Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 10.01.2017, Az.: 13 K 10148/15
Doppelbesteuerungsrechtliches Herrühren von Lohnanteilen aus einer im Inland ausgeübten Tätigkeit; Berücksichtigung von auf Dienstreisen nach Frankreich und in Drittstaaten entfallenden Lohnanteilen; Kausaler Anlasszusammenhang zwischen einem Arbeitsverhältnis und einer Gehaltszahlung
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 10.01.2017
- Aktenzeichen
- 13 K 10148/15
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2017, 43832
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2017:0110.13K10148.15.00
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 16.01.2019 - AZ: I R 66/17
Rechtsgrundlagen
- Art. 2 Abs. 1 Nr. 4b DBA-Frankreich
- Art. 13 Abs. 1 DBA-Frankreich
Amtlicher Leitsatz
Übt ein im Inland wohnender Arbeitnehmer seine dem inländischen Arbeitgeber geschuldete Tätigkeit überwiegend im Inland aus, rühren auch die vom inländischen Arbeitgeber gezahlten und auf Dienstreisen nach Frankreich und in Drittstaaten entfallenden Lohnanteile aus der im Inland ausgeübten Tätigkeit her (Art. 13 Abs. 1 DBA-Frankreich). Aufgrund des kausalen Zusammenhangs ("Anlasszusammenhang") zwischen dem Arbeitsverhältnis und der Gehaltszahlung steht auch insoweit der Bundesrepublik Deutschland das Besteuerungsrecht zu.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob ein Teil des vom Kläger in den Jahren 2010 und 2011 bezogenen Bruttoarbeitslohns nach dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen und über gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern vom 21. Juli 1959 (BGBl II 1961, 398, BStBl I 1961, 343), zuletzt geändert durch das Zusatzabkommen vom 20. Dezember 2001 (BGBl II 2002, 2372, BStBl I 2002, 892) - DBA-Frankreich -, steuerfrei ist.
Die Kläger sind Eheleute (...). Sie sind französische Staatsangehörige und waren auch in den Streitjahren in A (Frankreich / Département B) wohnansässig.
Der Kläger war im Jahre 2009 bei der F-Gesellschaft, die ihren Sitz in Frankreich hat, angestellt. Ab dem 1. Dezember 2009 wurde der Kläger von seiner französischen Arbeitgeberin an die deutsche Tochtergesellschaft (G-Gesellschaft) mit Sitz in C (im Folgenden: AG) zur Arbeitsleistung entsandt. Der Entsendezeitraum endete am 31. Dezember (...).
Während der Entsendung bewohnte der Kläger eine gemietete Wohnung in C. An den Wochenenden fuhr er nach dem Vorbringen der Kläger ausnahmslos zu seinem Familienwohnsitz A. Der Kläger führte während des Entsendezeitraums mehrere Dienstreisen durch, u.a. nach Frankreich, Finnland, Italien und Schweden.
Nach den vom AG ausgestellten Lohnsteuerbescheinigungen belief sich der Bruttoarbeitslohn des Klägers im Jahre 2010 auf u € (= v € + w €) und im Jahre 2011 auf x € (= y € + z €). Die ausgewiesenen Beträge umfassten auch die - nicht gesondert kenntlich gemachten - auf die Dienstreisen entfallenden Lohnanteile. In der Bescheinigung für das Jahr 2010 sind 227 Arbeitstage angegeben.
Am 30. März bzw. 13. September 2012 reichten die Kläger beim FA die Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre ein. In der jeweiligen Anlage N machten sie einen steuerpflichtigen Bruttoarbeitslohn in Höhe von v € (2010) bzw. y € (2011) geltend. Den jeweiligen Unterschiedsbetrag zu dem in den Lohnsteuerbescheinigungen ausgewiesenen Bruttoarbeitslohn in Höhe von w € bzw. z € erklärten sie als steuerfreien Arbeitslohn nach Doppelbesteuerungsabkommen / zwischenstaatlichen Übereinkommen.
Zur Erläuterung der in der jeweiligen Anlage N gemachten Angaben machten die Kläger geltend, der Teil des vom AG mitgeteilten Bruttolohnes, den die Kläger als steuerfrei erklärt hätten, entfalle auf die vom Kläger in den Streitjahren in Frankreich bzw. in Drittstaaten verbrachten Arbeitstage. Für das Jahr 2010 betrage dieser Teil 50/229,5 und für das Jahr 2011 30,5/206. Entsprechend hätten die Kläger die Boni aufgeteilt, die für die Zeiträume (...) 2009 bis (...) 2010 bzw. (...) 2010 bis (...) 2011 an den Kläger gezahlt worden und in die vom AG übermittelten Bruttolöhne eingeflossen seien.
