Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 09.06.2006, Az.: 10 A 2564/06

Untersagung einer Vermittlung und Bewerbung von Sportwetten, für nicht in Niedersachsen konzessionierte Unternehmen; Prinzip von Wetten nach dem Buchmacherprinzip (so genannte Oddsetwetten), insbesondere die Begründung einer Gewinnerwartung der Veranstalter in Folge der Unkalkulierbarkeit von Sportergebnissen; Verfassungsmäßigkeit sowie EU-Gemeinschaftsrechtskonformität eines Erfordernisses der vorherigen Zulassung im jeweiligen Bundesgebiet vor der Betätigung eines Wettunternehmens; Zulässigkeit der Errichtung eines Erlaubnisvorbehalts zur Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht ; Möglichkeit der Beschränkung der Niederlassungs- bzw. Dienstleistungsfreiheit aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses; Verfassungsmäßigkeit des die Veranstaltung eines Glücksspiels ohne behördliche Erlaubnis ahndenden§ 284 Strafgesetzbuch (StGB)

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
09.06.2006
Aktenzeichen
10 A 2564/06
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2006, 21066
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGHANNO:2006:0609.10A2564.06.0A

Verfahrensgegenstand

Untersagung der Vermittlung und Bewerbung von Sportwetten

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Es ist verfassungsgemäß und verstößt nicht gegen europäisches Gemeinschaftsrecht, die Betätigung eines Wettunternehmens für Sportwetten unter einen Erlaubnisvorbehalt zu stellen.

  2. 2.

    Die Genehmigung der Veranstaltung von Sportwetten durch einen Verwaltungsakt der DDR gilt zwar grundsätzlich fort, ist also auch außerhalb der neuen Bundesländer zu beachten, der Regelungsgehalt dieses Verwaltungsaktes wird aber nicht räumlich erweitert. D.h. erlaubt ist nach einem solchen Verwaltungsakt auch weiterhin nur die Veranstaltung von Sportwetten auf dem Gebiet der ehemaligen DDR.

  3. 3.

    Allein wegen des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts ergibt sich nicht die Möglichkeit auf Grund der in einem Mitgliedsstaat erteilten Erlaubnis auch in den anderen Mitgliedsstaaten Sportwetten veranstalten zu dürfen.

  4. 4.

    Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Untersagungsverfügung ist es unerheblich, welche Voraussetzungen für die Zulässigkeit des staatlichen Wettmonopols gelten und ob diese eingehalten wurden.

In der Verwaltungsrechtssache
hat das Verwaltungsgericht Hannover -10. Kammer -
auf die mündliche Verhandlung vom 19. Juni 2006
durch
den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Reccius,
den Richter am Verwaltungsgericht Makus,
den Richter Dr. Hombert sowie
die ehrenamtlichen Richter Stubinitzky und Wecken
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Entscheidung über die Kosten ist vorläufig vollstreckbar.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Verfügung, mit der der Klägerin untersagt wird, Sportwetten für nicht in Niedersachsen konzessionierte Unternehmen zu bewerben und anzunehmen.

2

Die Geschäftstätigkeit der Klägerin besteht darin, Wettscheine für den Abschluss von Oddset-Wetten von Wettunternehmen bereitzuhalten und entgegenzunehmen sowie über eine Internet-Standleitung an den Sitz des Wettunternehmens weiterzuleiten. Die Klägerin druckt über jede Wette einen Originalwettschein aus und zieht den Wetteinsatz ein. Im Falle eines Gewinns zahlt die Klägerin diesen an den Kunden aus. Für ihre Tätigkeit erhält die Klägerin von dem Wettunternehmen eine Vergütung. Wettunternehmen, für die die Klägerin tätig wird, sind das Wettbüro E. - im Folgenden E. -, das über eine Erlaubnis zum Abschluss von Sportwetten nach dem Gewerberecht der DDR verfügt, die ihr am 20. August 1990 vom Gewerbeamt Berlin-Mitte erteilt worden ist, und die Firma F. G. - im Folgenden F. -, die auf Grund des Bescheides der Polizeiabteilung des Landes Oberösterreich vom 03. Juni 2002 berechtigt ist, durch den gewerbsmäßigen Abschluss von Wetten die Tätigkeit als Buchmacher auszuüben.

3

Mit Bescheid vom 30. April 2003 untersagte die Bezirksregierung Hannover nach vorheriger Anhörung der Klägerin, in ihren Geschäftsräumen "Sportwetten des Wettbüros E. sowie der Firma F. G. zu bewerben und anzunehmen". Zugleich ordnete sie die sofortige Vollziehung an und drohte für den Fall der Zuwiderhandlung die Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 10.000,- Euro an. Zur Begründung führte sie u.a. aus: Indem die Klägerin Sportwetten der Wettunternehmen vertreibe, bei denen es sich um ein Glücksspiel im strafrechtlichen Sinne handele, verstoße sie gegen § 284 StGB, da die Firmen E. und F. als Veranstalter dieser Wetten nicht über die nach dem Niedersächsischen Lotteriegesetz - NLottG - für die Veranstaltung von Sportwetten im Land Niedersachsen erforderliche Konzession verfügten. Die ihnen erteilten Konzessionen seien nicht geeignet, die von ihnen angebotenen Sportwetten in Niedersachsen zuzulassen. Der Konzessionsvorbehalt des Niedersächsischen Lotteriegesetzes widerspreche auch nicht höherrangigem Gemeinschaftsrecht. Inwieweit ein Mitgliedsstaat auf seinem Gebiet im Bereich von Lotterien und anderen Glücksspielen Beschränkungen zum Schutz der Spieler und zum Schutz der Sozialordnung vorsehen wolle, stehe im Ermessen der nationalen Stellen des jeweiligen Mitgliedsstaates. Dabei sei es auch zulässig, nur bestimmten Stellen die Erlaubnis zur Veranstaltung von Glücksspielen zu erteilen.

4

Den dagegen eingelegten Widerspruch begründete die Klägerin u.a. mit der Unzuständigkeit der Bezirksregierung Hannover für den Erlass der Verfügung, der fehlenden Strafbarkeit, dem Vorrang des Europarechts und dem Vorhandensein gültiger Konzessionen.

5

Mit Widerspruchsbescheid vom 15. Juni 2006 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Er stützte die Entscheidung unter Wiederholung der Ausführungen aus dem Ausgangsbescheid auf § 11 Nds.SOG i.V.m. § 12 Staatsvertrag zum Lotteriewesen in Deutschland (LottStV) vom 01. Juli 2004 i.V.m. §§ 3, 16 NLottG. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des Bescheides verwiesen.

6

Das Verwaltungsgericht Hannover (Beschluss vom 03. November 2003, Az.: 10 B 2024/03) lehnte den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz ab. Die dagegen eingelegte Beschwerde blieb erfolglos (Nds. OVG, Beschluss vom 17. März 2005, Az.: 11 ME 369/03). Am 24. Mai 2005 hob der Beklagte die Anordnung der sofortigen Vollziehung auf.

7

Am 10. April 2006 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung beruft sie sich unter Vertiefung der einzelnen Argumente auf das vorprozessuale Vorbringen.

8

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Bezirksregierung Hannover vom 30. April 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 15. Juni 2006 aufzuheben,

9

hilfsweise

  1. 1.

