Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 02.01.1992, Az.: 2 W 184/91

Notwendigkeit der vorherigen schriftlichen Zustimmung des Grundstückseigentümers bei der Veräußerung des Erbbaurechts; Einräumung eines Vorkaufsrechts für den ersten Verkaufsfall; Auslegung des Begriffs "Veräußerung"

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
02.01.1992
Aktenzeichen
2 W 184/91
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1992, 16546
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:1992:0102.2W184.91.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Braunschweig - 30.10.1991 - AZ: 8 T 596/91

Fundstelle

  • Rpfleger 1992, 193 (Volltext mit amtl. LS)

Verfahrensgegenstand

Erbbaurecht

Sonstige Beteiligte

Pfarrer ... in ...
gesetzlich vertreten durch das Landeskirchenamt ..., Postfach ...

In der Grundbuchsache
hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig
durch
den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts ...,
den Richter am Oberlandesgericht ... und
die Richterin am Landgericht ...
am 2. Januar 1992 beschlossen:

Tenor:

Auf die weitere Beschwerde des Erbbauberechtigten und des Beteiligten wird der Beschluß des Landgerichts ... vom 30. Oktober 1991 aufgehoben. Die Beschwerde der Grundstückseigentümerin gegen die Verfügung des Amtsgerichts - Grundbuchamt - ... vom 11.07.1991 wird zurückgewiesen.

Die Grundstückseigentümerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Die Entscheidung über die weitere Beschwerde ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Auslagen im Verfahren der weiteren Beschwerde werden nicht erstattet.

Beschwerdwert: 30.000,00 DM.

Gründe:

1

Aufgrund des Erbbauvertrages vom 28. Juni 1990 ist in Abt. II Nr. 3 des Erbbaugrundbuchs von ... Band 31 Blatt 1003 ein Vorkaufsrecht für alle Verkaufsfälle für den jeweiligen Grundstückseigentümer eingetragen. Nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 des Erbbauvertrages bedarf der Erbbauberechtigte der vorherigen schriftlichen Zustimmung des Grundstückseigentümers zu jeder Veräußerung des Erbbaurechts. Durch Erklärung vom 27. Februar 1991 räumte der Erbbauberechtigte dem Beteiligten an dem Erbbaurecht ein Vorkaufsrecht ein für den ersten Verkaufsfall und bewilligte Eintragung dieses Vorkaufsrechts an rangbereiter Stelle. Das Amtsgericht ... trug dieses Vorkaufsrecht in Abt. II Nr. 5 des Grundbuchs am 17. Mai 1991 ein.

2

Die Grundstückseigentümerin beantragt Löschung dieser Eintragung, hilfsweise Eintragung eines Widerspruchs, weil das zugunsten des Beteiligten eingetragene Vorkaufsrecht dem Vorkaufsrecht für alle Verkaufsfälle für den jeweiligen Grundstückseigentümer widerspreche und weil sie der Eintragung nicht zustimme. Das Amtsgericht hat diesen Anträgen nicht entsprochen. Auf Beschwerde der Grundstückseigentümerin hat das Landgericht ... in dem angegriffenen Beschluß das Grundbuchamt angewiesen, das in Abt. II lfd. Nr. 5 eingetragene Vorkaufsrecht zu löschen. Es hat seine Entscheidung damit begründet, daß das unter lfd. Nr. 5 eingetragene Vorkaufsrecht die vorangehende Eintragung Nr. 3 zugunsten der Grundstückseigentümerin einschränke und damit seinem Inhalt nach unzulässig sei.

3

Die gegen diesen Beschluß eingelegte weitere Beschwerde des Erbbauberechtigten und des Beteiligten ist zulässig (§ 78 GBO) und begründet, weil die Entscheidung des Landgerichts auf einer Verletzung des Gesetzes beruht.

4

Zwar ist das zugunsten des Beteiligten bestellte Vorkaufsrecht nicht, wie geboten (§§ 313 BGB, 11 Abs. 1 S. 1 ErbbauVO; BGH NJW - RR 1991, S. 206 [BGH 07.11.1990 - XII ZR 11/89]), durch eine notariell beurkundete Vereinbarung des Erbbauberechtigten und Beteiligten bestellt worden, sondern nur durch einseitige Erklärung mit notariell beglaubigter Unterschrift des Erbbauberechtigten. Das Grundbuchamt mußte diesen Formmangel nicht beanstanden (§ 19 GBO). Er ist durch Eintragung im Grundbuch geheilt (§ 313 S. 2 BGB).

5

Die Eintragung des Vorkaufsrechts unter lfd. Nr. 5 der Abt. II des Grundbuchs ist auch nicht inhaltlich unzulässig. Die Eintragung dieses Vorkaufsrechts ist an rangbereiter Stelle beantragt worden, also nach dem für den jeweiligen Grundstückseigentümer bewilligten und eingetragenen Vorkaufsrecht. Darin kommt zum Ausdruck, daß es nur für den Fall bewilligt ist, daß der Grundstückseigentümer sein vorrangiges Vorkaufsrecht nicht ausübt. Darin liegt weder ein Widerspruch zu dem für den Grundstückseigentümer vorrangig eingetragenen Vorkaufsrecht noch eine Einschränkung dieses Rechts. Die Zulässigkeit eines nachrangigen dinglichen Vorkaufsrechts ist allgemein anerkannt (BGHZ 35, S. 146 f.).

