Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 19.11.2021, Az.: 7 K 169/21

Nichtigkeit von Prüfungsanordnungen zur Durchführung von Lohnsteuer-Außenprüfungen

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
19.11.2021
Aktenzeichen
7 K 169/21
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2021, 68738
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - AZ: I R 14/22

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Prüfungsanordnungen des beklagten Finanzamts (FA) vom 15. September 2015 und 30. Mai 2016 zur Durchführung von Lohnsteuer-Außenprüfungen (Lohnsteuer-Ap.) zum Steuerabzug nach § 50a Einkommensteuergesetz (EStG) nichtig sind. Ferner streiten sie darum, ob der Kläger ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 41 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) an der Feststellung der Nichtigkeit hat.

Der Kläger ist in verschiedenen Bereichen gewerblich tätig. U.a. war er Veranstalter des jährlich stattfindenden Festivals in A. Hierzu engagierte er in- und ausländische Künstler, Künstlergruppen und Produktionsgesellschaften. Letztere unterlagen mit ihren Gagen dem Steuerabzug nach § 50a EStG. Die Anmeldungen über den Steuerabzug bei Vergütungen an beschränkt Steuerpflichtige gab der Kläger zunächst bei dem nach Auffassung des Beklagten damals für den Steuerabzug nach § 50a EStG zuständigen FA B unter der Steuernummer XXX/XXX/XXXXX und nachfolgend beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt), welches nach Auffassung des Beklagten für nach dem 31. Dezember 2013 zufließende Vergütungen für den Steuerabzug nach § 50 a EStG zuständig ist, ab.

Der Kläger hat im Bezirk des beklagten FA seinen Wohnsitz; das beklagte FA ist das für ihn für die Einkommen-, Umsatz- und Gewerbesteuer zuständige Wohnsitzfinanzamt im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 1 Abgabenordnung (AO). Seit 2016 betreibt der Kläger das Festival nicht mehr als Einzelunternehmen; Veranstalterin ist nunmehr die K GmbH & Co KG, deren Hauptgesellschafter der Kläger ist.

Das beklagte FA erließ unter dem 15. September 2015 eine Prüfungsanordnung gemäß §§ 196, 197 der Abgabenordnung (AO) zur Durchführung einer Lohnsteuer-Ap. bei dem Kläger betreffend die Steueranmeldung bis 31.12.2013 unter Steuernummer XXX/XXX/XXXXX beim FA B und betreffend die Steueranmeldung ab dem 1.1.2014 unter Steuernummer YYYY/YYY/YYYYY beim BZSt. Zu prüfender Zeitraum laut Prüfungsanordnung war 01.2012 bis 12.2014 und die Lohnsteuer-Ap. sollte sich erstrecken auf den Steuerabzug nach § 50a Abs. 4 Nr. 1 und 2 EStG (bis einschließlich 2008); ab 2009: § 50 a Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG. Unter dem 30. Mai 2016 erließ das beklagte FA eine weitere Prüfungsanordnung gemäß §§ 196, 197 AO zur Durchführung einer Lohnsteuer-Ap. bei dem Kläger betreffend die Steueranmeldung ab dem 1.1.2014 unter Steuernummer YYYY/YYY/YYYYY beim BZSt. Zu prüfender Zeitraum laut Prüfungsanordnung war 01.2015 bis 12.2015 und die Lohnsteuer-Ap. sollte sich erstrecken auf den Steuerabzug nach § 50a Abs. 4 Nr. 1 und 2 EStG (bis einschließlich 2008); ab 2009: § 50 a Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG. Das FA gab die Prüfungsanordnungen dem Kläger über seinen damaligen steuerlichen Berater bekannt.

Die auf diesen Prüfungsanordnungen vom 15. September 2015 und vom 30. Mai 2016 basierende Ap. begann ausweislich des Prüfungsberichts am 1. Oktober 2015 und endete am 24. Mai 2018. Für die Prüfungsanordnungen bzw. die Prüfungen lagen ein Auftrag weder des FA B noch des BZSt vor. Der Kläger legte gegen diese Prüfungsanordnungen keinen Einspruch ein.

Das beklagte FA führte bei dem Kläger nicht nur eine Ap. zur Prüfung des Steuerabzugs nach § 50 a EStG durch, sondern aufgrund gesonderter Prüfungsanordnungen jeweils vom 23. März 2015 für den Kläger und von ihm betriebene Unternehmen auch Außenprüfungen (beginnend im Mai 2015) zur Gewerbesteuer, Einkommen- und Umsatzsteuer sowie Umsatzsteuer-Sonderprüfungen aufgrund Prüfungsanordnung vom 23. März 2015 (Prüfungszeitraum Kalenderjahr 2014) und vom 29. Oktober 2015 (Prüfungszeitraum Januar 2015 bis Dezember 2015).

Des Weiteren war das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen B (FAFuSt) einbezogen. Dieses leitete mit Vermerk und mit Schreiben an den Kläger vom 6. Mai 2015 gegen den Kläger ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren zunächst wegen des Verdachts der Verkürzung von Umsatzsteuer 1-12/2014 ein. Nachfolgend erweiterte das FAFuSt das Ermittlungsverfahren zunächst wegen des Verdachts der Hinterziehung von Umsatzsteuer 2012 und 2013, weiter nachfolgend wegen des Verdachts der Hinterziehung von Einkommensteuer 2012 - 2014 (2014 Versuch), Solidaritätszuschlag 2012 - 2014 (2014 Versuch), Gewerbesteuer 2012 - 2014 (2014 Versuch) und Umsatzsteuer 2015. Mit Vermerk vom 6. Juni 2016 und mit Schreiben an den Kläger bzw. seine Prozessbevollmächtigten gleichfalls vom 6. Juni 2016 erweiterte das FAFuSt das steuerstrafrechtliche Ermittlungsverfahren ferner wegen des Verdachts der Hinterziehung von Einkommensteuer gemäß § 50 a EStG 2012 - 2015. Im Rahmen des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens wurden u.a. Räumlichkeiten des Klägers durchsucht und Unterlagen beschlagnahmt.

Im Rahmen der Ap. zur Prüfung des Steuerabzugs nach § 50 a EStG gelangte das beklagte FA zu der Auffassung, dass der Kläger seiner Verpflichtung zur Einbehaltung und Abführung der Steuerabzugsbeträge nach § 50a Abs. 5 Sätze 2 und 3 EStG, § 73e Einkommensteuerdurchführungsverordnung (EStDV) nicht vollständig nachgekommen sei. Auf den Bericht des beklagten FA über die Prüfung des Steuerabzugs gemäß § 50a EStG vom 24. Mai 2018 (Bl. 4 ff. Band IV Ermittlungsakten des FAFuSt) und den darin in Bezug genommenen Zwischenbericht vom 23. November 2016 (Bl. 13 ff. Band III Ermittlungsakten des FAFuSt) wird Bezug genommen. Das Steuerstrafverfahren wurde nach Mitteilung des FAFuSt im Klageverfahren 14 K ... im Mai 2020 im Strafbefehlswege erledigt. Der Bereich § 50 a EStG wurde vom Amtsgericht C dabei aus verfahrensökonomischen Gründen nicht vorgeworfen, um eine zeitnahe Erledigung des Steuerstrafverfahrens zu ermöglichen. Eine Erledigung der finanzgerichtlichen Verfahren in ...und ... sei nicht abzusehen.