    - unter Verwahrung gegen die Beweislast - Beweis zu erheben, dass die Toto-Lotto-Niedersachsen GmbH nach wie vor Sportwetten über unbegrenzte Einsätze durch Summierung von Einzeleinsätzen bis 500,00 EUR je Wettschein annimmt,

    durch:

    Zeugnis des Herrn H., zu laden über den Beklagten, im Termin präsent;

  2. 2.

    - unter Verwahrung gegen die Beweislast - Beweis zu erheben,

    dass die Toto-Lotto-Niedersachsen GmbH nach wie vor für die Sportwette ODDSET Werbung veranstaltet, die über sachliche Informationen über die Möglichkeit der Teilnahme an Wetten hinausgeht, insbesondere wie in den als

    Anlage 1

    dokumentierten Werbemaßnahmen sowie mittels der in der mündlichen Verhandlung präsenten Konsumartikel mit ODDSET-Werbung, durch:

    • Vorlage der Konsumartikel und Inaugenscheinnahme,

    • Zeugnis des Herrn I., in der mündlichen Verhandlung präsent,

    • Zeugnis des Herrn H., b.b.,

      Sachverständigengutachten;

  3. 3.

    dass nach wie vor kein effektiver Minderjährigenschutz durch Toto-Lotto-Niedersachsen GmbH praktiziert wird, insbesondere Minderjährige sowohl in Wettannahmestellen als auch in der Toto-Lotto-Zentrale ODDSET-Sportwetten abschließen können.

    Beweis: Zeugnis des Herrn J., Aussage und Anschrift wie in Anlage 2;

  4. 4.

    dass der Beklagte zu den Genehmigungen (ODDSET) der Toto-Lotto-Niedersachsen GmbH keine Auflagen zur Einhaltung der "Maßgaben" des BVerfG verfügt hat,

    Beweis: Zeugnis der Frau K., im Termin präsent;

  5. 5.

    dass von den Behörden des Beklagten unbeanstandet Fernseh-Gewinnspiele veranstaltet werden, durch private, gewinnorientierte und vom Land weder beherrschte noch konzessionierte Unternehmen, bei denen

    • die Teilnahme über SMS oder Mehrwertdienste-Rufnummern eröffnet ist,

    • kein Jugendschutz praktiziert wird,

    • summierte Verluste von mindestens 176,40 EUR pro Stunde möglich sind,

    • die Einsätze auf Kredit erbracht werden (Telefonrechnung)

    Beweis: Zeugnis der Frau K., b.b.;

  6. 6.

    das Verfahren auszusetzen bis

    1. a)

      zu einer Entscheidung des EuGH in den verb. Rs. C-338/04, C-359/04 und C- 360/04,

    2. b)

      zu einer Entscheidung über den durch die Klägerin gestellten Genehmigungsantrag.

10

Der Beklagte beantragt unter Verteidigung der getroffenen Entscheidung,

die Klage abzuweisen.

11

Wegen des Weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

12

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

13

Die streitige Verfügung ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

14

Die Verfügung ist nicht formell fehlerhaft ergangen. Entgegen der Auffassung der Klägerin war die Bezirksregierung Hannover nämlich für den Erlass der auf § 11 NGefAG (seit dem 19. Dezember 2003 § 11 Nds. SOG) gestützten Untersagungsverfügung vom 30. April 2003 zuständig. Zum damaligen Zeitpunkt galt die jetzige Fassung des § 14 Abs. 1 NLottG noch nicht.

15

Nach § 101 Abs. 4 Satz 1 NGefAG, der im Zusammenhang mit der Auflösung der Bezirksregierungen zum 31. Dezember 2004 durch Gesetz vom 16. September 2004 (Nds. GVBl. S. 362, 363) gestrichen worden ist, war für Aufgaben auf Grund des NGefAG wegen der Nichtbeachtung von Gebots- und Verbotsvorschriften des Bundes- und Landesrechts die Behörde zuständig, der die Ausführung dieser Vorschriften oblag, sofern - wie hier - keine andere Zuständigkeitsregelung bestand. § 15 Abs. 2 NLottG sah in seiner im Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Verfügung geltenden Fassung vom 20. November 2002 (Nds. GVBl. S. 702) insoweit eine Zuständigkeit des Niedersächsischen Innenministeriums vor, da diesem die Wahrnehmung der behördlichen Aufgaben nach dem NLottG einschließlich der Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten für Wettunternehmen und deren Veranstaltung oblag. Gemäß § 101 Abs. 4 Satz 2 NGefAG trat jedoch an die Stelle des Innenministeriums die Bezirksregierung, d.h. hier die Bezirksregierung Hannover. In der Zwischenzeit hat sich ein Zuständigkeitswechsel vollzogen. Mit In-Kraft-Treten des Gesetzes zur Modernisierung der Verwaltung in Niedersachsen vom 5. November 2004 (Nds. GVBl. S. 394) am 1. Januar 2005 wurden die Bezirksregierungen aufgelöst. Im Zuge dieser Neuordnung wurde auch § 15 NLottG geändert. Nach § 15 Abs. 2 NLottG n.F. werden seit dem 1. Januar 2005 die behördlichen Aufgaben gegenüber Wettunternehmen bei der Untersagung der Vermittlung unerlaubter Sportwetten sowie bei gewerblicher Spielvermittlung von dem zuständigen Ministerium (hier Niedersächsisches Ministerium für Inneres und Sport) wahrgenommen. Zu diesem Zeitpunkt ging auch die Zuständigkeit für anhängige Verfahren aus dem Lotterie- und Wettwesen von den Bezirksregierungen auf das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport als Nachfolgebehörde über (§ 8 b des Nds. AG VwGO, Nds. GVBl. 2004, 394, 395). Dieser Zuständigkeitswechsel berührt die Zuständigkeit der Bezirksregierung Hannover zum Erlass der Ausgangsverfügung daher nicht (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 17. März 2005 -11 ME 369/03-, NVwZ 2005, 1336).

16

Die Untersagungsverfügung findet ihre Rechtsgrundlage jetzt in § 14 Abs. 1 NLottG i.V.m. § 12 des Lotteriestaatsvertrages. Diese Regelung galt im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides und war daher der behördlichen Entscheidung zu Grunde zu legen. Sie ist als speziellere Vorschrift gegenüber der polizeilichen Generalklausel des § 11 Nds.SOG heranzuziehen (§ 3 Abs. 1 Satz 2 Nds.SOG). Die Vorschriften des Gewerberechts sind nicht anwendbar, da es sich bei den von der Klägerin beworbenen und angebotenen Sportwetten - wie unten dargelegt wird - um Glücksspiel handelt. Gemäß § 33 h GewO finden jedoch die Vorschriften der §§ 33 c bis 33 g GewO zur Aufstellung und zum Betrieb von Gewinnspielgeräten und zur Veranstaltung von anderen Spielen mit Gewinnmöglichkeiten keine Anwendung auf Spiele im Sinne des § 33 d Abs. 1 Satz 1 GewO, die Glücksspiele im Sinne des § 284 StGB sind. Dieser Ausschluss der Regelungen der Gewerbeordnung betrifft auch die Untersagung von Tätigkeiten, die im Zusammenhang mit der Veranstaltung von Glücksspielen stehen (vgl. VG München, Beschl. v. 19.02.2004 - M 22 S 04.542 -, GewArch 2004, 212; BayVGH, Urt. v. 29.09.2004 - 24 BV 03.3162 -, GewArch 2005, 78, sowie BVerwG, Urteil vom 21. Juni 2006, - BVerwG 6 C 19.06-, Rdm. 35-41).

