Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 20.07.2023, Az.: L 14 U 117/22

Gewährung von Verletztengeld; Verjährungseinrede im Rahmen der Leistungsgewährung

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
20.07.2023
Aktenzeichen
L 14 U 117/22
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2023, 33251
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
SG Oldenburg - 23.11.2022 - AZ: S 73 U 70/20

In dem Rechtsstreit
B.,
C.
- Klägerin und Berufungsklägerin -
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt D.,
E.
gegen
F.
vertreten durch die Geschäftsführung,
G.
- Beklagte und Berufungsbeklagte -
hat der 14. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen ohne mündliche Verhandlung am 20. Juli 2023 in Bremen durch die Vorsitzende Richterin am Landessozialgericht H., den Richter am Landessozialgericht I. und den Richter am Landessozialgericht J. sowie die ehrenamtliche Richterin K. und den ehrenamtlichen Richter L. für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 23. November 2022 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert wird für beide Rechtszüge auf Euro 5.000,--festgesetzt.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin einen Anspruch auf Gewährung von Verletztengeld bereits vor dem 1. Januar 2010 hat und die Beklagte sich im Rahmen der Leistungsgewährung auf die Verjährungseinrede nach § 45 Erstes Buch Sozialgesetzbuch - Allgemeine Vorschriften (SGB I) berufen kann.

Die Klägerin ist laut des gemeinschaftlichen Erbscheins des Amtsgerichts M. vom 17. Juni 2016 je zur Hälfte (Mit-) Erbin und Tochter der am N. verstorbenen Frau O., die wiederum Sonderrechtsnachfolgerin ihres an den Folgen eines Versicherungsfalls vom 27. August 2003 noch am selben Tag verstorbenen Ehegatten (im Folgenden: Versicherter) Herrn P. ist. Der weitere (Mit-) Erbe und Sohn der verstorbenen Frau O., Herr Q., führt ein Klageverfahren beim Sozialgericht (SG) R. (Az.: S 7 U 71/20) zur selben Rechtsfrage.

Die Beklagte ist der zuständige Unfallversicherungsträger (§ 136 Abs. 3 Nr. 2 Siebentes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - SGB VII) für die kraft Gesetzes versicherten Personen (§ 2 Abs. 1 Nr. 15a SGB VII, die auf Kosten der Träger der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung oder der landwirtschaftlichen Alterskasse (= Maßnahme- bzw. Rehabilitationsträger) stationäre oder teilstationäre oder stationäre, teilstationäre oder ambulante Leistungen zur medizinische Rehabilitation erhalten und in diesem einen - u.U. tödlich verlaufenden - Versicherungsfall im Sinne des § 8 SGB VII erleiden.

Aus den am 12. November 2014, 1. September 2017, 6. Oktober 2017, 15. Mai 2018 und 21. August 2018 erstellten Aktenvermerken geht hervor, dass die Beklagte aufgrund eines am 12. November 2014 in der Zeitschrift "Spiegel-Online" veröffentlichten Presseartikels (https://www.spiegel.de/panorama/justiz/krankenpfleger-unter-verdacht-soko-soll-alle-todesfaelle-pruefen-a-1002584.html, zuletzt abgefragt am 18. Juli 2023) Kenntnis darüber erhielt, dass der Krankenpfleger S. zu einer lebenslanger Haftstrafe verurteilt worden sei, weil er während seiner Tätigkeiten vom 15. Juni 1999 bis 14. Dezember 2002 im Klinikum R. und vom 15. Dezember 2002 bis 22. Juli 2005 im Klinikum M. durch medizinisch nicht indizierte Gaben von verschiedenen Medikamenten gezielt reanimationspflichtige Notsituationen von einer Vielzahl von Patienten provoziert habe, die zum Teil zu deren Tod geführt hätten. Es habe der Verdacht bestanden, dass S. für mehr als hundert Todesfälle verantwortlich sei.

Die Beklagte hielt in ihrem Aktenvermerk vom 12. November 2014 fest, dass eine Beurteilung, ob und ggf. welche Personen von dem Pfleger S. in der vermuteten Weise geschädigt worden seien, erst nach Abschluss der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen möglich sein werde, weshalb die Entwicklung des Falles zu beobachten sei.

Nach einer Anforderung der strafrechtlichen Prozessakten des Landgerichts R. im Dezember 2017 und Juni 2018 erhielt die Beklagte Angaben über potentielle Opfer. Aufgrund dessen befasste sich die Beklagte u.a. auch mit der rechtlichen Problematik, ab welchem Zeitpunkt Leistungsansprüche eventuell leistungsberechtigter Personen entstünden und ob und ggf. ab wann eine Verjährung der Ansprüche auftrete sowie ab wann eine Einrede der Verjährung im Sinne des § 45 SGB I erhoben werden solle (Vermerk vom 15. Mai 2018). Dabei gelangte die Beklagte intern zum Ergebnis, dass eine entsprechende Einrede der Verjährung erhoben werde und Hinterbliebene ab dem 1. Januar 2010 einen Anspruch auf Leistungen hätten, sofern und soweit sie nach dem 11. November 2014 gelebt hätten und die übrigen Tatbestände erfüllten. Bei nachfolgendem Tode gehe der bis dahin aufgelaufene Anspruch auf die Erben oder Sonderrechtsnachfolger über.

In diesem Zusammenhang entnahm die Beklagte den strafrechtlichen Prozessakten, dass der Krankenpfleger S. auch im Verdacht stehe, den zu Lasten der T. im Krankenhaus M. aufgrund eines akuten Myocardinfarkts behandelten Versicherten am 27. August 2003 ein medizinisch nicht indiziertes Medikament (Gilurytmal) verabreicht zu haben, wodurch eine Krisensituation entstanden sei und dieser noch am selben Tag daran verstarb.

Laut Ermittlungsbericht der Polizeiinspektion M. vom 12. November 2014 meldete sich die Klägerin am 11. November 2014 bei der Staatsanwaltschaft R. und teilte dort mit, dass der Versicherte überraschend im Klinikum M. verstorben sei. Die Klägerin bat, sofern von Seiten der Staatsanwaltschaft Ermittlungen zu diesem Sterbefall im Zusammenhang mit den Verfahren gegen S. durchgeführt würden, sich an sie - die Klägerin - zu wenden, und nicht an die Mutter bzw. Ehefrau des Verstorbenen. Am 12. November 2014 nahm der ermittelnde Polizeibeamte eine telefonische Rücksprache mit der Klägerin, die die Umstände des Todes des Versicherten ausführlich erläuterte. Am 22. Dezember 2014 nahm die Polizeiinspektion U. hierzu von Amts wegen eine Strafanzeige gegen den ehemaligen Krankenpfleger S. wegen Verdacht des Mordes auf.