Das FA B erließ unter dem 4. Januar 2017 einen Haftungsbescheid für den Kläger als Vergütungsschuldner über € 21.792,77 Steuerabzug und € 1.198,60 Solidaritätszuschlag für das Kalenderjahr 2012 und € 17.620,07 Steuerabzug und € 969,10 Solidaritätszuschlag für das Kalenderjahr 2013 (gesamt € 41.580,54). --- Bl. 9 ff. Klageakte 14 K ...). Im Einspruchsverfahren hiergegen erhob der Kläger keine Einwendungen gegen die Wirksamkeit der Prüfungsanordnungen. Mit Einspruchsbescheid vom 18. Oktober 2017 wies das FA B den Einspruch zurück. Das Klageverfahren hiergegen ist unter dem Aktenzeichen 14 K ... des Niedersächsischen Finanzgerichts anhängig. Das Gericht hat die Akten dieses Klageverfahrens einschließlich der zu diesem Klageverfahren übermittelten Akten beigezogen. Der Kläger erhebt im Klageverfahren 14 K ... vielfältige Einwendungen, u.a. gegen die Bestimmtheit des Haftungsbescheids, gegen die Feststellungen der Ap. betreffend die Vergütungsschuldner im Einzelnen als auch gegen die Wirksamkeit der Prüfungsanordnungen. Im Einzelnen wird auf die Ausführungen im Klageverfahren 14 K ... in den Schriftsätzen der Prozessbevollmächtigten vom 21. Dezember 2018 und 11. April 2019 Bezug genommen.

Nach Erhebung der vorliegenden Klage hat der 14. Senat des Gerichts mit Beschluss vom 5. August 2021 auf Antrag des Klägers und mit Zustimmung des beklagten FA B das Ruhen des dortigen Klageverfahrens bis zum rechtskräftigen Abschluss des vorliegenden Verfahrens angeordnet. Das Gericht führt in seinem Beschluss vom 5. August 2021 u.a. aus, es sei zweckmäßig, das Verfahren bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens beim niedersächsischen Finanzgericht zum Aktenzeichen 7 K 169/21 ruhen zu lassen. Zwar habe der BFH bereits mit Urteil vom 20. Februar 1990 IX R 83/88 BStBl II 1990,789 entschieden, werde ausschließlich die Nichtigkeit oder Unwirksamkeit einer Prüfungsanordnung geltend gemacht und seien die Prüfungsfeststellungen bereits im Steuerbescheid ausgewertet, so seien die Einwendungen gegen die Wirksamkeit der Prüfungsanordnungen im Rechtsbehelfsverfahren gegen den Steuerbescheid zu prüfen. Für eine Klage auf Feststellung der Nichtigkeit oder Unwirksamkeit fehle das berechtigte Interesse an der baldigen Feststellung. Allerdings habe das Finanzgericht Nürnberg in einer neueren Entscheidung unter Hinweis auf das BFH-Urteil vom 9. November 1994 XI R 33/93, Sammlung nicht amtlich veröffentlichter Entscheidungen des BFH - BFH/NV - 1995,621 die gegenteilige Auffassung vertreten und entschieden, dass die Nichtigkeitsfeststellungsklage betreffend eine Prüfungsanordnung auch dann zulässig sei, wenn zum Zeitpunkt der Klageerhebung bereits geänderte Steuerbescheide oder Feststellungsbescheide ergangen sind, die auf den Prüfungsfeststellungen beruhen (Urteil des Finanzgerichts Nürnberg vom 14. Januar 2014 1 K 215/13, juris-Entscheidungsdienst).

Das BZSt erließ unter dem 9. Januar 2017 einen Nacherhebungsbescheid für den Kläger als Vergütungsschuldner über € 27.228,57 Einkommensteuer und € 1.497,57 Solidaritätszuschlag für den Zeitraum 3. Quartal 2014 und über € 21.539,75 Einkommensteuer und € 1.184,68 Solidaritätszuschlag für den Zeitraum 3. Quartal 2015 (zusammen € 48.768,32 Einkommensteuer und € 2.682,25 Solidaritätszuschlag, insgesamt € 51.450,57). Das hierzu beim Finanzgericht ... anhängige Klageverfahren ist ebenfalls noch nicht abgeschlossen (Aktenzeichen...). Auch im Klageverfahren beim Finanzgericht ... gegen den Nacherhebungsbescheid des Bundeszentralamts für Steuern macht der Kläger Einwendungen geltend inhaltlich wie im Verfahren gegen den Haftungsbescheid des Finanzamts B (Klageverfahren Aktenzeichen 14 K ...).

Den Nachforderungen des FA B und des BZSt liegen mehrere streitige Einzelfeststellungen für mehrere verschiedene ausländische Künstler bzw. Vergütungsgläubiger zugrunde.

Unter dem 22. Juli 2021 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben. Er begehrt die Feststellung, dass die Prüfungsanordnungen des Beklagten vom 15. September 2015 und 30. Mai 2016 nichtig seien. Der Kläger verweist darauf, dass er in beiden Verfahren gegen den aufgrund der Prüfung vom FA B erlassenen Haftungsbescheid als auch gegen vom BZSt erlassenen Nacherhebungsbescheid ein Verwertungsverbot wegen Nichtigkeit der Prüfungsanordnungen geltend macht. Das im vorliegenden Klageverfahren angestrebte Nichtigkeitsfeststellungsverfahren sei vorgreiflich bezüglich des begehrten Verwertungsverbots.

Ihm stehe ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 41 Abs. 1 FGO an dieser Feststellung zu. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sei der Steuerpflichtige gehindert, sich mit Erfolg auf ein Verwertungsverbot zu berufen, solange die Prüfungsanordnung oder sonstige Ermittlungsmaßnahmen nicht aufgehoben oder ihre Rechtswidrigkeit im Wege der Feststellungsklage festgestellt sei. Der Kläger beruft sich auf das Urteil des BFH vom 9. November 1994 (Aktenzeichen XI R 33/93, vom Kläger angegeben mit IX R 33/93, Sammlung nicht amtlich veröffentlichter Entscheidungen des BFH - BFH/NV - 1995, 621) und auf das Urteil des Finanzgerichts Nürnberg vom 14. Januar 2014 (1 K 215/13, juris-Entscheidungsdienst).

Die Prüfungsanordnungen litten unter besonders schwerwiegenden Fehlern im Sinne von § 125 AO und seien deshalb nichtig. Der besonders schwerwiegende Fehler sei offenkundig.

Bezüglich des Prüfungszeitraums 2014 bis 2015 habe das Niedersächsische Finanzgericht (Urteil vom 10. März 2021, 7 K 1/21, juris-Entscheidungsdienst und Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2021, 1161) entschieden, dass Prüfungsanordnungen, die durch die für die Ertragsbesteuerung zuständigen Finanzämter erlassen wurden, nichtig seien. Das Gericht habe sich darauf berufen, dass ein Verstoß gegen die verbandsmäßige Zuständigkeit als Unterfall der sachlichen Zuständigkeit immer einen schwerwiegenden Fehler beinhalte. Bund, Länder und Gemeinden hätten danach nur eine auf das eigene Gebiet begrenzte Verwaltungshoheit. Der Verwaltungsakt sei in diesem Kontext nach der Auffassung des niedersächsischen Finanzgerichts insbesondere dann nichtig, wenn die sachlich zuständige Behörde eine besonders hohe Gewähr für die Richtigkeit der Entscheidung bieten solle, und die Behörde, die die Entscheidung tatsächlich getroffen habe, nicht über eine gleichartige Sachkunde verfüge.

Mit der Gesetzesbegründung sei dem BZSt die Zuständigkeit für die Durchführung des Steuerabzugsverfahrens nach § 50a Abs. 1 EStG übertragen worden, um eine effektive und effiziente Steuerverwaltung sicherzustellen; vor diesem Hintergrund der gesetzgeberischen Initiative stehe fest, dass gerade das Merkmal der Richtigkeit verwaltungsrechtlicher Entscheidungen, verbunden mit der Einheitlichkeit jener Maßnahmen, von ausschlaggebender Bedeutung für den Gesetzgeber gewesen sei. Das Tätigwerden der früher zuständigen Landesbehörden stehe dieser Intention diametral entgegen und sei daher durch Nichtigkeit sanktioniert.

