Landgericht Stade
Urt. v. 09.08.2023, Az.: 5 O 235/22
Einspeisevergütung, Strom aus ausgeförderten Windenergieanlagen an Land; Kein Anspruch auf Einspeisevergütung für Strom aus ausgeförderten Windenergieanlagen an Land ab dem 01.01.2022
Bibliographie
- Gericht
- LG Stade
- Datum
- 09.08.2023
- Aktenzeichen
- 5 O 235/22
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2023, 42464
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- EEG 2000 § 7 I
- EEG 2021 §§ 19 I Nr. 2, 21 I Nr. 3 a)
- BGB §§ 812, 818
- EEG 2021 §§ 19 I Nr. 2, 21 I Nr. 3
- EEG 2023 §§ 19 I Nr. 2, 21 I Nr. 3
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Die Betreieber von ausgeförderten Windenergieanlagen an Land können ab dem 01.01.2022 keine Einspeisevergütung nach dem EEG von dem Netzanbieter verlangen.
- 2.
Der Stromnetzbetreiber erlangt Strom, der weiter "wild" in das Netz eingespeist wird, nicht ohne rechtlichen Grund i.S.d. § 812 I 1 BGB.
In dem Rechtsstreit
der XXX
Klägerin
Prozessbevollmächtigte: XXX df
gegen
XXX
Beklagte
Prozessbevollmächtigte: XXX
hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts Stade auf die mündliche Verhandlung vom 24.05.2023 durch die Richterin am Landgericht XXX als Einzelrichterin für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.
Die Klage wird abgewiesen.
- 2.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
- 3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
und beschlossen:
Der Streitwert wird auf 11.784,21 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung einer Einspeisevergütung in Anspruch.
Die Klägerin betreibt seit dem 01.05.2006 auf ihrem Hof in XXX eine Windenergieanlage mit einer elektrischen Wirkleistung von 200 kW, die Strom in das Netz der Beklagten einspeist (vgl. Mitteilung aus September 2006, Anlage B 1, sowie Betreibererklärung vom 28.12.2006, Anlage B 2). Die Windenergieanlage wurde bereits am 29.11.1990 von der XXX, der Rechtsvorgängerin der Klägerin, in Betrieb genommen. Der eingespeiste Strom wurde zunächst nach dem Stromeinspeisungsgesetz (StrEG) vergütet. Für die Zeit vom 01.04.2000 bis 31.12.2020 erhielt die Klägerin (bzw. ihre Rechtsvorgängerin) eine Vergütung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz vom 29.03.2000 (EEG 2000).
Am 25.09.2020 sandte die Beklagte folgendes Hinweisschreiben (Anlage B 3) an die Klägerin:
"Ende des Förderzeitraums nach EEG - Sie müssen handeln!
Guten Tag Frau XXX
Sie haben ihre EEG-Anlage vor dem 1. Januar 2001 in Betrieb genommen. Die Förderung dieser Anlage nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) läuft zum 31. Dezember 2020 aus.
Mit dem Ende der Förderung endet auch unsere gesetzliche Verpflichtung, den von Ihrer Anlage eingespeisten Strom zu vergüten.
Für die Zeit ab dem 1. Januar 2021 müssen Sie handeln! Sie haben nach der heutigen Gesetzeslage folgende Möglichkeiten:
1. Vollständige Direktvermarktung über Stromhändler
(Wenden Sie sich an einen Stromhändler/Direktvermarkter Ihrer Wahl)
2. Vollständiger Eigenverbrauch
(Bitte sprechen Sie einen Elektroinstallateur Ihrer Wahl bzgl. eines Umbaus an)
3. Kombination aus Eigenverbrauch und Direktvermarktung
Bitte beachten Sie bei den obigen Optionen die geltenden technischen Anforderungen sowie die Regelungen zur EEG-Umlage auf Eigenversorgung.
Alternativ ist nach aktueller Gesetzeslage nur noch die Außerbetriebnahme der Anlage möglich (Ausnahme Biomasseanlagen). Daher bitten wir Sie, die notwendigen Schritte rechtzeitig anzugehen. Aktuell arbeitet die Bundesregierung an einer Novellierung des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG
2021). Neuerungen hieraus entnehmen Sie bitte den Veröffentlichungen hierzu.