Nach Auswertung der hierzu geführten polizeilichen und strafrechtlichen Prozessakten, u.a. auch der in diesen Akten enthaltenen "ergänzenden Stellungnahme zu ausgewählten Sterbefällen" des Prof. V., Facharzt für Anästhesiologie, W., vom 13. August 2017, zu denen auch der Sterbefall des Versicherten gehörte, bei dem eine nicht indizierte Gabe von Sotalol das Herz-Kreislauf-System zum Erliegen gebracht habe, nahm die Beklagte entsprechend ihren intern entwickelten Maßstäben zur Anerkennung von Versicherungsfällen (Vermerk vom 21. August 2018) das Vorliegen eines Versicherungsfalls sowie dessen Entschädigung an und erkannte diesen mit Bescheid vom 10. Juli 2019 an, nachdem sie durch Anfrage beim Amtsgericht M. die Klägerin als (Teil-) Erbin ihrer mittlerweile verstorbenen Mutter und Ehegattin des Versicherten ermittelt hatte.

Nach weiterer Ermittlung der Einkommensverhältnisse des verstorbenen Versicherten sowie dessen verstorbenen Ehegattin und gleichzeitigen (ehemaligen) Sonderrechtsnachfolgerin gewährte die Beklagte der Klägerin dann als deren Erbin mit Bescheid vom 19. November 2019 Hinterbliebenenrente auf Grundlage einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 40 v.H., und zwar entsprechend der internen Vorgaben unter Berufung auf die Verjährungseinrede nach § 45 SGB I rückwirkend ab dem 1. Januar 2010 bis zum 31. Mai 2016. Dabei errechnete die Beklagten einen Zahlbetrag von Euro 47.180,59, der allerdings aufgrund eines möglichen Erstattungsanspruchs der Deutschen Rentenversicherung vorläufig einbehalten wurde. Von einem etwaig verbleibenden Zahlbetrag werde der Klägerin gemäß des Erbscheins des Amtsgerichts M. vom 17. Juni 2016 als einem von zwei Erben ggf. die Hälfte ausgezahlt. Zur Begründung führte sie u.a. aus, dass hinsichtlich der vor dem 1. Januar 2010 entstandenen Ansprüche auf Geldleistungen die Einrede der Verjährung (§ 45 SGB I) erhoben werde. Am 12. November 2014, dem Zeitpunkt des veröffentlichten Presseartikels eines Nachrichtenmagazins und des nachfolgend eröffneten Verwaltungsverfahrens, seien Ansprüche auf Hinterbliebenenleistungen, die vor dem 1. Januar 2010 entstanden seien, verjährt. Die Verjährungsvorschrift verfolge den Zweck, den Unfallversicherungsträger im Interesse des Rechtsfriedens nicht auf unabsehbare Zeit mit Leistungsansprüchen zu konfrontieren. Ansprüche auf Sozialleistungen sollen innerhalb einer angemessenen Frist geltend gemacht werden. Darüber hinaus dienten Sozialleistungen im Wesentlichen dazu, einen aktuellen Unterhalt für die Berechtigten sicherzustellen. Diesem Zweck entsprechend könne die Einrede der Verjährung erhoben werden und sei grundsätzlich auch geboten, es sei denn, die Verjährungseinrede sei wegen unzulässiger Rechtsausübung (Verstoß gegen Treu und Glauben) ausgeschlossen, oder es liege eine schwere Pflichtverletzung des Sozialversicherungsträgers vor. Ihr - der Beklagten - könne keine Rechtsverletzung vorgeworfen werden, etwa gegenüber den einzelnen Berechtigten auf mögliche Ansprüche nicht hingewiesen zu haben oder ihrer Auskunfts- oder Beratungspflicht nicht nachgekommen zu sein. Ein Vertrauensschutz im Hinblick auf mögliche Leistungsansprüche aus der gesetzlichen Unfallversicherung habe vor Aufnahme der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen im November 2014 und der Eröffnung des Verwaltungsverfahrens in Bezug auf die Hinterbliebenen nicht begründet werden können. Der Zweck der Sozialleistung, den jeweils aktuellen Unterhaltsbedarf der Berechtigten sicherzustellen, habe durch Sozialleistungen für die Zeit vor dem 1. Januar 2010 nicht erreicht werden können. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) könne nur eine besonders schwere Pflichtverletzung der Verwaltung die Einrede der Verjährung als rechtsmissbräuchlich ausschließen. Eine besonders schwere Pflichtverletzung der Verwaltung sei allerdings nicht gegeben, da sie - die Beklagte - vor dem 12. November 2014 keine Möglichkeit gehabt hätte, von dem Vorliegen eines Versicherungsfalls Kenntnis zu erlangen.

Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 4. Dezember 2019 Widerspruch, den sie im Wesentlichen dahingehend begründete, dass die Beklagte sich unrechtmäßig auf die Einrede der Verjährung berufe. Sie - die Beklagte - habe zwar auf die Rechtsprechung des BSG verwiesen, jedoch keine konkreten Entscheidungen hierzu benannt, so dass keine rechtliche Auseinandersetzung dazu erfolgen könne.

Nachdem die Beklagte der Klägerin entsprechende Urteile des BSG übersandt hatte, wies sie den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 23. April 2020 zurück. Ergänzend zur Begründung des angefochtenen Bescheides führte die Beklagte aus, dass es vor dem Zeitpunkt der Eröffnung des Verwaltungsverfahrens am 12. November 2014 keinen Anlass gegeben habe, von Amts wegen Feststellungsverfahren zu eröffnen. Anträge auf Hinterbliebenenleistungen seien bei ihr - der Beklagten - nicht gestellt worden. Auch sei keine Meldung der Vorfälle durch die Krankenhäuser R. und M. erfolgt. Mögliche Versicherungsfälle seien von keiner offiziellen Seite, also weder von den Anwälten, den Strafverfolgungsbehörden, den Opferverbänden oder den Gerichten gesehen worden. Am 28. Februar 2015 sei der Angeklagte X. wegen der fünf vorgeworfenen Taten unter Feststellung der besonderen Schwere der Schuld vom Landgericht R. zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Das Urteil sei im März 2015 rechtskräftig geworden. Als sich im Verlauf des Prozesses nach Berichten in den Medien im November 2014 angedeutet habe, dass eine Vielzahl von Opfern möglich sei, sei aufgrund des Berichtes eines Nachrichtenmagazins am 12. November 2014 offiziell ein Verwaltungsverfahren eröffnet worden. Da sie - die Beklagte - als gesetzlicher Unfallversicherungsträger weder die Aufgaben, Befugnisse noch Möglichkeiten einer Strafverfolgungsbehörde habe, sei im November 2014 verwaltungsintern beschlossen worden, die Ermittlungsergebnisse der Staatsanwaltschaft und der Sondereinheit "SOKO Kardio" zu verfolgen, bis konkrete Tatbestände vorlägen, anhand derer durch Akteneinsicht der Sachverhalt konkreter bewertet werden könne. Erst nach Eingang der Prozessakten der Staatsanwaltschaft Ende 2017 und damit nach Kenntnisnahme und Registrierung der betroffenen Personen, sei sie - die Beklagte - in der Lage gewesen, Versicherungsfälle zu prüfen und Berechtigte zu ermitteln. Das eventuelle Vorbringen, es hätte bereits vor November 2014 Kenntnis von weiteren Versicherungsfällen bestanden, gehe insofern fehl, weil vor Aufnahme der neuerlichen staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen Ende 2014 überhaupt nicht ersichtlich gewesen sei, ob und welche weiteren Personen hätten betroffen sein können. Es könne ihr - der Beklagten - also keine Rechtsverletzung vorgeworden werden, gegenüber einzelnen Berechtigten nicht auf mögliche Ansprüche hingewiesen zu haben oder ihrer Auskunfts- und Beratungspflicht nicht nachgekommen zu sein.

