 11.05.1995 - 12 M 2648/95 - unter Hinweis auf den Beschluss vom 03.06.1993 - 12 M 2023/93 -).
Die angefochtene Entziehungsverfügung ist nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung nicht zu beanstanden. Der Antragsgegner hat auf der Grundlage der §§ 3 Abs. 1 S. 1 StVG, 46 Abs. 1 und Abs. 3, 11 Abs. 1 FeV i.V.m. Ziffer 9.1 der Anlage 4 zu dieser Verordnung mit Bescheid vom 04.06.2008 dem Antragsteller zu Recht die Fahrerlaubnis der Klassen A, B, M und L entzogen, da sich der Antragsteller als Konsument der harten Droge Amphetamin als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen hat. Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Gerichts und des zuständigen Fachsenats des Nds. Oberverwaltungsgerichts schließt bei den die Fahreignung in besonderem Maße beeinflussenden Substanzen, die wie die harten Drogen Heroin, Kokain, LSD oder Amphetamin - eine Ausnahme gilt lediglich für die Droge Cannabis - unter das Betäubungsmittelgesetz fallen, bereits die bloße Einnahme dieser Substanzen die Fahreignung für alle Fahrerlaubnisklassen im Regelfall aus (vgl. Beschluss des erkennenden Gerichts vom 29.05.2007 - 1 B 127/07 -; Nds. OVG, Beschlüsse vom 16.06.2003 - 12 ME 172/03 - und vom 10.10.2006 - 12 ME 293/06 -). Beim Antragsteller wurde durch eine Blutuntersuchung ein Amphetaminwert von 120 ng/ml nachgewiesen (s. Befundbericht der Universitätsmedizin F. vom 08.04.2008), der erheblich über dem von der Grenzwertkommission zu § 24a Abs. 2 StVG festgelegten Grenzwert von 25 ng/ml liegt.
Im vorliegenden Fall liegen keine besonderen, die Annahme eines Regelfalls ausschließenden Umstände vor. Soweit der Antragsteller bestreitet, willentlich Amphetamin konsumiert zu haben, und behauptet, man müsse ihm die Droge in der Nacht vom 18. auf den 19.03.2008 ohne sein Wissen verabreicht haben, ist dieser Vortrag nicht geeignet, eine Abweichung vom Regelfall zu begründen. Behauptet eine Person, in deren Körper ein Betäubungsmittel oder Abbauprodukte hiervon vorgefunden wurden, sie habe diese Droge unwissentlich eingenommen, so muss sie einen detaillierten, in sich schlüssigen und auch im Übrigen glaubhaften Sachverhalt vortragen, der einen solchen Geschehensablauf als ernsthaft möglich erscheinen lässt. Denn da derartige Rauschmittel illegal und zudem nicht billig sind, spricht keine Wahrscheinlichkeit dafür, dass - zumal unbekannte - Dritte einer Person Betäubungsmittel dadurch gegen ihren Willen zuführen, dass sie z.B. eine solche Substanz ohne Wissen des Betroffenen in ein für ihn bestimmtes Getränk einbringen, sofern nicht ein nachvollziehbares Motiv für eine solche Handlungsweise aufgezeigt wird. Wird vorgetragen, eine solche Verabreichung müsse während eines Gaststättenbesuchs zu einem Zeitpunkt geschehen sein, als der Betroffene sein Getränk aus den Augen gelassen habe, so bedarf es in aller Regel, um den unterstellten Geschehensablauf plausibel zu machen, zudem einer nachvollziehbaren Begründung dafür, dass dieser Vorgang entweder von Dritten nicht wahrgenommen werden konnte oder warum Dritte, die diesen Vorgang beobachtet haben, hiergegen nicht eingeschritten sind bzw. warum sie den Betroffenen nicht gewarnt haben. Derartige Behauptungen sind deshalb nur dann beachtlich, wenn überzeugend aufgezeigt werden konnte, dass dem Auffinden von Betäubungsmitteln im Körper eines Fahrerlaubnisinhabers ein Kontakt mit Personen vorangegangen ist, die zumindest möglicherweise einen Beweggrund hatten, dem Betroffenen ein drogenhaltiges Getränk zugänglich zu machen, und dass es ferner nahe