Bezüglich des Prüfungszeitraums 2012 bis 2013, in dem noch das FA B im Rahmen einer Sonderzuständigkeit mit dem Steuerabzug nach § 50 a EStG für den Bezirk mehrerer Finanzämter in Niedersachsen zuständig war, sei ebenfalls die Nichtigkeit der Prüfungsanordnung vom 15. September 2015 gegeben. Denn nicht nur ein Verstoß gegen die verbandsmäßige Zuständigkeit führe zu Nichtigkeit eines Verwaltungsakts, sondern auch ein solcher gegen die sogenannte funktionelle Zuständigkeit im Rahmen der sachlichen Zuständigkeit. Der Begriff der funktionellen Zuständigkeit beschreibe unter anderem auch die rechtliche Aufgabenverteilung zwischen verschiedenen Behörden; sie sei ein Teil der sachlichen Zuständigkeit (§ 16 AO). Werde die funktionelle Zuständigkeit verletzt, so führe dies zur Nichtigkeit der streitgegenständlichen Entscheidung. Die in der begründeten Sonderzuständigkeit liegende Zuständigkeitsregelung beruhe gerade auf der besonderen Sachkunde der betroffenen Behörde. Das sei hier der Fall, denn die Übertragung der Befugnisse nach § 50 a EStG über § 17 Abs. 1 Satz 3 FVG von den örtlich zuständigen Finanzämtern auf das FA B basiere auf der Bündelung von dieser Behörde; allein das FA B könne durch die vorgegebene Zentralisierung zur Verbesserung bzw. zur Erleichterung des Besteuerungsverfahrens beitragen und mithin allein über die Frage der Durchführung einer Betriebsprüfung entscheiden, was den Erlass der Prüfungsanordnung in eigener Zuständigkeit umfasse.

Darüber hinaus führe die Teilnichtigkeit wegen der Prüfung für das BZSt zugleich zur Gesamtnichtigkeit des Verwaltungsakts nach § 124 Abs. 4 AO und damit zur Gesamtnichtigkeit der Prüfungsanordnung vom 15. September 2015. Betreffe die Nichtigkeit nur einen Teil des Verwaltungsakts, so sei er gemäß § 125 Abs. 4 AO im Ganzen nichtig, wenn der nichtige Teil so wesentlich sei, dass die Finanzbehörde den Verwaltungsakt ohne den nichtigen Teil nicht erlassen hätte. Der maßgebliche Behördenwille sei anhand einer objektiven Betrachtungsweise zu ermitteln. Danach sei der restliche Teil des Verwaltungsaktes ebenfalls nichtig, wenn die Behörde diesen Teil nur unter Verstoß gegen bindende Rechtssätze erlassen hätte oder das Ermessen anders ausgeprägt gewesen wäre. Wenn das Beklagte FA die Nichtigkeit des Teils der Prüfungsanordnung erkannt hätte, den das BZSt betrifft, dann hätte es die eigene Zuständigkeit im Bereich der Sonderzuständigkeit des FA B ebenfalls infrage gestellt und die Prüfungsanordnung nicht erlassen. Denn auch in diesem Fall stünden Gesichtspunkte der Verbesserung des Besteuerungsverfahrens im Vordergrund (§ 17 Abs. 1 Satz 3 FVG), die zu beachten seien.

Der Fehler des beklagten FA sei auch offenkundig. Denn eine generelle Rückübertragung der Prüfungsbefugnisse auf die für die Ertragsbesteuerung zuständigen Finanzämter sei unzulässig, denn dieser Umstand würde die vorangegangene Übertragung der Kompetenzen im Kontext des § 50a EStG auf eine sachkundige Stelle als nicht mehr nachvollziehbar erscheinen lassen.

Im vorliegenden Klageverfahren macht der Kläger ferner - wie bereits im Klageverfahren 14 K ... Bl. 49 - zusätzlich geltend, es bestehe keine wirksame gesetzliche Verpflichtung zur Abgabe einer Steueranmeldung über § 73 e Satz 2 EStDV. Die für diese Norm angeführte Ermächtigungsgrundlage des § 51 Abs. 1 Nr. 1e EStG sei insofern nicht verfassungskonform, als sie zu unbestimmt sei (Schriftsatz im Haftungsverfahren vom 2. Juli 2018 Bl. 49 FG-Akte). § 73e Satz 2 EStDV sei immer nur über den Verordnungsgeber verabschiedet worden und verfassungswidrig.

Des Weiteren macht der Kläger - wie bereits im Klageverfahren 14 K ... - geltend, aus verfassungsrechtlichen Gründen sei auch bereits für den Zeitraum 2012 und 2013 das BZSt für den Steuerabzug nach § 50 a EStG sachlich zuständig gewesen. Die durch den Gesetzgeber an den Verordnungsgeber in der EStDV übertragene Befugnis, den Zeitpunkt der Übernahme der Verwaltungstätigkeit durch das BZSt auf einen Zeitpunkt nach dem 31. Dezember 2011 zu bestimmen, sei verfassungswidrig; das gleiche gelte für die in § 73 g EStDV verankerte Befugnis, dass auch das zuständige FA für den Erlass von Haftungsbescheiden zuständig sei.

Mit Schriftsatz vom 7. September 2021 begehrt der Kläger darüber hinaus, "kumulativ bzw. alternativ" das Verfahren auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht die von Ihm im einzelnen angeführten Rechtsfragen vorzulegen sowie weiter "kumulativ bzw. alternativ" das Verfahren auszusetzen und dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die von ihm im einzelnen angeführten Rechtsfragen vorzulegen.

Der Kläger führt seine Auffassung bezüglich der Nichtigkeit weiter aus. Die Prüfungsanordnung sei nach § 125 Abs. 2 Nr. 4 AO nichtig. Sie verstoße gegen die guten Sitten, weil in Verfahren der Prüfung des Steuerabzugs nach § 50a EStG die im Gesetz selbst verankerten Zuständigkeitsregeln durch das BMF, das BZSt, die Landesfinanzministerien und die örtlichen Finanzbehörden systematisch und ohne Ausnahme "ausgehebelt" würden. Dadurch würden essenzielle Grundprinzipien und Wertvorstellungen des Grundgesetzes über den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung ausgeklammert.

Nach den Gesetzesmaterialien sei durch die Regelung in § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 FVG das Steuerabzugsverfahren gemäß § 50a Abs. 1 EStG beim BZSt zentralisiert worden, um die Gleichmäßigkeit der Besteuerung zu gewährleisten. Die Zentralisierung sei erforderlich, weil - bedingt durch die Rechtsprechung des EuGH - das Steuerabzugsverfahren an Komplexität zugenommen habe. Eine förmliche Mitwirkung des für andere Steuern zuständigen Veranlagungsfinanzamts sei gesetzlich nicht vorgesehen. Die Außenprüfung sei noch als Teil der Sachverhaltsermittlung im Steuerabzugsverfahren anzusehen. Es mangele deshalb an einer Rechtsgrundlage der örtlich zuständigen Finanzämter für Außenprüfungen im Zusammenhang mit dem Steuerabzug nach § 50 a EStG im Zuständigkeitsbereich des BZSt.