Durch die für die Streitjahre erteilten Einkommensteuerbescheide vom 21. Dezember 2012 behandelte das FA die Kläger als unbeschränkt steuerpflichtig. Bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte brachte das FA den jeweils vom AG im Lohnsteuerabzugsverfahren übermittelten Bruttolohn in Ansatz. Bei der Ermittlung der festzusetzenden Einkommensteuer unterwarf das FA die vom Kläger als steuerfrei erklärten Einkünfte (zusätzlich) dem Progressionsvorbehalt.
Gegen die Bescheide legten die Kläger am 17. Januar 2013 Einspruch ein. Hiermit begehrten sie u.a., dass nur die erklärten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als steuerpflichtig behandelt werden.
Das FA sei bei der Einkommensteuerveranlagung nicht an die lohnsteuerliche Behandlung des Bruttolohnes durch den Arbeitgeber gebunden. Bei den Lohnsteuerbescheinigungen handele es sich lediglich um widerlegbare Beweise, von denen im Rahmen der Veranlagung abgewichen werden könne und müsse, insbesondere wenn der ermittelte Bruttoarbeitslohn nicht korrekt sei (so etwa Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 19. Oktober 2001 VI R 36/96, BFH/NV 2002, 340 [BFH 19.10.2001 - VI R 36/96]). Abkommensrechtlich gelte der Kläger als ausschließlich in Frankreich ansässig (Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b DBA-Frankreich). Das Besteuerungsrecht für die in Frankreich und in Drittstaaten ausgeübten Arbeitstage weise Art. 13 Abs. 1 DBA-Frankreich Frankreich zu. Deutschland habe lediglich das Recht auf Quellenbesteuerung. Für die Dienstreisen in Drittländer habe der Kläger Arbeitslohn vom AG erhalten.
Zum Nachweis der geltend gemachten Arbeitstage in Frankreich bzw. in Drittstaaten legte der Kläger im Einspruchsverfahren dem FA eine Ablichtung seines Reisekalenders ("Travel History") vor. Auf ein entsprechendes Auskunftsersuchen des FA teilte der AG dem FA mit Schreiben vom (...) mit, dass "in den auf den Lohnsteuerbescheinigungen bescheinigten Arbeitslöhnen kein steuerfreier Arbeitslohn nach DBA vorliegt." Die dort bescheinigten Arbeitstage seien ausschließlich deutsche Arbeitstage. In einem späteren Schreiben vom (...) erklärte der AG berichtigend, die bescheinigten Zeiten umfassten auch Arbeitstage im Zusammenhang mit Dienstreisen z.B. nach Schweden, Finnland, Italien und Frankreich. Die bereits erteilte Auskunft, dass der Kläger "seine Vergütungszahlungen ausschließlich aus C erhalten" habe, treffe jedoch zu.
Das FA erteilte am 20. November 2014 jeweils unter Hinweis auf § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderte Einkommensteuerbescheide. Diesen Bescheiden liegen Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit in unveränderter Höhe zugrunde, jedoch wandte das FA auf die als steuerfrei erklärten Einnahmen nicht den Progressionsvorbehalt an. Gegen die Änderungsbescheide legten die Kläger am 22. Dezember 2014 Einspruch ein.
Mit Einspruchsentscheidung vom 23. April 2015 setzte das FA jeweils unter Anerkennung eines Ausbildungsfreibetrages die Einkommensteuer 2010 von (...) € auf (...) € und die Einkommensteuer 2011 von (...) € auf (...) € herab. Im Übrigen wies es die Einsprüche als unbegründet zurück.
Die Herabsetzung der Einkommensteuer beruht auf der Anerkennung von Ausbildungsfreibeträgen nach § 33a Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Hinsichtlich der Höhe der Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit blieb der Einspruch erfolglos.
