Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 31.10.2007, Az.: L 12 AL 117/07 ER
Abwarten der Hauptsacheentscheidung; Anordnungsanspruch; Anordnungsgrund; Benachteiligungsverbot für Behinderte; Eilbedürfnis; einstweilige Anordnung; einstweiliger Rechtsschutz; Hauptsacheverfahren; Interessenabwägung; offenes Hauptsacheverfahren; schwerer unzumutbarer Nachteil; Werkstatt für behinderte Menschen
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 31.10.2007
- Aktenzeichen
- L 12 AL 117/07 ER
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2007, 71751
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG - 24.07.2007 - AZ: S 12 AL 184/07 ER
Rechtsgrundlagen
- § 86b Abs 2 SGG
- § 136 Abs 2 SGB 9
- Art 3 Abs 3 S 2 GG
Tenor:
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Osnabrück vom 24. Juli 2007 über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Osnabrück vom 24. Juli 2007 über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das erstinstanzliche Eilverfahren wird zurückgewiesen.
Der Antrag auf Bewilligung von PKH und Beiordnung eines Rechtsanwalts für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe
I.
Der Antragsteller (ASt.) wendet sich gegen Beschlüsse des Sozialgerichts (SG) F. vom 24. Juli 2007, mit denen dieses seine Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur vorläufigen Erbringung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und auf Bewilligung von PKH zur entsprechenden Rechtsverfolgung abgelehnt hat.
Der 1987 geborene ASt. ist u.a. wegen einer frühkindlichen Hirnschädigung mit epileptischem Anfallsleiden, spastischer Lähmung beider Beine und weitgehender Einschränkung der Kommunikationsfähigkeit als schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 100 anerkannt. Darüber hinaus wurden ihm die Merkzeichen „G“ („erhebliche Gehbehinderung“) und „H“ („hilflos“) zuerkannt. Er bezieht Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung nach Pflegestufe II. Bis Juli 2007 besuchte er eine staatlich anerkannte Tagesbildungsstätte (G. -Schule der Heilpädagogischen Hilfe F.) zur Erfüllung der Schulpflicht.
Seinen im April 2007 bei der Antragsgegnerin (Ag.) gestellten Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form einer Förderung der Aufnahme in den Eingangs- und Berufsbildungsbereich der H. gGmbH, einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM), lehnte die Ag. mit Bescheid vom 10. Mai 2007 ab. Die Ag. führte dazu u.a. aus, dass die gesundheitlichen Einschränkungen des ASt. nach Beurteilung durch ihren Ärztlichen Dienst (Medizinaldirektorin Dr. I., Gutachten nach Aktenlage v. 3.5.2007) so wesentlich seien, dass Hilfen zur beruflichen Eingliederung nicht in Betracht kämen. Ein Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung sei nicht zu erwarten und auch eine Gemeinschaftsfähigkeit bestehe nicht. Hiergegen machte der ASt. mit seinem Widerspruch u.a. geltend, der Zugang zur WfbM stünde allen Menschen offen, sofern nur erwartet werden könne, dass sie spätestens nach der Teilnahme an Maßnahmen im Berufsbildungsbereich ein Mindestmaß an wirtschaftlicher verwertbarer Arbeitsleistung erbringen werden. Dieses Mindestmaß sei nirgendwo quantifiziert; es genüge daher, wenn das Arbeitsergebnis überhaupt verwertbar sei. Vergleiche mit Erlösbeträgen in der freien Wirtschaft bzw. mit arbeitsmarktüblichen Leistungen verböten sich. Bei entsprechender Förderung sei aber auch bei ihm die geforderte Mindestleistung zu erwarten. Im Eingangs- und Berufsbildungsbereich einer WfbM sei es gerade die Aufgabe, auch Menschen mit schwersten Behinderungen und höherem Betreuungsaufwand in die Arbeitsprozesse entsprechend ihren Möglichkeiten einzugliedern und die Arbeit passend zu machen. Die Beurteilung von Dr. I. überzeuge demgegenüber nicht.