Hiergegen hat die Klägerin am 12. Mai 2020 Klage beim SG R. erhoben, die sie zusammengefasst dahingehend begründet hat, dass es nicht zu Lasten des Einzelnen gehen dürfte, wenn Schadensgroßereignisse nicht zeitnah aufgeklärt werden könnten, mit anderen Worten die den Schaden verursachenden Umstände nicht vor dem Verstreichen etwaiger Verjährungsfristen ermittelt werden könnten. Es müssten dann in Fällen derartiger Großereignisse alle auch nur entfernt denkbaren Ansprüche prophylaktisch geltend gemacht werden. Im vorliegenden Falle hätte dies bedeuten müssen, dass für sämtliche der in dem fraglichen Krankenhaus und dem fraglichen Zeitraum verstorbenen Patienten die einschlägigen Ansprüche automatisch - etwa durch den Betreiber des Krankenhauses - hätten geltend gemacht werden müssen. Diese weitreichenden Implikationen der Argumentation der Beklagten habe diese bei ihrer Ermessensentscheidung offensichtlich nicht berücksichtigt, was sie jedoch hätte erkennen und berücksichtigen müssen. Die Entscheidung der Beklagten lasse zudem nicht erkennen, ob diese meine, sie könne sich auch dann erfolgreich auf Verjährung berufen, wenn letztlich nicht eine Privatperson, sondern - wirtschaftlich gesehen - eine Behörde Anspruchsteller sei, die beispielsweise Leistungen nach dem SGB II oder XII für die Privatperson in dem vor der Verjährung bedrohten Zeitraum erbracht habe. Dass sich tatsächlich ein Versicherungsträger in einem solchen Fall - wie hier gegenüber der Deutschen Rentenversicherung - erfolgreich auf Verjährung berufen dürfe, erscheine absurd, so dass die Einrede der Verjährung in solchen Fällen als rechtsmissbräuchlich zu gelten habe. Nichts Anderes können im Verhältnis zu ihr - der Klägerin - gelten. Des Weiteren zeige u.a. auch die allgemeine Entrüstung, wenn z.B. der Eindruck entstehe, dass im Zusammenhang mit Kindesmissbrauchsfällen eine lückenlose Aufklärung und Wiedergutmachung auch hinsichtlich weit zurückliegender Zeiträume und Ereignisse von den übergeordneten und verantwortlichen Institutionen hintertrieben werde, dass das Argument eines überragenden gesellschaftlichen Interesses nach Rechtssicherheit für die Anwendung von Verjährungsvorschriften nicht überzeuge. Ferner seien die Erwägungen der Beklagten, dass die Sozialleistung primär zur Deckung eines regelmäßigen Bedarfs gedacht sei und deshalb auch nicht rückwirkend beantragt und beansprucht werden könne, sachfremd, so dass die Entscheidung nicht ermessensfehlerfrei sei.

Die Beklagte hat demgegenüber vorgetragen, dass es sich bei der internen Festlegung des Beginns des Verwaltungsverfahrens auf den November 2014 und damit der Sicherung möglicher Ansprüche durch Eröffnung des Verwaltungsverfahrens bereits um eine wohlwollende Bewertung zugunsten der Hinterbliebenen handele. Im Regelfall müssten der Verwaltung der Antragsteller und mögliche Anspruchsberechtigte für die Eröffnung des Verwaltungsverfahrens bekannt sein. Der Umstand, dass es sich um ein größeres Schadensereignis mit einer unbestimmten Anzahl von potentiellen Opfern handeln könne, sei dabei berücksichtigt worden.

Das SG hat - nach Einholung entsprechender Einverständniserklärungen der Beteiligten - die Klage mit Urteil ohne mündlicher Verhandlung vom 23. November 2022 abgewiesen und zusammengefasst ausgeführt, dass die von der Beklagten in den streitgegenständlichen Entscheidungen angestellten Ermessenserwägungen nicht zu beanstanden seien. Auch sei von keinem Ermessensfehlgebrauch auszugehen, die Beklagte habe sich auch mit der Frage des Rechtsmissbrauchs auseinandergesetzt und sei in nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gelangt, dass eine schwere Pflichtverletzung ihrerseits nicht vorliege. Der Beklagten sei es schlichtweg nicht möglich gewesen, das Verwaltungsverfahren früher einzuleiten.

Gegen das ihr am 23. Dezember 2022 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 27. Dezember 2022 Berufung eingelegt und nimmt zur Begründung Bezug auf ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts R. vom 23. November 2022 sowie Abänderung ihres Bescheides vom 19. November 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. April 2020 zu verpflichten, der Erbengemeinschaft der Frau O. Rente seit dem Tod deren Ehemanns Herrn P. zu gewähren und unter Zugrundelegung von Rentenansprüchen, die im Zeitraum vom 27. August 2003 bis zum 31. Dezember 2009 entstanden sind, weitere Geldleistungen an die Klägerin zu erbringen,

hilfsweise,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Oldenburg vom 23. November 2022 sowie Abänderung ihres Bescheides vom 19. November 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. April 2020 zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts - insbesondere bezüglich des Aspekts der Rechtmäßigkeit der Verjährungseinrede - über die Höhe des der Klägerin aufgrund des Versicherungsfalls vom 27. August 2003 (Zeitpunkt des Todes des Herrn P.) gegenüber der Beklagten entstandene Leistungs- und Zahlungsansprüche ermessensfehlerfrei neu zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf die Gründe des angefochtenen Urteils sowie ihrer Bescheide.