Im Streitfall handele es sich um eine Entsendung vom Ausland (Frankreich) in das Inland (Deutschland). Da der Kläger während der Zeit der Entsendung eine Wohnung in Deutschland angemietet habe, sei er im Inland unbeschränkt steuerpflichtig und unterliege mit seinem Welteinkommen der deutschen Besteuerungshoheit. Abkommensrechtlich stehe das Besteuerungsrecht für die Arbeitslöhne Deutschland als dem Tätigkeitsstaat zu. Dies sei unstreitig, soweit die Arbeitslöhne auf Arbeitstage in Deutschland entfielen. Nach den Lohnsteuerbescheinigungen habe der AG den Arbeitslohn in voller Höhe besteuert, auch soweit der Kläger kurze Dienstreisen nach Finnland, Schweden, Italien und Frankreich unternommen habe.
Nach Art. 13 Abs. 1 DBA-Frankreich könnten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nur in dem Vertragsstaat besteuert werden, in welchem die persönliche Tätigkeit, aus der die Einkünfte herrührten, ausgeübt werde. "Aus dem Arbeitsverhältnis herrühren" bedeute, dass bei der Besteuerung darauf abzustellen sei, von welchem AG der Arbeitslohn gezahlt werde.
Der auf die kurzen Dienstreisen entfallende Arbeitslohn sei vom deutschen AG gezahlt worden und "rührte" insoweit von dem deutschen AG "her". Nach dem Wortlaut des Art. 13 Abs. 1 DBA-Frankreich, der abweichend von Art. 15 Abs. 1 des Musterabkommens der Organisation for Economic Cooperation and Development (OECD) zur Vermeidung der Doppelbesteuerung des Einkommens und des Vermögens (OECD-MustAbk) das Tatbestandsmerkmal "herrühren" verwende, sei hier ein Anlasszusammenhang zwischen dem Arbeitsverhältnis und der Zahlung durch einen AG ausreichend (vgl. Urteil des Finanzgerichts - FG - Rheinland-Pfalz vom 29. Mai 2012 3 K 1500/09, EFG 2012, 1939, rechtskräftig).
Es sei davon auszugehen, dass der Kläger seine Tätigkeit insgesamt in Deutschland ausgeübt habe. Das gelte auch, soweit er vom AG aus ein- bis dreitägige Dienstreisen in andere Länder unternommen habe. Es seien dafür keine neuen Arbeitsverträge oder Zusatzvereinbarungen geschlossen worden. Vielmehr seien ausweislich der für die Streitjahre ausgestellten Lohnsteuerbescheinigungen die Tätigkeiten auf den Dienstreisen vom deutschen AG der Tätigkeit des in Deutschland ansässigen Klägers zugerechnet worden. Der Kläger habe bei den Dienstreisen keine von der Tätigkeit in Deutschland zu trennende, abgrenzbare Tätigkeit ausgeübt.
Daher habe das FA in Übereinstimmung mit den Lohnsteuerbescheinigungen die Bruttoarbeitslöhne des Klägers bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu Recht in voller Höhe angesetzt und nicht teilweise von der deutschen Einkommensteuer freigestellt.
Die Kläger haben am 27. Mai 2015 Klage erhoben.
Soweit der Kläger in den Streitjahren Dienstreisen nach Frankreich ausgeführt habe, ergebe sich die Steuerfreiheit der hierauf entfallende Lohnanteile aus Art. 13 Abs. 1 DBA-Frankreich. Hiernach könnten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit vorbehaltlich der - im Streitfall nicht anwendbaren (vgl. Schriftsatz vom 27. Mai 2015, dort Seite 5) - Bestimmungen des Art. 13 Abs. 2 bis 8 DBA-Frankreich nur in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem die persönliche Tätigkeit, aus welcher die Einkünfte herrührten, ausgeübt werde. Soweit der Kläger seine nichtselbständige Arbeit für den AG nicht in Deutschland, sondern in Frankreich ausgeübt habe, könne der darauf entfallende Arbeitslohn hiernach nicht in Deutschland versteuert werden. Ausgeübt habe der Kläger die persönliche Tätigkeit insoweit in Frankreich. Auch nach dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 12. November 2014 IV B 2-S 1300/08/10027 (BStBl I 2014, 1467, Rz 51) zur steuerlichen Behandlung des Arbeitslohns nach den Doppelbesteuerungsabkommen sei Ort der Arbeitsausübung grundsätzlich der Ort, an dem sich der Arbeitnehmer zur Ausführung seiner Tätigkeit persönlich aufhalte. Unerheblich sei hiernach, woher oder wohin die Zahlung des Arbeitslohns geleistet werde oder wo der Arbeitgeber ansässig sei.