17

Nach § 14 Abs. 1 NLottG i.V.m. § 12 Abs. 1 des Lotteriestaatsvertrages - LottoStV -, dem der Niedersächsische Landtag durch Art. 2 des Gesetzes vom 4. Juni 2004 (Nds.GVBl. S. 163) zugestimmt hat, hat die zuständige Behörde im öffentlichen Interesse u.a. darüber zu wachen und darauf hinzuwirken, dass die Bestimmungen dieses Staatsvertrages eingehalten werden und dass unerlaubtes Glücksspiel und die Werbung hierfür unterbleiben. Sie kann die hierzu erforderlichen Maßnahmen treffen, insbesondere die Veranstaltung unerlaubten Glücksspiels untersagen. Nach § 14 Abs. 1 Satz 2 NLottG gehört zu den erforderlichen Maßnahmen der Aufsicht auch, die Vermittlung unerlaubter Sportwetten zu untersagen.

18

Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen vor. Denn die Klägerin vermittelt Sportwetten (1.), bei denen es sich um ein Glückspiel handelt (2.) und die potenziell gefährlich sind und deshalb einer präventiven Kontrolle unterworfen werden dürfen (3.), an in Niedersachsen nicht zugelassene Wettunternehmen (4.). Die Verfügung enthält keine Ermessensfehler (5.).

19

1.

Bei den von der streitigen Verfügung betroffenen Sportwetten handelt es sich um Wetten nach dem Buchmacherprinzip, sog Oddsetwetten. Der Veranstalter der Wette setzt sog. "odds", indem er eine feste Gewinnquote festlegt, die er dem Spieler auszahlen muss, wenn ein oder mehrere Sportereignisse ein bestimmtes Ergebnis haben. Solche Wetten sind in Deutschland im Pferdesport seit langem bekannt und werden auf der Grundlage des dem Bundesrecht zuzuordnenden Rennwett- und Lotteriegesetzes von konzessionierten gewerblichen Buchmachern angeboten. Im Ausland gab es solche Wetten schon seit längerem auch für andere Sportarten und Ereignisse, insbesondere für Fußballspiele. Auf der Grundlage einer 1990 geschaffenen und bis zur Wiedervereinigung geltenden Rechtslage wurden durch Behörden der DDR einige Erlaubnisse für das gewerbliche Anbieten solcher Sportwetten erteilt, u.a. an die Firma L. sowie die Firma E..

20

Daneben gibt es im Bundesgebiet seit einiger Zeit auch die Möglichkeit, über Vermittlungsstellen oder das Internet Wetten bei Anbietern zu platzieren, die in EU-Ländern, beispielsweise Großbritannien, Gibraltar, Malta oder Österreich ansässig sind und über Lizenzen der jeweiligen Heimatbehörden verfügen. Die Firma F. ist ein solches Wettunternehmen.

21

Seit 1999 bieten auch die im Deutschen Lotto- und Totoblock zusammengeschlossenen Lotterieunternehmen der Bundesländer, in Niedersachsen Toto-Lotto Niedersachsen GmbH, die Sportwette ODDSET an, die sie über die Lotto-Annahmestellen sowie das Internet vertreiben.

22

2.

Die von der Verfügung erfasste Betätigung betrifft ein Glücksspiel im Sinne des § 14 Abs. 1 NLottG i.V.m. § 12 des Lotteriestaatsvertrages. Bei den vermittelten Sportwetten handelt es sich weder um ein Geschicklichkeitsspiel noch um ein Unterhaltungsspiel, sondern um ein Glücksspiel. Hierzu hat das Nds. OVG in seiner Entscheidung vom 17. März 2005 (a.a.O.) im Hinblick auf den in § 284 Abs. 1 StGB verwendeten Begriff ausgeführt:

"Wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 4. März 2003 (a.a.O.) dargelegt hat, überwiegen bei der Oddset-Wette deutlich die Zufallselemente gegenüber den auch von umfassend informierten und erfahrenen Teilnehmern zu beeinflussenden bzw. im Voraus berechenbaren Umständen, wobei selbstverständlich etwaige Spielmanipulationen außer Betracht zu bleiben haben. Das Konzept der Oddset-Wetten basiert gerade auf der Unkalkulierbarkeit der Sportergebnisse und begründet nur dadurch die Gewinnerwartung des Veranstalters. Damit können diese Art von Wetten nicht als Geschicklichkeitsspiel eingestuft werden, bei dem die Entscheidung über Gewinn und Verlust wesentlich von den geistigen und körperlichen Fähigkeiten, den Kenntnissen, der Übung und der Aufmerksamkeit des Spielers abhängt (vgl. BVerwG, Urt. v. 23. 8. 1994, BVerwGE 96, 293, 295) [BVerwG 23.08.1994 - 1 C 18/91].

Ebenso wenig kann sich die Antragstellerin mit Erfolg darauf berufen, dass es sich bei den von ihr vermittelten Sportwetten um nicht dem § 284 StGB unterfallende Unterhaltungsspiele handele. Auch wenn die Antragstellerin ihren Angaben zufolge inzwischen für jeden Wettkunden die Einsatzhöhe auf 20,-- Euro täglich und den maximalen Jahresverlust auf 2.000,- Euro begrenzt hat, kann daraus nicht gefolgert werden, dass kein Glücksspiel mehr vorliegt. Eine derartige Geringfügigkeitsschwelle hat der Gesetzgeber in § 284 StGB nicht vorgesehen. Außerdem kann ein Verlust von 2.000,-Euro jährlich nicht mehr als geringfügig betrachtet werden (vgl. dazu VGH Bad.-Württ, Beschl. v. 12.1. 2005, a.a.O.), ganz abgesehen davon, ob wirklich eine effektive Kontrolle durch die Antragstellerin gewährleistet ist. Schließlich lässt sich auch der Zweck der Strafandrohung des § 284 StGB nicht darauf reduzieren, dass der Wettkunde vor ruinösen wirtschaftlichen Folgen geschützt werden soll. Nach der Begründung des Sechsten Gesetzes zur Reform des Strafrechts vom 26. Januar 1998 (BGBl. I S. 164) sollte die Verschärfung des § 284 StGB dem Ziel dienen, eine übermäßige Anregung der Nachfrage nach Glücksspielen zu verhindern, durch staatliche Kontrolle einen ordnungsgemäßen Spielablauf zu gewährleisten, eine Ausnutzung des natürlichen Spieltriebs zu privaten oder gewerblichen Gewinnzwecken zu verhindern und einen nicht unerheblichen Teil der Einnahmen aus Glücksspielen (mindestens 25%) zur Finanzierung gemeinnütziger oder öffentlicher Zwecke heranzuziehen (vgl. BT-Drs. 13/8587, S. 67). Dem liegt die Einschätzung zu Grunde, dass das Glücksspiel grundsätzlich wegen seiner möglichen Auswirkungen auf die psychische und wirtschaftliche Situation der Spieler und seiner Eignung, Kriminalität vornehmlich im Bereich der Geldwäsche zu fördern, unerwünscht und schädlich ist (vgl. Hahn, Das Wirtschaftsverwaltungsrecht in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ab 1999, GewArch 2002, 41,49). Andererseits ist dem Gesetzgeber bewusst, dass der dem Menschen innewohnende Spieltrieb nicht gänzlich unterbunden werden kann. Die nach § 284 Abs. 1 StGB strafausschließende behördliche Erlaubnis stellt deshalb ein Instrument zur Kanalisierung des Spieltriebs in geordnete Bahnen dar (vgl. BVerwG, Urtv. 28. 3. 2001, a.a.O.)."

