Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 12.10.2004, Az.: 13 K 315/96
Isolierte Aufhebung der Einspruchsentscheidung bei Beseitigung der Beschwer durch Herabsetzung der Steuer im Einspruchbescheid; Bedeutung der Formulierung "so weit" im Rahmen der Aufhebbarkeit von Verwaltungsakten; Folgen eines unterbliebenen Verböserungshinweises
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 12.10.2004
- Aktenzeichen
- 13 K 315/96
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 22936
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2004:1012.13K315.96.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 15.07.2005 - AZ: I B 233/04
Rechtsgrundlagen
- § 100 Abs. 1 S. 1 FGO
- § 91 Abs.1 AO
Fundstelle
- EFG 2005, 296-297 (Volltext mit amtl. LS)
Amtlicher Leitsatz
Keine isolierte Aufhebung der Einspruchsentscheidung, wenn Beschwer durch Herabsetzung der Steuer im Einspruchsbescheid beseitigt wird.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Einspruchsentscheidung isoliert aufzuheben ist.
Der Kläger wurde durch Einkommensteuerbescheid für 1989 vom 13.03.1991 entsprechend seiner beim zunächst zuständigen Finanzamt M eingereichte Steuererklärung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung veranlagt. Bei der Steuerfestsetzung hat das Finanzamt einen erklärten Veräußerungsgewinn in Höhe von 3.152.472,00 DM erfasst. Nach einer Außenprüfungänderte das Finanzamt die Steuerfestsetzung durch Bescheid vom 02.05.1994 und erfasste dabei lediglich einen Veräußerungsgewinn in Höhe von 2.889.472 DM. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde aufgehoben. Gegen den Änderungsbescheid legte der Kläger Einspruch ein, mit dem er sich gegen die Kürzung des Vorwegabzugs sowie die Besteuerung des Veräußerungsgewinns wandte. Mit Schreiben vom 27.01.1995 wies das Finanzamt den Kläger auf eine geänderte Rechtsauffassung und die dadurch eintretende Verböserung hin. Der Kläger erwiderte daraufhin, dass eine Verböserung wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung nicht mehr zulässig sei. Zur Begründung berief er sich unter anderem auf ein anhängiges Revisionsverfahren (BFH II R 73/93) und begehrte im Hinblick auf diesen Rechtsstreit ein Ruhen des Einspruchverfahrens. Am 12.02.1996 fand in den Räumen des Finanzamtes eine Erörterung des Sach- und Streitstandes nach § 364a AO in Anwesenheit des Einspruchsbearbeiters, des Sachgebietsleiters, des Prozessbevollmächtigten und eines weiteren Vertreters des Einspruchsführers statt. Mit Schreiben vom 25.03.1996 kündigte das Finanzamt - nach zwischenzeitlich weiterem Schriftverkehr - eine Einspruchsentscheidung an. Auf Grund eingetretenen Zuständigkeitswechsels schloss der Beklagte am 28. Juni 1996 das Einspruchsverfahren durch Erlass des Einspruchsbescheides ab. Im Einspruchsbescheid setzte er die Einkommensteuer von 799.299,00 DM auf 861.922,00 DM fest. Dabei ging er von einem Veräußerungsgewinn von 3.116.078,00 DM aus. Die Kürzung des Vorwegabzugs wurde rückgängig gemacht. Wegen der Einzelheiten wird auf den Einspruchsbescheid (Bl. 23 ff. FGA) Bezug genommen.
Der Kläger erhob gegen den Einspruchsbescheid vom 28.06.1996 Klage mit dem Begehren der isolierten Aufhebung der Einspruchsentscheidung; hilfsweise einer Entscheidung nach § 100 Abs. 3 S. 1 FGO. Zur Begründung führt der Kläger im Wesentlichen aus, dass die Einspruchsentscheidung aufzuheben sei, weil eine Verböserung nach Ablauf der regulären Festsetzungsfrist nicht mehr hätte erfolgen dürfen. Wegen der Streitfrage der Verböserung nach Ablauf der Festsetzungsfrist sei zudem ein Revisionsverfahren beim BFH anhängig gewesen, auf das sich der Kläger bezogen habe. Den Ausgang dieses Verfahrens hätte der Beklagte abwarten müssen, da das Einspruchsverfahren nach § 363 Abs. 2 S. 2 AO geruht habe. Zudem hätte das Finanzamt das Verfahren aus wichtigen Gründen ruhen lassen müssen. Hilfsweise habe eine Aufhebung der Einspruchsentscheidung nach § 100 Abs. 3 S. 1 FGO zu erfolgen. Wegen der Einzelheiten des Vortrags wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 16.07.1996 (Bl. 1 ff. FGA) Bezug genommen.