Die Aufteilung der Arbeitslöhne hätten die Kläger nach den Grundsätzen vorgenommen, die z.B. im BFH-Urteil vom 29. Januar 1986 I R 296/82, BFHE 146, 136, BStBl II 1986, 513 (unter II. 5. a) genannt würden.
Das FA gehe ausweislich der Gründe der Einspruchsentscheidung offenbar davon aus, für eine steuerfreie Tätigkeit außerhalb Deutschlands müsse ein neuer Arbeitsvertrag oder zumindest eine Zusatzvereinbarung abgeschlossen werden. Damit verkenne das FA die von Art. 13 Abs. 1 DBA-Frankreich angeordnete Maßgeblichkeit des tatsächlichen Tätigkeitsortes. Auch nach dem BFH-Urteil in BFHE 146, 136, BStBl II 1986, 513 [BFH 29.01.1986 - I R 296/82] sei für Steuerfreiheit nicht der Abschluss einer Zusatzvereinbarung erforderlich.
Soweit das FA seine Rechtsauffassung auf das Urteil des FG Rheinland-Pfalz in EFG 2012, 1939 stütze, hebe es in unzulässiger Weise auf Rechtsprechung ab, die zur sachlichen Anwendbarkeit des Art. 13 DBA-Frankreich einerseits und des Art. 15 OECD-MustAbk andererseits auf Abfindungszahlungen ergangen sei. Die dadurch aufgestellten Grundsätze seien auf die hier in Rede stehenden Lohn- und Bonuszahlungen nicht anwendbar. Entsprechendes gelte für das nachgehende BFH-Urteil vom 24. Juli 2013 I R 8/13 (BFHE 245, 291, BStBl II 2014, 929).
Soweit der bezogene Arbeitslohn auf Dienstreisen in Drittstaaten (Italien, Finnland, Schweden) entfalle, unterliege dieser Anteil nach Art. 18 DBA-Frankreich nicht der deutschen Besteuerung. Hiernach könnten Einkünfte, die in den vorhergehenden Artikeln nicht behandelt seien, nur in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem der Bezugsberechtigte, dem die Einkünfte zustünden, ansässig sei. Da der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Klägers auch in den Streitjahren in Frankreich gelegen habe, sei er ausschließlich dort ansässig gewesen. Folglich könnten die auf Dienstreisen in Drittstaaten entfallenden Lohnanteile nur in Frankreich besteuert werden (vgl. Schriftsätze vom 11. August 2015, dort Seite 3, sowie vom 4. Januar 2017, dort Seite 2). Art. 18 DBA-Frankreich umfasse auch die Einkünfte aus Drittstaaten, weil diese nicht in den Art. 18 DBA-Frankreich vorangehenden Artikeln behandelt würden. Da der Kläger im Verhältnis zwischen Deutschland und Frankreich als in Frankreich ansässig gelte, könne der Arbeitslohn, der auf seine Tätigkeit in Drittstaaten entfalle, gemäß Art. 18 DBA-Frankreich nicht in Deutschland besteuert werden. Diese Lohnanteile seien vielmehr in Frankreich zu versteuern und bereits in den französischen Einkommensteuererklärungen der Kläger für die Streitjahre berücksichtigt.
Die Kläger beantragen,
unter Abänderung des geänderten Bescheides für 2010 über Einkommensteuer vom 20. November 2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. April 2015 den steuerpflichtigen Bruttoarbeitslohn des Klägers auf v € zu ermäßigen und die Einkommensteuer entsprechend herabzusetzen;
unter Änderung des geänderten Einkommensteuerbescheides für 2011 vom 20. November 2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. April 2015 den steuerpflichtigen Bruttoarbeitslohn des Klägers auf y € zu ermäßigen und die Einkommensteuer entsprechend herabzusetzen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
In Ergänzung zu den Gründen der Einspruchsentscheidung macht das FA geltend, nach Art. 13 Abs. 1 Satz 1 DBA-Frankreich könnten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit vorbehaltlich etwaiger - vorliegend nicht einschlägiger - Sonderregelungen nur in dem Vertragsstaat besteuert werden, in welchem die persönliche Tätigkeit, aus der die Einkünfte herrührten, ausgeübt werde. Als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit würden insbesondere Gehälter, Besoldungen, Löhne, Gratifikationen oder sonstige Bezüge sowie alle ähnlichen Vorteile gelten, die von anderen als den in Art. 14 DBA-Frankreich bezeichneten Personen gezahlt oder gewährt würden. Hiernach seien alle Einkünfte dem Besteuerungsrecht des Tätigkeitsstaats zuzuweisen, die aus der betreffenden Tätigkeit herrührten (vgl. BFH-Urteil in BFHE 245, 291, BStBl II 2014, 929 [BFH 24.07.2013 - I R 8/13], unter II. 2. c bb bbb). Art. 13 Abs. 1 DBA-Frankreich stelle den Anknüpfungspunkt für die Besteuerung zusätzlich auf die "andere als in Art. 14 bezeichnete Person" ab, die "insbesondere Gehälter, Besoldungen, Löhne, Gratifikationen oder sonstige Bezüge sowie alle ähnlichen Vorteile ... zahlt oder gewährt" (vgl. FG Rheinland-Pfalz in EFG 2012, 1939).
