Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 20.10.2004, Az.: 4 K 69/02
Steuerfreiheit der Entnahme bei einem bebaubaren Gartengrundstück auf der dem Wohnhaus gegenüberliegenden Straßenseite; Folgen eines lebenslänglichen Nutzungsrechts der Altenteiler auf die Steuerbarkeit eines Gartengrundstückes; Faktischer Ausschluss einer Bebauung eines Grundstücks, bei bestehendem lebenslangen Nutzungsrecht
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 20.10.2004
- Aktenzeichen
- 4 K 69/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 22940
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2004:1020.4K69.02.0A
Rechtsgrundlage
- § 52 Abs. 15 S. 7 EStG a.F.
Fundstelle
- EFG 2005, 284-285 (Volltext mit red. LS)
Amtlicher Leitsatz
Einkommensteuer 1998. Die Entnahme eines Gartengrundstücks auf der dem Wohnhaus gegenüberliegenden Straßenseite ist auch dann steuerfrei nach § 52 Abs. 15 S. 7 EStG aF, wenn das Grundstück bebaut werden könnte.
Tatbestand
Streitig ist die Frage, ob ein als Hausgarten genutztes eigenständiges Grundstück steuerfrei nach§ 52 Abs. 15 EStG entnommen werden kann.
Die Kläger sind verheiratet und werden zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Mit notariellem Vertrag vom 26. Mai 1993 übertrugen die Eltern der Klägerin (geboren 1913 und 1919) ihren landwirtschaftlichen Besitz auf letztere. Der Vater der Klägerin ist mittlerweile verstorben, die Mutter lebt noch.
Zu den übertragenen Grundstücken gehörten neben den landwirtschaftlichen Nutzflächen das Hofgebäude mit Wohnhaus, H, S-str. 1, sowie unmittelbar gegenüber auf der anderen Seite der vor dem Hof verlaufenden H Straße das Grundstück Flur 9, Flurstück 66/3, das seit alters her und bis zur Gegenwart als Hausgarten genutzt wird. Dieses Grundstück hat eine Fläche von 1.173 qm. Unstreitig könnte es, da es innerhalb einer geschlossenen Ortslage belegen ist und die Nachbargrundstücke bebaut sind, selbst ebenfalls bebaut werden. Ebenfalls unstreitig ist zwischen den Beteiligten, dass die Grundstücksgröße das ortsübliche Maß für ein Gartengrundstück nicht überschreitet. Bewertungsrechtlich wurde dieses Grundstück mit Nachfeststellungsbescheid auf den 1. Januar 1996 vom 12. November 1996 als unbebautes Grundstück erfasst. Das Hofgrundstück S-str. 1 verfügt nicht über einen größeren Garten, sondern ist überwiegend bebaut bzw. gepflastert. Sowohl das Hofgebäude als auch das Hausgartengrundstück gehörten zum Betriebsvermögen des landwirtschaftlichen Betriebes.
Den Eltern steht nach § 4 desÜbertragungsvertrages ein lebenslanges Wohnrecht an sämtlichen Wohn- und Nebenräumen des Wohnhauses S-str. 1 sowie das Recht auf ausschließliche Nutzung des gegenüberliegenden Hausgartens zu.
Nach Auslaufen der Nutzungswertbesteuerung zum 31.12.1998 erklärten die Kläger in der Einkommensteuererklärung 1998 die steuerfreie Entnahme des Wohnhauses (240 qm überbauter Grund und Boden einschließlich Blumenrabatten) sowie des Hausgartengrundstücks Flurstück 66/3 gem. § 52 Abs. 15 EStG. Das Betriebsergebnis des landwirtschaftlichen Betriebes im Wirtschaftsjahr 1998/99 ermittelten sie mit ./. 799,00 DM.
Der Beklagte stellte sich demgegenüber auf den Standpunkt, dass der Hausgarten nicht steuerfrei entnommen werden könne, weil er eine eigenständige Parzelle bilde. Er setzte für das Wirtschaftsjahr 1998/1999 einen Entnahmewert von 1.173 qm x 115,00 DM = 134.895,00 DM an, von dem er den Buchwert in Höhe von 14.815,00 DM in Abzug brachte. Der Gewinn des landwirtschaftlichen Betriebes im Wirtschaftsjahr 1998/1999 erhöhte sich auf diese Weise auf 119.281,00 DM. Für den Veranlagungszeitraum 1998 ergaben sich nach der Berechnung des Beklagten Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft in Höhe von 93.002,00 DM (1/2 von 66.723,- im Wj. 97/98, 1/2 von 119.281,00 DM im Wj. 98/99).
