Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 21.10.2004, Az.: 16 K 109/04

Anspruch auf Berichtigung des Vorsteuerabzugs bei Änderung der Bemessungsgrundlage des ausgeführten Umsatzes; Gleichsetzung des Eintretens der Änderung mit dem Ende eines Wirtschaftsjahres; Zeitpunkt des Eintritts der Änderung

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
21.10.2004
Aktenzeichen
16 K 109/04
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 35265
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2004:1021.16K109.04.0A

Fundstellen

  • KÖSDI 2005, 14508-14509 (Kurzinformation)
  • NWB direkt 2005, 10

Verfahrensgegenstand

Orientierungssatz:/Umsatzsteuer 1998, 2000 und 2001
Zum Zeitpunkt der Änderung der Bemessungsgrundlage nach § 17 UStG bei vom Lieferanten abzurechnenden Jahresrückvergütungen.

Tatbestand

1

Die Klägerin betreibt einen Verbrauchermarkt. Mit einer Vielzahl von Lieferanten vereinbarte sie umsatzabhängige Rückvergütungen, die seitens der Lieferanten regelmäßig im nachfolgenden Kalenderjahr abzurechnen und unter entsprechendem Belegaustausch zu vergüten waren. Neben den prozentual feststehenden Rückvergütungen waren auch Zielrabatte und Steigerungsrabatte vereinbart, die vom Erreichen bestimmter Umsatzgrößen abhängig waren. In den für die Streitjahre erstellten Bilanzen stellte die Klägerin jeweils einen Anspruch auf Rückvergütungen ein, den sie wertmäßig nach den Erfahrungen der Vorjahre ermittelte. Dabei berücksichtigte sie Wert aufhellend die bis zur Erstellung der Bilanz bereits erfolgten Rückvergütungsabrechnungen der Lieferanten. Die Berichtigung des Vorsteuerabzuges nahm die Klägerin regelmäßig in dem Besteuerungszeitraum vor, in dem die jeweilige Abrechnung über die Rückvergütung durch den Lieferanten bei ihr vorlag. Dies waren regelmäßig Besteuerungszeiträume die zeitlich nach dem Kalenderjahr lagen, für den die Rückvergütung abgerechnet wurde.

2

Nach einer Außenprüfung nahm der Beklagte an, dass die Berichtigung des Vorsteuerabzuges bereits mit dem Entstehen des Anspruches und damit mit Einstellung der Forderung in die Bilanz vorgenommen werden müsse. Dies entspreche auch der Verwaltungsauffassung, wie sie in der Verfügung der Oberfinanzdirektion Hannover vom 6. September 1999 zu Az.: S 7330-35-StH 542 zum Ausdruck komme. Auf den Zeitpunkt der Erfüllung des Rückvergütungsanspruches komme es auch nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes nicht an. Dementsprechend seien die abziehbaren Vorsteuern für 1998 um zu mindern.

3

Entsprechend dem Ergebnis der Außenprüfung erteilte der Beklagte geänderte Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre, die die Klägerin nach erfolglosem Einspruchsverfahren mit ihrer Klage angreift. Die Klägerin ist der Auffassung, dass nicht entscheidend sei, wann die Bonus-/Rückvergütungsverpflichtung bei dem leistenden Unternehmern entstehe. Die Änderung der Bemessungsgrundlage trete erst dann ein, wenn der Leistungsempfänger tatsächlich über die Gutschrift verfüge. Insoweit werde auf das Urteil des EuGH vom 29. Mai 2001 in der Rechtssache Freemans verwiesen. Solange aus der Warenlieferung an den Abnehmer lediglich eine Verpflichtung zur Gewährung von Rückvergütungen erwachse, ohne dass der Abnehmer diese Rückvergütung abgefordert habe und diese ihm zugeflossen sei, komme eine Änderung der Bemessungsgrundlage hinsichtlich des Vorsteuerabzuges nicht in Betracht. Eine anders lautende Auffassung verletze Gemeinschaftsrecht.

4

Die Klägerin beantragt,

die Umsatzsteuer um X DM herabzusetzen.

5

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

6

Er hält an seiner Auffassung fest. Er sei an die Verfügung der OFD Hannover vom 6. September 1999 gebunden.

Entscheidungsgründe

7

Die Klage ist begründet.

8

Die Rückvergütungen, die die Klägerin von ihren Lieferanten erhalten hat, sind jeweils in dem Besteuerungszeitraum als Änderung der Bemessungsgrundlage zu behandeln, in dem die Lieferanten die entsprechenden Abrechnungen der Klägerin erteilt haben.

9

Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG hat der Unternehmer, an den ein Umsatz ausgeführt worden ist, dessen Bemessungsgrundlage sich geändert hat, den dafür in Anspruch genommenen Vorsteuerabzug zu berichtigen. Nach § 17 Abs. 1 Satz 3 UStG ist die Berichtigung für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem die Änderung der Bemessungsgrundlage eingetreten ist. Das Eintreten der Änderung im Sinne der genannten Vorschrift ist nicht gleichzusetzen mit dem Ende eines Wirtschaftsjahres, auf den der Unternehmer seine Bilanz erstellt. Sie ist darüber hinaus nicht gleichzusetzen mit dem Zeitpunkt, zu dem die Bilanz dann tatsächlich erstellt ist. Vielmehr tritt die Änderung der Bemessungsgrundlage dann ein, wenn über den Anspruch des Leistungsempfängers auf zuvor vereinbarte Boni oder Rückvergütungen tatsächlich abgerechnet worden ist. So zeigen auch die im Streitfall exemplarisch vorgelegten Vereinbarungen der Klägerin mit ihrem Lieferanten, dass regelmäßig vereinbart wurde, die Lieferanten würden über die konkreten Rückvergütungen im Nachfolgejahr abrechnen. Dies macht auch Sinn, weil erst dann die Umsatzzahlen des vorausgegangenen Jahres vorliegen und damit feststeht, nach welchen Zielrabatten die Rückvergütungen zu erfolgen haben. Damit war die Handhabung der Klägerin, die die Rückvergütungen regelmäßig in den Voranmeldungen und der Jahressteuererklärung des nachfolgenden Jahres erfasste, im Ergebnis zutreffend. Der Senat weist an dieser Stelle jedoch ausdrücklich darauf hin, dass er der Rechtsprechung des BFH, wie sie im Urteil vom 30. November 1995, BStBl II 1996, 206 zum Ausdruck kommt, folgt, wonach es für die Frage des Eintritts derÄnderung nicht darauf ankommt, in welchem Zeitraum der abgerechnete Rückvergütungsanspruch zur Auszahlung kommt. Vielmehr bleibt entscheidend, wann der Rückvergütungsanspruch, der abstrakt bereits mit der Ausführung der Warenlieferung entsteht, zwischen den Leistungsbeteiligten abgerechnet wird. Erst durch die Abrechnung tritt die Änderung der Bemessungsgrundlage ein.

10

Nach allem war die Umsatzsteuer entsprechend dem Begehren der Klägerin herabzusetzen.

11

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.