Auch nach dem Urteil des FG Baden-Württemberg vom 11. April 2003 9 K 53/97 (EFG 2004, 708) seien Einkünfte aus Dienstreisen dem Tätigkeitsstaat zuzurechnen. Als Arbeitgeber für die "Tätigkeit in Frankreich und im übrigen Ausland" sei hiernach derjenige anzusehen, der die Vergütung ausgezahlt habe. Denn der Wortlaut des Art. 13 Abs. 1 DBA-Frankreich weiche - entscheidungserheblich - von der Regelung anderer Doppelbesteuerungsabkommen ab.
Nach dem Abkommenswortlaut des Art. 13 Abs. 1 Satz 1 DBA-Frankreich, der abweichend von Art. 15 Abs. 1 OECD-MustAbk das Tatbestandsmerkmal "herrühren" enthalte, sei hier ein Anlasszusammenhang zwischen einem Arbeitsverhältnis und der Zahlung durch einen Arbeitgeber für das Besteuerungsrecht des Tätigkeitsstaats ausreichend. Der Wortlaut des Art. 13 Abs. 1 Sätze 1 und 2 DBA-Frankreich biete eine ausreichende Grundlage, das Besteuerungsrecht für die Dienstreisen des Klägers ausschließlich dem Tätigkeitsstaat Deutschland zuzuordnen.
Die Zuweisung des Besteuerungsrechts an Deutschland erstrecke sich somit auf die gesamte Tätigkeit des Klägers für den AG. Hiervon umfasst würden auch die vom Kläger unternommenen kurzen Dienstreisen in andere europäische Länder, weil die Durchführung der Reisen in der Arbeitstätigkeit für den AG wurzele bzw. durch diesen veranlasst sei.
Aus dem von den Klägern in Bezug genommenen BFH-Urteil in BFHE 146, 136, BStBl II 1986, 513 [BFH 29.01.1986 - I R 296/82] ergebe sich nichts anderes. Hiernach könne Arbeitgeber i.S. des Art. 13 Abs. 4 DBA-Frankreich nur eine Person sein, welche die Fähigkeit besitze, in einem der beiden Vertragsstaaten ansässig zu sein. Dieses Merkmal habe der I. Senat des BFH in seiner Entscheidung für die deutsche Filiale eines amerikanischen Unternehmens mit Sitz und Geschäftsleitung in den USA verneint.
Für die Anwendung von Art. 18 DBA-Frankreich sei vorliegend kein Raum. Die fraglichen Lohnanteile des Klägers fielen unter Art. 13 Abs. 1 DBA-Frankreich, und Art. 18 DBA-Frankreich sei hierzu subsidiär.
(...)
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in deren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Zu Recht hat das FA die vom Kläger in den Streitjahren bezogenen Bruttoarbeitslöhne (2010: u €; 2011: x €) bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit in voller Höhe als steuerpflichtige Einnahmen behandelt.
1. Da der Kläger in den Streitjahren in Deutschland gewohnt hat, ist er hier unbeschränkt einkommensteuerpflichtig (§ 1 Abs. 1 EStG).