Am 24. Juli 2007 hat der ASt. beim SG den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel beantragt, die Ag. vorläufig - bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache - zu verpflichten, entsprechende Leistungen zu erbringen. Zur Begründung hat er auf die Widerspruchsbegründung Bezug genommen und ergänzend u.a. vorgetragen, die Ag. verkenne schon vom Grundsatz her Begriff und Aufgaben einer WfbM sowie Sinn und Zweck des Eingangsverfahrens. Dieses diene gerade der Feststellung, ob die WfbM die geeignete Einrichtung sei sowie welche Bereiche und welche Leistungen für die Eingliederung in Betracht kämen. Tatsächlich habe die Ag. jedoch das (vermeintliche) Ergebnis des Eingangsverfahrens vorweggenommen und ihn damit seiner Chance, seine Fähigkeiten zu zeigen und zu steigern, beraubt. Ferner sei eine „fehlende Gemeinschaftsfähigkeit“ als gesetzlicher Ausschlussgrund für seine Aufnahme nicht vorgesehen. Sonstige Ausschlussgründe lägen ebenfalls nicht vor. Ein Anordnungsgrund ergebe sich schließlich daraus, dass die Maßnahme Mitte August 2007 beginnen solle.
Mit dem Eilantrag hat der ASt. zugleich die Bewilligung von PKH und die Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. J., F., zur entsprechenden Rechtsverfolgung beantragt.
Mit Beschlüssen vom 24. Juli 2007 hat das SG den Erlass einer einstweiligen Anordnung und die Bewilligung der PKH abgelehnt. Für die begehrte Eilentscheidung mangele es bereits an einem Anordnungsgrund, weil auch nach Mitte August 2007 noch weitere, gleichgelagerte Maßnahmen in den H. stattfinden würden und dem ASt. deshalb ein Abwarten der Hauptsacheentscheidung zumutbar sei. Im Übrigen sei das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen beim ASt. nach der Beurteilung des Ärztlichen Dienstes der Ag. zweifelhaft und damit auch ein Anordnungsanspruch nicht gegeben. Die Bewilligung der PKH sei aus den gleichen Gründen abzulehnen.
Den Widerspruch hat die Ag. nach einer ergänzenden Beurteilung ihres Psychologischen Dienst (Herr K.) vom 24. Juli 2007 und einer weiteren Stellungnahme ihres Ärztlichen Dienstes (Dr. I.) vom 1. August 2007 mit Widerspruchsbescheid vom 1. August 2007 aus den Gründen des Ausgangsbescheides zurückgewiesen.
Daraufhin hat der ASt. am 6. August 2007 Klage beim SG erhoben, über die noch nicht entschieden ist. Zugleich hat der ASt. gegen die Beschlüsse vom 24. Juli 2007 Beschwerde beim SG eingelegt. Hierzu hat er u.a. geltend gemacht, ihm sei ein Abwarten der Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht zumutbar. Auch bei ihm müsse die weiterführende Ausbildung nach Beendigung der Schulausbildung mit den anderen Schulabgängern gemeinsam und einheitlich beginnen; dies sei Teil des Normalisierungsprinzips. Ein Abbruch bzw. ein Leerlauf könne demgegenüber zu einer Verschlimmerung seiner Behinderung führen, bereits Erlerntes könne in Vergessenheit geraten und der soziale Kontakt zu seinen ehemaligen Mitschülern sowie die Integration in die WfbM könnte erschwert werden; dies bedeute einen erheblichem Nachteil für seine Gesamtentwicklung. Darüber hinaus sehe das Gesetz keine bestimmten „gesundheitlichen Voraussetzungen“ für die Aufnahme in eine WfbM vor. Die Aufnahme erfolge vielmehr unabhängig von Ursache, Art und Schwere der Behinderung sowie dem