Auf Anfrage vom 27. April 2023 haben die Beklagte mit Schriftsatz vom 28. April 2023 sowie die Klägerin mit Schriftsatz vom 2. Mai 2023 einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zugestimmt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Senat konnte durch Urteil ohne mündliche Verhandlung gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG entscheiden, nachdem sich alle Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben.

Die gemäß §§ 143 f. SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig, jedoch unbegründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 19. November 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. April 2020 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung von Hinterbliebenenleistungen bereits vor dem 1. Januar 2010, denn dieser Anspruch ist gemäß § 45 Abs. 1 SGB I verjährt.

Die Klägerin konnte zunächst zulässigerweise mit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (siehe zur zulässigen Klageart bei Rechtsnormen, die eine Ermessensleistungen vorsehen: Groth in jurisPK-SGB I, § 39 - Rn. 58) Ansprüche anstelle der Verstorbenen geltend machen, weil sie deren Erbin im Sinne des § 1922 BGB war. Gemäß § 58 Satz 1 SGB I werden fällige Ansprüche auf Geldleistungen, die nicht nach §§ 56 und 57 SGB I Sonderrechtsnachfolgern zustehen, nach den Vorschriften des BGB vererbt. Berechtigte Person war nach dem Tod des Versicherten zunächst die Mutter der Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin im Sinne des § 56 SGB I, die allerdings bereits im Verlauf des Verwaltungsverfahrens am 17. Mai 2016 verstarb. Die Klägerin ist ausweislich des am 17. Juni 2016 vom Amtsgericht M. erstellten gemeinschaftlichen Erbscheins, der als öffentliche Urkunde im Sinne des § 417 ZPO i.V.m. § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG den vollen Beweis für seinen Inhalt erbringt, gemeinschaftliche Erbin zur Hälfte mit Herrn Y., und ist mit ihrem Anteil in die verfahrensrechtliche Position ihrer Mutter eingetreten (§ 1922 BGB i.V.m. § 58 Satz 1 SGB I), weil keine vorrangige Sonderrechtsnachfolge nach dem Tod ihrer Mutter (vgl. § 56 Abs. 1 SGB I) vorlag.

Ferner konnte die Klägerin das Verfahren auch allein betreiben und auf Leistung an die Erbengemeinschaft klagen. Eine (notwendige) Beiladung des weiteren Miterben der Erbengemeinschaft, der ein eigenes Klageverfahren gegen die Beklagte führt, welches beim SG anhängig ist, nach § 75 Abs. 2 SGG ist nicht erforderlich (so auch BSG, Beschluss vom 25. Februar 2015 - Az.: B 3 P 15/14 B - Rn.8 - zitiert nach juris). Die Regelung des § 2039 Satz 1 BGB berechtigt nämlich jeden Miterben, zum Nachlass gehörende Ansprüche in gesetzlicher Prozessstandschaft und damit im eigenem Namen für die Erbengemeinschaft klageweise geltend zu machen. Dabei klagt der Miterbe nicht als Vertreter der Miterben, sondern in eigenem Namen (Löhnig in Staudinger, BGB, Stand: 2020, § 2039 - Rn. 20, 22, 38 m.w.N.; Bayer in Erman, BGB, Stand: 16. Auflage 2020, § 2039 - Rn. 1, 2 m.w.N.; Schütte in jurisPK-BGB, Band 5, Stand: 7. September 2021, § 2039 - Rn. 25). Wenn mehrere Erben, aber nicht alle Miterben klagen, geht jeder von ihnen aus seiner gesetzlichen Ermächtigung vor, sie sind keine notwendigen Streitgenossen. Eine notwendige Streitgenossenschaft besteht jedoch, wenn alle Miterben gemeinschaftlich klagen, weil es sich dann um ein einheitliches Rechtsverhältnis handelt, das in demselben Rechtsstreit nicht verschieden beurteilt werden kann (Löhnig in Staudinger, BGB, Stand: 2020, § 2039 - Rn. 20, 22, 38 m.w.N.; Bayer in Erman, BGB, Stand: 16. Auflage 2020, § 2039 - Rn. 2 m.w.N.; Rißmann/Szalai in Großkommentar - Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann- Stand: 1. März 2022, § 2039 - Rn. 29). Auch ein Widerspruch der übrigen Miterben steht der Geltendmachung des Anspruchs für alle nicht entgegen, denn es handelt sich um ein Sonderrecht des einzelnen Miterben; gerade dies ist der Sinn der Norm, eine Einziehung auch gegen den Widerspruch von Miterben zu ermöglichen (Löhnig in Staudinger, BGB, Stand: 2020, § 2039 - Rn. 36 m.w.N.). Das Urteil schafft weder für noch gegen die anderen Erben Rechtskraft; das Unterliegen des klagenden Miterben hindert die übrigen nicht an neuer Klageerhebung (Löhnig in Staudinger, BGB, Stand: 2020, § 2039 - Rn. 38 m.w.N.). Der Klageantrag muss ebenso wie der spätere Urteilstenor auf Leistung an alle Miterben gemeinsam gerichtet werden (Löhnig in Staudinger, BGB, Stand: 2020, § 2039 - Rn. 35 m.w.N.; Gergen in Münchener Kommentar zum BGB, Stand: 9. Auflage 2022, § 2039 - Rn. 17; Rißmann/Szalai in Großkommentar - Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann- Stand: 1. März 2022, § 2039 - Rn. 27 bis 27.3 - auch zur Formulierung des Klageantrags).

Rechtsgrundlage für den Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Hinterbliebenenleistungen bildet § 63 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII). Danach haben Hinterbliebene u.a. Anspruch auf Hinterbliebenenrente, wenn der Tod infolge eines Versicherungsfalls eingetreten ist. Nach § 7 Abs. 1 SGB VII sind Versicherungsfälle Arbeitsunfälle und BKen.

Mit Bescheid vom 10. Juli 2019 hat die Beklagte den während der stationären Behandlung im Krankenhaus M. eingetretenen Tod des Versicherten Herrn P. vom 27. August 2003 als Arbeitsunfall anerkannt und - weil dessen Ehegattin und Sonderrechtsnachfolgerin Frau O. am 17. Mai 2016 verstorben war - der Klägerin als Teil der Erbengemeinschaft gemäß § 58 SGB I dementsprechend mit Bescheid vom 19. November 2019 Hinterbliebenenleistungen gewährt.