Prüfungskompetenzen könnten darüber hinaus auch nicht aus § 73d Abs. 2 EStDV hergeleitet werden. Diese Regelung sei im Fall des Klägers auch im Übrigen nicht anwendbar, weil die Ermächtigungsgrundlage des § 51 Abs. 1 Nr. 1e EStG nicht hinreichend bestimmt genug im Sinne des Art. 80 Abs. 1 GG sei. § 51 Abs. 1 Nr. 1e EStG sei nicht hinreichend bestimmt, damit nicht verfassungskonform und nichtig. Die Prüfungsanordnung unterliege dem Parlamentsvorbehalt. Die Verordnungsermächtigung verstoße gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 und Art. 19 Abs. 4 GG. Auch das Gemeinschaftsrecht garantiere über Art: 47 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh), aber auch als allgemeinen Rechtsgrundsatz einen effektiven Grundrechtsschutz. Dieser sei in Fällen wie dem vorliegenden nicht gewährleistet. Die Ermächtigungsgrundlage des § 51 Abs. 1 Nr. 1e EStG enthalte keine Rechtsetzungsbefugnisse an den Verordnungsgeber dahingehend, gesetzesändernd aktiv werden zu dürfen, sie sei eine reine Durchführungsverordnung.

Die Prüfungsanordnungen litten an einem besonders schwerwiegenden Fehler im Sinne des § 125 Abs. 1 AO. Die Nichtigkeit leite sich bereits aus der fehlenden Verbandskompetenz des Beklagten ab. Wegen der von den übergeordneten Behörden geduldeten systematischen, flächendeckenden Zuständigkeitsverstöße liege zudem ein Fall von Gesetzlosigkeit vor. Der Kläger führt im Einzelnen aus, dass und aus welchen Gründen nach seiner Auffassung das Grundgesetz verletzt werde.

Auch bezüglich des Prüfungszeitraums 2012 bis 2013 sei die Prüfungsanordnung nach § 125 Abs. 2 Nr. 4 AO wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nichtig. Es fehle an einer Ermächtigungsgrundlage für die Übertragung der Befugnisse für den Steuerabzug auf das BZSt erst ab 2014. Die Rechtsverordnung vom 24. Juni 2013 (Verordnung zur Übertragung der Zuständigkeit für das Steuerabzugs- und Veranlagungsverfahren nach den §§ 50 und 50a EStG auf das BZSt und zur Regelung verschiedene Anwendungszeitpunkte und weiterer Vorschriften vom 24. Juni 2013, BGBl 2013,1679) sei zu verwerfen mit der Folge, dass das BZSt auch die im Nichtigkeitsstreit befindliche Prüfungsanordnung für die Jahre 2012 und 2013 hätte erlassen müssen. Die Rechtsnorm des § 52 Abs. 58a Satz 2 EStG 2010 in Form des Begleitgesetzes zur zweiten Föderalismusreform vom 10. August 2009, die es der Bundesregierung unter Zustimmung des Bundesrates überlasse, ab wann dem BZSt die Kompetenzen für den Steuerabzug tatsächlich zustehen, sei verfassungswidrig. Es bestehe ein durchgängiges verfassungsrechtliches Delegationsverbot für das Inkrafttreten eines Gesetzes auf einen Verordnungsgeber.

Wegen der weiteren Ausführungen im Einzelnen wird auf die Klageschrift und den Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten vom 7. September 2021 Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

festzustellen, dass die Prüfungsanordnungen des Beklagten vom 15. September 2015 und 30. Mai 2016 zur Prüfung des Steuerabzugs nach § 50a EStG nichtig sind.

Mit Schriftsatz vom 7. September 2021 beantragt der Kläger darüber hinaus kumulativ bzw. alternativ,

das Verfahren auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht die folgenden Rechtsfragen vorzulegen:

"Ist die Ermächtigungsgrundlage des § 51 Abs. 1 Nr. 1e EStG, auf der § 73 d Abs. 2 EStDV beruht, nach Inhalt, Zweck und Ausmaß wegen Art. 80 Abs. 1 GG zu unbestimmt und daher als verfassungswidrig mit der Folge der Nichtigkeit anzusehen?

Erstreckt sich die (unterstellte) Nichtigkeit auch auf § 73d Abs. 2 EStDV?

Steht der Finanzgerichtsbarkeit eine eigene Verwerfungskompetenz bei einer durch den Gesetzgeber geschaffenen Verordnungsregelung zu, hier § 73d Abs. 2 EStDV, oder aber besteht nach Art. 100 Abs. 1 GG eine Vorlagepflicht an das BVerfG, weil es sich um ein nachkonstitutionelles förmliches Gesetz im Rahmen eines Artikelgesetzes handelt, das von der Legislative erlassen wurde?

Ist § 52 Abs. 58a Satz 2 EStG in Form des Begleitgesetzes zur zweiten Föderalismusreform vom 10.08.2009 (BGBl 2009 I, 2702), wonach es der Bundesregierung unter Zustimmung des Bundesrates überlassen bleibt zu bestimmen, ab wann dem BZSt die Kompetenzen für den Steuerabzug nach § 50a EStG zustehen, verfassungswidrig, weil mit der Rechtsprechung des BVerfG der Zeitpunkt der Anwendbarkeit einer gesetzlichen Regelung durch den parlamentarischen Gesetzgeber zu bestimmen ist, nicht aber durch einen Verordnungsgeber (Wesentlichkeitstheorie)?

Gilt für den Fall der Verfassungswidrigkeit der zitierten Fristenregelung wegen Übertragung rechtlicher Befugnisse im Kontext des § 50a EStG von Landesbehörden auf eine Bundesbehörde (Bundeszentralamt für Steuern) im Rahmen der verfassungswidrigen Fristenregelung über einen Verordnungsgeber Art. 82 Abs. 2 Satz 2 GG, wonach bei einer fehlenden parlamentarischen Regelung für den Laufs einer gesetzlichen Norm diese mit dem vierzehnten Tage nach Ablauf des Tages in Kraft tritt, an dem das Bundesgesetzblatt ausgegeben worden ist."

Kumulativ bzw. alternativ beantragt der Kläger weiter, das Verfahren auszusetzen und dem EuGH die folgende Rechtsfrage vorzulegen:

"Steht der gemeinschaftsrechtliche Effektivitätsgrundsatz nach Art. 47 GRCh oder der gemeinschaftsrechtlich gewährleistete gerichtliche Rechtsschutz bzw. die Dienstleitungsfreiheit (Art. 56 AEUV) einer Regelung wie § 73d Abs. 2 EStDV entgegen, wonach Außenprüfungen beim Vergütungsschuldner im Zusammenhang mit dem Steuerabzug nach § 50a EStG für bestimmte Gruppen von beschränkt Steuerpflichtigen durch die örtlich für die Lohnsteuer bzw. Ertragsteuer zuständigen Finanzbehörden durchgeführt werden können und Klagen dagegen bei den Finanzgerichten zu erheben sind, die für die zuletzt benannte Behörde zuständig sind, während die Steuererhebung selbst auf der Ebene einer anderen Behörde, nämlich dem Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) erfolgt und Klagen gegen dortige Steuerfestsetzungen allein beim Finanzgericht Köln einzulegen sind?"

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Feststellungsklage setze nach § 41 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) ein berechtigtes Interesse des Klägers an der baldigen Feststellung voraus. Die Feststellungsklage sei nach der Rechtsprechung des BFH jedoch nicht gegeben, wenn der Kläger sein Prozessziel auf anderem Wege schneller, einfacher und billiger erreichen könne. Das FA gibt insoweit die Ausführungen des BFH-Urteils vom 20. Februar 1990 (IX R 83/88, Bundessteuerblatt Teil II - BStBl. II -1990, 789) wieder. Der Kläger könne und müsse demnach die Nichtigkeit der Prüfungsanordnungen im Rahmen der Klageverfahren gegen den vom FA B erlassenen Haftungsbescheid sowie gegen den vom BZSt erlassenen Nachforderungsbescheid geltend machen. Die Feststellungsklage sei somit unzulässig.

Wegen des weiteren Sachverhaltes und Vorbringens wird auf den Inhalt der Steuerakten und der gewechselten Schriftsätze, auch der beigezogenen Akten des Klageverfahrens 14 K ... und das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage ist zulässig.