Gegen den Einkommensteuerbescheid 1998 vom 24. November 1999 legten die Kläger Einspruch ein. Neben einem anderen, für dieses Verfahren nicht wesentlichem Punkt blieben sie bei ihrer Auffassung, dass der Hausgarten steuerfrei entnommen werden könnte. Hilfsweise trugen sie vor, dass ein wesentlich niedrigerer Entnahmewert anzusetzen sei. Zur Begründung legten sie ein Wertgutachten vor, das einen Verkehrswert von zunächst 47.000,00 DM, nach einer Korrektur 48.100,00 DM ermittelte. Der Beklagte beauftragte im Gegenzuge seinen Bausachverständigen mit einer Verkehrswertermittlung. Der Bausachverständige schätzte den Verkehrswert in seinem Gutachten auf 97.000,00 DM. Der Beklagte erließ unter dem Datum des 25. Juni 2001 einen Teilabhilfebescheid, in dem er den vom Bausachverständigen ermittelten Wert berücksichtigte und die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft auf 73.766,00 DM minderte. Den Einspruch wies er sodann mit Einspruchsbescheid vom 18. Januar 2002 als unbegründet zurück.
Die Kläger vertreten im Klageverfahren weiterhin die Auffassung, dass das Gartengrundstück (Flurstück 66/3) nach § 52 Abs. 15 EStG steuerfrei entnommen worden sei. Die Kläger sind der Auffassung, dass sich aus der neueren Rechtsprechung des BFH ergebe, dass auch ein eine eigenständige Parzelle bildendes Grundstück steuerfrei entnommen werden könnte. Ebenso stehe die theoretische Möglichkeit der Bebauung des Grundstücks der steuerfreien Entnahme nicht entgegen. Entscheidend sei hingegen die gegenwärtige und künftige Nutzung des Grundstücks. Da das Gartengrundstück im Streitfall seit Generationen als Hausgarten genutzt werde, sei die Steuerbefreiungsvorschrift des § 52 Abs. 15 EStG einschlägig.
Die vom Beklagten in Bezug genommene BFH-Entscheidung vom 24. Oktober 1996 IV R 43/95, BStBl. II 1997, 50 betreffe einen nicht verallgemeinerungsfähigen Einzelfall.
Die Kläger beantragen,
unter Änderung des Einkommensteuerbescheides 1998 vom 24. November 1999 in der Gestalt vom 25. Juni 2001 und des Einspruchsbescheides vom 18. Januar 2002 die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft für das Jahr 1998 um 48.500,00 DM geringer anzusetzen und die Einkommensteuer entsprechend niedriger festzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte verweist auf die Entscheidung des BFH vom 24. Oktober 1996 IV R 43/95, BStBl. II 1997, 50. Daraus ergebe sich, dass ein Grundstück nicht steuerfrei entnommen werden könne, wenn es eine eigenständige Parzelle bilde und selbstständig bebaubar sei.
Verschiedene von den Klägern zitierte BFH- und FG-Entscheidungen seien nicht einschlägig, weil sie keine Sachverhalte beträfen, in denen das Grundstück eine eigenständige, bebaubare Parzelle bildete.
Den Klägern sei zwar zuzugeben, dass die Entscheidung des BFH vom 26. September 2001 IV R 31/00, BStBl. 2002, 78, einen Fall mit einer eigenständigen Parzelle betreffe. Der BFH habe in diesem Falle jedoch bemängelt, dass die Vorinstanz nicht aufgeklärt habe, inwieweit das Grundstück bebaubar und wie das Grundstück bewertungsrechtlich behandelt worden sei; der BFH habe den Fall zur weiteren Sachaufklärung an das FG zurückverwiesen. Aus diesen Hinweisen für den weiteren Verfahrensgang lasse sich schlussfolgern, dass der Nutzungs- und Funktionszusammenhang mit dem Hofgebäude allein nicht ausreiche, um eine steuerfreie Entnahme zu ermöglichen. Offensichtlich sei auch entscheidungserheblich, ob das Grundstück selbstständig bebaubar sei. Das sei hier im Rahmen des § 34 BauBG in Form einer Lückenbebauung zulässig.