Mit Schriftsatz vom 30.09.2004 rügte der Kläger nach zuvor erfolgter Akteneinsicht eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, da ihm bestimmte Aktenbestandteile nicht vorgelegt worden seien. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz des Klägers (Bl. 57 ff. FGA) Bezug genommen. Hinsichtlich der Verböserung erklärt er, dass durch die Ankündigung des Beklagten, einen geänderten Bescheid zu erlassen, in dem der Beklagte einen um 47.346 DM niedrigeren Veräußerungsgewinn als im Bescheid vom 02.05.1994 und die Berücksichtigung des Vorwegabzugs bei den Vorsorgeaufwendungen erfasst, die Beschwer entfallen sei. Das Klageverfahren wegen der isolierten Aufhebung der Einspruchsentscheidung werde hingegen aufrechterhalten. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz des Klägers (Bl. 57 ff. FGA) Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
die isolierte Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 28. Juni 1996.
Der Beklagte beantragt,
die Einkommensteuer 1989 auf 799.299,00 DM festzusetzen.
An der bisher vertretenen Auffassung, dass eine Verböserung hätte erfolgen dürfen, werde nicht mehr fest gehalten. Die erfolgte Verböserung müsse durch Herabsetzung der Steuer beseitigt werden. Soweit weitere Veräußerungskosten geltend gemacht worden seien und die Berücksichtigung des Vorwegabzugs begehrt werde, könne eine Saldierung erfolgen, sodass eine weiter gehende Herabsetzung als im Ausgangsbescheid nicht in Betracht komme. Ein Ruhen des Verfahrens habe nicht erfolgen müssen, da die vorliegende Streitfrage hinsichtlich der Möglichkeit der Verböserung von der im Verfahren des BFH zum Az. II R 73/93 verschieden sei. Ein Ruhen sei auch im Übrigen nicht sachdienlich gewesen. Das Ermessen sei insoweit fehlerfrei ausgeübt worden.
Zudem sei nicht ersichtlich, dass eine weitere erhebliche Sachaufklärung im Sinne des § 100 Abs. 3 FGO erforderlich sei. Die Tatsache, ob und gegebenenfalls welche Streitigkeiten zwischen den Gesellschafter bestanden hätten, habe auf die Höhe des streitigen Veräußerungsgewinnes keinen Einfluss und sei damit nicht entscheidungserheblich. Im Übrigen seien die Steuerakten dem Finanzgericht vollständig übersandt worden, sodass die Frist zur Aufhebung nach § 100 Abs. 3 FGO bereits abgelaufen sei.
Entscheidungsgründe
I.
Die Klage ist begründet, soweit im angefochtenen Einspruchsbescheid die Einkommensteuer zu Lasten des Klägers erhöht wurde. Insoweit besteht zwischen den Beteiligten auf Grund des Ablaufs der regulären Festsetzungsfrist kein Streit mehr darüber, dass die Einkommensteuer auf 799.299,00 DM festzusetzen ist. Die Erklärung des Klägers in seinem Schriftsatz vom 30.09.2004 fasst der Senat dahingehend auf, dass lediglich eine Erledigung des Rechtsstreits für den Fall eingetreten sei, dass der Beklagte sich tatsächlich zum Erlass eines Bescheides über die Herabsetzung der Steuer auf die Höhe des dem Einspruchsverfahren zu Grunde liegenden Steuerbescheides verbindlich verpflichtet oder einen entsprechenden Änderungsbescheid erlässt. Der Beklagte räumt ausweislich des Protokolls zur mündlichen Verhandlung zwar ein, dass eine entsprechende Herabsetzung der Steuer zu erfolgen hat. Er erließ indes nicht selbst einen Änderungsbescheid, sondern beantragte lediglich eine derartige Sachentscheidung durch das Gericht. Der Senat setzt deshalb die Einkommensteuer im angefochtenen Einspruchsbescheid auf 799.299,00 DM herab. Zur Begründung verweist er auf das Urteil des BFH vom 08.07.1998 - I R 112/97, BFHE 186, 496, BStBl. II 1999, 123. Es bedarf keiner weiteren Entscheidung darüber, ob die Steuerfestsetzung bzw. der Veräußerungsgewinn auch aus anderen Gründen, etwa wegen der Berücksichtigung weiterer Veräußerungskosten zu vermindern gewesen wäre. Auf Grund der isolierten Anfechtung der Einspruchsentscheidung konnte eine Steuerherabsetzung lediglich in dem ausgeurteilten Umfang erfolgen. Der Senat weist ferner zur Klarstellung darauf hin, dass der Kläger hinsichtlich seines Begehrens auf ungekürzte Berücksichtigung des Vorwegabzugs nicht beschwert ist, da ausweislich der Einspruchsentscheidung der Vorwegabzug ungekürzt gewährt wurde.