23

An dieser auch bereits in der Rechtsprechung der Kammer vertretenen Auffassung (siehe Urteil vom 11. April 2005,10 A 2329/03) hält das Gericht fest. Auch das Bundesverwaltungsgericht hat seine vom Nds. Oberverwaltungsgericht angesprochene Einschätzung bekräftigt (Rdnr. 44 des Urteils vom 21. Juni 2006 - BVerwG 6 C 19.06).

24

3.

Die Betätigung eines Wettunternehmens für Sportwetten von einer vorherigen Zulassung im Bundesgebiet abhängig zu machen, ist verfassungsgemäß und verstößt nicht gegen EU-Gemeinschaftsrecht.

25

Der Hintergrund dafür, das Veranstalten von Sportwetten einer präventiven staatlichen Kontrolle zu unterziehen, ist die Erkenntnis, dass das Wettwesen mit Gefahren verbunden ist. Diese bestehen

  • erstens - in der Spiel- und Wettsucht, insbesondere für Jugendliche,

  • zweitens - in der Gefahr betrügerischer Machenschaften seitens der Wettanbieter und in Gefahren für den Verbraucherschutz, insbesondere durch irreführende Werbung und die finanzielle Unzuverlässigkeit und fehlende Leistungsfähigkeit des Wettveranstalters sowie

    drittens - in den Gefahren der mit dem Wetten verbundenen Folge- und Begleitkriminalität (vgl. zu diesen Gesichtpunkten BVerfG, Urteil vom 28. März 2006, Az.: 1 BvR 1054/01, GewArch, 2006,1999 Rdnrn. 98 bis 106). Der Gesetzgeber darf zur Abwehr dieser Gefahrenpotenziale das Wettwesen begrenzen und ordnen, weil er damit legitime Ziele verfolgt. Das schließt die Befugnis des Gesetzgebers zur Prävention ein (BVerfG, a.a.O., Rdnr. 102).

26

Ein gesetzlicher (präventiver) Erlaubnisvorbehalt verstößt nicht gegen Verfassungsrecht. Denn wenn sogar die gesetzliche Errichtung eines staatlichen Wettmonopols nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts grundsätzlich ein zulässiges Mittel zur Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht ist, gilt dieses erst Recht für die Schaffung eines gesetzlichen Erlaubnisvorbehaltes. Soweit das Bundesverfassungsgericht den Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG angesichts der zurzeit der Entscheidung bestehenden rechtlichen und tatsächlichen Ausgestaltung des Wettmonopols in Bayern als unverhältnismäßig angesehen hat, ergibt sich daraus jedenfalls kein verfassungsrechtliches Gebot, die Betätigung nicht staatlich zugelassener Wettunternehmen erlaubnisfrei zu lassen und die Vermittlung von Sportwetten an diese Unternehmen hinzunehmen. Die Erlaubnispflicht ist - unabhängig von der Frage, ob die Voraussetzungen für die Erteilung der Erlaubnis nach § 3 NLottG im Einzelnen mit der Verfassung in Einklang stehen - ein verfassungsrechtlich unbedenkliches Mittel zur präventiven Kontrolle des Wettmarktes (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 27. September 2005 -1 BvR 789/05 -schon zur Berechtigung der präventiven Kontrolle des Wettvermittlers und der Vermittlungstätigkeit).

27

Auch EU-Gemeinschaftsrecht gebietet es nicht, die Vermittlung von Sportwetten an in Deutschland nicht staatlich zugelassene Wettunternehmen zu gestatten. Beschränkungen der Niederlassungs- bzw. Dienstleistungsfreiheit nach Art. 43 und 49 EG können nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses wie Verbraucherschutz, Verbrechensprävention, Schutz der öffentlichen Sittlichkeit und zur Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spielen gerechtfertigt sein. Maßnahmen, die auf derartige Gründe gestützt sind, müssen allerdings geeignet sein, die Verwirklichung dieser Ziele in dem Sinne zu gewährleisten, dass sie "kohärent und systematisch" zur Begrenzung der Wetttätigkeiten beitragen (EuGH, Urteil vom 06.11.2003 - C-243/01 - "Gambelli"). Die der präventiven Kontrolle des Wettunternehmens dienende Schaffung eines Erlaubnisvorbehalts für das Anbieten von Sportwetten trägt diesen Anforderungen Rechnung. Zur Wahrung der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit ist eine (generelle) Freistellung von der Erlaubnispflicht für die Veranstaltung von Sportwetten nicht erforderlich. Der gesetzliche Konzessionsvorbehalt ist schließlich nicht diskriminierend, weil das Erfordernis, eine Erlaubnis einzuholen, für alle Veranstalter von Glücksspielen gleichermaßen gilt (vgl. BGH, Urteil vom 14. März 2002 -1 ZR 279/99 -, NJW 2002, 2175 [BGH 14.03.2002 - I ZR 279/99]).

28

4.

Die Vermittlungstätigkeit der Klägerin betrifft in Niedersachsen nicht erlaubte Sportwetten.

29

Die Klägerin kann sich nicht mit Erfolg auf die den Wettunternehmen E. und F. jeweils erteilten Konzessionen berufen. Maßgeblich sind die rechtlichen Verhältnisse in Niedersachsen, da der Bund von der ihm eröffneten Gesetzgebungskompetenz nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG für den hier betroffenen Bereich des Rechts der Sportwetten (BVerfG, Urteil vom 28. März 2006, a.a.O., Rdnr. 96) bisher keinen Gebrauch gemacht hat. Weder die Firma E. noch die Firma F. ist im Besitz einer Genehmigung nach dem NLottG.

30

Die der Firma E. erteilte Erlaubnis des Gewerbeamtes Berlin-Mitte vom 20. August 1990 gilt nicht in Niedersachsen. Das Nds. OVG hat in den Entscheidungen vom 04. März 2003 (11 ME 420/02, Nds.VBI. 2003, 158) und 17. März 2005 (a.a.O.) im Einzelnen dargelegt, dass eine nach dem Gewerberecht der DDR erteilte Sportwettenerlaubnis nach dem Wirksamwerden des Beitritts nicht für das gesamte Bundesgebiet, sondern nur für die betreffenden neuen Bundesländer Geltung beanspruchen kann (so auch OVG NRW, Beschl. v. 14. Mai 2004 - 4 B 2096/03 -; BayVGH, Urt. v. 29. September 2004, GewArch 2005, 78 [VGH Baden-Württemberg 19.11.2004 - 6 S 2544/04]; Hess. VGH, Beschl. v. 27. Oktober 2004, GewArch 2005,17 [BVerfG 20.10.2004 - 1 BvR 117/03]). Das Bundesverwaltungsgericht teilt im Ergebnis diese Ansicht in dem nach der mündlichen Verhandlung in dieser Sache ergangenen Urteil vom 21. Juni 2006 (BVerwG 6 C 19.06, Rdnrn. 51-58).