- Ergänzend wird auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung verwiesen.-
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Die Kläger konnten das auf der gegenüberliegenden Straßenseite befindliche Gartengrundstück ebenso wie die Altenteilerwohnung zum Jahresende 1998 steuerfrei entnehmen.
Gem. § 52 Abs. 15 Satz 6 EStG in der Fassung des Streitjahrs 1998 gelten die Wohnung des Steuerpflichtigen und die Altenteilerwohnung sowie der dazugehörende Grund und Boden bis zum Ende des Veranlagungszeitraums 1998 als entnommen. Der Entnahmegewinn bleibt nach Satz 7 außer Ansatz.
Das Gartengrundstück (Flurstück 66/3) stellt zur Altenteilerwohnung "dazugehörenden Grund und Boden" i.S.d. § 52 Abs. 15 Satz 6 EStG dar. Es stand sowohl vor, als auch nach der Zwangsentnahme des Grundstücks mit Auslaufen der Nutzungswertbesteuerung im Jahre 1998 durch seine Verwendung als Hausgarten in einem einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang mit der Altenteilerwohnung. Das ergibt sich schon aus dem Hofübergabevertrag vom 26. Mai 1993, der den Altenteilern ein dinglich abgesichertes lebenslängliches ausschließliches Nutzungsrecht an dem Hausgarten einräumt; eine anderweitige Nutzung des Grundstücks war den Klägern auf Lebensdauer der Eltern damit verwehrt. Der vertraglichen Regelung entspricht die tatsächliche Handhabung. Bis heute wird das Flurstück 66/3 als Garten des Wohnhauses S-straße 1 genutzt.
Dass das Flurstück 66/3 eine eigenständige Parzelle bildet, steht der steuerfreien Entnahme des Grundstücks nicht zwingend entgegen. Dies hat der BFH in seiner Entscheidung vom 26. September 2001 IV R 31/00, BStBl. II 2002, 78 klargestellt, der sich der erkennende Senat insoweit anschließt. Ebenso wenig schädlich ist nach Auffassung des Senats der Umstand, dass eine Bebauung des Gartengrundstücks rechtlich zulässig wäre. Dieses ist im Streitfall schon deshalb nicht maßgeblich, weil das lebenslängliche Nutzungsrecht der Altenteiler eine Bebauung des Grundstücks, die eine Auflösung des Nutzungs- und Funktionszusammenhangs zur Folge hätte, faktisch ausschließt. Der Senat kann nicht erkennen, inwieweit die Bewertung des Grundstücks als"unbebautes Grundstück" für die ertragsteuerliche Frage der Steuerfreiheit der Entnahme maßgeblich sein sollte. Schließlich gibt auch die Größe des Gartens keinen Anlass für Beanstandungen. Mit 1.173 qm entspricht er - was zwischen den Beteiligten auch unstreitig ist - durchaus einem üblichen Hausgarten im ländlichen Bereich.
Der Senat setzt sich mit seiner Entscheidung auch nicht in Widerspruch zu der Entscheidung des BFH vom 26. September 2001 IV R 31/00, BStBl. II 2002, 78. Er versteht die Ausführungen unter Ziffer 2. dahingehend, dass im konkreten Urteilsfall Indizien für eine konkrete Bebauungsabsicht sprachen, nicht aber in der Weise, dass die abstrakte Möglichkeit der Bebauung eines Grundstücks einer steuerfreien Entnahme entgegensteht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 151 FGO i.V.m. § 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Entscheidung über die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren folgt aus § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO.
Der Senat lässt nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO die Revision zu im Hinblick auf die Frage, ob sich aus den Entscheidungen des BFH vom 24. Oktober 1996 IV R 43/95, BStBl. II 1997, 50 und vom 26. September 2001 IV R 31/00, BStBl. II 2002, 78 ergibt, dass Grundstücke dann nicht mehr steuerfrei entnommen werden können, wenn sie eine eigenständige Parzelle bilden, selbstständig bebaubar sind und bewertungsrechtlich als unbebautes Grundstück bewertet wurden.