Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 18.06.2010, Az.: 11 A 1334/10

Kostenverteilung nach § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO bei Selbstkorrektur der Behörde unmittelbar nach Klageerhebung; Kostenminderungspflicht; Widerspruchsverfahren; Abhilfe

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
18.06.2010
Aktenzeichen
11 A 1334/10
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2010, 41263
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGOLDBG:2010:0618.11A1334.10.0A

Fundstelle

  • NVwZ-RR 2010, 867

Amtlicher Leitsatz

Nach der weitgehenden Abschaffung des Widerspruchsverfahrens in Niedersachsen darf der Bürger in der Regel gegen einen belastenden Verwaltungsakt sofort Klage erheben, ohne der Behörde vorher Gelegenheit zur Selbstkorrektur gegen zu müssen.

Gründe

1

Das Verfahren war in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen, da beide Beteiligte den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben.

2

Die Kosten waren nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes (§ 161 Abs. 2 VwGO) der Beklagten zu zwei Dritteln aufzuerlegen, weil sie insoweit den angefochtenen Bescheid teilweise aufgehoben und somit dem Begehren der Klägerin entsprochen hat.

3

Aus der auch im Rahmen des § 161 Abs. 2 VwGO zu berücksichtigenden Regelung des § 156 VwGO (vgl. Kopp/ Schenke, VwGo, 16. Aufl., § 156 Rn. 2) ergibt sich hier nichts anderes. Nach § 156 VwGO fallen die Prozesskosten dem Kläger zur Last, wenn der Beklagte durch sein Verhalten keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben hat und er den Anspruch sofort anerkennt. Die Beklagte hat hier aber dadurch Anlass zur Klageerhebung gegeben, dass sie am 29. April 2010 den angefochtenen Kostenbescheid in Höhe von 723,72 EUR erlassen hat, den sie selbst - wie der Änderungsbescheid vom 27. Mai 2010 zeigt - nunmehr insoweit für rechtswidrig hält, als Kosten von mehr als 274,60 EUR erhoben wurden. Der Klägerin kann nicht vorgeworfen werden, dass sie am 26. Mai 2010 von dem ihr zustehenden Rechtsmittel - nämlich der Anfechtungsklage - Gebrauch gemacht hat, anstatt abzuwarten, ob die Beklagte den Bescheid selbst korrigieren wird. Seit der weitgehenden Abschaffung des Widerspruchsverfahrens in Niedersachsen durch § 8a Abs. 1 AGVwGO verlangt die Rechtsordnung vom Bürger gerade nicht mehr, dass er sich vor der Klageerhebung an die Behörde wendet und ihr Gelegenheit zur Selbstkorrektur eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes gibt. Dieser Wille des Gesetzgebers darf nicht dadurch umgangen werden, dass die Gerichte über § 156 VwGO quasi "durch die Hintertür" eine Art informelles Widerspruchsverfahren einführen, in dem sie dem Bürger die Verfahrenskosten auferlegen, wenn er gegen einen belastenden Verwaltungsakt ohne Rücksprache mit der Behörde sofort Klage erhebt. Dies gilt um so mehr, als eine formlose Bitte an die Behörde, ihre Entscheidung nochmals zu überprüfen, nicht den Lauf der Klagefrist nach § 74 VwGO hemmt und der Bürger, der eine solche Bitte äußert, daher mit dem Risiko belastet ist, die Klagefrist zu versäumen. Nur wenn es sich um einen offensichtlichen Fehler handelt, bei dem ein vernünftiger Betrachter davon ausgehen muss, dass die Behörde ihn unverzüglich und unbürokratisch beheben wird (etwa einen offensichtlichen Schreib- oder Rechenfehler), und wenn noch ausreichend Zeit bis zum Ablauf der Klagefrist verbleibt, wird man verlangen können, dass der Betroffene der Behörde vor Klageerhebung Gelegenheit zur Selbstkorrektur gibt (vgl. VG Oldenburg, Beschluss vom 30. September 2005 - 11 A 3619/05 -, juris). So liegt es hier aber nicht. Die Einwände der Klägerin gegen den Kostenbescheid betrafen keinen offensichtlichen Schreib- oder Rechenfehler, sondern die komplexe Rechts- und Tatsachenfrage, inwieweit der abgerechnete Aufwand zur Beseitigung einer Ölspur erforderlich war. Die Klage wurde auch erst wenige Tage vor Ablauf der Klagefrist erhoben.

4

Zu einem Drittel sind die Verfahrenskosten dagegen von der Klägerin zu tragen. Sie hat in der Klageschrift den Antrag gestellt, den Kostenbescheid über 723,72 EUR vollständig aufzuheben. In der Klagebegründung führt sie aus, es bestehe schon "dem Grunde nach [...] keine Rechtsgrundlage für die Inanspruchnahme der Klägerin". Später hat sie aber die Klage insgesamt für erledigt erklärt, obwohl die Beklagte dem Klagebegehren lediglich zu circa 2/3 entsprochen hatte.