31

Die Kammer macht sich deshalb die Ausführungen in ihrem Urteil vom 11. April 2005 (Az.: 10 A 2329/05) zu Eigen, das zu der vergleichbaren Genehmigung für die Firma L. ergangen ist. Sie gelten entsprechend auch für die Firma E.:

"Zwar ist die der Beigeladenen zu 1. erteilte Genehmigung gemäß Art. 19 Satz 1 des Einigungsvertrags (EV) als vor dem Wirksamwerden des Beitritts am 03.10.1990 ergangener Verwaltungsakt wirksam geblieben und gilt im gesamten erweiterten Bundesgebiet, also auch in Niedersachsen, fort (vgl. dazu im einzelnen Thür.OVG, Beschl. v. 21.10.1999 - 3 EO 939/97 -, GewArch 2000,118)). Folge dieses "Fortwirkens" ist jedoch nicht, dass der Beigeladenen zu 1. nunmehr die Veranstaltung von Sportwetten auch in Niedersachsen erlaubt ist (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 04.03.2003 -11 ME 420/02 -; Beschl. v. 17.03.2005 -11 ME 369/03 -; OVG NRW, Beschl. v. 15.05.2004 -4 B 2096/03 -; BayVGH, Urt. v. 29.09.2004 - 24 BV 03.3162 -, GewArch 2005, 78). Vielmehr kommt den Verwaltungsakten der DDR nach Art. 19 Satz 1 EV im gesamten (erweiterten) Bundesgebiet lediglich die Geltung zu, wie dies auch für Verwaltungsakte zutrifft, die bis zum 3. Oktober 1990 von der Behörde eines alten Bundeslandes erlassen worden sind (BVerwGE 105, 255 <260 f.>[BVerwG 15.10.1997 - 7 C 21/96]). Verwaltungsakten eines Landes oder einer sonstigen, dem Bundesstaat zugehörigen Rechtsperson kommt jedoch nur in dem Sinne Geltung im gesamten Bundesgebiet zu, als dass ihr jeweiliger Regelungsgehalt überall im Bundesgebiet beachtet wird bzw. hinzunehmen ist (vgl. Lerche in Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 83 Rdnr. 49). Der Regelungsgehalt wird aber dadurch, dass der Verwaltungsakt fortgilt, nicht verändert oder sogar - räumlich - erweitert. Es wäre der von Art. 19 EV bezweckten Förderung der deutschen Rechtseinheit (vgl. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl., Einl. Rdnr. 90 und § 35 Rdnr. 263) gerade nicht dienlich, wenn eine Sportwettenerlaubnis der DDR nunmehr im gesamten Bundesgebiet gelten sollte, während derartige von Behörden der alten Bundesländer erteilte Erlaubnisse nur im jeweiligen Bundesland gelten (Nds.OVG, Beschl. v. 04.03.2003 -11 ME 420/02 -). Gegenstand der Genehmigung der Stadt Gera vom 14.09.1990 war daher - und konnte auch nur sein - die Veranstaltung von Sportwetten auf dem Gebiet der DDR. Lediglich in diesem Umfang gilt sie im gesamten (erweiterten) Bundesgebiet fort und führt z.B. dazu, dass die auf Thüringen beschränkte Veranstaltung von Sportwetten durch die Beigeladene zu 1. auch außerhalb der neuen Bundesländer nicht als strafbares Verhalten angesehen werden kann.

Etwas anderes folgt auch nicht aus den Entscheidungen Thüringer Verwaltungsgerichte. Abgesehen davon, dass das erkennenden Gericht entgegen der Auffassung des Klägers nicht an eine abweichende Bewertung dieser Gerichte gebunden wäre, hat das Thüringer Oberverwaltungsgericht (Beschl. v. 21.10.1999 - 3 EO 939/07 -, GewArch 2000,118 [OVG Thüringen 21.10.1999 - 3 EO 939/97]) lediglich entschieden, dass die der Beigeladenen zu 1. erteilte Genehmigung der Stadt Gera wirksam geblieben ist und grundsätzlich im gesamten erweiterten Bundesgebiet fortgilt. Eine Aussage zu den Folgen dieses "Fortwirkens" und insbesondere dazu, ob die Veranstaltung von Sportwetten durch die Beigeladene zu 1. auf Grund dieser Genehmigung auch außerhalb von Thüringen erlaubt ist, enthält die genannte Entscheidung des Thüringer Oberverwaltungsgerichts jedoch - naturgemäß - gerade nicht.

Etwas Gegenteiliges folgt schließlich auch nicht aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 11.10.2001 (-1 ZR 172/99 -, GewArch 2002,162 [BGH 11.10.2001 - I ZR 172/99]). Gegenstand dieser Entscheidung war nämlich nicht die Frage, ob die einem Gewerbetreibenden von einer Behörde der ehemaligen DDR erteilte Genehmigung ausreichende rechtliche Grundlage für eine bundesweite Geschäftstätigkeit ist, sondern lediglich die Frage, ob eine solche Geschäftstätigkeit, selbst wenn sie den objektiven Tatbestand des § 284 StGB erfüllen sollte, wettbewerbswidrig ist, obwohl die zuständigen Behörden und Gerichte -ausgehend von einer möglicherweise unzutreffenden Rechtsauffassung - die Tätigkeit ausdrücklich als rechtlich zulässig bewertet hatten."

32

Die Klägerin darf auch keine Wetten der Firma F. vermitteln. Die Genehmigungspflicht wird nicht durch die dieser von der Polizeiabteilung des Landes Oberösterreich erteilte Buchmachererlaubnis vom 3. Juni 2002 erfüllt. Die Kammer folgt nach nochmaliger Überprüfung den Ausführungen des Nds. OVG im Beschluss vom 17. März 2005 (a.a.O.):

