Landgericht Stade
Beschl. v. 18.04.2023, Az.: 8 O 72/21

Festsetzung eines Ordnungsmittels wegen Verstoßes gegen die Unterlassungsverpflichtung bzgl. der Bewerbung eines Produktes wegen irreführender Produktbezeichnung (hier: Globuli)

Bibliographie

Gericht
LG Stade
Datum
18.04.2023
Aktenzeichen
8 O 72/21
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2023, 51450
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGSTADE:2023:0418.8O72.21.00

Amtlicher Leitsatz

Irreführende Produktbezeichnung eines Produktes, das ausschließlich Zucker enthält.

Eine irreführende geschäftliche Handlung nimmt derjenige vor, der reine Zuckerkügelchen mit der Angabe "HCG C 30 G.® Globuli" bewirbt oder in den Verkehr bringt.

In dem Rechtsstreit
XXX
Gläubiger
Prozessbevollmächtigte: XXX
XXX
gegen
XXX
Schuldnerin
Prozessbevollmächtigte: XXX
XXX
hat die 8. Zivilkammer (1. Kammer für Handelssachen) des Landgerichts Stade am 18.04.2023 durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht XXX beschlossen:

Tenor:

Gegen die Schuldnerin wird wegen des Verstoßes gegen die in dem Urteil des Landgerichts Stade vom 14.03.2022, Az. 8 O 72/21, enthaltene Unterlassungsverpflichtung ein Ordnungsgeld in Höhe von 20.000,00 €, ersatzweise für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, je 2.000,00 € ein Tag Ordnungshaft, zu vollziehen an dem Geschäftsführer der Schuldnerin, verhängt.

Die Schuldnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.

Mit Urteil vom 14.03.2022 wurde die Beklagte u.a. verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu € 250.000,00 - ersatzweise Ordnungshaft - oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollstrecken an ihrem Geschäftsführer, zu unterlassen,

geschäftlich handelnd das Produkt "HCG C30 Gall® Globuli" wie nachfolgend abgebildet

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zu bewerben und/oder bewerben zu lassen und/oder in den Verkehr zu bringen und/oder in den Verkehr bringen zu lassen, wenn dieses Produkt kein HCG enthält.

Mit Beschluss des Oberlandesgerichts Celle vom 05.10.2023, 13 U 18/22, wurde die Berufung der Beklagten und Schuldnerin gegen das Urteil auf dem Beschlusswege zurückgewiesen.

Die Schuldnerin bewarb das streitgegenständliche Produkt in der entsprechenden Aufmachung dennoch weiterhin bis mindestens zum 1.3.2023 auf ihrer Internetseite.

Die Schuldnerin behauptet, nach Ende des Verfahrens im November 2022 den Abteilungsleiter Marketing der XXX, welche die Artikel und Werbeauftritte im Onlineshop der Schuldnerin pflege, angewiesen zu haben, das streitgegenständliche Produkt umgehend vom Webshop der Beklagten zu entfernen. Dieser habe den Auftrag intern an die zuständige Person weitergegeben. Durch den Zugang des Ordnungsgeldantrags am 01.03.2023 sei die Schuldnerin darauf aufmerksam geworden, dass das Produkt noch weiterhin auf der Website präsentiert wurde.

II.

Der Antrag ist zulässig und begründet.

Die Ordnungsmittelfestsetzung beruht auf § 890 ZPO.

Die allgemeinen Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen liegen vor.

Nach § 890 Abs.1 ZPO ist ein Schuldner, der der Verpflichtung zuwider handelt, eine Handlung zu unterlassen oder die Vornahme einer Handlung zu dulden, wegen einer jeden Zuwiderhandlung auf Antrag des Gläubigers von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges zu einem Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, zu Ordnungshaft oder zu Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu verurteilen, wobei das einzelne Ordnungsgeld den Betrag von 250.000,00 €, die Ordnungshaft insgesamt zwei Jahre, nicht übersteigen darf. Nach § 890 Abs. 2 ZPO muss der Verurteilung eine entsprechende Androhung vorausgehen, die, wenn sie in dem die Verpflichtung aussprechenden Urteil nicht enthalten ist, auf Antrag von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges erlassen wird.

Eine entsprechende Androhung war in dem Urteil vom 14.03.2022 ausgesprochen worden.

Der Verstoß gegen den Verbotstitel ist unstreitig.