Freundliche Grüße"
Für die Zeit vom 01.01.2021 bis 31.12.2021 zahlte die Beklagte der Klägerin eine Einspeisevergütung gemäß § 21 I Nr. 3 a) EEG 2021, das zum 01.01.2021 in Kraft getreten war. Am 20.11.2021 wandte sie sich wiederum mit folgendem Hinweisschreiben (Anlage B 5) an die Klägerin:
"Ihre Anschlussförderung endet - wie geht es weiter?
Guten Tag Frau XXX,
am 31. Dezember 2021 läuft nun auch die Anschlussförderung ihrer EEG-Anlage aus. Damit endet auch automatisch Ihre Vergütung nach dem EEG.
Möchten Sie künftig auch weiterhin Ihren Strom in unser Netz einspeisen?
Dann brauchen Sie einen Direktvermarkter.
Er integriert Ihren Strom in den Strommarkt - von der Bilanzierung des Stroms bis hin zu Ihren Erlösen.
Für einen nahtlosen Übergang meldet dann Ihr Direktvermarkter bitte bis spätestens zum 30. November 2021 Ihre Anlage in die sonstige Direktvermarktung bei uns an - das war schon alles.
Ein wichtiger Hinweis noch:
Informationen für den Aufschlag für ausgeförderte Windenergieanlagen gemäß § 23b Abs. 2 EEG 2021 finden Sie zum Beispiel auf unserer Webseite unterwww.XXX.de/einspeiser.
Gerne sind wir bei Fragen für Sie da.
Freundliche Grüße"
Da die Klägerin in der Folgezeit keinen Direktvermarkter beauftragte, wies die Beklagte sie nochmals mit folgendem Schreiben vom 16.12.2021 (Anlage B 6) auf das Ende der EEG-Förderung hin:
"Ihre EEG-Förderung endet - Sie benötigen einen Direktvermarkter
Guten Tag,
am 31. Dezember 2021 läuft die Förderung Ihrer EEG-Anlage aus. Damit endet auch automatisch Ihre Vergütung nach dem EEG.
Mit unserem Schreiben vom 20. November 2021 haben wir Sie bereits darüber Informiert, dass Sie ab dem 1. Januar 2022 verpflichtend einen Direktvermarkter benötigen. Ohne eine Anmeldung erhalten Sie kein Geld für Ihren eingespeisten Strom.
Leider liegt uns bis heute keine Anmeldung vor. Wir bitten Sie daher sich zeitnah um einen Direktvermarkter zu kümmern.
Vielen Dank!
Gerne sind wir bei Fragen für Sie da.
Freundliche Grüße"
Die Windenergieanlage der Klägerin speiste ab dem 01.01.2022 weiter Strom in das Netz der Beklagten ein. Die Beklagte gab den Strom ohne Vergütung an den Übertragungsnetzbetreiber weiter und erteilte der Klägerin für die Zeit bis zum 31.07.2022 monatliche Gutschriften über jeweils 0,00 € (vgl. Anlagen K 1 und K 2, Bl. 7 ff. d.A.). Ab dem 01.06.2022 veräußerte die Klägerin den Strom ihrer Anlage an die XXX als Direktvermarkter.
Die Klägerin behauptet, ihre Windenergieanlage habe in der Zeit vom 01.01.2022 bis 31.07.2022 insgesamt 159.979 kW/h Strom in das Netz der Beklagten eingespeist. Sie meint, ihr stehe für diesen Zeitraum eine Einspeisevergütung von 0,0619 € netto pro kW/h, also insgesamt 9.902,70 € netto bzw. 11.784,21 € brutto, zu. Falls kein Vergütungsanspruch bestehe, stelle der eingespeiste Strom eine ungerechtfertigte Bereicherung dar, die die Beklagte gemäß §§ 812 ff. BGB herausgeben müsse.