Bei der Prüfung der Verjährungsvorschriften sowie der Rechtmäßigkeit der Erhebung der Einrede der Verjährung durch die Beklagte sieht der Senat nach Auswertung der Verwaltungsakten folgenden Sachverhalt als erwiesen an:

Aufgrund eines am 12. November 2014 in der Zeitschrift "Spiegel-Online" veröffentlichten Presseartikels erlangte die Beklagte Kenntnis darüber, dass der Krankenpfleger S. zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt wurde. Dieser hatte während seiner Tätigkeiten vom 15. Juni 1999 bis 14. Dezember 2002 im Klinikum R. und vom 15. Dezember 2002 bis 22. Juli 2005 im Klinikum M. durch medizinisch nicht indizierte Gaben von verschiedenen Medikamenten gezielt reanimationspflichtige Notsituationen von einer Vielzahl von Patienten provoziert, die zum Teil zu deren Tod führten. Es ergab sich gleichzeitig der Verdacht, dass S. für mehr als hundert Todesfälle verantwortlich ist. Die Beklagte erstellte daraufhin zunächst interne Vorgaben zum Vorgehen in den möglicherweise anstehenden Verwaltungsverfahren und wartete zunächst den Ausgang des Strafverfahrens ab. Im Dezember 2017 und Juni 2018 forderte die Beklagte die strafrechtlichen Prozessakten des Landgerichts R. an, wertete diese aus und erhielt Angaben über potentielle Opfer, unter anderem auch dem Verstorbenen. Den strafrechtlichen Verfahrensakten entnahm die Beklagte, dass die Klägerin sich laut Ermittlungsbericht der Polizeiinspektion M. vom 12. November 2014 am 11. November 2014 bei der Staatsanwaltschaft R. meldete und dort mitteilte, dass der Versicherte überraschend im Klinikum M. verstorben sei. Am 12. November 2014 nahm der ermittelnde Polizeibeamte telefonische Rücksprache bei der Klägerin, die die genauen Umstände des Todes des Versicherten mitteilte. Am 22. Dezember 2014 nahm die Polizeiinspektion U. hierzu von Amts wegen eine Strafanzeige gegen den ehemaligen Krankenpfleger S. wegen Verdacht des Mordes auf.

Aufgrund einer in den strafrechtlichen Prozessakten enthaltenen "ergänzenden Stellungnahme zu ausgewählten Sterbefällen" des Prof. V., Facharzt für Anästhesiologie, W., vom 13. August 2017 konnte belegt werden, dass der Krankenpfleger X. auch den Sterbefall des Versicherten durch eine nicht indizierte Gabe von Sotalol, wodurch dessen Herz-Kreislauf-System zum Erliegen gebracht wurde, verursachte. Entsprechend ihren mittlerweile intern entwickelten Maßstäben zur Anerkennung von Versicherungsfällen erkannte die Beklagte das Vorliegen eines Versicherungsfalls sowie dessen Entschädigung mit Bescheid vom 10. Juli 2019 an, nachdem sie durch Anfrage beim Amtsgericht M. die Klägerin als (Teil-) Erbin ihrer mittlerweile verstorbenen Mutter und Ehegattin des Versicherten ermittelt hatte.

Unter Berücksichtigung dieses erwiesenen Sachverhaltes sind Hinterbliebenenansprüche für den Zeitraum 27. August 2003 bis 31. Dezember 2009 verjährt.

Nach § 45 Abs. 1 SGB I verjähren Ansprüche auf Sozialleistungen in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie entstanden sind. Leistungen der Gesetzlichen Unfallversicherung - wie vorliegend Hinterbliebenenleistungen - werden nach § 19 Satz 2 SGB IV von Amts wegen erbracht. Eines Antrages bedarf es nicht. Der Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen war demnach mit dem Tod des Versicherten P. am 27. August 2003 entstanden (§ 40 SGB I) und grundsätzlich auch fällig (§ 41 SGB I).

Die Verjährungsfrist beginnt für alle monatsweise zu gewährenden Leistungen (§ 96 Abs. 1 Satz 1 SGB VII) - wie vorliegend Hinterbliebenenleistungen - mit dem Beginn des Folgejahres und enden mit dem vierten darauffolgenden Jahr.

Die Verjährung ist auch nicht nach § 45 Abs. 2, 3 SGB I durch Stellung eines Antrages auf Sozialleistungen gehemmt worden, denn ein entsprechender Antrag auf Gewährung von Hinterbliebenenleistungen ist weder nach dem Tod des Versicherten am 28. August 2003, noch zu einem späteren Zeitpunkt bei der Beklagten gestellt worden. Eine Hemmung der Verjährung nach den § 45 Abs. 2 SGB I i.V.m. §§ 203 ff BGB ist ebenfalls nicht ersichtlich.

Die Beklagte hat erst aufgrund eines am 12. November 2014 veröffentlichten Berichts in dem deutschen Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" Kenntnis darüber erlangt, dass es eine Vielzahl von Opfern aufgrund des vorsätzlichen Handelns des Krankenpflegers X. gegeben haben könnte. Dementsprechend hat die Beklagte von Amts wegen ein Verwaltungsverfahren (§ 18 Satz 2 Nr. 1 Alt. 1 SGB X) zur Feststellung möglicher Hinterbliebenenleistungen eingeleitet und in diesem Zusammenhang zunächst eine interne Vorprüfung vorgenommen sowie nach Einsichtnahme der Prozessakten der Staatsanwaltschaft Ende 2017 konkrete Hinweise auf betroffene Personen und mögliche Leistungsberechtigte erhalten. Insofern ist die Beklagte in nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass jedenfalls ab diesem Zeitpunkt die Verjährung gehemmt ist.

1. War daher eine Verjährung etwaiger Leistungen für Zeiträume vor dem 1. Januar 2010 bereits durch Zeitablauf eingetreten, so war der Beklagten die Erhebung der Einrede der Verjährung auch nicht mit Blick auf Treu und Glauben verwehrt. Auch der Senat vermochte ebenso wie das SG eine der Berufung auf die Einrede entgegenstehende Pflichtverletzung der Beklagten nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG) nicht zu erkennen.

Die Geltendmachung der Verjährungseinrede findet generell ihre Grenze im Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) und hierbei im Rechtsinstitut der unzulässigen Rechtsausübung wegen Rechtsmissbrauchs (BSG, Urteile vom 22. Oktober 1996 - Az.: 13 RJ 17/96 - Rn. 31, und vom 31. Mai 2016 - Az.: B 1 AS 1/16 KL - Rn. 23 - jeweils zitiert nach juris). Rechtsmissbrauch liegt etwa dann vor, wenn der Leistungsträger die Verjährung arglistig oder durch rechtswidrige Maßnahmen herbeigeführt hat, indem er den Berechtigten durch Irreführung von einer rechtzeitigen verjährungshemmenden Geltendmachung seiner Ansprüche abgehalten hat oder die Erhebung der an sich gerechtfertigten Einrede zu einer groben Unbilligkeit führen oder einen wirtschaftlichen Notstand auslösen würde (BSG, Urteil vom 23. Oktober 1975 - Az.: 1 RA 152/74 - Rn. 13 - zitiert nach juris; siehe auch Rolfs in Hauck/Noftz, SGB I, § 45 - Rn. 41). Dabei gehört die durch Treu und Glauben gesteckte Grenze nicht zur Ermessensausübung, sondern ist ihr vorgeschaltet (Spiolek - "Ermessen bei Erheben der Verjährungseinrede im Sozialrecht" in BB 1998, Seite 533, 535) bzw. ist gesondert zu behandeln (Rolfs - "Die Verjährung von Sozialleistungsansprüchen (§ 45 SGB I) nach der Reform des Verjährungsrechts" in NZS 2002, Seite 169, 175).

