Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 27.10.2004, Az.: 3 K 387/02

Begriff der "Nutzung zu eigenen Wohnzwecken" im Rahmen der Gewähr einer Eigenheimzulage; Voraussetzung der auf Dauer angelegten Häuslichkeit bei Eigennutzung von Wohnraum; Eigennutzung bei Bewohnung eines einzelnen Zimmers mit Bad innerhalb einer weitervermieteten Doppelhaushälfte; Begriff der "Wohnung"

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
27.10.2004
Aktenzeichen
3 K 387/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 23349
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2004:1027.3K387.02.0A

Fundstellen

  • DStR 2005, X Heft 21-22 (Kurzinformation)
  • DStRE 2005, 761-762 (Volltext mit amtl. LS)
  • EFG 2005, 255-256 (Volltext mit red. LS)

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Der Erhalt des Anspruchs auf Eigenheimzulage nach dem Eigenheimzulagengesetz erfordert die dauerhafte und intensive Nutzung des anspruchsbegründenden Wohnraums zu eigenen Wohnzwecken.

  2. 2.

    Von intensiver Wohnungsnutzung ist auszugehen, wenn der Anspruchsteller die tatsächliche Sachherrschaft über die seinen persönlichen und wirtschaftlichen Bedürfnissen entsprechenden Räume ausübt.

  3. 3.

    Eine Ferienwohnung, die sowohl an ständig wechselnde Feriengäste kurzfristig vermietet als auch von dem Wohnungseigentümer selbst genutzt wird, ist nicht als selbstgenutzte Wohnung anzusehen.

  4. 4.

    Unter einer Wohnung ist die Zusammenfassung mehrerer Räume zu verstehen, in denen ein selbstständiger Haushalt geführt werden kann.

  5. 5.

    Die bloße Nutzung eines Zimmers mit angeschlossenem Bad reicht nicht aus, um eine nach dem Eigenheimzulagegesetz förderungswürdige Nutzung zu Wohnzwecken zu begründen.

Tatbestand

1

Zwischen den Parteien ist die Gewährung einer Eigenheimzulage ab dem Jahr 1998 in Höhe von jährlich 1.278,23 EUR im Streit.

2

Die Kläger erwarben mit notariellem Vertrag vom 27. Februar 1998 eine Doppelhaushälfte in der A-straße in B, die sie zu diesem Zeitpunkt bereits bewohnten. Die Anschaffungskosten betrugen unstreitig 243.968 DM. Auf ihren Antrag gewährte das Finanzamt zunächst mit Bescheid vom 07.12.1998 eine Eigenheimzulage in Höhe von 2.500 DM (1.278,23 EUR) ab dem Jahr 1998.

3

Im Rahmen einer Außenprüfung stellte das Finanzamt sodann fest, dass die Kläger das Haus von März/April bis einschließlich Oktober eines jeden Jahres überwiegend an Feriengäste vermieteten. Die Doppelhaushälfte hat insgesamt eine Größe von 90 qm. Während der Zeit der Vermietung an Feriengäste nutzten die Kläger im Erdgeschoss lediglich einen ca. 17 qm großen Wohn-Schlafbereich mit abgegrenztem Badezimmer. Die übrigen Räumlichkeiten, nämlich Wohnzimmer und Küche im Erdgeschoss sowie drei Schlafzimmer neben Badezimmer im Obergeschoss vermieteten sie in der Sommersaison an Feriengäste. In den Jahren 1995 bis 2000 erzielten sie daraus jährlich Mieteinnahmen zwischen 21.730 DM und 27.450 DM. Die Anzahl der vermieteten Tage gaben sie für die Jahre 1995 bis 2000 mit 170 bis 202 Tagen an. In den Zeiten der Vermietung nutzten die Kläger selbst weiterhin ein im Garten befindliches Blockhaus. In den Wintermonaten sowie in den Zeiten der Nichtvermietung nutzten die Kläger hingegen das Haus zu eigenen Wohnzwecken.