II.
Im Übrigen ist die Klage unbegründet.
1.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf isolierte Aufhebung der Einspruchsentscheidung.
a)
Die Einspruchsentscheidung enthielt mit Ausnahme der angedrohten Verböserung keine eigenständige Beschwer. Diese Rechtswidrigkeit des Einspruchsbescheides hat der Senat gemäß § 100 Abs. 1 S. 1 FGO durch Teilkassation der angefochtenen Einspruchsentscheidung beseitigt. Entgegen der Auffassung des Klägers folgt aus der rechtswidrigen Verböserung kein Anspruch auf Aufhebung des Einspruchsbescheides. Zur Aufhebung eines Steuerbescheides ist das Finanzgericht grundsätzlich nur berechtigt, "so weit" sich der mit der Klage angefochtene Verwaltungsakt als rechtswidrig erweist und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist (§ 100 Abs.1 S. 1 FGO). Daraus ergibt sich, dass ein Verwaltungsakt nur in dem Umfang aufgehoben werden kann, in dem er rechtswidrig ist und dadurch die Rechte des Klägers verletzt. Ist ein Verwaltungsakt nur teilweise rechtswidrig, kann er danach nur insoweit aufgehoben werden, als seine Rechtswidrigkeit reicht, vorausgesetzt, dass er auch ohne den rechtswidrigen Teil erlassen worden wäre. Neben der Entscheidung über die höhere Steuerfestsetzung (Verböserung) enthält die Einspruchsentscheidung eine Auseinandersetzung mit den materiellen Einwendungen des Klägers gegen den Steuerbescheid. Der Einspruchsbescheid entscheidet hierüber abschließend und weist ausweislich des Tenors diese Einwendungen als unbegründet zurück. Mit der Beseitigung der Verböserung verbleibt es demgemäß bei der Zurückweisung der materiellen Einwendungen gegen den zu Grunde liegenden Steuerbescheid. Diese Entscheidung kann für sich genommen als selbstständiger Verwaltungsakt bestehen bleiben (vgl. BFH-Beschluss vom 16.12.1968 - GrS 3/68, BFHE 94, 436; BStBl. II 1969, 192.
b)
Eine Aufhebung der Einspruchsentscheidung ist nicht zur Beseitigung eines Verfahrensfehlers im Einspruchfahren erforderlich. Eine Zurückverweisung der Sache durch das FG kommt zwar grundsätzlich in Betracht, wenn ein Verböserungshinweis unterblieben ist. Durch § 367 Abs.2 Satz 2 AO 1977 soll erreicht werden, dass der Steuerpflichtige einer verbösernden Entscheidung durch rechtzeitige Rücknahme seines Einspruchs zuvorkommen kann. Diese Vorschrift ist Ausfluss des Grundsatzes rechtlichen Gehörs (vgl. BFH-Urteil vom 10.11.1989 - VI R 124/88, BFHE 159, 405; BStBl. II 1990, 414). Für das Einspruchsverfahren als verlängertem Steuerfestsetzungsverfahren gelten gemäß § 365 Abs.1 AO die Vorschriften sinngemäß, die für den Erlass des angefochtenen Verwaltungsaktes gelten. Zu diesen Vorschriften zählt auch § 91 Abs.1 AO, in dem geregelt ist, inwieweit dem Steuerpflichtigen Gelegenheit zu geben ist, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Darüber hinaus sind einem Beteiligten noch nicht bekannt gegebene Besteuerungsgrundlagen auf Antrag oder, wenn die Begründung des Rechtsbehelfs dazu Anlass gibt, von Amts wegen mitzuteilen (§ 364 AO). Wird das in den beschriebenen Vorschriften geregelte Recht auf Gehör verfahrensfehlerhaft nicht gewährt, kann das FG die Einspruchsentscheidung aufheben, ohne in der Sache selbst zu entscheiden.
