Oberlandesgericht Braunschweig
Urt. v. 27.01.1992, Az.: 3 U 158/91

Anspruch auf Schadensersatz aus einem Anlageberatungsvertrag basierend auf Fehlinformationen einer Bond-Gruppe; Kenntnis über spekulative Papiere einer Bond-Gruppe durch Nachrichtensendungen und Presseberichte; Schadensersatz aus einer Propekthaftung wegen Unrichtigkeit von Informationen

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
27.01.1992
Aktenzeichen
3 U 158/91
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1992, 16548
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:1992:0127.3U158.91.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Braunschweig - 30.05.1991 - AZ: 10 O 127/91

Fundstellen

  • WM 1993, 190-191 (Volltext mit amtl. LS)
  • ZBB 1992, 319
  • ZIP 1992, 1463-1464 (Volltext mit red. LS)

Prozessführer

Bankhaus ..., Filiale ...,
vertreten durch den persönlich haftenden geschäftsführenden Gesellschafter ... ebenda,

In dem Rechtsstreit
hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig
auf die mündliche Verhandlung vom 27. Januar 1992
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und
die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts ... vom 30. Mai 1991 abgeändert.

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Die Klägerin tragt die gesamten Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin ist in Höhe von 8.148,42 DM beschwert.

Tatbestand:

1

Von der Darstellung des

2

Tatbestandes

3

wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung ist zulässig und begründet.

5

Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Schadensersatzanspruch aus dem am 2.6.1989 zwischen den Parteien geschlossenen Anlageberatungsvertrag zu, da sich ein schuldhaftes Verhalten des Anlageberaters ... nicht feststellen läßt. Zwar erwiesen sich die von ihm zum Ankauf empfohlenen Bond-Anleihen nachträglich als schlechte Kapitalanlage. Dafür, daß ... von dem bereits am 2.6.1989 bestehenden hohen Risiko Kenntnis hatte, ist weder etwas vorgetragen noch ersichtlich. Daß seine demnach anzunehmende Unkenntnis vorwerfbar und damit schuldhaft war, läßt sich nicht feststellen.

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Unstreitig ließ der Börseneinführungsprospekt vom 3./4.3.1989 nicht erkennen, daß sich die Bond-Gruppe in Schwierigkeiten befand. Der Prospekt war zudem von renommierten deutschen Banken mitunterzeichnet worden. Die Anleihen waren nach unabhängiger Überprüfung durch die Zulassungsstelle der Frankfurter Börse zum Börsenhandel zugelassen worden. ... durfte demnach jedenfalls im Monat März 1989 davon ausgehen, daß es sich bei den Anleihen um normale und nicht um spekulative Papiere handelte, und zwar selbst dann, wenn ihm der kritische Beitrag von Hinze in der Börsen-Zeitung vom 28.9.1988 bekannt gewesen sein sollte. Insoweit konnte er annehmen, daß sich entweder die Geschäftslage der Bond-Gruppe nachhaltig gebessert hatte oder aber daß der Beitrag von Hinze auf Fehlinformationen beruhte. Desweiteren ist davon auszugehen, jedenfalls ist Gegenteiliges nicht vorgetragen, daß zwischen der Zulassung der Anleihen zum Börsenhandel und dem Verkauf der Anleihen an die Klägerin am 2.6.1989 ... hier keine Umstände bekannt waren oder hätten bekannt werden müssen, die gegen die Bonität der Bond-Gruppe sprachen. Zwar heißt es in dem Artikel von Mella in "Das Wertpapier" 2/90 S. 97: "Die Frankfurter Börse hat im März 1989 beide Anleihen zugelassen, die bereits einen Monat später in den Strudel des Zusammenbruchs gerissen wurden." Insoweit handelt es sich offenbar um die Ereignisse, die Mella in derselben Zeitschrift S. 118 beschrieb "14.4.89: Empfindlich hat der Schweizer Kapitalmarkt auf eine Reihe von negativen Berichten über den Finanzier Alan Bond reagiert ..." und "Mitte April 1989: Australian Credit Rating hat die Bond Corp., Bell Group und Bell Resources auf den schlechtes möglichen Wert von CCC zurückgestuft, dem letztmöglichen vor der Einleitung von Zwangsmaßnahmen." Ob und in welchem Umfang diese Ereignisse in deutschen Bankenkreisen bekannt waren oder hätten bekannt sein können und müssen, ist nicht vorgetragen. Es ist insbesondere nicht dargetan, daß diese Ereignisse zeitnah in Börsen- und Wirtschaftszeitungen oder in entsprechenden Nachrichtensendungen angesprochen wurden. Demnach ist nicht auszuschließen, daß sie den Anlageberatern deutscher Banken weitgehend oder gänzlich unbekannt geblieben waren, ohne daß diesen daraus ein Vorwurf zu machen wäre. Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte ist daher davon auszugehen, daß ... noch am 2.6.1989 annehmen durfte, daß es sich bei der Bond-Gruppe um ein gesundes Unternehmen handelte. Ferner bestand für ... keine Veranlassung, die Klägerin darauf hinzuweisen, daß der Beklagten zur Bonität der Bond-Gruppe keine weiteren Informationen zur Verfügung stünden. Denn der Emissionsprospekt, von dessen Richtigkeit die Beklagte und ... ausgehen durften, war mit 13 1/2 Seiten einer der umfangreichsten der je publizierten Prospekte.