4

Auf Grund der Feststellungen der Außenprüfung hob das Finanzamt mit Änderungsbescheid vom 07.05.2002 den Eigenheimzulagenbescheid vom 07.12.1998 auf und setzte die Eigenheimzulage auf 0 DM fest. In der durchgehenden Selbstnutzung eines Schlaf- sowie Badezimmers könne eine zulagenbegünstigte Eigennutzung der Wohnung nicht erblickt werden.

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Hiergegen richtet sich nach erfolglosem Einspruchsverfahren die Klage.

6

Die Kläger sind der Rechtsansicht, dass die streitige Doppelhaushälfte zu eigenen Wohnzwecken im Sinne des § 4 Satz 1 Eigenheimzulagengesetz (EigZulG) genutzt werde. Die eigene Wohnnutzung setze das tatsächliche Bewohnen durch den Eigentümer voraus. Dieses sei im Streitfall gegeben. Nach der Rechtsprechung des BFH zu § 10 e EStG erfordere der Begriff der eigenen Wohnnutzung kein ständiges oder zeitmäßig überwiegendes Bewohnen des begünstigten Objekts. Aus diesem Grunde sei eine nach § 10 e EStG geförderte Ferienwohnung nicht durch die Intensität ihrer Nutzung durch den Eigentümer, sondern durch objektive Umstände (ganzjährige baurechtliche Zulässigkeit der Wohnnutzung) gekennzeichnet. Solche zur Dauernutzung geeigneten Objekte würden nicht nur den allgemeinen Wohnbedarf des Steuerpflichtigen decken, sie dienten darüber hinaus auch den vom Gesetzgeber mit dem Sonderausgabenabzug nach § 10 e EStG verfolgten Förderungszielen. Diese besonderen Förderungsziele seien nämlich auch Vermögensbildung und Altersvorsorge durch die Schaffung von Wohneigenheim. Der Beklagte verkenne, dass die Kläger das Objekt zumindest teilweise ganzjährig nutzten. Insbesondere seien dies wesentliche Räumlichkeiten, die eine Wohnung ausmachten. Die Doppelhaushälfte der Kläger sei nach ihrer Nutzung gerade keine typische Ferienwohnung.

7

Die Kläger beantragen,

die beantragte Eigenheimzulage zu gewähren.

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Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

9

Er hält an seiner bisherigen Rechtsauffassung fest.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist nicht begründet.

11

Die Kläger nutzen die Doppelhaushälfte nicht zu eigenen Wohnzwecken im Sinne des § 4 Satz 1 EigZulG.

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Dauerhaftigkeit und Intensität der Nutzung erforderlich

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Nach § 4 Satz 1 EigZulG besteht der Anspruch auf Eigenheimzulage nur für Kalenderjahre, in denen der Anspruchsberechtigte die Wohnung zu eigenen Wohnzwecken nutzt. Zur Auslegung dieses Tatbestandsmerkmals sind dabei die vom BFH zum Begriff der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken in den entsprechenden Regelungen des Einkommensteuergesetzes entwickelten Rechtsgrundsätze anzuwenden (BFH-Beschluss vom 28. Mai 2002 IX B 208/01, BFH/NV 2002, 1284). Danach dient eine Wohnung im Sinne des § 4 EigZulG eigenen Wohnzwecken, wenn sie von dem Steuerpflichtigen selbst und ggf. von den mit ihm in einer Hausgemeinschaft lebenden Familienangehörigen tatsächlich bewohnt wird. Diese Nutzung muss dabei auf Dauer angelegt sein. Das Merkmal "zu eigenen Wohnzwecken nutzen" umfasst ein zeitliches Element, das sich nicht nur auf die Eignung eines Gebäudes zum dauerhaften Wohnen, sondern auch auf das Bewohnen durch den Steuerpflichtigen bezieht (BFH-Urteil vom 28. November 2001 X R 27/01, BStBl II 2002, 145); denn der Begriff "Nutzung zu eigenen Wohnzwecken" umschreibt einen durch eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit, die Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises gekennzeichneten Lebenssachverhalt (BFH-Urteil vom 23. Juli 1997 X R 143/94, BFH/NV 1998, 160). Eine Wohnung setzt im Regelfall dabei eine Beziehung zwischen dem Nutzer und dem genutzten Raumbereich von gewisser Dauerhaftigkeit und Intensität voraus. An dieser Dauerhaftigkeit fehlt es, wenn Räume von wechselnden Feriengästen jeweils nur im Urlaub genutzt werden, insbesondere dann, wenn dies der von Anfang an gegebenen Zweckbestimmung der Wohnung entspricht. Solche Räume werden nicht zu eigenen Wohnzwecken genutzt, sondern lediglich zum vorübergehenden Aufenthalt am Urlaubsort. Ein Eigentümer, der die ihm gehörende Wohnung nur im von Anfang an beabsichtigten und angestrebten Wechsel mit jeweils unterschiedlichen Mietern nutzt, stellt zu dieser Wohnung genauso wenig wie die ständig wechselnden, sich nur kurze Zeit zu Urlaubszwecken in der Wohnung aufhaltenden Mieter eine dauerhafte Beziehung her.