Ein derartiger oder ein wertungsmäßig vergleichbarer Fall liegt hier nicht vor. Es ist nicht erkennbar, dass die Beklagte durch Auskünfte weder an die Klägerin noch an die verstorbene Sonderrechtsnachfolgerin oder auch durch ihr Verhalten gegenüber der Klägerin oder der verstorbenen Sonderrechtsnachfolgerin den Eindruck erweckt hat, dass ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente nicht besteht. Auch eine durch Ausbleiben der Hinterbliebenenleistungen verursachte wirtschaftliche Notlage ist von der Klägerin weder behauptet noch sonst ersichtlich.

Die Verjährungseinrede der Beklagten stellt somit im vorliegenden Fall keine unzulässige Rechtsausübung im Sinne eines Verstoßes gegen die Grundsätze von Treu und Glauben nach § 242 BGB dar und ist deswegen nicht von vornherein ausgeschlossen.

2. Da die Verjährung den Leistungsträger dazu "berechtigt", die Leistung zu verweigern (§ 214 Abs. 1 BGB) entscheidet dieser nach pflichtgemäßem Ermessen darüber, ob er die Einrede erhebt (Rolfs - "Die Verjährung von Sozialleistungsansprüchen (§ 45 SGB I) nach der Reform des Verjährungsrechts" in NZS 2002, Seite 169, 174 sowie Rolfs in Hauck/Noftz, SGB I, K § 45 - Rn. 34; Groth in jurisPK-SGB I, § 45 Rn. 44; Schifferdecker in Großkommentar - Kasseler Kommentar - § 45 SGB I - Rn. 14). Das Ermessen ist entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben. Bei der Entscheidung sind die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten (§ 39 Abs. 1 SGB I). Die Ermessenserwägungen sind in der nach § 35 Abs. 1 Satz 3 SGB X erforderlichen Begründung darzulegen (BSG, Urteil vom 16. März 2021 - Az.: B 2 U 12/19 R - Rn. 32 m.w.N. - zitiert nach juris; Rolfs - "Die Verjährung von Sozialleistungsansprüchen (§ 45 SGB I) nach der Reform des Verjährungsrechts" in NZS 2002, Seite 169, 174 sowie Rolfs in Hauck/Noftz, SGB I, K § 45 - Rn. 34; Groth in jurisPK-SGB I, § 45 Rn. 45.), wobei sich die rechtsdogmatische Begründung für die Notwendigkeit einer Ermessensentscheidung daraus ergibt, dass der Verwaltung die Möglichkeit der Einredeerhebung der Verjährung nicht vollständig frei zugestanden werden kann, sondern für diese freie Entscheidung eine Begründung gegeben werden muss, weil sie ansonsten betroffenen Bürgern jeden wie auch immer gearteten Anspruch verweigern kann (Spiolek - "Ermessen bei Erheben der Verjährungseinrede im Sozialrecht" in BB 1998, Seite 533, 535). Es handelt sich bei § 45 SGB I erkennbar nicht um eine Sollvorschrift, die nur in atypischen Fällen eine Ermessenausübung verlangt (BSG, Urteil vom 22. Oktober 1996 - Az.: 13 RJ 17/96 - Rn. 40 - zitiert nach juris).

In die Ermessenserwägung können einerseits die Gesichtspunkte der sparsamen Haushaltsführung sowie der Zweckverfehlung bei verspäteter Leistung eingehen (vgl. dazu BSG, Urteil vom 5. Mai 1993 - Az.: 9/9a RV 12/92 - Rn. 19 - zitiert nach juris). Dagegen stehen die wirtschaftlichen Verhältnisse beim Berechtigten, die Frage, ob ihm der Nachzahlungsbetrag zugutekommt oder bei Überleitung auf andere öffentliche Träger übergeht und von welcher wirtschaftlichen Bedeutung der Nachzahlungsbetrag für ihn ist. Zu dieser Abwägung gehören auch Kausalitäts- und Verschuldensfragen dahingehend, wem in erster Linie Versäumnisse anzulasten sind (BSG, Urteil vom 5. Mai 1993 - Az.: 9/9a RV 12/92 - Rn. 19 - zitiert nach juris).

a. Keiner der in der Literatur (hierzu z.B. Spellbrink in Großkommentar - Kasseler Kommentar -, Stand: 1. Dezember 2018, SGB I, § 39 Rn. 13 bis 18; Groth in jurisPK-SGB I, § 39 - Rn. 36 bis 48 m.w.N.) und Rechtsprechung (z.B. BSG, Urteil vom 18. März 2008 - Az.: B 2 U 1/07 R - Rn. 16 bis 19; BSG, Urteil vom 24. Juni 2020 - Az.: B 4 AS 12/20 R - Rn. 27 m.w.N. - jeweils zitiert nach juris) erörterten möglichen Fehler bei der Ermessensausübung in Form einer Ermessensüberschreitung (dazu a), eines Ermessensnichtgebrauchs (dazu b) sowie einer Ermessensunterschreitung, eines Ermessensmangels, eines Ermessensfehlgebrauchs oder eines Ermessensmissbrauchs (dazu c) ist vorliegend gegeben:

Die Beklagte hat in ihren streitgegenständlichen Bescheiden zunächst zutreffend erkannt, dass sie Ermessen auszuüben hat (kein Ermessensausfall) und hat die gesetzlichen Grenzen des Ermessens nicht verkannt (keine Über- oder Unterschreitung des Ermessensspielraums). Es ist auch nicht ersichtlich, dass sie von unzutreffenden rechtlichen oder tatsächlichen Voraussetzungen ausgegangen ist oder einzelne Gesichtspunkte, die bei der Entscheidung zu berücksichtigen waren, außer Acht gelassen oder in ihrer Bedeutung unzutreffend gewürdigt hat (Ermessensfehlgebrauch). Der Versicherungsträger ist im Rahmen seines Ermessens regelmäßig - d. h. wenn keine besonderen Umstände vorliegen - gehalten, die Verjährungseinrede zu erheben. Im Interesse des Rechtsfriedens und der Überschaubarkeit der öffentlichen Haushalte sind Ansprüche auf Sozialleistungen innerhalb einer angemessenen Frist geltend zu machen. In der Regel wird der mit der Leistung verfolgte sozialpolitische Zweck später nicht mehr erreicht (BT-Drucks-7/868 Seite 30).