Die Klägerin beantragt,
- 1.
die Beklagte zu verurteilen, an sie 11.784,21 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2022 zu zahlen,
- 2.
die Beklagte zu verurteilen, an sie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten von 1.054,10 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie meint, die Anlage der Klägerin sei ausgefördert. Die Vergütung nach dem EEG 2000 sei zum 31.12.2020 ausgelaufen und die Anschlussförderung nach dem EEG 2021 habe lediglich für ein Jahr bis zum 31.12.2021 bestanden. Nach Ablauf der Förderungen sei sie weiterhin zur physikalischen Abnahme des Stroms verpflichtet gewesen. Sie habe hierdurch nichts erlangt, weil sie mit dem Strom nicht handeln dürfe und ihn deshalb - wie unstreitig geschehen - ohne Vergütung an den Übertragungsnetzbetreiber weitergeben müsse.
Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
I. Die Klägerin hat gegen die Beklagte für die Zeit vom 01.01.2022 bis 31.07.2022 keinen Anspruch auf Zahlung einer Einspeisevergütung gemäß § 7 I EEG 2000, §§ 19 I Nr. 2, 21 I Nr. 3 a) EEG 2021 oder §§ 19 I Nr. 2, 21 I Nr. 3 EEG 2023.
1. Gemäß § 9 I EEG 2000 war die Mindestvergütung für Strom aus Windkraft gemäß § 7 I EEG 2000 für neu in Betrieb genommene Anlagen für die Dauer von 20 Jahren ohne Berücksichtigung des Inbetriebnahmejahres zu zahlen. Für Anlagen, die vor Inkrafttreten des EEG 2000 in Betrieb genommen worden waren, galt als Inbetriebnahmejahr das Jahr 2000. Die Anlage der Klägerin zählt zu den letztgenannten Anlagen, weil sie bereits am 29.11.1990 in Betrieb genommen wurde. Die Mindestvergütung gemäß § 7 I EEG 2000 war entsprechend gemäß § 9 I 1 EEG 2000 bis zum Ablauf des 31.12.2020 zu zahlen. Für das Jahr 2021 stand der Klägerin aus dem EEG 2000 keine Vergütung mehr zu.
2. Die Einspeisevergütung gemäß §§ 19 I Nr. 2, 21 I Nr. 3 a) EEG 2021 für Strom aus ausgeförderten Windenergieanlagen an Land, bei denen der Zahlungsanspruch nach der maßgeblichen Fassung des EEG am 31.12.2020 endete, war gemäß § 25 II Nr. 2 EEG 2021 ausdrücklich nur bis zum 31.12.2021 zu zahlen. Die Klägerin konnte deshalb für den Strom aus ihrer Anlage, die gemäß § 9 I 1 EEG 2000 mit Ablauf des 31.12.2020 aus der Förderung fiel (s.o.), die Einspeisevergütung gemäß §§ 19 I Nr. 2, 21 I Nr. 3 a) EEG 2021 nur bis zum 31.12.2021 verlangen.
3. Das EEG 2023 sieht zwar in §§ 19 I Nr. 2, 21 I Nr. 3 EEG 2023 eine Vergütung für "Strom aus ausgeförderten Anlagen" vor. Unter "ausgeförderten Anlagen" sind der Begriffsbestimmung des § 3 Nr. 3a EEG 2023 zufolge jedoch nur solche Anlagen zu verstehen, die keine Windenergieanlagen sind. Die Klägerin kann die Vergütung daher nicht beanspruchen.
II. Die Klägerin hat gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf Ersatz des Wertes des eingespeisten Stroms gemäß §§ 812 I 1 Alt. 1, 818 II BGB.
1. Die Beklagte hat den Strom der Klägerin nicht ohne rechtlichen Grund i.S.d. § 812 I 1 BGB erlangt.
Das EEG 2021 in der bis zum 31.12.2022 geltenden Fassung unterscheidet zwischen der physikalischen und der kaufmännischen Abnahme des Stroms. Die physikalische Abnahme umfasst alle physikalischen Vorgänge, die erforderlich sind, um den Strom in das Netz einzuspeisen und darin weiterzuleiten. Die kaufmännische Abnahme des Stroms bedeutet dagegen, dass der Netzbetreiber den Strom von dem Anlagenbetreiber ankauft und in seinen EEG-Bilanzkreis aufnimmt (vgl. BeckOK EEG/Woltering, 12. Edition 01.08.2021, EEG 2021, § 11 Rn. 15 f.).
