Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 21.01.1992, Az.: 2 W 5/92

Statthaftigkeit einer Beschwerde gegen einen Beschluss über die Zurückweisung eines beantragten Versäumnisurteils; Verkündung des Erlass eines abgelehnten Versäumnisurteils als vorhersehbares Ereignis; Gründe für die Anknüpfung an die Verkündung eines Beschluss über die Ablehnung eines Erlasses von einem Versäumnisurteil

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
21.01.1992
Aktenzeichen
2 W 5/92
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1992, 16547
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:1992:0121.2W5.92.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Braunschweig - 05.12.1991 - AZ: 4 O 77/90

Fundstelle

  • MDR 1992, 292-293 (Volltext mit amtl. LS)

Prozessführer

... AG,
vertreten durch den Vorstand, die Herren ..., und ...,

Prozessgegner

Herr ... zuletzt wohnhaft ..., und ..., zur Zeit unbekannten Aufenthalts,

In dem Rechtsstreit
hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig
durch
den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts ...,
den Richter am Oberlandesgericht ... und
die Richterin am Landgericht ... am 21. Januar 1992
beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluß des Landgerichts ... vom 5. Dezember 1991 wird als unzulässig verworfen.

Die Klägerin tragt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Beschwerdewert: 14.970,47 DM.

Gründe

1

Das Rechtsmittel der Klägerin ist nicht zulässig, weil es nicht fristgerecht eingelegt worden ist.

2

1.

Gegen den Beschluß, durch den der Antrag auf Erlaß eines Versäumnisurteils zurückgewiesen worden ist, findet gemäß § 336 Abs. 1 Satz 1 ZPO die sofortige Beschwerde statt. § 577 Abs. 2 Satz 1 ZPO bestimmt hierzu, daß die Beschwerde binnen einer Notfrist von zwei Wochen einzulegen ist, die im Falle des § 336 ZPO mit der Verkündung der Entscheidung beginnt. Da der den Erlaß des Versäumnisurteils ablehnende Beschluß am 5. Dezember 1991 verkündet worden ist, ist die erst am 27. Dezember 1991 eingelegte Beschwerde verspätet.

3

2.

Entgegen der unter Berufung auf LG Köln MDR 1985, 593 [LG Köln 05.03.1985 - 13 T 16/85] vertretenen Auffassung der Klägerin begann die Beschwerdefrist auch nicht deshalb statt mit der Verkündung erst mit der Zustellung des Beschlusses zu laufen, weil der Beschluß in einem besonderen Termin verkündet worden ist, in dem die Klägerin als Antragstellerin nicht vertreten war.

4

a)

Dem Gesetzeswortlaut ist nicht zu entnehmen, daß die spezielle Regelung des § 577 Abs. 2 Satz 1 ZPO hier nicht eingreifen könnte. Die Vorschrift legt ihren Anwendungsbereich für jeden Fall des § 336 ZPO fest. Anhaltspunkte für differenzierende Auslegungsmöglichkeiten gibt der Wortlaut nicht her.

5

b)

Auch der Sinn und Zweck der Regelung, daß im Fall des § 336 ZPO die Beschwerdefrist schon mit der Verkündung der Entscheidung beginnt, läßt eine in dieser Weise einschränkende Interpretation nicht zu. Der Gesetzgeber hat für die Ablehnung des Erlasses eines Versäumnisurteils deshalb an die Verkündung des Beschlusses angeknüpft, weil es an einem Gegner, der die Beschwerdefrist durch Zustellung der Entscheidung in Lauf setzen könnte, fehlt oder fehlen könnte (vgl. Hahn, Materialien zur ZPO, Seite 377). Dieser Grund ist zwar entfallen, nachdem aufgrund gesetzlicher Änderungen der Beschluß gemäß § 329 Abs. 3 ZPO von Amts wegen zuzustellen ist. Dies gilt aber eben nicht nur für solche Beschlüsse, die in einem gesonderten Termin verkündet werden, sondern ganz allgemein.

6

c)

Es kann deshalb nur um die Frage gehen, ob der Wegfall der Gründe für die gesetzliche Regelung es erlaubt, entgegen dem Wortlaut des § 577 Abs. 2 Satz 1 ZPO für jeden Fall des § 336 ZPO die Beschwerdefrist erst mit der Zustellung beginnen zu lassen. Das ist zu verneinen.

7

§ 577 Abs. 2 Satz 1 ZPO enthält eine formelle Regelung, die nicht Ausdruck bestimmter Vorstellungen von Gerechtigkeit ist, sondern eine das Verfahren ordnende Funktion erfüllt. Sie nimmt damit eine wichtige Aufgabe in der rechtsstaatlichen Ausgestaltung des Verfahrens wahr, indem sie zur Rechtssicherheit beiträgt. Dem Wortlaut einer in diesen Zusammenhang gestellten Vorschrift kommt ganz besondere Bedeutung zu. Da die gesetzgeberischen Motive der Bestimmung darüber hinaus ohnehin nicht offenkundig sind, kann über den klaren Wortlaut nicht hinweggegangen werden. Das gilt umso mehr, als dem Gesetzgeber die auch in der Kommentarliteratur diskutierte Entscheidung des LG Köln MDR 1985, 593 [LG Köln 05.03.1985 - 13 T 16/85] nicht entgangen sein kann und er inzwischen hinreichend Gelegenheit gehabt hätte, die Vorschrift des § 577 Abs. 2 Satz 1 ZPO im Hinblick auf die Ablehnung des Erlasses eines Versäumnisurteils zu ändern.

8

d)

Mit der gesetzlichen Regelung ist der Klägerin auch nicht die Wahrnehmung ihrer Rechte unzumutbar erschwert. Die Verkündung der den Erlaß des Versäumnisurteils ablehnenden Entscheidung ist in jedem Fall für den Antragsteller ein vorauszusehendes Ergebnis, auf das er sich auch mit Blick auf die Besonderheiten des § 577 Abs. 2 Satz 1 ZPO in zumutbarer Weise einstellen kann (vgl. Zöller/Stephan ZPO 17. Aufl. § 336 Rdn. 3). Abgesehen davon, daß im Verhandlungstermin die die Ablehnung rechtfertigenden Gründe erörtert sein dürften, kann er nach Verkündung des Beschlusses die sofortige Beschwerde zunächst vorsorglich einlegen und sie erst nach Zustellung der Entscheidung unter Berücksichtigung der Gründe des Beschlusses begründen.

9

e)

Die hier vertretene Auffassung entspricht im übrigen auch der einhelligen Ansicht in der Kommentarliteratur (vgl. Zöller/Stephan a.a.O.; Baumbach/Lauterbach/Hartmann ZPO 50. Aufl. § 336 Anm. 1; Baumbach/Lauterbach/Albers a.a.O. § 577 Anm. 2 Ab; Stein/Jonas/Schumann ZPO 20. Aufl. § 336 Rdn. 1; Thomas/Putzo ZPO 17. Aufl. § 336, AK-ZPO/Pieper § 336 Rdn. 4; Wieczorek ZPO 2. Aufl. § 336 Rdn. B II c 1).

10

3.

Nach allem war das Rechtsmittel mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO als nicht fristgerecht zu verwerfen.

Streitwertbeschluss:

Beschwerdewert: 14.970,47 DM.

Der Beschwerdewert entspricht dem Wert des abgelehnten Antrages.