b. Der Beklagten sind auch keine Versäumnisse anzulasten. Sie hat unmittelbar nach Veröffentlichung der Nachricht in der Wochenzeitschrift "Der Spiegel" vom 12. November 2014, in dem darüber berichtet worden ist, dass die Polizei eine Sonderkommission gegen den ehemaligen Krankenpfleger X. eingeleitet habe, weil ein Mordverdacht in mehr als hundert Fällen bestanden habe, laut Aktenvermerk vom selben Tag eine erste überschlägige interne Prüfung vorgenommen und den Abschluss des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens zunächst abgewartet, zumal zum damaligen Zeitpunkt über konkrete anspruchsberechtigte Personen überhaupt keine Angaben bestanden. Evidente Verstöße gegen Ermittlungspflichten oder sonst erhebliche Versäumnisse sind der Beklagten somit nicht anzulasten. Sie hat, sobald der Stand des strafrechtlichen Verfahrens es ihr ermöglichte, die Ermittlungsakten Ende 2017 beigezogen und unverzüglich ausgewertet sowie ausweislich der Aktenvermerke vom 1. September 2017, 6. Oktober 2017, 15. Mai 2018 und 21. August 2018 umfangreiche interne Prüfkriterien für die Anerkennung von Leistungsansprüchen entwickelt und anschließend umgesetzt. Der Beklagten sind auch seit dem Tod des Versicherten am 27. August 2003 zu keinem Zeitpunkt Anhaltspunkte dafür bekannt geworden, dass der Tod des Versicherten einen Versicherungsfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung darstellen könnte. Den strafrechtlichen Ermittlungsakten ist zudem zu entnehmen, dass die Klägerin sich selbst erst am 11. November 2014 bei der Staatsanwaltschaft R. gemeldet und den Tod des Versicherten angezeigt hat. Am selben Tag ist diese Mitteilung von der Staatsanwaltschaft R. an die Polizei weitergeleitet worden, woraufhin am 12. November 2014 eine Rücksprache zu den genauen Todesumständen erfolgt und am 22. Dezember 2014 von Amts wegen eine Strafanzeige erfolgt ist. Die Beklagte konnte deshalb vor Veröffentlichung des Berichts in der Online-Zeitschrift des Spiegels keine Kenntnis von dem Todesfall des Versicherten haben. Schließlich ist auch weder im anschließenden Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren auch für die Beklagte nicht erkennbar gewesen, dass die Sonderrechtsnachfolgerin oder die Klägerin Einkommenseinbußen erlitten haben und auf die vollständigen Hinterbliebenenleistungen angewiesen waren.

(3) Die Beklagte hat diese Gesichtspunkte in ihren hier streitgegenständlichen Bescheiden als die ihre Ermessensentscheidung leitenden Erwägungen benannt und ist damit ihrer Begründungspflicht nachgekommen. Mit Blick auf die Finanzierung der Aufwendungen der Beklagten durch nachträgliche Umlagen ist es auch gerechtfertigt, wenn durch die Erhebung der Einrede der Verjährung eine Beschränkung von Nachzahlungen an Versicherte bzw. Hinterbliebene bewirkt und so Sicherheit bei der Aufgabenfinanzierung erreicht wird. Dies gebieten auch der Grundsatz der Gleichbehandlung und derjenige der sparsamen Haushaltsführung. Ihr Ermessen hat die Beklagte nach allem fehlerfrei dahingehend ausgeübt, dass die Einrede der Verjährung zu erheben war. Insoweit die Klägerin demgegenüber der Auffassung ist, dass die Beklagte sich im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung u.a. nicht ausreichend mit dem Argument auseinandergesetzt habe, dass es nicht zu Lasten des Einzelnen gehen dürfe, wenn die Ermittlungen bei Schadensgroßereignissen, wie den vorliegenden Serientaten, erst nach Jahren beendet würden und etwaige Ansprüche dann bereits prophylaktisch geltend gemacht werden müssten, hält der Senat dies für unschädlich. Die Beklagte hat sich unmittelbar nach dem Bekanntwerden des Verdachts des Vorliegens etwaiger Versicherungsfälle ausreichend um die Feststellung konkreter leistungsberechtigter Personen gekümmert und das Verwaltungsverfahren zeitlich angemessen geführt. Dies hat sie in ihren Bescheiden auch entsprechend ausgeführt.