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Unbeschränktes Zutrittsrecht

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Die erforderliche dauerhafte Beziehung des Eigentümers zur Wohnung weist nur dann die geforderte Intensität auf, wenn er die tatsächliche Sachherrschaft an den seinen persönlichen und wirtschaftlichen Bedürfnissen entsprechenden Räume hat. Dazu muss der Eigentümer über das unbeschränkte Zutrittsrecht zu den Räumen sowie über das Recht verfügen, über den Zutritt anderer Personen selbstständig zu bestimmen. Daran fehlt es, wenn eine Wohnung an ständig wechselnde Mieterüberlassen wird. In diesen Zeiten steht dem Steuerpflichtigen dann die Wohnung nicht zur ständigen Nutzung bereit. Eine Wohnung, die auf Grund privatrechtlicher Vereinbarung zur kurzfristigen Vermietung an ständig wechselnde Feriengäste bestimmt ist, stellt eine die Anwendung des § 4 EigZulG ausschließende Ferienwohnung dar, selbst wenn sie nicht in einem Sondernutzungsgebiet nach § 10 Baunutzungsverordnung liegt (BFH-Urteil vom 28. November 2001 X R 27/01, a.a.O.). Eine Ferienwohnung, die sowohl an ständig wechselnde Feriengäste kurzfristig vermietet als auch von dem Wohnungseigentümer selbst genutzt wird, ist nicht als selbstgenutzte Wohnung anzusehen. Merkmal der Eigennutzung einer Wohnung ist nämlich die ausschließliche Nutzung durch den Eigentümer und nicht deren ständige Vermietung an wechselnde Nutzer.

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Diese Auslegung entspricht dabei auch dem Fördergedanken des Eigenheimzulagengesetzes, da der Erwerb von selbstgenutztem Eigentum, insbesondere für Familien, erleichtert werden soll.

17

Im Streitfall haben die Kläger deshalb nicht auf Dauer die Doppelhaushälfte genutzt. Bereits bevor sie das Gebäude im Jahr 1998 erwarben, haben sie in den Jahren von 1995 bis 1997 die genannten Teile des Gebäudes an wechselnde Feriengäste vermietet. Es war deshalb bereits bei Erwerb des Gebäudes im Jahr 1998 beabsichtigt, auch diese bisherige Nutzung des Gebäudes fortzusetzen. Sie haben dann auch in der Folgezeit im Streitjahr 1998 und auch in den Jahren 1999 und 2000 den größten Teil des Gebäudes in der Zeit von März-April bis Oktober eines jeden Jahres an ständig wechselnde Feriengäste vermietet. Damit hatten sie in diesen Zeiten keine Sachherrschaft über die Wohnung. Sie waren in den Zeiten der Vermietung vielmehr ständig von der Nutzung der Wohnung auf Grund der privatrechtlichen Verpflichtungen gegenüber den jeweiligen Mietern ausgeschlossen.