Gemäß § 11 I 1 EEG 2021 musste der Netzbetreiber - vorbehaltlich des § 13 des Energiewirtschaftsgesetzes, der hier nicht einschlägig ist - den gesamten Strom aus erneuerbaren Energien, der in einer Veräußerungsform nach § 21b I EEG 2021 veräußert wurde, unverzüglich vorrangig physikalisch abnehmen, übertragen und verteilen. Diese Pflicht zur physikalischen Abnahme bestand auch dann, wenn der Strom nicht gefördert wurde, also kein Anspruch auf Zahlung einer Einspeisevergütung gemäß §§ 19 ff. EEG 2021 bestand (vgl. BeckOK EEG/Woltering, 12. Edition 01.08.2021, EEG 2021, § 11 Rn. 15). Zur kaufmännischen Abnahme des Stroms war der Netzbetreiber gemäß § 11 I 2 EEG 2021 nur verpflichtet, wenn dem Anlagenbetreiber eine Einspeisevergütung gemäß §§ 19, 21 EEG 2021 oder aus einer Vorgängerregelung zustand (vgl. hierzu BeckOK EEG/Woltering, 12. Edition 01.08.2021, EEG 2021, § 11 Rn. 16).
Die Beklagte speiste den Strom aus der Anlage der Klägerin ab dem 01.01.2022 weiter in ihr Netz ein und leitete ihn ohne Vergütung an den Übertragungsnetzbetreiber weiter. Sie kam hiermit ihrer Pflicht zur vorrangigen physikalischen Abnahme des Stroms gemäß § 11 I 1 EEG 2021 nach, die somit der Rechtsgrund für die Vermögensverschiebung i.S.d. § 812 I 1 Alt. 1 BGB war.
2. Die Beklagte erlangte im Übrigen keinen Vermögensvorteil i.S.d. § 812 I BGB. Sie hat unbestritten vorgetragen, sie habe den "wild" eingespeisten Strom ohne Vergütung an den Übertragungsnetzbetreiber weitergeleitet. Dies entsprach den gesetzlichen Vorgaben:
Die Anlage der Klägerin galt gemäß § 21c I 3 EEG 2021 nach Ablauf der Förderung zunächst weiterhin als einspeisevergütete Anlage i.S.d. §§ 21b I 1 Nr. 2, 21 I Nr. 3 a) EEG 2021, weil sie keine andere Zuordnung getroffen hatte. Als die Beklagte den Strom aus der Anlage gemäß § 56 EEG 2021 an den Übertragungsnetzbetreiber weitergab, galt dieser entsprechend als "nach § 19 Absatz 1 Nummer 2 vergütet" i.S.d. § 56 Nr. 1 EEG 2021 (vgl. hierzu Hinweis 2021/1 der Bundesnetzagentur zur Zuordnung von ausgeförderten EE-Anlagen vom 15.02.2021, Abschnitt 4, letzter Absatz, abrufbar über die Homepage der Bundesnetzagentur, sowie Mitteilung Nr. 4 der Beschlusskammer 6 vom 24.11.2021, Anlage B 8). Trotz dieser Fiktion musste der Übertragungsnetzbetreiber der Beklagten nach der Weitergabe des Stroms jedoch gemäß § 57 I EEG 2021 nur die nach § 19 EEG tatsächlich geleisteten Zahlungen erstatten. Da die Beklagte für den Strom der Klägerin keine Vergütung gemäß §§ 19 I Nr. 2, 21 I Nr. 3 a) EEG 2021 gezahlt hatte, erhielt sie keine Erstattung von dem Übertragungsnetzbetreiber.
III. Einen Anspruch auf Schadensersatz macht die Klägerin nicht geltend. Eine Pflichtverletzung der Beklagten ist im Übrigen nicht ersichtlich, weil sie die Klägerin mit den im Tatbestand zitierten Schreiben mehrfach und rechtzeitig auf das Ende der EEG-Förderung sowie die Notwendigkeit einer Direktvermarktung ihres Stroms hinwies.
IV. Da die Hauptforderung der Klägerin nicht besteht, sind auch ihre Nebenforderungen unbegründet.
V. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 I, 709 ZPO.