Die Beklagte hat damit im Ergebnis den Anspruch des Klägers auf ermessensfehlerfreie Entscheidung (§ 39 Abs. 2 Satz 2 SGB I) erfüllt, so dass der Kläger keinen Neubescheidungsanspruch hat. Ein Anspruch auf Ermessenreduzierung auf Null zu Gunsten der Klägerin, die mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage geltend zu machen ist (siehe hierzu Groth in jurisPK-SGB I, § 39 - Rn. 58), ist damit ausgeschlossen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), da die Voraussetzungen des § 183 Satz 1 SGG in der Person der Klägerin nicht vorliegen. Die Klägerin macht die Ansprüche auf Gewährung von Rentenleistungen bereits vor dem 1. Januar 2010 - wie bereits dargestellt - nicht als Sonderrechtsnachfolgerin i.S.d. § 56 SGB I geltend, sondern als (Mit-)Erbin (§§ 58, 59 SGB I). Damit ist sie im vorliegenden Berufungsverfahren nicht kostenprivilegiert. Das Verfahren ist für Erben nur in der Instanz kostenfrei, in der es zum Zeitpunkt des Todes des Berechtigten bereits anhängig war. Dies ist weder in der Berufungsinstanz, noch im Klageverfahren vor dem SG der Fall gewesen, denn die ursprünglich berechtigte Sonderrechtsnachfolgerin ist bereits am 17. Mai 2016, also weit vor Erhebung des Klageverfahrens am 12. Mai 2020, verstorben. In weiteren Rechtsmittelzügen, wie hier in der Berufung, unterliegt die Klägerin daher der Gerichtskostenpflicht (Groth in jurisPK-SGB I, § 58 Rn. 21 m.w.N.; von Koppenfels-Spies in Hauck/Noftz, K § 58 SGB I - Rn. 9; siehe auch zur Kostenpflicht bei Verfahrensführung nicht kostenprivilegierter Erben: BSG, Urteil vom 16. März 2021 - Az.: B 2 U 17/19 R - Rn. 44; BSG, Beschluss vom 22. Oktober 2015 - Az.: B 13 R 190/15 B - Rn. 7, BSG, Beschluss vom 25. Februar 2015 - Az.: B 3 P 15/14 R - Rn. 19 - jeweils zitiert nach juris). Der Senat war auch nicht gehindert, die fehlerhafte Kostenentscheidung des SG zu ändern, denn das Verbot der reformatio in peius ist bei der Änderung der Kostenentscheidung nicht zu beachten (Stotz in jurisPK-SGG, § 197a - Rn. 111 m.w.N.; B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 13. Auflage 2020, § 197a - Rn. 21a und § 193 - Rn. 16; Evers in Roos/Wahrendorf/Müller, SGG, § 197a - Rn. 38 m.w.N.). Das Verbot der Schlechterstellung des Rechtsmittelklägers erstreckt sich nämlich nur auf den der Disposition der Beteiligten unterliegenden Streitgegenstand, der durch das Rechtsmittel in die höhere Instanz gelangt ist, nicht aber auf solche im angefochtenen Urteil enthaltene Entscheidungen, die der Disposition der Beteiligten entzogen und daher ohne Rücksicht auf den Willen der Beteiligten von Amts wegen zu treffen sind (Stotz in jurisPK-SGG, § 197a - Rn. 111 m.w.N.). In der Rechtsmittelinstanz kann deshalb eine fehlerhafte Kostenentscheidung (z.B. irrtümliches Ausgehen von einem Anwendungsfall der §§ 183, 193 SGG) auch für die Vorinstanz korrigiert werden (BSG, Urteil vom 1. Juli 2010 - Az.: B 11 AL 6/09 R - Rn. 24 und BSG, Urteil vom 5. Oktober 2006 - Az.: B 10 LW 5/05 R - Rn. 23 - jeweils zitiert nach juris; Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteile vom 15. April 2013 - Az.: L 3 U 40/10 und vom 29. Juni 2011 - Az.: L 3 U 11/08 und 23. Juli 2020 - Az.: L 12 R 143/19 - veröffentlicht unter sozialgerichtsbarkeit.de; Evers in Roos/Wahrendorf/Müller, SGG, § 197a - Rn. 38 m.w.N.).

Die Revision wird zugelassen. Die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Erhebung der Verjährungseinrede eines Unfallversicherungsträgers gegen die Geltendmachung eines (anhängigen) Anspruchs auf Verletztenrente generell ermessenswidrig ist und eine unzulässige Rechtsausübung darstellt, ist beim BSG unter dem Az.: B 2 U 1/22 R aktuell anhängig, so dass der Senat davon ausgeht, dass das BSG diese Rechtsfrage als klärungsbedürftig und entscheidungserheblich ansieht und der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG beimisst (siehe hierzu BSG, Urteil vom 29. Januar 2019 - Az.: B 2 U 5/18 R - Rn. 17 - zitiert nach juris). Aufgrund des Umstandes, dass die hier vorliegende Fallkonstellation, in der Hinterbliebene von Opfern des S. Ansprüche bei der Beklagten geltend machen, diese jedoch die Verjährungseinrede nach § 45 SGB I geltend macht, zu einer Vielzahl von vergleichbaren Rechtsfragen führt, hält der Senat eine Klärung durch das BSG für sachdienlich.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG i.V.m. § 52 Abs. 1, 2 und 3 Satz 1, § 47 Abs. 1 S 1 sowie § 39 Abs. 1 GKG. Gehört in einem sozialgerichtlichen Verfahren weder der Kläger noch die Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen, werden gemäß § 197a SGG Kosten nach den Vorschriften des GKG erhoben. Nach § 183 SGG sind von den Kosten befreit nur Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenen Leistungsempfängern, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger. Dazu gehören weder die Klägerin noch die Beklagte.

Nach § 52 Abs. 1 GKG bestimmt sich der Streitwert nach der sich aus dem Antrag der Klägerin ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen. Ein Streitwert von Euro 5.000 (Auffangstreitwert) ist nach § 52 Abs. 2 GKG anzunehmen, wenn der Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte bietet. Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend (§ 52 Abs. 3 Satz 1 GKG - BSG, Beschluss vom 23. Juli 2015 - Az.: B 2 U 78/15 B - Rn. 13 - zitiert nach juris). Die Klägerin begehrt die Gewährung von Rentenleistungen, die im Zeitraum 27. August 2003 bis 31. Dezember 2009 entstanden sind (Klagantrag vom 17. Dezember 2020 sowie Berufungsantrag vom 26. Januar 2023). Weil eine genaue Berechnung der streitgegenständlichen Hinterbliebenenleistungen aufgrund des möglichen Erstattungsanspruchs der Deutschen Rentenversicherung nicht möglich ist, hält der Senat den Auffangstreitwert von Euro 5.000,-- für angemessen.

Eine weitere Reduzierung dieses Streitwerts kommt aus rechtlichen Gründen nicht in Betracht. Denn ohne Einfluss auf den festzusetzenden Streitwert ist der Umstand, dass die Klägerin nur eine von zwei Miterben ist und sie von den Hinterbliebenenleistungen nur in Höhe ihres Erbanteils von einer Hälfte profitiert. Die für die Bemessung des Streitwerts nach § 52 Abs. 1 GKG grundsätzlich maßgebende, aus dem Antrag der Klägerin sich ergebende Bedeutung der Sache in rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht (BSG, Beschluss vom 25. Februar 2015 - Az.: B 3 P 15/14 R - Rn. 25 - zitiert nach juris) orientiert sich hier nicht am Erbteil der Klägerin, sondern am Gesamtwert der begehrten Leistung für die Erbengemeinschaft. Ein Miterbe kann - wie bereits ausgeführt - einen zum Nachlass gehörenden Anspruch nach § 2039 BGB nur in Form der Leistung an alle Miterben gemeinsam geltend machen. Das gilt auch dann, wenn es - wie hier - um eine teilbare Leistung geht. Deshalb kann ein Miterbe auch bei Geldforderungen nicht die Leistung an sich in Höhe seines Erbteils verlangen, weil ansonsten das Erbauseinandersetzungsverfahren unterlaufen würde (BSG, Beschluss vom 25. Februar 2015 - Az.: B 3 P 15/14 R - Rn. 25 m.w.N. - jeweils zitiert nach juris). Dementsprechend lautet der Antrag der Klägerin auch "der Erbengemeinschaft der Frau O." Rente seit dem Tod deren Ehemanns Herrn P. zu gewähren und unter Zugrundelegung von Rentenansprüchen, die im Zeitraum vom 27. August 2003 bis zum 31. Dezember 2009 entstanden sind, an sie - die Klägerin - auszuzahlen.