spezifischen Förder-, Betreuungs- und Pflegebedarf. Im Eingangs- und Berufsbildungsbereich werde die Arbeit behinderungsspezifisch angepasst und so kleinschrittig organisiert, dass auch die Fähigkeiten der Schwächsten erfolgreich zum Tragen kämen. Das gesetzlich geforderte Mindestmaß werde erst nach Durchlaufen dieses Bereichs gefordert. Ob die Arbeitsleistung dann erbracht werde, habe ausschließlich die WfbM zu ermitteln. Hierbei könne allerdings nicht mehr verlangt werden, als dass der behinderte Mensch in irgendeiner - auch einfachster - Weise am Produktionsprozess beteiligt sei. Andere Personen mit vergleichbaren Behinderungen trügen seit Jahren zum Arbeitsergebnis der Werkstatt bei. Nach einer Rahmenvereinbarung der Ag. mit der Bundesarbeitsgemeinschaft für WfbM, aber auch nach einem Runderlass der Ag. vom 12. Juli 2001 sei das Eingangsverfahren ebenfalls in jedem Einzelfall durchzuführen. Hiervon sei die Ag. erst im laufenden Jahr abgerückt. Bei ihm - dem ASt. - wiesen die Ergebnisse eines Orientierungspraktikums vom Frühjahr 2007 sowie die Ergebnisse eines ggw. absolvierten Intensivpraktikums ebenfalls auf eine günstige Prognose hin. Der ASt. nimmt insoweit auf Stellungnahmen des Geschäftsführers L. und der Sozialarbeiterin M. der H. vom 20. September 2007 Bezug. Auch bei einem Besuch der Ag. in der Intensivförderung der H. am 16. Juli 2007 habe er die ihm bis dahin unbekannte Arbeit nach Aufforderung demonstriert und mit Hilfestellung erledigt. Pflegeerfordernisse stünden seiner Aufnahme in die WfbM ebenfalls nicht entgegen. Damit aber sei seinem Anspruch auch vor dem Hintergrund des besonderen verfassungsrechtlichen Schutzes für behinderte Menschen zu entsprechen.
Unabhängig davon habe das SG die Anforderungen an die Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung jedenfalls bei seiner Entscheidung über den PKH-Antrag überspannt: Zweck der PKH sei es, auch dem Unbemittelten einen weitgehend gleichen Zugang zu Gericht zu ermöglichen. Maßstab könne daher nicht der tatsächliche Erfolg der Hauptsache sein. Der ASt. hat ferner die Bewilligung von PKH und die Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. J. auch für das Beschwerdeverfahren beantragt.
Die Ag. hält die angefochtenen Beschlüsse für zutreffend. Von einem behinderten Menschen müsse bereits vor Aufnahme in den Eingangs- bzw. Berufsbildungsbereich einer WfbM erwartet werden können, dass er spätestens nach Teilnahme an dortigen Maßnahmen in der Lage ist, wenigstens ein Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung zu erbringen. Diese Prüfung stelle keinen Verstoß gegen den verfassungsrechtlichen Schutz behinderter Menschen dar. Nach den Feststellungen ihres Ärztlichen Dienstes sei beim ASt. aber absehbar, dass er auch nach einem Eingangstraining die Aufnahmekriterien für eine Förderung und Beschäftigung in einer WfbM nicht erfülle. Ferner lägen auch keine zwingenden Gründe für die Aufnahme des ASt. zu einem bestimmten Termin vor. Die Aufnahme könne bei Vorliegen der Voraussetzungen vielmehr jederzeit erfolgen. Die ehemaligen Mitschüler des ASt. würden zudem ohnehin auf unterschiedliche WfbM-Bereiche und sogar unterschiedliche WfbM verteilt. Schließlich würde durch eine stattgebende Eilentscheidung die Hauptsache praktisch vorweggenommen.