Nach § 41 FGO - Feststellungsklage - kann nach dessen Abs. 1 durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage). Die Feststellung kann gemäß § 41 Abs. 2 FGO nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

Die Nichtigkeit einer Prüfungsanordnung führt zu einem formellen Verwertungsverbot bezüglich der Prüfungsfeststellungen, die auf einer nichtigen Prüfungsanordnung beruhen (Intemann in Koenig, Kommentar zur AO, 4. Aufl. 2021, Rz 63 ff. zu § 196 AO mit Rechtsprechungsnachweisen). Der Kläger hat deshalb ein berechtigtes Interesse an der Feststellung daran, dass bzw. ob die Prüfungsanordnungen des beklagten FA nichtig sind oder nicht. Es ist festzustellen, ob die Prüfungsanordnungen, die zu den im Rahmen der Prüfung erfolgten Feststellungen und sodann zu dem Haftungsbescheid des FA B und dem Nacherhebungsbescheid des BZSt geführt haben, nichtig sind.

Diese Feststellung ist zur Überzeugung des Senats im vorliegenden Fall nicht nur - inzidenter - in den bereits anhängigen Klageverfahren des Klägers gegen den Haftungs- bzw. den Nacherhebungsbescheid zu klären, sondern - vorgreiflich - im vorliegenden Klageverfahren. Der BFH führt in seinem Urteil vom 9. November 1994 (XI R 33/93, BFH/NV 1995, 621) aus, solange die Prüfungsanordnung oder sonstige Ermittlungsmaßnahme nicht aufgehoben oder ihre Rechtswidrigkeit im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage festgestellt sei, sei der Steuerpflichtige gehindert, sich mit Erfolg auf ein Verwertungsverbot zu berufen. Das gelte auch, wenn die Prüfung abgeschlossen und die Feststellungen des Betriebsprüfers in Steuerbescheiden oder Feststellungsbescheiden ausgewertet seien. Das ist zur Überzeugung des Gerichts nicht nur dann der Fall, wenn aufgrund eines gegen die Prüfungsanordnung eingelegten Rechtsbehelfs deren Rechtmäßigkeit geprüft wird, sondern auch dann, wenn - wie im Streitfall - die Nichtigkeit der Prüfungsanordnung geltend gemacht wird. Das Gericht teilt die Auffassung des FG Nürnberg in dessen Urteil vom 14. Januar 2014 (1 K 215/13, juris-Entscheidungsdienst) und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen hierauf Bezug.

Zudem ist zur Überzeugung des Gerichts in Fällen wie dem vorliegenden, in denen die Prüfungsanordnung von einem anderen FA erlassen wurde als von den Finanzbehörden, welche die aufgrund der Prüfung erlassenen Bescheide - hier Haftungs- bzw. Nacherhebungsbescheid - erlassen haben, im Verfahren gegen dasjenige FA, welches die Prüfungsanordnung erlassen hat, zu prüfen, ob die Prüfungsanordnung nichtig ist, mithin nicht nur rein inzidenter im Verfahren gegen die aufgrund der Prüfung - von einer anderen Finanzbehörde - erlassenen Bescheide. Denn das FA, welches die Prüfungsanordnung erlassen hat, muss selbst darlegen, aus welchen Gründen nach seiner Auffassung die Prüfungsanordnung wirksam ist.

Die für sämtliche aufgrund der Prüfung erlassenen Bescheide relevante Frage, ob die Prüfungsanordnung nichtig ist oder nicht, ist gegenüber der rein indizidenter erfolgenden Prüfung auch deshalb effektiver und einfacher, weil bei einem etwaigen aus einer Nichtigkeitsfeststellung folgenden Verwertungsverbot im Hauptsacheverfahren gegen die aufgrund der Prüfung erlassenen Bescheide möglicherweise nicht mehr zu den einzelnen streitigen Feststellungen der Außenprüfung von den Beteiligten vorgetragen und diese nicht mehr oder ggf. mit einem anderen Ergebnis, vom Gericht beschieden werden müssen. Entsprechend hat der 14. Senat des Gerichts es für zweckmäßig gehalten, aufgrund des Antrages bzw. der Zustimmung der Beteiligten im dortigen Klageverfahren 14 K ... das Ruhen des Verfahrens bis zum rechtskräftigen Abschluss des vorliegenden Klageverfahrens anzuordnen.

II.

Die Klage ist teilweise begründet.

Die Prüfungsanordnung vom 30. September 2015, soweit sie den Prüfungszeitraum 2012 bis 2013 - Zuständigkeit des FA B - betrifft, ist nicht nichtig. Soweit Sie den Prüfungszeitraum 01.2014 bis 12.2014 - Zuständigkeit des BZSt - betrifft, ist sie nichtig, desgleichen die Prüfungsanordnung vom 30. September 2016 für den Prüfungszeitraum 01.2015 bis 12.2015 - Zuständigkeit des BZSt -.

1.

Ein Verwaltungsakt ist gemäß § 125 Abs. 1 AO nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist. Ein Verwaltungsakt ist gemäß § 125 Abs. 3 Nr. 1 AO nicht schon deshalb nichtig, weil Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit nicht eingehalten worden sind. Im Streitfall macht der Kläger einen Verstoß gegen die sachliche Zuständigkeit geltend.

Aus der Regelung in § 125 Abs. 3 Nr. 1 AO folgt jedoch nicht, dass (im Umkehrschluss) ein Verstoß gegen die sachliche Zuständigkeit stets zur Nichtigkeit des Verwaltungsakts führt. Nach § 130 Abs. 2 Nr. 1 AO darf ein begünstigender Verwaltungsakt u.a. zurückgenommen werden, wenn er von einer sachlich unzuständigen Behörde erlassen worden ist und nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 b AO darf ein Steuerbescheid aufgehoben oder geändert werden, soweit er von einer sachlich unzuständigen Behörde erlassen worden ist. Diese Regelungen wären überflüssig, wenn die sachliche Unzuständigkeit stets zur Nichtigkeit des Verwaltungsakts führen würde und zeigen, dass nach der Vorstellung des Gesetzgebers auch ein Verstoß gegen die sachliche Unzuständigkeit grundsätzlich nicht zur Nichtigkeit des Verwaltungsakts führt (vgl. auch Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. September 1982, 8 C 138/81, BVerwGE 66, 178; BFH-Urteil vom 23. April 1986, I R 178/82, BStBl. II. 1986, 880; BFH-Beschluss vom 30. November 1987, VIII B 3/87, BStBl. II. 1988, 183).

Etwas Anderes kann sich bei einem Verstoß gegen die funktionelle bzw. verbandsmäßige Zuständigkeit ergeben (vgl. Seer in Tipke/Kruse, § 125 AO, Rn. 20, 21); diese ist ein Unterfall der sachlichen Zuständigkeit. Sie betrifft die Zugehörigkeit der Behörde zu dem jeweils steuerberechtigten Verband (Bund, Land, Gemeinde), denn Bund, Länder und Gemeinden haben nur eine auf das eigene Gebiet begrenzte Verwaltungshoheit (Schmieszek in Gosch, § 16 AO, Rn. 5). Der Verwaltungsakt ist nach der Kommentierung bei einem Verstoß gegen die funktionelle Zuständigkeit dann nichtig, wenn die sachlich zuständige Behörde eine besonders hohe Gewähr für die Richtigkeit der Entscheidung bieten soll, und die Behörde, die die Entscheidung tatsächlich getroffen hat, nicht über eine gleichartige Sachkunde verfügt (Seer in Tipke/Kruse, § 125 AO, Rn. 20).

2.

Im Streitfall liegt - soweit die Prüfungsanordnung des beklagten FA vom 15. September 2015 den Prüfungszeitraum 01.2012 bis 12.2013 betrifft - ein Verstoß gegen die funktionelle Zuständigkeit, nicht jedoch auch gegen die verbandsmäßige Zuständigkeit vor.