c)
Im Streitfall hat die Finanzbehörde dem Steuerpflichtigen hinreichend Gelegenheit zur Darlegung seines Rechtsstandpunktes gegeben. So hat das Finanzamt den Einspruchsführer unter näherer Begründung der eigenen Rechtsauffassung mit Schriftsatz vom 27. Januar 1995 ausdrücklich auf die beabsichtigte Entscheidung zu seinem Nachteil hingewiesen. Anschließend wechselte die Finanzbehörde mit dem Einspruchsführer mehrere Schriftsätze, in denen die unterschiedlichen Standpunkte erläutert wurden. Hierbei war auch der Ablauf der Festsetzungsfrist Gegenstand der Erörterungen. Schließlich fand noch am 12. Februar 1996 eine eingehende persönliche Besprechung nach § 364a AO an Amtsstelle statt, in der sämtliche streitigen Sachverhalts- und Rechtsfragen nochmals zur Sprache kamen. Erst nach Abschluss dieses Gesprächs und einem anschließenden Schriftwechsel erließ der Beklagte nunmehr die angefochtene Einspruchsentscheidung. Die Finanzbehörde hat dem Kläger folglich im Einspruchsverfahren hinreichend Gelegenheit gegeben, seinen Rechtsstandpunkt vorzutragen, sich mit den Argumenten der Verwaltung auseinander zu setzen und die Folgen einer Einspruchsentscheidung abzuwägen, sodass das Recht des Klägers auf rechtliches Gehör nicht verletzt worden ist.
2.
Der Beklagte musste das Einspruchsverfahren entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht nach § 363 AO ruhen lassen. Nach § 363 Abs. 2 Satz 1 AO kann die Finanzbehörde mit Zustimmung des Einspruchsführers das Verfahren ruhen lassen, wenn das aus wichtigen Gründen zweckmäßig erscheint. Nach Satz 2 ruht das Verfahren, wenn wegen der Verfassungsmäßigkeit einer Rechtsnorm oder wegen einer Rechtsfrage ein Verfahren unter anderem bei einem obersten Bundesgericht anhängig ist und der Einspruch hierauf gestützt wird (sog. Zwangsruhe). Zum Zeitpunkt des Erlasses der Einspruchsentscheidung war eine möglicherweise eingetretene Zwangsruhe beendet. Die Zwangsruhe endet von Gesetzes wegen, wenn in dem Musterverfahren eine Entscheidung ergangen ist (Pahlke: in Pahlke/ Koenig, AO, § 363 Rz. 53). Das Revisionsverfahren (II R 73/93), auf welches sich der Kläger berufen hatte, ist durch Urteil vom 24.04.1996 (BFH/NV 1996, 731) und damit ca. zwei Monate vor Ergehen der Einspruchsentscheidung beendet worden.
Hinreichende Gründe für eine Verfahrensruhe nach § 363 Abs. 2 Satz 1 AO lagen ebenfalls nicht vor. Zwar kann ein wichtiger Grund vorliegen, wenn der Ausgang eines vor dem BFH oder einem Finanzgericht anhängigem Musterverfahren abgewartet werden soll. Das vom Kläger geführte Klageverfahren auf Akteneinsicht stellt indes keinen solchen wichtigen Grund dar. In der Rechtsprechung war bereits bei Anhängigkeit des Klageverfahrens wegen Akteneinsicht hinreichend geklärt, dass im Verwaltungsverfahren kein Anspruch auf Akteneinsicht besteht (vgl. BFH-Urteil vom 07.05.1985 - VII R 25/82, BFHE 143, 503; BStBl. II 1985, 571). Für den Senat ist auch nicht nachvollziehbar, dass dem Kläger die Besteuerungsgrundlagen nicht mitgeteilt worden sein sollen oder noch sachdienliche Rückfragen bestanden hätten. Denn das Finanzamt hat mehrmals seine Rechtsauffassung unter detaillierter Darlegung der Besteuerungsgrundlagen schriftlich mitgeteilt und im Rahmen der Erörterung nach § 364a AO erläutert. Sachverhaltsfragen oder Rechtsfolgen, die auf Grund einer abweichenden Rechtsauffassung des Steuerpflichtigen unbeantwortet oder offen bleiben, braucht die Verwaltungsbehörde nicht aufzuklären oder zu beantworten. Die Klärung dieser Fragen fällt vielmehr in den Verantwortungsbereich des Steuerpflichtigen. Die Finanzbehörde musste insoweit auch nicht weiter mit einer Entscheidung zuwarten.