2. Der vom AG in den Streitjahren an den Kläger gezahlte Bruttoarbeitslohn ist in voller Höhe in Deutschland steuerpflichtig.
a) Nach Art. 13 Abs. 1 DBA-Frankreich können Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit vorbehaltlich etwaiger (hier nicht einschlägiger) Sonderregelungen nur in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem die persönliche Tätigkeit, aus der die Einkünfte herrühren, ausgeübt wird (Satz 1). Als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gelten nach Satz 2 der Regelung insbesondere Gehälter, Besoldungen, Löhne, Gratifikationen oder sonstige Bezüge sowie alle ähnlichen Vorteile, die von anderen als den in Art. 14 DBA-Frankreich bezeichneten Personen (das sind bestimmte öffentliche Kassen) gezahlt oder gewährt werden. Damit sieht Art. 13 Abs. 1 DBA-Frankreich das ausschließliche Besteuerungsrecht des Quellenstaates vor: Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit sollen nur in dem Staat besteuert werden dürfen, in dem die persönliche Tätigkeit ausgeübt wird (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 11. April 2003 9 K 53/97, EFG 2004, 708, unter II. 1., m.w.N.).
b) Der Wortlaut des Art. 13 Abs. 1 Satz 1 DBA-Frankreich bietet eine ausreichende Grundlage, das Besteuerungsrecht für Gehaltszahlungen ausschließlich dem Ort der (Arbeitnehmer-) Tätigkeit (hier: Deutschland) zuzuordnen.
aa) Nach der Rechtsprechung des BFH gilt das in Art. 13 Abs. 1 DBA-Frankreich geregelte Arbeitsortprinzip nicht nur für Gehälter usw., sondern auch für Abfindungszahlungen. Insoweit weicht Art. 13 Abs. 1 DBA-Frankreich von Art. 15 Abs. 1 OECD-MustAbk ab (BFH-Urteil in BFHE 245, 291, BStBl II 2014, 929 [BFH 24.07.2013 - I R 8/13], unter II. 2. c).
Indem die Regelung des Art. 13 Abs. 1 DBA-Frankreich zur Abgrenzung ihres sachlichen Gegenstandes ausdrücklich auf die zahlende Person abstellt (Satz 2) und für die Zuordnung auf den Ort der persönlichen Tätigkeit verweist, "aus der die Einkünfte herrühren", lässt diese Vorschrift einen lediglich kausalen Zusammenhang ("Anlasszusammenhang") zwischen einem Arbeitsverhältnis und der Zahlung durch einen Arbeitgeber ausreichen (BFH-Urteil in BFHE 245, 291, BStBl II 2014, 929 [BFH 24.07.2013 - I R 8/13], unter II. 2. c bb). Nach diesen Grundsätzen richtet sich z.B. auch das abkommensrechtliche Besteuerungsrecht für Beträge, die ein in Frankreich wohnender Arbeitnehmer eines deutschen Arbeitgebers im Rahmen der sog. Freistellungsphase (d.h. nach dem Ende seiner "aktiven" Tätigkeit) nach Maßgabe der aufgrund des Altersteilzeitgesetzes in Anspruch genommenen Altersteilzeit im Streitjahr vereinnahmt hatte (dem Altersteilzeitarbeitnehmer wird zeitversetzt in der Freistellungsphase das ausgezahlt, was er in der Arbeitsphase erarbeitet hat bzw. was er an Arbeitsbezügen aufgrund seiner erbrachten Vollzeittätigkeit hätte beanspruchen können; BFH-Urteile vom 12. Januar 2011 I R 49/10, BFHE 232, 436, BStBl II 2011, 446 [BFH 12.01.2011 - I R 49/10]; in BFHE 245, 291, BStBl II 2014, 929 [BFH 24.07.2013 - I R 8/13]). In diesem Zusammenhang hat der I. Senat des BFH ausgeführt, die dem Arbeitnehmer zugeflossenen Vergütungen im Rahmen der vereinbarten Altersteilzeit würden insgesamt aus dieser Tätigkeit herrühren; dass sie zeitversetzt zu einem Zeitpunkt ausbezahlt worden seien, in dem die persönlich ausgeübte Tätigkeit als solche beendet gewesen sei, ändere daran nichts. Auch bei nachträglich ausbezahltem Arbeitslohn handele es sich um entsprechende Einkünfte; dies alles betreffe das Regelarbeitsentgelt ebenso wie den vom Arbeitnehmer zusätzlich gezahlten sog. Aufstockungsbetrag. Eine Veranlassung der Zahlung der Beträge an den in Frankreich wohnenden Arbeitnehmer durch die frühere Tätigkeit für den deutschen Arbeitgeber weise nach Art. 13 Abs. 1 DBA-Frankreich die Besteuerung Deutschland zu (vgl. BFH-Urteil in BFHE 245, 291, BStBl II 2014, 929 [BFH 24.07.2013 - I R 8/13]).
bb) Nach diesen Grundsätzen, welchen der erkennende Senat folgt, unterliegt der vom Kläger in den Streitjahren bezogene volle Bruttoarbeitslohn jeweils der Besteuerung im Inland.