Soweit die Prüfungsanordnung des beklagten FA vom 15. September 2015 den Prüfungszeitraum 01.2014 bis 12.2014 betrifft und hinsichtlich der Prüfungsanordnung des FA vom 30. Mai 2016 für den Prüfungszeitraum 012.2015 bis 12.2015 liegt nicht nur ein Verstoß gegen die funktionelle Zuständigkeit, sondern zusätzlich auch gegen die verbandsmäßige Zuständigkeit vor.

Die sachliche Zuständigkeit der Finanzbehörden richtet sich, soweit nichts anderes bestimmt ist, gemäß § 16 AO nach dem Gesetz über die Finanzverwaltung (FVG). Nach § 2 Abs. 1 FVG sind örtliche Behörden die Finanzämter. Im IV. Abschnitt des FVG - Örtliche Behörden - bestimmt § 17 Abs. 2 Satz 3 FVG in der vom 1. Juli 2009 bis 5. November 2015 geltenden Fassung, dass die zuständige Landesregierung durch Rechtsverordnung die Zuständigkeit eines Finanzamts oder einer besonderen Landesfinanzbehörde auf einzelne Aufgaben beschränken sowie einem Finanzamt oder einer besonderen Landesfinanzbehörde Zuständigkeiten für die Bezirke mehrerer Finanzämter übertragen kann, soweit es sich um Aufgaben der Finanzverwaltung handelt und der Vollzug der Aufgaben verbessert oder erleichtert wird. § 17 Abs. 2 Satz 3 FVG in der für den Zeitraum vom 6. November 2015 bis 17. August 2017 geltenden Fassung und in der ab dem 18. August 2017 geltenden Fassung enthalten eine entsprechende Regelung. Nach § 2 Abs. 1 der Verordnung über Zuständigkeiten der Finanzbehörden (ZuStVO-Finb) vom 14. Dezember 2005 in der für die Streitjahre 2012 und 2013 geltenden Fassung sind Finanzämter für die Bezirke anderer Finanzämter nach Maßgabe der Anlage 1 zuständig. Nach der Anlage 1 zu dieser Verordnung in der Fassung vom 14. Dezember 2005 (gültig bis 31. Dezember 2012) und in der Fassung vom 13. Dezember 2012 (gültig vom 1. Januar 2013 bis 31. Dezember 2014) war sachlich zuständig für den Bezirk des anderen örtlich zuständigen beklagten FA das FA B für den Steuerabzug von beschränkt steuerpflichtigen Einkünften mit Ausnahme des Steuerabzugs von Aufsichtsratsvergütungen. Nach der Anlage 1 in der Fassung vom 6. Dezember 2014 (gültig vom 1. Januar 2015 bis 31. Dezember 2015) und ebenso gemäß den nachfolgenden Fassungen ist sachlich zuständig für den Bezirk des anderen örtlich zuständigen beklagten FA das FA B für den Steuerabzug von beschränkt steuerpflichtigen Einkünften mit Ausnahme des Steuerabzugs von Aufsichtsratsvergütungen, soweit nicht nach § 1 Nr. 1 der Verordnung zur Übertragung der Zuständigkeit für das Steuerabzugs- und Veranlagungsverfahren auf das BZSt und zur Regelung verschiedener Anwendungszeitpunkte vom 24. Juni 2013 (BGBl. I S. 1679) das BZSt zuständig ist.

Zuständig für die Durchführung der Veranlagung nach § 50 Absatz 2 Satz 2 Nummer 5 EStG und § 32 Absatz 2 Nummer 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) sowie die Durchführung des Steuerabzugsverfahrens nach § 50a Absatz 1 EStG, einschließlich des Erlasses von Haftungs- und Nachforderungsbescheiden und deren Vollstreckung ab dem durch eine Rechtsverordnung der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmenden Zeitpunkt, der nicht vor dem 31. Dezember 2011 liegt, ist gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 FVG das BZSt.

Nach § 2 Abs. 2 der Verordnung vom 24. Juni 2013 zur Übertragung der Zuständigkeit für das Steuerabzugs- und Veranlagungsverfahren auf das Bundeszentralamt für Steuern und zur Regelung verschiedener Anwendungszeitpunkte (BGBl. I 2013, 1679 -StAbzVeranlZÜV-) ist § 50a Absatz 3 und 5 EStG erstmals auf Vergütungen anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2013 zufließen.

Hieraus folgt, dass für den Prüfungszeitraum 01.2012 bis einschließlich 12.2013 das FA B für den Steuerabzug sachlich zuständig war und für den Prüfungszeitraum ab 01.2014 das BZSt sachlich zuständig ist.

Die Regelung des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 FVG ist eine Modifikation der Zuständigkeitsverteilung zwischen der Bundes- und Landesfinanzverwaltung. Grundsätzlich werden nach Art. 108 Abs. 1 S. 1 GG Zölle, Finanzmonopole, die bundesgesetzlich geregelten Verbrauchsteuern einschließlich der Einfuhrumsatzsteuer, die Kraftfahrzeugsteuer und sonstige auf motorisierte Verkehrsmittel bezogene Verkehrssteuern ab dem 1. Juli 2009 sowie die Abgaben im Rahmen der Europäischen Gemeinschaften durch Bundesfinanzbehörden verwaltet. Nach dem Auffangtatbestand des Art. 108 Abs. 2 S. 1 GG werden die übrigen Steuern - und somit auch die Einkommensteuer - durch Landesfinanzbehörden verwaltet. Nach Art. 108 Abs. 4 S. 1 GG kann durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bei der Verwaltung von Steuern ein Zusammenwirken von Bundes- und Landesfinanzbehörden sowie für Steuern, die unter Absatz 1 fallen, die Verwaltung durch Landesfinanzbehörden und für andere Steuern die Verwaltung durch Bundesfinanzbehörden vorgesehen werden, wenn und soweit dadurch der Vollzug der Steuergesetze erheblich verbessert oder erleichtert wird.

§ 5 Abs. 1 Nr. 12 FVG wurde mit dem Begleitgesetz zur zweiten Föderalismusreform vom 10. August 2009, BGBl. I 2009, 2701 eingeführt. Die Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 16/12400) führt hierzu aus:

"Nach der Verfassungssystematik sind grundsätzlich die Länder für die Verwaltung der Steuern zuständig, sofern das Grundgesetz - wie z. B. hinsichtlich der besonderen Verbrauchsteuern - nicht ausdrücklich Abweichendes regelt, Art. 108 GG. Danach werden u. a. die bedeutsamen und aufkommensträchtigen Gemeinschaftsteuern (Umsatz-, Einkommen- und Körperschaftsteuer) durch Landesfinanzbehörden - im Auftrag des Bundes - verwaltet. Nicht zuletzt im gemeinsamen finanziellen Interesse des Bundes und der Länder ist eine effektive und effiziente Steuerverwaltung unerlässlich. Auch wenn viele Verfahrensabläufe sich bereits jetzt reibungslos gestalten, gibt es noch nennenswertes Verbesserungspotenzial. Bund und Länder sind im Rahmen der Föderalismusreformkommission II übereingekommen, diese vorhandenen Potenziale zur Steigerung der Effizienz des Steuervollzugs und auch mit dem Ziel einer gleichmäßigen Steuererhebung im gesamten Bundesgebiet konsequent zu heben.

Dies bedarf nicht zwangsläufig einer grundlegenden Strukturreform der Steuerverwaltung. Vielmehr kann auch eine nur punktuelle Neujustierung der Aufgaben- und Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Ländern im Bereich der steuerlichen Auftragsverwaltung zu einer spürbaren Erhöhung der Schlagkraft der Steuerverwaltung führen.