Denn auch das bloße Interesse, den Steuerfall offen zu halten, stellt keinen wichtigen Grund im Sinne dieser Vorschrift dar. Der Einspruch ist ebenso wie die Klage grundsätzlich kein Instrument zum bloßen Offenhalten des Steuerfalles wegen möglicher zukünftiger Entwicklungen der Rechtsprechung in Verfahren anderer Steuerpflichtiger. Er dient vielmehr dazu, möglichst zügig eine Entscheidung in der eigenen Sache herbeizuführen. Das FA handelt deshalb nicht ermessensfehlerhaft, wenn es in einem derartigen Fall den Einspruch nicht ruhen lässt, sondern über ihn entscheidet (vgl. BFH-Urteil vom 6. Oktober 1995 III R 52/90, BFHE 178, 559, BStBl II 1996, 20
3.
Die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Einspruchsentscheidung wegen der Erforderlichkeit weiterer Sachaufklärung nach § 100 Abs. 3 FGO liegen nicht vor. Nach § 100 Abs. 3 Satz 1 FGO kann das Gericht, wenn es eine weitere Sachaufklärung für erforderlich hält, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf aufheben, soweit nach Art und Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Nach Satz 5 der Vorschrift kann eine solche Entscheidung jedoch nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen. Diese zeitliche Beschränkung der Möglichkeit einer Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsaktes ohne Sachentscheidung des Gerichts dient den berechtigten Interessen der Beteiligten und soll die für diese unbefriedigende Situation verhindern, dass das Finanzgericht trotz längerer Prozessdauer von einer den Rechtsfrieden wieder herstellenden Sachentscheidung absieht und die Beteiligten in das Verwaltungsverfahren zurückversetzt (BFH-Urteil vom 19. März 1996 II R 59/95, BFHE 179, 571, BStBl II 1996, 321). Nach Ablauf der Frist hat das Gericht mithin im Interesse einer Beschleunigung des Verfahrens die notwendigen Ermittlungen selbst durchzuführen (vgl. auch die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum FGOÄndG, BTDrucks 12/1061 S. 19).
Im Streitfall hatte die Sechsmonatsfrist des § 100 Abs. 3 Satz 5 FGO am 26. November 1996 begonnen und war deshalb im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bereits abgelaufen. Entgegen der Auffassung des Klägers lagen die Akten des Streitfalls vor. Die Akten liegen bereits dann vor, wenn die zur Entscheidung des Streitfalls unter Beachtung der Auffassung des Gerichts wesentlichem Aktenbestandteile vorgelegt wurden. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob einzelne Akten durch das Gericht später zur weiteren Sachaufklärung angefordert werden. Ermittelt das Gericht bereits selbst, hat es konkludent die vorrangige Frage der Zurückverweisung verneint. Etwas anderes kann allenfalls dann gelten, wenn die vorgelegten Aktenbestandteile derart unvollständig sind, dass das Gericht nicht zu entscheiden vermag, ob es von der Regelung des § 100 Abs. 3 FGO Gebrauch machen kann. Hiervon kann im Streitfall indes nicht die Rede sein, da das Finanzamt seiner Stellungnahme vom 26. November 1996 einen Band Einkommensteuerakten, zwei Bände Einspruchsakten und einen Band Sonderakte Veräußerung beigefügt hatte. Insoweit war der Senat bereits zu diesem Zeitpunkt auf Grund der vorgelegten Akten in der Lage zu entscheiden, ob er weitere erhebliche Sachverhaltsaufklärungen für erforderlich hielt.
Im Übrigen begehrt der Kläger lediglich die isolierte Aufhebung der Einspruchsentscheidung, sodass es für die Entscheidung des Gerichts auf die weiteren Aktenbestandteile nicht ankam. Weiter gehende Ermittlungen des Sachverhaltes hinsichtlich der Veräußerung bedurfte es mangels Entscheidungserheblichkeit nicht. Ob die hilfsweise begehrte Entscheidung nach § 100 Abs. 3 FGO überhaupt einen Sachantrag enthält, da es sich dabei um eine dem Gericht eingeräumte Entscheidungsbefugnis handelt, kann dahingestellt bleiben. Wie bereits ausgeführt, hält der Senat weder eine weitere Sachaufklärung für erforderlich noch ist nach Ablauf der Frist des § 100 Abs. 3 Satz 5 FGO eine Aufhebung der Einspruchsentscheidung zulässig.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO. Der Senat hält eine hälftige Kostenverteilung für angemessen, da der Kläger zwar hinsichtlich der Verböserung obsiegt, hinsichtlich seines weiter gehenden Begehrens auf Aufhebung der Einspruchsentscheidung unterlegen ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Senat nicht zu entscheiden hatte, inwieweit der mit dem Einspruch angefochtene Steuerbescheid rechtswidrig ist. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).