Das SG hat den Beschwerden nicht abgeholfen und sie dem Landessozialgericht (LSG) zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die Beschwerde gegen den Beschluss des SG über den Eilantrag ist zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat den Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt.
Zutreffend ist das SG in seinem Beschluss davon ausgegangen, dass der Erlass einer einstweiligen Anordnung sowohl das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs (materieller Rechtsanspruch) wie auch das Vorliegen eines Anordnungsgrundes (besondere Eilbedürftigkeit) erfordert (vgl. § 86b Abs. 2 Satz 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 920 Zivilprozessordnung (ZPO)). Im Rahmen des Eilverfahrens findet dabei regelmäßig nur eine summarische Prüfung statt (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer , SGG, 8. Aufl., § 86b Rn. 16c). Die Prüfung hat jedoch um so eingehender zu erfolgen, wenn Grundrechte berührt sind und sich schwere und unzumutbare Nachteile für den Rechtssuchenden ergeben könnten, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. BVerfGE 79, 69, (74); 94, 166, (216) sowie Beschl. v. 22.11.2002 - 1 BvR 1586/02 = NJW 2003, 1236). Maßgeblich ist danach in erster Linie der wahrscheinliche Verfahrensausgang im Hauptsacheverfahren: Ist das Begehren dort offensichtlich unzulässig oder unbegründet, kann ein Recht, das durch eine einstweilige Anordnung geschützt werden muss, nicht bestehen; bei offensichtlicher Zulässigkeit und Begründetheit des Hauptsachebegehrens ist dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung demgegenüber in der Regel zu entsprechen. Bei offener Prognose hinsichtlich des Hauptsacheverfahrens erfolgt die Entscheidung anhand einer Abwägung der Interessen aller Beteiligten. Eine Vorwegnahme der Hauptsache kommt dabei nur in eng umgrenzten Ausnahmefällen in Betracht (vgl. erneut Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer , a.a.O., § 86b Rn. 29 f., 31). Gemessen daran ist die Entscheidung des SG nicht zu beanstanden.
Ein Erfolg des ASt. im Hauptsacheverfahren erscheint zunächst nicht offensichtlich gegeben oder auch nur überwiegend wahrscheinlich. Entgegen seiner Auffassung ergibt sich nicht bereits aus § 136 Abs. 2 Satz 2 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX) ein Anspruch des behinderten Menschen auf Aufnahme in die WfbM, wenn die Hinderungsgründe einer Selbst- oder Fremdgefährdung bzw. eines unverhältnismäßig hohen Betreuungs- und Pflegeaufwandes nicht vorliegen. Die Vorschrift berücksichtigt in ihrem dritten Teilsatz vielmehr auch „sonstige Umstände“, die ein Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung des behinderten Menschen im Arbeitsbereich dauerhaft nicht zulassen und damit seiner Aufnahme (bereits in den Eingangs-/Berufsbildungsbereich) entgegenstehen können. Darüber hinaus verlangt auch § 136 Abs. 2 Satz 1 SGB IX für die Aufnahme des behinderten Menschen zumindest die (begründete) positive Erwartung, dass er spätestens nach Teilnahme an Maßnahmen im Berufsbildungsbereich wenigstens ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung erbringen wird. Wie schon die Vorgängerregelungen des Schwerbehindertengesetzes (§ 54 Abs. 2 SchwbG) hält auch das SGB IX damit an dem Ansatz fest, dass nur solche behinderten Menschen in WfbM aufgenommen werden, bei denen eine entsprechende positive Prognose gestellt werden kann. Die Prognose ist an den Zielen der beruflichen Integrationsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt oder im Bereich der beschützten Werkstatt orientiert. Behinderte Menschen, die in diesem Sinne nicht „werkstattfähig“ sind, werden von den Werkstätten gezielt ferngehalten (vgl. Oppermann , in: Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, München 2003, § 5 Rn. 98 m.w.N.). Die Feststellung dieser „Werkstattfähigkeit“ obliegt dabei nach allgemeinen Grundsätzen dem Rehabilitationsträger im Rahmen seiner Verpflichtung zur umfassenden - und neutralen - Sachaufklärung (§ 20 Abs. 1, 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X)). Davon vermitteln auch die vom ASt. angeführte Rahmenvereinbarung zwischen der Ag. und der Bundesarbeitsgemeinschaft für WfbM und der vom ASt. angesprochene Runderlass der Ag. keine Ausnahme: Ungeachtet der Frage, inwiefern diese überhaupt geeignet sind, dem ASt. eigene Rechte einzuräumen, sehen auch sie die „obligatorische“ Durchführung des Eingangsverfahrens augenscheinlich nur für (bereits in die WfbM aufgenommene) „Teilnehmer“ an den dortigen Maßnahmen vor, nicht aber einen - über die gesetzlichen Bestimmungen hinausreichenden - Rechtsanspruch darauf, als „Teilnehmer“ in die WfbM aufgenommen zu werden.