Dementsprechend enthält das Gesetz zur Steigerung der Effizienz der Steuerverwaltung u. a. folgende Maßnahmen auf einfachgesetzlicher Ebene:

- Den Ausbau der Mitwirkungsrechte der Bundesbetriebsprüfung u. a. durch Einräumung eines Benennungsrechts des Bundeszentralamts für Steuern in Bezug auf Steuerpflichtige, die der Außenprüfung unterliegen;

- die Bereitstellung anonymisierter Daten des automatisierten Besteuerungsverfahrens durch die Länder vor allem für Zwecke der Gesetzesfolgenabschätzung des Bundes;

- die Präzisierung der rechtlichen Rahmenbedingungen für ein Verwaltungs-Controlling der Steuerverwaltung auf Bundesebene sowie

- die Zentralisierung des Steuerabzugsverfahrens für beschränkt Steuerpflichtige beim Bundeszentralamt für Steuern."

Erst mit Wirkung für die nach dem 31. Dezember 2013 zufließenden Vergütungen ist die Zuständigkeit für den Steuerabzug wegen dessen besonderer Sachkunde auf das BZSt übertragen worden. Die Einwendungen des Klägers bzw. dessen Auffassung, dass eigentlich schon ab 2012 das BZSt sachlich zuständig sei, teilt das Gericht nicht. Das Gericht hat keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit dieser gesetzlichen Zuständigkeitsregelungen auch soweit der zeitliche Anwendungsbereich durch § 2 Abs. 2 der Verordnung vom 24. Juni 2013 zur Übertragung der Zuständigkeit für das Steuerabzugs- und Veranlagungsverfahren auf das Bundeszentralamt für Steuern und zur Regelung verschiedener Anwendungszeitpunkte (BGBl. I 2013, 1679 -StAbzVeranlZÜV-) bestimmt worden ist. Der Gesetzgeber durfte zur Überzeugung des Gerichts in § 5 Abs. 1 Nr. 12 FVG insbesondere eine Ermächtigung für den durch eine Rechtsverordnung der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmenden Zeitpunkt schaffen. Die Einwendungen des Klägers hiergegen teilt das Gericht nicht.

3.

Das beklagte FA war für die Durchführung der Außenprüfung zur Prüfung des Steuerabzugs nach § 50a EStG sachlich nicht zuständig.

Die Auffassung des Beklagten, wonach die sachliche Zuständigkeit für Außenprüfungen bei den Ländern verblieben sei und die Überprüfung des Steuerabzugs nach § 50a Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 EStG grundsätzlich der Lohnsteueraußenprüfung obliege, lässt sich dem Gesetzeswortlaut und der Gesetzesbegründung nicht entnehmen.

Gemäß § 195 S. 1 AO werden Außenprüfungen von den für die Besteuerung zuständigen Finanzbehörden durchgeführt. Sie können andere Finanzbehörden mit der Außenprüfung beauftragen.

Nach der Rechtsprechung des BFH, der sich der Senat anschließt, ist die Außenprüfung als Ermittlungsmaßnahme ein Vorgang des Besteuerungsverfahrens, da sie in dem mit "Durchführung der Besteuerung" überschriebenen Vierten Teil der AO geregelt ist (BFH-Urteile vom 21. April 1993, X R 112/91, BStBl. II 1993, 649 und vom 25. Januar 1989, X R 158/87, BStBl. II 1989, 483).

Nach Anlage 1 der ZuStVO-FinB in der für den Prüfungszeitraum 01.2012 bis 12.2013 geltenden Fassung war das FA B für den Steuerabzug des im Bereich des örtlich zuständigen FA B ansässigen Klägers (uneingeschränkt) sachlich zuständig. Entsprechend hat der Kläger dort die Anmeldungen zum Steuerabzug eingereicht und nachfolgend das FA B den vom Kläger angefochtenen Haftungsbescheid erlassen. Anlage 1 der ZuStVO-FinB sieht keine Beschränkung der sachlichen Zuständigkeit des FA B vor. Entsprechend war gemäß § 195 Satz 1 AO die Außenprüfung von dem für die Besteuerung zuständigen FA B durchzuführen. Eine Beauftragung des beklagten FA B mit der Außenprüfung durch das für die Besteuerung zuständige FA B ist nicht erfolgt. Das beklagte FA- ebenso wie das FA B eine Landesfinanzbehörde (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 FVG) war mithin für die Außenprüfung funktionell nicht zuständig.

Dem BZSt wurde hingegen nach dem Wortlaut des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 FVG aus dem Bereich der Einkommensteuer lediglich die "Durchführung der Veranlagung" nach § 50 Absatz 2 Satz 2 Nummer 5 EStG und § 32 Absatz 2 Nummer 2 KStG sowie die "Durchführung des Steuerabzugsverfahrens" nach § 50a Absatz 1 EStG, einschließlich des Erlasses von Haftungs- und Nachforderungsbescheiden und deren Vollstreckung, zur alleinigen Zuständigkeit übertragen.

Dies ist -zumindest dem Wortlaut nach- nicht mit der in § 195 S. 1 AO verwendeten Begrifflichkeit der "Besteuerung" deckungsgleich.

Nach der Auffassung des Senats lässt sich hieraus jedoch nicht ableiten, wie es im Ergebnis der Beklagte vertritt, dass das BZSt lediglich für die Auswertung der Prüfungsfeststellungen und die Festsetzung sowie Erhebung der Abzugsteuer zuständig sei.

Vielmehr ist nach der Überzeugung des Senats hiermit die "Besteuerung" im Sinne des § 195 S. 1 AO zu verstehen, die Begrifflichkeiten sind somit inhaltsgleich.

Dies ergibt sich bereits aus der Gesetzesbegründung, wonach mit der Neureglung eine effektive und effiziente Steuerverwaltung geschaffen werden sollte. Zur Steigerung der Effizienz des Steuervollzugs und der gleichmäßigen Steuererhebung im gesamten Bundesgebiet sollte es durch eine nur punktuelle Neujustierung der Aufgaben- und Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Ländern zu einer spürbaren Erhöhung der Schlagkraft der Steuerverwaltung kommen. Eine Maßnahme zur Steigerung der Effizienz der Steuerverwaltung war hierbei die Zentralisierung des Steuerabzugsverfahrens für beschränkt Steuerpflichtige beim Bundeszentralamt für Steuern. Wäre das BZSt lediglich für die Auswertung der Prüfungsfeststellungen und die Festsetzung sowie Erhebung der Abzugsteuer zuständig, würde dies dem Ziel der Effizienzsteigerung widersprechen.

Eine andere Auslegung würde auch auf verfassungsrechtliche Bedenken stoßen, da die Modifikation der in den Art. 108 Abs. 1 bis 3 GG normierten Zuständigkeitsverteilung auf der Grundlage von Art. 108 Abs. 4 GG nur dann zulässig ist, wenn hierdurch eine erhebliche Verbesserung des Vollzugs der Steuergesetze erreicht werden kann. Hiervon umfasst ist gerade nicht jede Verbesserung oder Erleichterung, sondern nur die erhebliche Verbesserung (Maunz/Dürig/Schwarz, GG, Art. 108 Rn. 20). Eine erhebliche Verbesserung des Steuervollzugs ist hingegen nicht zu erwarten, wenn das BZSt nur für die Auswertung der Prüfungsfeststellungen und die Festsetzung sowie Erhebung der Abzugsteuer zuständig wäre.

Sowohl nach den verfassungsrechtlichen Anforderungen als auch nach der Gesetzesbegründung muss daher eine möglichst umfassende Zuständigkeitsübertragung auf das BZSt erfolgt sein, da gerade die Zentralisierung des Steuerabzugsverfahrens gewollt und geboten war. Eine Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen Bundes- und Landesverwaltung würde diesem Zweck zuwiderlaufen.