"Eine Bindung an die österreichische Erlaubnis lässt sich auch nicht aus europarechtlichen Vorgaben herleiten. Es fehlen entsprechende Harmonisierungsrechtsakte der EG. Sekundäres Gemeinschaftsrecht im Sinne des Art. 55 i.V.m. Art. 47 Abs. 2 EG ist bislang dazu nicht ergangen. Die Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über den elektronischen Geschäftsverkehr vom 8. Juni 2000 (ABl. Nr. 1 178, S. 6) und die Richtlinie 1999/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Anerkennungsmöglichkeiten von Zulassungen aus anderen Mitgliedsstaaten vom 16. Februar 1999 (ABl. Nr. 1 201, S. 77) nehmen die Regulierung des Glücksspielsektors ausdrücklich vom jeweiligen Anwendungsbereich aus (vgl. BGH, Urt. v. 1. 4. 2004, a.a.O.; Körte, Das Gambelli-Urteil des EuGH, NVwZ 2004,1449, 1452). Allerdings laufen Bestrebungen seitens der Europäischen Kommission, im Rahmen einer Richtlinie über Dienstleistungen im Binnenmarkt auch den Glücksspielbereich in den gemeinsamen Markt zu überführen und dabei auf das Herkunftsland-Prinzip abzustellen (vgl. Tettinger, Grenzüberschreitende Glücksspiel-Internetangebote und europäischer Binnenmarkt, GewArch 2005,49, 55; Hübsch, Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten ohne Erlaubnis - ein Glücksspiel ?, GewArch 2004, 313, 316 f.). Solange aber eine derartige Richtlinie, die umstritten ist und zurzeit im Europaparlament beraten wird (vgl. SZ. v. 15. 3. 2005, S. 21), nicht erlassen ist, bleibt es nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH (vgl. etwa Urt. v. 21. September 1999 - C-124/97 -, "Zenatti", GewArch 1999, 476) mit Rücksicht auf die jeweiligen soziokulturellen Besonderheiten Sache der Mitgliedsstaaten, das Glücksspielwesen im Rahmen des ihnen zustehenden Ermessens zu regeln. Auch die Ausführungen des EuGH im Urteil vom 6. November 2003 (C-243/01 - "Gambelli" - NJW 2004,139 = DVBI. 2004, 306).....setzen gerade die

Möglichkeit voraus, dass einzelne Mitgliedsstaaten der EU die in anderen Mitgliedsstaaten erteilten Sportwettenerlaubnisse nicht anerkennen (so auch VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 12. Januar 2005, 6 S 1288/04)."

33

Entgegen der Auffassung der Klägerin genügt daher gerade nicht der bloße Hinweis auf den Vorrang des Gemeinschaftsrechts, um auf Grund der von einem Mitgliedsstaat der EU erteilten Erlaubnis in jedem Mitgliedsstaat auf dem Sportwettenmarkt tätig sein zu dürfen. Davon geht auch das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 28. März 2006 (a.a.O.) aus. Denn es hätte der Ausführungen zur Zulässigkeit eines staatlichen Monopols nicht bedurft, wenn die Zulassung eines Wettanbieters in einem anderen Mitgliedsstaat von den Behörden der Bundesrepublik Deutschland hinzunehmen wäre, weil das nationale Zulassungsrecht für Sportwetten durch das EU-Recht überspielt werden könnte.

34

An dieser Beurteilung ändert sich auch durch die Erwägung nichts, dass die Vorschriften des NLottG in ihrer derzeitigen Ausgestaltung weder der Klägerin noch sonstigen privaten Wettunternehmen die Möglichkeit eröffnen, eine Zulassung zu erhalten, weil die in § 3 Abs. 2 NLottG aufgestellten Anforderungen nicht erfüllt werden können, wonach eine Konzession nur einer Gesellschaft (Wettunternehmen) erteilt werden darf, an der das Land unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist und deren andere Beteiligte entweder juristische Personen des öffentlichen Rechts oder Zusammenschlüsse oder Gesellschaften solcher Personen sind oder die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes 1996 erfüllen. Dieser Gesichtspunkt betrifft nämlich allein die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen das staatliche Wettmonopol mit Vorschriften des Grundgesetzes und des Rechts der Europäischen Gemeinschaft vereinbar ist und ob ein Anspruch auf Zulassung besteht. Diese Frage ist aber im vorliegenden Verfahren nicht zu klären. Denn Streitgegenstand ist nicht ein von der Klägerin geltend gemachter Genehmigungsanspruch, sondern die Untersagung der Vermittlung von Sportwetten für ein nicht genehmigtes Wettunternehmen. Die Voraussetzungen für ein Einschreiten der Behörde gegen eine ungenehmigte Tätigkeit sind bereits dann erfüllt, wenn die erforderliche Zulassung nicht vorliegt, also schon dann, wenn lediglich gegen formelles Recht verstoßen wird. Ob der Zulassungsanspruch besteht, weil die gesetzlichen Zulassungsanforderungen erfüllt sind, ist ebenso im Rahmen des Zulassungsverfahrens zu prüfen wie die Frage, ob diese Anforderungen mit höherrangigem Recht vereinbar sind. Es ist danach für die Frage der Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung ohne Belang, unter welchen Voraussetzungen das staatliche Wettmonopol rechtlich zulässig ist und ob diese eingehalten werden.

35

Die mit den Hilfsbeweisanträgen der Klägerin unter Beweis gestellten Tatsachen sind für die hier zu treffende Entscheidung daher unerheblich.

36

5.

Die getroffene Maßnahme ist auch ohne Ermessensfehler ergangen. Der nach § 14 Abs. 1 NLottG in Bezug genommene Lotteriestaatsvertrag eröffnet der Behörde in § 12 Abs. 1 Satz 2 einen Ermessenspielraum. Danach kann sie die hierzu erforderlichen Maßnahmen treffen.

37

5.1

Ermessensfehler ergeben sich nicht deshalb, weil der Beklagte den Widerspruchsbescheid auf § 11 Nds. SOG gestützt hat, hingegen nach der hier vertretenen Auffassung § 14 Abs. 1 NLottG heranzuziehen ist. Denn in dem maßgeblichen Bescheid vom 15. Juni 2006 hat der Beklagte die erforderlichen Erwägungen angestellt, die auch für das im Rahmen des § 14 Abs. 1 NLottG dem Beklagten zustehende Ermessen maßgeblich sind.

38

5.2

Ermessensfehlerhaft ist insoweit insbesondere nicht, dass der Beklagte seine Ermessensentscheidung maßgeblich daran ausgerichtet hat, dass das Verhalten der Klägerin nach § 284 Abs. 1 StGB strafbar ist, worauf es nach § 14 Abs. 1 NLottG nicht ankommt. Es lässt sich danach zwar nicht ausschließen, dass die Ermessensbetätigung des Beklagten anders ausgefallen wäre, wenn ein Verstoß gegen Strafrechtsvorschriften nicht vorläge. Die Annahme des Beklagten trifft jedoch zu:

39

Nach § 284 Abs. 1 StGB wird bestraft, wer ohne behördliche Erlaubnis öffentlich ein Glücksspiel veranstaltet oder hält oder die Einrichtungen hierzu bereithält.

40

Die Oddset-Wette ist - wie ausgeführt - ein Glücksspiel in diesem Sinne. Der Straftatbestand knüpft an ein unerwünschtes, weil sozialschädliches Verhalten an. Die Geltung dieses repressiven Verbotes hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 28. März 2006 (a.a.O.) nicht in Frage gestellt (ebenso BVerwG, Urteil vom 21. Juni 2006). Die Klägerin erfüllt den Straftatbestand der unerlaubten Veranstaltung eines Glücksspiels nach § 284 Abs. 1 StGB zumindest in der Form der Bereitstellung von Einrichtungen zur Veranstaltung eines solchen Glücksspiels.