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Bloße Nutzung eines Zimmers nicht ausreichend

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Auch soweit sie dabei in den Zeiten der Vermietung im Erdgeschoss einen Wohn- und Schlafraum mit Badezimmer von einer Größe von 17 qm bewohnten, führt dies nicht zu einer Nutzung zu eigenen Wohnzwecken. Die bloße Nutzung eines Zimmers mit angeschlossenem Bad reicht nicht aus, um eine Nutzung zu Wohnzwecken zu begründen.

20

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH, insbesondere zu § 10 e EStG (Urteil vom 27.10.1998 X R 157/95), ist unter einer Wohnung die Zusammenfassung mehrerer Räume zu verstehen, in denen ein selbstständiger Haushalt geführt werden kann. Es müssen daher nach ständiger Rechtsprechung des BFH eine Küche oder zumindest eine Kochgelegenheit, Bad oder Dusche und WC vorhanden sein. Außerdem müssen die Räume baulich gegenüber anderen Räumen abgeschlossen sein und einen eigenen Zugang haben. Auch hieran mangelt es im Streitfall. In dem gerade 17 qm großen Wohn-Schlafbereich nebst Badezimmer kann hauswirtschaftliches Leben nicht stattfinden. Es mangelt zunächst an einer erforderlichen Küche, zudem fehlt es an der baulichen Abgeschlossenheit. Aus der vorgelegten Handskizze der Kläger ergibt sich, dass sowohl der von den Klägern genutzte Wohn-Schlafbereich sowie Teile der Ferienwohnung lediglich über einen gemeinsamen Flur erreichbar sind. Eine Abgeschlossenheit liegt nicht vor. Es kommt hinzu, dass auch in einem kleinen Raum von 17 qm, unabhängig davon, ob Bad und Küche vorhanden sind, ein vernünftiges hauswirtschaftliches Leben für einen Zweipersonenhaushalt nicht möglich ist. Es fehlt insoweit an den ausreichenden Wohnflächen.

21

Die Kläger haben daher in den Zeiten der Vermietung von März-April bis Oktober eines jeden Jahres die Doppelhaushälfte nicht zu eigenen Wohnzwecken genutzt. Ihnen stand deshalb lediglich in den Wintermonaten sowie in den Zeiten der Nichtvermietung an Feriengäste das Haus zur eigenen Nutzung zur Verfügung. Damit mangelt es hier in den Zeiten der Vermietung an einer auf Dauer angelegten Häuslichkeit, die die Eigengestaltung der Haushaltsführung in den genutzten Räumen ermöglicht. Damit fehlt es hier an dem erforderlichen zeitlichen Element, nämlich einer dauerhaften Nutzung. Allein, dass die Kläger über keine weitere andere Wohnung verfügen, begründet nicht eine auf Dauer angelegte Nutzung des Wohngebäudes zu eigenen Wohnzwecken. Auch in Fällen, in denen Steuerpflichtige als alleinigem Wohnsitz ein in einem Ferienhausgebiet gelegenes Ferienhaus bewohnen, hat der BFH die Frage der Gewährung einer Eigenheimförderung nicht davon abhängig gemacht, ob den Steuerpflichtigen ein weiterer Wohnraum zur Verfügung steht, der zum dauerhaften Wohnen geeignet und zulässig ist. Es kann deshalb für die Frage der Abgrenzung der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken nicht darauf ankommen, ob den Klägern eine weitere Wohnung zur Verfügung steht, oder ob es sich, wie im Streitfall, dabei um die einzige Wohnmöglichkeit handelt. Da die Kläger sich hier aus eigenem Entschluss entschieden haben, das Gebäude in den Sommermonaten an ständig wechselnde Feriengäste zu vermieten, haben sie selbst die dauerhafte Beziehung zu dem Gebäude aufgegeben. Sie mögen zwar unter beengten Wohnverhältnissen wohnen und mangelnde Wohnflächen durch Nutzung des Gartenhauses ausgleichen; die Nutzung des Gartenhauses jedoch ist als nicht förderungsfähiges Gebäude nicht bei der Nutzung der Doppelhaushälfte zu berücksichtigen.

22

Die Klage war deshalb abzuweisen.

23

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.