Vor diesem Hintergrund ist ein Erfolg des Hauptsacheverfahrens nicht wahrscheinlicher als sein Misserfolg: Zwar sprechen die Stellungnahme des Fachausschusses bei den H. vom 19. Juni 2007 (unter Beteiligung eines Vertreters der Ag.), die Beurteilung des Psychologischen Dienstes (Herr K.) der Ag. vom 24. Juli 2007, die Stellungnahmen der H. vom 20. September 2007 sowie die vom ASt. übersandten Aufzeichnungen über „Entwicklungen und Beobachtungen“ im zur Zeit stattfindenden „Intensivpraktikum“ für die Möglichkeit, dass eine dauerhafte „Werkstattfähigkeit“ erreicht werden kann. Dem stehen jedoch nicht nur die Beurteilungen des Ärztlichen Dienstes (Dr. I.) der Ag. in den Stellungnahmen vom 3. Mai und 1. August 2007 und der Bericht von Dr. I. über die Beobachtungen vom 16. Juli 2007 im Rahmen des (seinerzeitigen) Praktikums entgegen, sondern auch die Feststellungen des vom Amtsgericht - Vormundschaftsgericht -F. im Rahmen des dortigen Betreuungsverfahrens - NZS 32 XVII 89/05 - hinzugezogen Neurologen und Psychiaters N. in dem Gutachten vom 24. Mai 2005. Danach war (seinerzeit) eine Verständigung mit dem ASt. nicht möglich; er reagierte nur vereinzelt auf Ansprache und Aufforderung, „Kontakt mehr gestisch“. Behandlungs- und Rehabilitationsmöglichkeiten, die eine wesentliche Verbesserung seiner Fähigkeiten und Fertigkeiten ermöglichen würden, bestanden danach nicht. Die abschließende Bewertung des vom ASt. geltend gemachten Anspruchs muss bei diesen erheblich widerstreitenden Beurteilungen aber dem Hauptsacheverfahren und der dort ggf. weiter zu veranlassenden Sachaufklärung vorbehalten bleiben. Sie ist im vorliegenden Fall auch unter dem nach Art. 3 Abs. 3 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) zu berücksichtigenden besonderen Benachteiligungsverbot für behinderte Menschen oder sonstigen Grundrechten des ASt. nicht bereits im Eilverfahren geboten.