41

Die Klägerin veranstaltet ein unerlaubtes Glücksspiel. Veranstalter im Sinne des § 284 Abs. 1 StGB ist, wer verantwortlich und organisatorisch den äußeren Rahmen für die Abhaltung des Glücksspiels schafft und der Bevölkerung dadurch den Abschluss von Spielverträgen ermöglicht (vgl. BGH, Urteil vom 28. November 2002 - 4 StR 260/02 -GewArch 2003, 332 = JZ 2003, 858 m. zustimmender Anm. Wohlers, JZ 2003, 860 [BGH 28.11.2002 - 4 StR 260/02] sowie BVerwG, Urteil vom 21. Juni 2006, a.a.O.). Die Klägerin hält im Geschäftslokal die Teilnahmebedingungen, das Wettangebot und die entsprechenden Spielscheine für die Sportwetten bereit. Sie nimmt den Auftrag des Wettinteressenten entgegen und leitet dieses Angebot weiter. Sie kassiert den Wetteinsatz und zahlt auch eventuelle Gewinne aus. Nach Auffassung des Gerichts stellt dies bereits eine Teilhandlung beim Veranstalten des Glücksspiels dar. Auf die Tatherrschaft des Vermittlers kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Entscheidend ist vielmehr - insbesondere aus der Sicht des Kunden - dass die Klägerin die Möglichkeit bietet, Sportwetten abzuschließen. Im Geschäftslokal werden letztlich alle aus Sicht des Kunden erforderlichen Unterlagen angeboten und das gesamte Geschäft abgewickelt. Dass die Klägerin die Wettdaten und nach Einbehaltung der Provision den Gewinnsaldo an die Wettunternehmen weiterleitet, ist unerheblich. Denn der "Veranstalter" muss keine eigenen finanziellen Interessen am Ergebnis des Spielbetriebes haben. Darüber hinaus stellen die oben beschriebenen Verhaltensweisen der Klägerin das Bereitstellen von Einrichtungen im Sinne der dritten Tatbestandsalternative des § 284 Abs. 1 StGB dar (ebenso BVerwG, Urteil vom 21. Juni 2006, a.a.O. Rdnr. 47). Es genügt, dass die zur Verfügung gestellten Gegenstände für die Abwicklung der Sportwette tatsächlich genutzt werden können und sollen. Ergänzend ist schließlich darauf hinzuweisen, dass die Betätigung der Klägerin zumindest eine nach § 27 StGB mit Strafe bewehrte Beihilfe zur Veranstaltung eines unerlaubten Glücksspiels durch das jeweilige Wettunternehmen darstellt. Denn das an seinem "Stammsitz" ansässige Wettunternehmen, das über einen an einem anderen Ort ansässigen Vermittler sein Wettprogramm bereithalten lässt und an diesem Ort zur Abgabe von Wettangeboten einlädt, veranstaltet die Sportwette zugleich an dem Ort, an dem sich die Vermittlungsagentur befindet (BayVGH, Urt. v. 29. September 2004 - 24 BV 03.3162 -, GewArch 2005, 78, 81; vgl. auch hierzu VGH Kassel im Beschluss vom 27. Oktober 2004; VGH Mannheim, Beschluss vom 20. Juni 2003 -14 S 2649/02 -, GewArch 2004, 161; VG München, Beschluss vom 19. Februar 2004 - M 22 S 04.542 -, GewArch 2004, 212 <214>; a.A. Hörn, NJW 2004, 2047 <2053>; Janz, NJW 2003, 1694 <1697>).

42

Bereits die Verwirklichung dieses objektiven Straftatbestandes stellt eine Störung der öffentlichen Sicherheit im Sinne der gefahrenabwehrrechtlichen Generalklausel des § 11 Nds.SOG dar, unabhängig davon, ob die weiteren Voraussetzungen für die Strafbarkeit der Klägerin und die Bedingungen der Strafverfolgung gegeben sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 08. September 1981 - BVerwG 1 C 88.77 - BVerwGE 64, 55 <61>[BVerwG 08.09.1981 - 1 C 88/77]).

43

Im Rahmen des hier vorliegenden Streitgegenstandes, der gerade nicht die Zulassung zur Veranstaltung einer Sportwette betrifft, sondern lediglich die Untersagung einer nicht zulässigen Tätigkeit, kommt es - wie hier noch einmal zu betonen ist - nicht darauf an, ob der Klägerin die Veranstaltung und Vermittlung von Oddset-Wetten überhaupt erlaubt werden könnte. Das strafbewehrte Verbot des unerlaubten öffentlichen Veranstaltens von Glücksspielen in § 284 Abs. 1 StGB selbst vermag die Klägerin deshalb nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG zu verletzen. Denn diese Strafvorschrift enthält keine Festlegungen dazu, ob und unter welchen Voraussetzungen einem Antrag auf Erteilung einer behördlichen Erlaubnis zu entsprechen ist oder nicht, sondern knüpft allein an das Fehlen einer erforderlichen Erlaubnis an.

44

Unerheblich für die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der streitigen Verfügung ist es ebenfalls, ob ein Veranstalter oder Vermittler nach § 284 StGB bestraft werden kann, wenn er das (in seiner gegenwärtigen Ausgestaltung verfassungswidrige) Staatsmonopol missachtet hat. Auch das erkennende Gericht ist in seiner Entscheidung vom 11. April 2005 zu diesem Ergebnis gelangt (S. 8 ff. des Urteilsabdrucks), so dass ergänzend darauf verwiesen werden kann.

45

Soweit die Klägerin meint, sich für ihre Rechtsauffassung auf die Entscheidung des EuGH vom 13. November 2003 (C-42/02 - "Lindman" -, Tz. 25 f.) und die darin geforderte begleitende Untersuchung zur Zweckmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit der die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit beschränkenden Maßnahmen stützen zu können, ist dem nicht zu folgen. Denn der in dieser Entscheidung enthaltene Hinweis auf angesprochene "begleitende Untersuchung" enthält bei Würdigung des Gesamtzusammenhangs der Entscheidung ganz offensichtlich keine Handlungsanweisung an die gesetzgebenden Instanzen der Mitgliedsstaaten, sondern eine Umschreibung des Prüfungsmaßstabs des EuGH (VGH Ba.-Württ, Beschl. v. 12.01.2005 - 6 S 1288/04 -; Nds. OVG, Beschl. v. 17.03.2005 <a.a.O.>). Darüber hinaus wäre das Fehlen einer solchen Untersuchung durch die gesetzgebenden Instanzen - ihre Notwendigkeit unterstellt - allenfalls geeignet, die Konformität eines staatlichen Wettmonopols mit dem Gemeinschaftsrecht in Zweifel zu ziehen. Die - hier zu entscheidende - Frage der Rechtmäßigkeit eines behördlichen Einschreitens gegen die Vermittlungstätigkeit zu Gunsten eines nicht erlaubten Wettunternehmens bliebe davon unberührt.

46

§ 284 StGB, der die Veranstaltung eines Glücksspiels ohne behördliche Erlaubnis unter Strafe stellt, verstößt auch nicht gegen das Grundgesetz. Die mit § 284 StGB verbundenen Einschränkungen der Berufsfreiheit sind, soweit sie die Zulassung zur gewerblichen Veranstaltung und Vermittlung des Glücksspiels von einer Erlaubnis abhängig machen, im Hinblick auf die mit der Vorschrift verfolgten Ziele, der Spielsucht und der Ausnutzung des Spieltriebs zu kriminellen Zwecken vorzubeugen, ohne weiteres mit Art. 12 GG vereinbar.