liegt, dass diesem die Aufnahme des Betäubungsmittels tatsächlich unbekannt blieb (vgl. BayVGH, Beschluss vom 11.12.2007 - 11 CS 07.2905 -, juris, m.w.N.). Der Antragsteller hat sich darauf beschränkt zu behaupten, er sei in der fraglichen Nacht mit Freunden "in einigen Kneipen in F. unterwegs" gewesen, wo man getrunken, sich unterhalten und andere Bekannte getroffen habe. Im Rahmen der Kneipenbesuche müsse ihm die Substanz durch einen unbekannten Dritten in eines der von ihm getrunkenen Getränke gemischt worden sein, ohne dass er dies bemerkt habe. Diesem Vortrag ist nicht zu entnehmen, mit welchen Freunden der Antragsteller sich zu welcher Zeit in welchen Gaststätten aufgehalten hat, welche weiteren Bekannten er dort getroffen hat, welche Beziehung er zu diesen hat, aus welchem Grund für den "unbekannten Dritten" die Motivation bestanden haben sollte, ihm eine Droge einzuflößen, und warum dies für ihn oder seine Freunde nicht erkennbar gewesen sein soll. Damit genügt der Vortrag des Antragstellers den o.g. Erfordernissen nicht. Hinzu kommt, dass es angesichts der körperlichen Auswirkungen der Droge - laut Polizeibericht verengten sich die Pupillen des Antragstellers bei Lichteinfall nicht mehr -unwahrscheinlich ist, dass ihm sein Zustand beim nächtlichen Autofahren unbemerkt geblieben ist.
Zu Unrecht rügt der Antragsteller schließlich, der Antragsgegner hätte vor der Entziehung der Fahrerlaubnis in Anwendung von § 3 Abs. 3 S. 1 StVG den Ausgang des gegen ihn eingeleiteten Bußgeldverfahrens abwarten müssen. Die Vorschrift statuiert ihrem klaren Wortlaut nach ein Berücksichtigungsverbot nur für den Fall, dass gegen den Inhaber einer Fahrerlaubnis ein Strafverfahren anhängig ist, in dem die Entziehung einer Fahrerlaubnis nach § 69 StGB in Betracht kommt. Einer analogen Anwendung dieser Vorschrift auf anhängige Bußgeldverfahren, mögen sie wegen eines gegen einen Bußgeldbescheid eingelegten Einspruchs auch bei Gericht anhängig sein, steht entgegen, dass das Gesetz insoweit keine unbeabsichtigte Regelungslücke aufweist. Aus § 3 Abs. 4 S. 2 Hs. 2 StVG folgt, dass der Gesetzgeber sehr wohl gesehen hat, dass Feststellungen, denen u.U. Bedeutung für fahrerlaubnisrechtliche Behördenentscheidungen zukommt, nicht nur in Straf-, sondern auch in bußgeldrechtlichen Verfahren getroffen werden können. Wenn er es gleichwohl nicht für geboten erachtet hat, auch insoweit ein temporäres Berücksichtigungsverbot auszusprechen, wie das in § 3 Abs. 3 S. 1 StVG für den Fall der Anhängigkeit bestimmter Strafverfahren geschehen ist, so muss darin ein bewusstes Abstandnehmen des Gesetzgebers von einer Erstreckung dieser Regelung auf ordnungswidrigkeitenrechtliche Verfahren gesehen werden ( VGH München, Beschluss vom 29.11.2007 - 11 CS 07.1976 -, juris, m.w.N.; Beschluss der Kammer vom 11.02.2008 - 1 B 5/08 -).
Nach alledem ist es im Interesse des Straßenverkehrs zwingend geboten, den Antragsteller mit sofortiger Wirkung von der Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr auszuschließen. Private, berufliche und wirtschaftliche Belange des Antragstellers müssen demgegenüber zurücktreten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die Festsetzung des Streitwertes aus den §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 46 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (DVBl. 2004, 1525). Danach ist für den Entzug der Fahrerlaubnis der Auffangwert (§ 52 Abs. 2 GKG) zugrunde zu legen, der im Hinblick auf den vorläufigen Charakter des gerichtlichen Eilverfahrens auf 2 500,00 Euro halbiert wird.