Die hiernach vorzunehmende Interessenabwägung führt ebenfalls nicht zum Erlass der vom ASt. begehrten einstweiligen Anordnung. Bei (nach dem Gesagten) als offen zu wertendem Verfahrensausgang in der Hauptsache hat sich der Senat auch von dem Vorliegen eines Anordnungsgrundes nicht überzeugen können. Dem ASt. drohen durch eine Verweisung auf das Hauptsacheverfahren keine schweren und unzumutbaren Nachteile, zu deren nachträglicher Beseitigung die spätere Hauptsacheentscheidung nicht mehr in der Lage wäre. Auf Anfrage des Gerichts hat der ASt. durch seinen Verfahrensbevollmächtigten selbst eingeräumt, dass grundsätzlich auch laufende Aufnahmen in den Eingangsbereich der H. zu einem späteren Zeitpunkt möglich, wenn auch für Schulabgänger normalerweise nicht üblich sind. Die für den ASt. somit durch ein weiteres Zuwarten verbleibenden Nachteile einer (möglichen) Lockerung des sozialen Kontaktes zu seinen vor ihm aufgenommenen (ehemaligen) Mitschülern, die Möglichkeit, nach einem späteren „Quereinstieg“ ggf. „komprimierteren Abläufen“ in der WfbM zu unterliegen und die ebenfalls angeführte Belastungssituation seines Vaters, überwiegen die Nachteile nicht, die für die Ag. entstünden, wenn sie zunächst zur Förderung der Maßnahme verpflichtet würde, nach einem späteren Obsiegen in der Hauptsache aber die verauslagten Kosten (ggf. erfolglos) zurückzufordern hätte. Auch die Notwendigkeit einer kontinuierlichen Förderung des ASt. zum Erhalt der antrainierten Fähigkeiten führt zu keiner anderen Beurteilung. Die Ag. hat insoweit überzeugend darauf hingewiesen, dass der ASt. auch ohne direkte Aufnahme in eine WfbM nicht ohne Förderungsmöglichkeiten wäre, sondern z.B. in der Struktur einer Tagesförderstätte weiter angemessen betreut und gefördert werden könnte. Darüber hinaus hat der ASt. augenscheinlich zur Zeit auch ohne förmliche Aufnahme in die H. die Möglichkeit, dort seine Fähigkeiten im Rahmen eines (weiteren) Praktikums zu festigen. Weshalb ihm eine Fortsetzung oder Wiederholung entsprechender Angebote in der Zwischenzeit nicht möglich sein sollte, ist nicht ersichtlich. Schließlich hatte der Senat zu berücksichtigen, dass eine Verpflichtung der Ag. in dem vom ASt. begehrten Sinne eine vollumfängliche Vorwegnahme der Hauptsache bedeuten würde. Gründe, die dies ausnahmsweise rechtfertigen könnten, vermag der Senat im vorliegenden Fall auch insgesamt nicht zu erkennen.
Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.
Die Beschwerde gegen den PKH-Beschluss des SG vom 24. Juli 2007 ist zulässig, aber ebenfalls unbegründet. Der Rechtsverfolgung des ASt. konnte aus den dargestellten Gründen auch nach Auffassung des Senats bereits im erstinstanzlichen Eilverfahren nicht die für die Bewilligung von PKH nach § 73a SGG i.V.m. § 114 ZPO erforderliche Erfolgsaussicht beigemessen werden. Das SG hat dazu zu Recht auf die Erfolgsaussichten des Eilverfahrens und nicht - wie der ASt. meint - auf die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens abgestellt. Aus den gleichen Gründen kommt auch die Bewilligung von PKH für das Beschwerdeverfahren gegen die Ablehnung des Eilantrags nicht in Betracht. Zwar hat der Senat im Verlaufe des Beschwerdeverfahrens weitere Unterlagen von der Ag. angefordert. Dabei handelte es sich jedoch lediglich um die Beiziehung bereits vorhandener Unterlagen und nicht um die Veranlassung einer ergänzenden Sachaufklärung, die eine Bewilligung von PKH für die zuvor erhobene Beschwerde als gerechtfertigt erscheinen lassen könnte. Da PKH mithin nicht zu bewilligen war, war auch der Antrag auf Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. J., O., abzulehnen, weil die Beiordnung eines Rechtsanwalts nur in Betracht kommt, wenn und soweit PKH bewilligt wurde (§ 73a SGG i.V.m. § 121 ZPO).
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar, § 177 SGG.