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Entgegen der Ansicht der Klägerin läßt sich den Anlagen 4 und 5 zum Schriftsatz vom 9.12.1991 nicht entnehmen, daß der Beklagten am 2.6.1989 bekannt gewesen sein mußte, daß man seinen Kunden eine Beteiligung an der Bond-Gruppe nicht zumuten könne. Nach der Anlage 5 soll bei Erscheinen des Prospektes in eingeweihten Finanzzirkeln wohl schon jeder geahnt haben, daß der Bond-Titel nur noch als spekulativ zu bezeichnen sei. Daß die Beklagte zu diesen "eingeweihten Finanzzirkeln" gehört habe, wird nicht behauptet. Die Darstellung, daß jeder "Durchschnittsanleger" im März 1989 nur zu dem Schluß kommen konnte, daß die Rückzahlung der Anleihen auch durch das Prinzip Hoffnung abgesichert sein müsse, läßt entgegen der Ansicht der Klägerin nicht die Folgerung zu, daß dies erst recht für Banken gelten müsse. Denn es handelt sich, wie der Zusammenhang ergibt, offensichtlich um eine ironische Formulierung. Der "Durchschnittsanleger" wird charakterisiert als ein mit dem australischen Wirtschafts- und Steuerrecht bestens Vertrauter, in der Bilanzanalyse auch höchstverschachtelter Konzerne versierter Anleger - das ist kein "Durchschnittsanleger", sondern ein fiktiver "Ausnahmeanleger". Ferner hat die Bezugnahme auf die Mitunterschrift all derer, die in der deutschen Bankenwelt Rang und Namen haben, offenbar die Bedeutung, daß ein "Durchschnittsanleger", der gerade keine Überprüfung der Bonität der Bond-Gruppe vornehmen konnte, sich auf den Sachverstand des Bankenkorsortiums verlassen mußte.

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Da nach alledem die Beklagte und ... am 2.6.1989 davon ausgehen durften, daß es sich bei der Bond-Anleihe um ein "normales" Papier handelte, bestand für sie kein Anlaß, den kritischen Artikel von Hinze vom 28.9.1988 zur Sprache zu bringen. Abgesehen davon ist offen, ob ... diesen Artikel gelesen hatte. Sollte er ihn gelesen haben, so konnte der Inhalt in Vergessenheit geraten sein, ohne daß ihm dieses vorzuwerfen wäre. Sollte er ihn nicht gelesen haben, so wäre ihm auch das nicht zum Vorwurf zu machen. Denn die Beklagte handelte nach ihrem unbestrittenen Vorbringen mit den Bond-Anleihen erst seit deren Zulassung durch die Frankfurter Börse im März 1989. Da der Börseneinführungsprospekt die Bond-Gruppe in einem positiven Licht erscheinen ließ, bestand für ... kein Anlaß, in Wirtschaftszeitungen nach älteren Artikeln über die Bond-Gruppe zu suchen. Hierzu hätte allenfalls dann Veranlassung bestanden, wenn ... Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit des Prospektes gehabt hätte; dafür ist jedoch nichts ersichtlich. Vielmehr spricht der Umstand, daß ... selbst in erheblichem Umfang Bond-Anleihen kaufte, dafür, daß er dem Prospekt vertraute und gerade keine Zweifel an der Bonität der Bond-Gruppe hatte.

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Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 10, 713, 546 Abs. 2 S. 1 ZPO.

Streitwertbeschluss:

Die Klägerin ist in Höhe von 8.148,42 DM beschwert.