6

Die Eintragung des Vorkaufsrechts zugunsten des Beteiligten bedurfte auch nicht der Zustimmung der Grundstückseigentümerin. Denn in der Bestellung des Vorkaufsrechts liegt keine Veräußerung des Erbbaurechts.

7

Was unter Veräußerung im Sinne von § 14 Abs. 1 Nr. 1 des Erbbauvertrages zu verstehen ist, ist durch Auslegung dieser Regelung zu ermitteln. Da diese Vereinbarung erkennbar Interessen des Grundstückseigentümers wahren soll, ist zugrunde zu legen, was nach dem Willen der Vertragsparteien der Grundstückseigentümer mit einer Abhängigkeit der Veräußerung von seiner Zustimmung erreichen wollte und nach der gesetzlichen Regelung erreichen kann, nicht die rechtssystematische Einordnung des Vorkaufsrechts (MK-H.P. Westermann, 2. Aufl. 1988, § 504 BGB Rz. 7). Es kommt deshalb für diese Entscheidung nicht darauf an, ob die Vereinbarung eines Vorkaufsrechts als doppelt bedingter Kaufvertrag (RGRK-Mezger, 12. Aufl. 1978, § 504 BGB Rz. 3, 4 m.w.N.) einzuordnen ist, als bedingtes Gestaltungsrecht (so u.a. Larenz, Schuldrecht, Bd. II/1, 13. Aufl. 1986, § 44 III) oder als bindendes Angebot zum Abschluß eines Kaufvertrages. Durch die Zustimmung zur Veräußerung des Erbbaurechtes soll erreicht werden, daß durch die Veräußerung der mit der Bestellung des Erbbaurechts verfolgte Zweck nicht wesentlich beeinträchtigt oder gefährdet wird und daß die Persönlichkeit des Erwerbers Gewähr für eine ordnungsgemäße Erfüllung der sich aus dem Erbbaurechtsinhalt ergebenden Verpflichtungen bietet. Ist der Vertragszweck nicht gefährdet und bietet der Erwerber Gewähr für eine ordnungsmäßige Erfüllung, so ist der Grundstückseigentümer zur Zustimmung verpflichtet (§ 7 Abs. 1 S. 1 ErbbauVO), verweigert er die Zustimmung, so kann sie auf Antrag des Erbbauberechtigten vom Gericht ersetzt werden (§ 7 Abs. 3).

8

Der Sinn dieser Regelung wird nur dann erfüllt, wenn erst die Ausübung des Vorkaufsrechts der Zustimmung des Grundstückseigentümers bedarf, nicht schon die Bestellung des Vorkaufsrechts. Ob der mit der Bestellung des Erbbaurechts verfolgte Zweck gefährdet wird, läßt sich im allgemeinen erst beurteilen, wenn der Inhalt des Kaufvertrages bekannt ist. Dieser ist bei Bestellung des Vorkaufsrechts unbekannt. Ob die Persönlichkeit des Erwerbers Gewähr für eine ordnungsmäßige Erfüllung bietet, läßt sich nur beurteilen, wenn diese Person feststeht. Das ist bei Bestellung eines subjektiv-dinglichen Vorkaufsrechts zugunsten des jeweiligen Eigentümers eines Grundstücks (§ 1103 Abs. 1 BGB) nicht der Fall. Bei Bestellung eines subjektiv-persönlichen Vorkaufsrechts zugunsten einer bestimmten Person (§ 1103 Abs. 2 BGB) wird sich die Eignung der Persönlichkeit bei Ausübung des Vorkaufsrechts oft besser beurteilen lassen als bei dessen Bestellung, zumal zwischen diesen beiden Zeitpunkten ein erheblicher Zeitraum liegen kann. Sowohl der Grundstückseigentümer als auch ggf. das Gericht können also erst bei Ausübung des Vorkaufsrechts sinnvoll beurteilen, ob die Zustimmung zu erteilen ist oder nicht. Dagegen, daß die Zustimmung des Eigentümers bei Veräußerung des Erbbaurechts erst zur Ausübung des Vorkaufsrechts zu erteilen ist, spricht auch nicht, daß die Ausübung befristet ist (§§ 1098 Abs. 1 S. 1 mit § 510 Abs. 2 BGB) und die Zustimmung auch innerhalb der Frist von 2 Monaten vorliegen muß (Palandt-Putzo, 51. Aufl., § 510 Rz. 2). Sich daraus für den Vorkaufsberechtigten ergebenden Schwierigkeiten beim Versuch der Verzögerung durch den Grundstückseigentümer kann dadurch begegnet werden, daß im Vertrag über die Bestellung des Vorkaufsrechts eine längere Frist vereinbart wird (zur Zulässigkeit Palandt a.a.O.). Außerdem kann bei Gefahr im Verzug das Gericht, das um Ersetzung der Zustimmung angegangen wird, die sofortige Wirksamkeit der Verfügung anordnen (§ 53 Abs. 2 FGG).

9

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf §§ 131 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KostO, 13 a Abs. 1 S. 2 FGG; die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde auf §§ 131 Abs. 1 S. 2 KostO, 13 a Abs. 1 S. 1 FGG. Eine Erstattung der Auslagen des Erbbauberechtigten und des Beteiligten durch die Grundstückseigentümerin entspricht nach Sachlage nicht der Billigkeit. Der Beschwerdewert ist geschätzt auf 10 % des im Erbbauvertrages zugrunde gelegten Wertes des Grundstücks von 300.000,00 DM.

Streitwertbeschluss:

Beschwerdwert: 30.000,00 DM.