(1) Anlass für die Zahlung der Bruttolöhne von u € bzw. x € war das Arbeitsverhältnis zwischen dem AG und dem Kläger. Dabei ist es unerheblich, dass der Kläger einen Teil seiner Arbeitszeit im Rahmen von Dienstreisen in Frankreich oder in Drittstaaten verbracht hat. Auch für die Zahlung der auf die Dienstreisen entfallenden Lohnanteile war das Arbeitsverhältnis zwischen dem AG und dem Kläger ursächlich. Dies wird durch die Schreiben des AG vom (...) und vom (...) bestätigt.
Wenn nach der Rechtsprechung des BFH dem Quellenstaat gemäß Art. 13 Abs. 1 DBA-Frankreich sogar das Besteuerungsrecht für Beträge steht, die ein Arbeitnehmer im Rahmen der sog. Freistellungsphase vereinnahmt, gilt diese Zuweisung des Besteuerungsrechts erst recht für laufende Lohnzahlungen i.S. des Art. 13 Abs. 1 Satz 2 DBA-Frankreich aufgrund einer (noch aktiven) persönlichen Tätigkeit, auch wenn diese auf Weisung des im Quellenstaat ansässigen Arbeitgebers bei Dienstreisen teilweise im anderen Vertragsstaat oder in Drittstaaten ausgeübt wird.
(2) Ein anderes ergibt sich auch nicht aus dem von den Klägern in Bezug genommenen BFH-Urteil in BFHE 146, 136, BStBl II 1986, 513 [BFH 29.01.1986 - I R 296/82]. Diese Entscheidung betrifft die Ausnahmeregelung des Art. 13 Abs. 4 DBA-Frankreich, deren Voraussetzungen vorliegend - was zwischen den Beteiligten unstreitig ist - deshalb nicht erfüllt werden, weil der Kläger von seinem im Inland ansässigen Arbeitgeber Vergütungen bezogen hat (Nr. 2). Auch die sonstigen Sonderregelungen des Art. 13 Abs. 2 bis 8 DBA-Frankreich sind im Streitfall nicht einschlägig.
Die von den Klägern vertretene Rechtsauffassung, nach der vorliegend für die Grundlöhne (ohne Boni) des Klägers im Umfang von 50/229,5 bzw. 30,5/206 dem Quellenstaat nicht das Besteuerungsrecht zustehen soll, steht nicht nur in Widerspruch zur Rechtsprechung des BFH, sondern ist nach Ansicht des erkennenden Senats wenig praktikabel. Dass gerade im zwischenstaatlichen Bereich eine kleinteilige Aufteilung der Besteuerungsrechte mangels Praktikabilität grundsätzlich nicht gewollt ist, zeigt z.B. die in Doppelbesteuerungsabkommen übliche sog. 183-Tage-Regelung (vgl. Art. 13 Abs. 3 und Abs. 4 Nr. 1 DBA-Frankreich; Art. 15 Abs. 2 OECD-MustAbk).
(3) Der Hinweis der Kläger auf das BMF-Schreiben in BStBl I 2014, 1467, Rz 50 verfängt deshalb nicht, weil es sich hierbei um Verwaltungsanweisungen zu Art. 15 Abs. 1 OECD-MustAbk handelt und Art. 13 Abs. 1 DBA-Frankreich von Art. 15 Abs. 1 OECD-MustAbk abweicht. In Art. 15 Abs. 1 OECD-MustAbk ist nicht die Rede vom Besteuerungsrecht desjenigen Vertragsstaates, "in dem die persönliche Tätigkeit, aus der die Einkünfte herrühren, ausgeübt wird." Darauf wird konkludent in Rz 189 dieses Schreibens verwiesen, in dem auf die abweichende Behandlung von Abfindungen nach der DBA-Frankreich verwiesen wird.
Aus der von den Klägern in Bezug genommenen Literatur (z.B. Kramer in Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 13 DBA-Frankreich Rz 21) ergibt sich nicht, dass vom Besteuerungsrecht des Quellenstaats die auf Dienstreisen entfallenden Lohnanteile des entsandten Arbeitnehmers ausgenommen sind.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 115 Abs. 2 FGO) liegen nicht vor.