Ein Verschulden der Schuldnerin (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 8.12.2016, I ZB 118/15"Dügida") ist ebenfalls gegeben.

Bei juristischen Personen ist Verschulden der für sie handelnden Personen erforderlich und ausreichend, wobei das Verschulden auch auf einem schuldhaften Organisationsmangel und in einem schuldhaften Verhalten bei Auswahl und Überwachung Dritter liegen kann.

Die Schuldnerin kann sich mit ihrer Behauptung, sie habe die zuständige Dienstleisterin angewiesen, das streitgegenständliche Produkt von ihrem Webshop zu entfernen, nicht entlasten.

Denn der Schuldner eines Verbotstitels muss nicht nur alles unterlassen, was zu einer Verletzung führen kann, sondern auch alles tun, was im konkreten Fall erforderlich und zumutbar ist, um künftige Verletzungen zu verhindern. Dazu gehört auch die Einwirkung auf Dritte, soweit deren Handeln in seinem Einflussbereich liegt und ihm wirtschaftlich zugutekommt (OLG München, Beschluss vom 20.09.2011, 29 W 1294/11). Zur Unterbindung von Wettbewerbsverstößen reicht es nicht aus, zuständige Mitarbeiter oder Dienstleister lediglich über den Inhalt des Titels zu informieren und sie zu einem entsprechenden Verhalten aufzufordern, sondern diese sind grundsätzlich schriftlich unter Hinweis auf drohende Nachteile bei Zuwiderhandlung zu informieren (vgl. OLG München a.a.O.). Die Schuldnerin hat nicht vorgetragen, dass sie der Dienstleisterin die Bedeutung der Anweisung und etwaige Konsequenzen einer unterlassenen Ausführung des Auftrags hinreichend nachdrücklich vor Augen geführt hat. Darüber hinaus hat sie nicht vorgetragen, die Durchführung ihrer Anweisung überwacht zu haben, wozu sie lediglich die eigene Website hätte in Augenschein nehmen müssen.

Die Kammer hält die Festsetzung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 20.000,00 € für erforderlich und angemessen. Ordnungsmittel im Sinne des § 890 ZPO sind im Hinblick auf ihren Zweck zu bemessen. Zu berücksichtigen sind deshalb bei der Festsetzung von Ordnungsmitteln insbesondere Art, Umfang und Dauer des Verstoßes, der Verschuldungsgrad, der Vorteil des Verletzers aus der Verletzungshandlung und die Gefährlichkeit der begangenen und möglicher zukünftiger Verletzungshandlungen für den Verletzten (OLG München a.a.O.). Eine Titelverletzung soll sich für den Schuldner nicht lohnen (BGH GRUR 2004, 264, 268). Das Ordnungsgeld ist daher so zu bemessen, dass der aus dem Verstoß erzielte Gewinn abgeschöpft wird (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.01.2001, 20 W 78/00 m.w.N.). Darüber hinaus muss sowohl der Funktion des Ordnungsmittels als zivilrechtliche Beugemaßnahme zur Vermeidung künftiger Zuwiderhandlungen als auch dessen repressivem, strafähnlichem Sanktionscharakter Genüge getan werden (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 22.06.2017,6 W 49/17).

Die Schuldnerin hat hier knapp vier Monate gegen das rechtskräftige Unterlassungsgebot verstoßen. Hierdurch dürfte ihr ein ganz erheblicher finanzieller Vorteil entstanden sein. Da zumindest im Sommer 2021 10 g der Zuckerkügelchen mit einem geringen Materialwert zu einem Preis von 16,90 € inklusive gesetzlicher Mehrwertsteuer verkauft wurden, schätzt das Gericht die Gewinnspanne pro verkauften Produkt auf 10,00 Euro und die Anzahl der verkauften Produkte auf mindestens 1600 in vier Monaten. Darüber hinaus liegt hinsichtlich des Verstoßes mindestens grobe Fahrlässigkeit vor, da der Verstoß gegen das Unterlassungsgebot für den Geschäftsführer der Schuldnerin bei Beobachtung des Internetshops offenkundig gewesen wäre. Die Höhe des Ordnungsgeldes entspricht auch den wirtschaftlichen Verhältnissen der Schuldnerin. Diese vertreibt in erheblichem Umfang Produkte über ihre Internetseite.

2.

Die Anordnung der Ersatzordnungshaft hat ihre rechtliche Grundlage in § 890 ZPO.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs.1ZPO.