47

Die vom Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 28. März 2001 (BVerwG 6 C 2.01 - BVerwGE 114, 92 <98 ff.>[BVerwG 28.03.2001 - 6 C 2/01]) mit Blick auf das (bayerische) Staatsmonopol bei der Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten getroffene Feststellung, dass die in § 284 StGB vorausgesetzte Unerwünschtheit des Glücksspiels nicht in unauflösbarem Widerspruch zum staatlichen Veranstalterverhalten geraten dürfe, betrifft die vom Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht (Beschluss v. 07. April 2005 -11 ME 43/05-) positiv beantwortete Frage der Rechtmäßigkeit der Fernhaltung privater Anbieter von dem Sportwettenmarkt und damit die Frage, ob eine Erlaubnis zur Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten ungeachtet eines bestehenden staatlichen Veranstaltungs- und Vermittlungsmonopols zu erteilen ist. Diese Frage stellt sich im vorliegenden Fall nicht. Hier geht es allein darum, ob die Klägerin Sportwetten von Wettunternehmen bewerben und anbieten darf, ohne dass diesen zuvor eine gültige Erlaubnis erteilt worden ist. Die Aufnahme dieser Tätigkeit war der Klägerin aber bereits nach § 284 StGB untersagt und zwar unabhängig davon, dass die Wettunternehmen wegen der Monopolstellung des Landes bezüglich der Veranstaltung derartiger Wetten eine Erlaubnis überhaupt nicht erhalten können. Insofern gilt hier nichts anderes als das, was oben zu den Folgen eines möglichen Verstoßes von Bestimmungen der Sportwetten- bzw. Lotteriegesetze der Bundesländer gegen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts ausgeführt wurde.

48

Diese Einschätzung hat auch das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 28. März 2006 (a.a.O.) nicht in Frage gestellt.

49

5.3

Auch im Übrigen enthält die streitige Verfügung keine Ermessensfehler: Da die von der Klägerin aufgenommene Vermittlungstätigkeit von vornherein rechtswidrig war, kommt es bei der Prüfung einer ordnungsgemäßen Ermessensausübung nicht auf Gesichtspunkte wie Begrenzung der Einsatz- und Verlusthöhe, die besondere Zuverlässigkeit, Seriosität und langjährige Erfahrung des Betriebes als konzessioniertes Wettunternehmen und die existenzgefährdenden Folgen einer Untersagung für den Betrieb an.

50

Die Verfügung ist auch nicht etwa deshalb unverhältnismäßig, weil die Klägerin offensichtlich einen Anspruch auf Erteilung einer Genehmigung zur Vermittlung von Sportwetten hätte, den sie in dem Verfahren 10 A 4171/06 verfolgt. Voraussetzung dafür wäre nämlich, dass die Genehmigungsfähigkeit der Veranstaltung von Sportwetten durch private Wettunternehmen, mit denen die Klägerin zusammenarbeitet, in Niedersachsen bereits feststehen würde. Das ist jedoch nicht der Fall, weil gemäß § 3 Abs. 2 NLottG Träger des Wettunternehmens nur eine Gesellschaft sein darf, an der das Land unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist und deren andere Beteiligte entweder juristische Personen des öffentlichen Rechts oder Zusammenschlüsse oder Gesellschaften solcher Personen sind oder die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes 1996 erfüllen. Auch der am 1. Juli 2004 in Kraft getretene Staatsvertrag zum Lotteriewesen in Deutschland (Nds. GVBl. 2004 S. 165) schließt die Erteilung einer Erlaubnis für private Sportwetten aus (vgl. § 5 Abs. 4 LottStV). An der Anwendbarkeit dieser Regelung mögen aus verfassungsrechtlichen Gründen Zweifel bestehen (BVerfG, a.a.O., zum bayerischen Recht). Jedenfalls ist die Zulassungsfähigkeit - auch im Hinblick auf die in § 3 Abs. 3 NLottG genannten weiteren Zulassungsvoraussetzungen - nicht offenkundig. Bestehende Zweifel an der Genehmigungsfähigkeit genügen, um die Klägerin auf das Zulassungsverfahren zu verweisen.

51

Dass die Vermittlung von Sportwetten an ein in Niedersachsen zugelassenes Unternehmen anders zu behandeln ist, als die Vermittlung von Sportwetten durch die Klägerin an ein unerlaubtes Wettunternehmen, ist sachlich gerechtfertigt und verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

52

Die hilfsweise begehrte Aussetzung des Verfahrens ist nicht geboten.

53

Das Gericht sieht keinen Anlass das Verfahren auszusetzen, um Entscheidungen des EuGH in den Verfahren C-338/04, C-359/04 und C-360/04 abzuwarten. Die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 94 Satz 1 VwGO sind nicht erfüllt (vgl. insoweit Schoch u.a., VwGO, Kommentar, § 94, Rdnr. 60). Da es in den beim EuGH anhängigen Verfahren um die Auslegung des Gemeinschaftsrechts nach Art. 234 Abs. 1 lit. a und c EG geht, sind mitgliedsstaatliche Instanzgerichte in anderen Verfahren nicht an dies Auslegung gebunden. Hinzu kommt, dass die anhängigen Vorabentscheidungsverfahren Besonderheiten des italienischen Strafrechts betreffen. Der Schlussantrag des Generalanwaltes M. stellt die Geltung von nationalen Vorschriften in Frage, die Dienstleistungen im Rahmen des Angebots von Sportwetten unter Strafe stellen. Die beim EuGH anhängigen Verfahren betreffen damit Einzelfälle, die keinen Bezug zu den hier entscheidungserheblichen Fragen aufweisen.

54

Eine Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung über den von der Klägerin gestellten Genehmigungsantrag (Az.: 10 A 4171/06) kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil der Betrieb ohne Genehmigung, also auch vor Erteilung einer Genehmigung, nicht zulässig, sondern verboten ist. Es ist der Klägerin wie jedem rechtstreuen Bürger zuzumuten, erst das Genehmigungsverfahren zu durchlaufen und nach einer etwaigen Versagung der Genehmigung diese gegebenenfalls auf dem Rechtsweg zu erstreiten, bevor die gewerbliche Betätigung aufgenommen wird.

55

Das Gericht sieht keine Veranlassung, dem Europäischen Gerichtshof Fragen zur Auslegung des europäischen Rechts vorzulegen. Die Gesichtspunkte, die nach Auffassung der Kammer für die hier zu treffenden Entscheidung maßgeblich sind, sind durch die vorliegende Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes bereits geklärt.

56

Die in der Verfügung ebenfalls enthaltene Zwangsgeldandrohung findet ihre Rechtsgrundlage in § 3 Abs. 1 Satz 3, § 64 Abs. 1, § 65 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, § 67, § 70 Nds.SOG und ist danach nicht zu beanstanden.

57

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.

58

Die Berufung wird gemäß § 124a Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen, da die Sache im Hinblick auf die Frage, ob nach den im Land Niedersachsen geltenden Vorschriften das Einschreiten allein wegen des Fehlens einer nach der heutigen Rechtslage nicht zu erlangenden Konzession auch nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 (a.a.O.) gerechtfertigt ist, klärungsbedürftig ist und damit grundsätzliche Bedeutung hat.

Streitwertbeschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 15.000,- EUR festgesetzt.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 1 GKG.

Reccius
Dr. Hombert
Makus