Weiterhin versteht der Senat die sprachliche Differenzierung zwischen der "Durchführung der Veranlagung" bzw. der "Durchführung des Steuerabzugsverfahrens" und der "Besteuerung" auch nicht dahingehend, dass der Gesetzgeber hiermit eine Beschränkung der Zuständigkeit zum Ausdruck bringen wollte. Vielmehr wollte er offenbar der Besonderheit Rechnung tragen, dass es sich gerade nicht um das normale Besteuerungsverfahren handelt, sondern um den Sonderfall der Besteuerung beschränkt Steuerpflichtiger im Wege des Steuerabzugsverfahrens. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber auch ausdrücklich den Erlass von Haftungs- und Nachforderungsbescheiden und deren Vollstreckung an das BZSt mit übertragen. Der Gesetzgeber hat hierdurch somit das gesamte Verfahren inclusive der Vollstreckung auf das BZSt übertragen und gerade keine Teilbereiche bei den Landesfinanzverwaltungen belassen, da mit der Durchführung des Steuerabzugsverfahrens, dem Erlass von Haftungs- und Nachforderungsbescheiden und der Vollstreckung das gesamte Besteuerungsverfahren im Wege des Steuerabzugs abgedeckt ist.

Hinzu kommt, dass es sich bei dem Erlass des Haftungsbescheides um eine Ermessensentscheidung gemäß § 5 AO in mehrfacher Hinsicht handelt. Das BZSt hat zunächst das Auswahlermessen auszuüben, weshalb eine Haftung des Vergütungsschuldners und keine Nachforderung beim Steuerschuldner bzw. Vergütungsgläubiger in Betracht kommt. Ferner sind die persönlichen und sachlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme im Rahmen des Entschließungsermessens festzulegen (Schmidt/Loschelder, EStG § 50a Rn. 37). Auch für die zu treffenden Ermessensentscheidung ist es notwendig, dass gerade eine - einzige - Behörde zuständig ist. Dies gilt insbesondere für den Bereich der Betriebsprüfung, da dort die Erkenntnisse gewonnen werden, die später bei der Ermessensentscheidung beim Erlass eines etwaigen Haftungsbescheides mit einzubeziehen sind.

Eine Beauftragung des beklagten FA B mit der Außenprüfung durch das für die Besteuerung der nach dem 31. Dezember 2013 zufließenden Vergütungen zuständige BZSt ist nicht erfolgt. Das BZSt ist eine Bundesfinanzbehörde (§ 1 Nr. 2 FVG). Das beklagte FA - Landesfinanzbehörde gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4 FVG - war mithin für die Außenprüfung nicht nur funktionell, sondern auch verbandsmäßig nicht zuständig.

Die sachliche Zuständigkeit ergibt sich auch nicht aus § 193 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 AO i.V.m. § 194 Abs. 1 S. 4 AO. Danach können die steuerlichen Verhältnisse anderer Personen insoweit geprüft werden, als der Steuerpflichtige verpflichtet war oder verpflichtet ist, für Rechnung dieser Personen Steuern zu entrichten oder Steuern einzubehalten und abzuführen. Allerdings bezieht sich dies auf den sachlichen Umfang der Prüfung und nicht die Zuständigkeit. Voraussetzung für die Prüfung in sachlicher Hinsicht ist zunächst die Zuständigkeit für die Prüfung.

Eine Zuständigkeit des Beklagten ergibt sich auch nicht aus § 19 FVG. Danach ist das BZSt zur Mitwirkung an Außenprüfungen berechtigt, die durch Landesfinanzbehörden durchgeführt werden. Vorliegend ist das BZSt jedoch bereits originär für die Prüfung zuständig, so dass es auf die Beteiligungsrechte des BZSt an Prüfungen der Landesfinanzbehörden nicht ankommt.

Eine sachliche Zuständigkeit des Beklagten ergibt sich ferner nicht aus § 73d Abs. 2 EStDV. Danach ist bei der Veranlagung des Schuldners zur Einkommensteuer (Körperschaftsteuer) und bei Außenprüfungen, die bei dem Schuldner vorgenommen werden, auch zu prüfen, ob die Steuern ordnungsmäßig einbehalten und abgeführt worden sind. Zwar spricht für die Auffassung des Beklagten der Wortlaut der Norm, allerdings wurde § 73d Abs. 2 EStDV bereits durch das Jahressteuergesetz 2009 (JStG 2009, BGBl. I 2008, 2794) mit Wirkung zum 18. August 2009 eingeführt. Zu diesem Zeitpunkt lag die sachliche Zuständigkeit für die Durchführung des Steuerabzugsverfahrens gem. § 50a EStG ohnehin noch bei den Landesfinanzverwaltungen. Der Senat sieht hierin kein gesetzgeberisches Schweigen, sondern eine fehlende Anpassung an die aktuelle Gesetzeslage.

Die sachliche Zuständigkeit für Prüfungen des Steuerabzugs nach § 50a EStG ergibt sich schließlich auch nicht als allgemeine Annexkompetenz zur Lohnsteuer-Außenprüfung.

Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg hat mit Urteil vom 2. April 2014 (7 K 7058/13, EFG 2014, 1077) entschieden: lasse sich die Berechtigung des FA gegenüber einem Unternehmen bezogen auf dessen Betriebsstätte eine Lohnsteuer-Außenprüfung anzuordnen allenfalls aus § 42f Abs. 1 EStG ableiten, beschränke sich die Prüfung von Gesetzes wegen auf die Einbehaltung oder Übernahme sowie auf die Abführung der Lohnsteuer und lasse sich -wenn überhaupt - nur auf sog. Annexsteuern im Sinne einer Mitprüfung von Fragen etwa des Solidaritätszuschlags, der Lohnkirchensteuer und der Arbeitnehmer-Sparzulage erweitern. Eine generelle Erstreckung des Umfangs der Prüfungsanordnung auf mit anderen Steuerarten verbundene Vorgänge, d.h. eine Ausweitung des Prüfungsgegenstandes der angeordneten Außenprüfung auf die Ermittlung aller durch die Lohnsteuer nur irgendwie berührten steuerlichen Verhältnisse "kraft Sachzusammenhangs" sei unzulässig. Im Rahmen einer Lohnsteuer-Außenprüfung ließen sich durchaus auch solche tatsächlichen Feststellungen treffen, die für andere Steuerarten z.B. für die Umsatzsteuer von Belang seien. Würden gelegentlich einer Lohnsteuer-Außenprüfung Feststellungen getroffen, die sich nahe liegender Weise z.B. auch auf die Umsatzsteuerverpflichtungen des betroffenen Steuerpflichtigen auszuwirken hätten, sei das die Lohnsteuer-Außenprüfung durchführende Betriebsstätten-FA i.S. der § 42f, § 41 Abs. 2 EStG berechtigt, seine dahin gehenden Feststellungen der für die Umsatzsteuerbesteuerung des Steuerpflichtigen zuständigen Finanzbehörde im Rahmen einer Kontrollmitteilung zur Kenntnis zu übermitteln.

Der Senat schließt sich dieser Rechtsauffassung an. Eine Prüfungskompetenz aus der Lohnsteueraußenprüfung für andere Abzugssteuern -hier § 50a EStG- besteht nicht.

4.

Die sachliche Unzuständigkeit des beklagten FA für die Außenprüfung führt vorliegend zur Nichtigkeit der Prüfungsanordnung vom 15. September 2015, soweit sie den Prüfungszeitraum 01.2014 bis 12.2014 betrifft und zur Nichtigkeit der Prüfungsanordnung vom 30. Mai 2016 für den Prüfungszeitraum 01.2015 bis 12.2015. Insoweit liegt nicht nur ein Verstoß gegen die funktionelle Zuständigkeit vor, sondern zusätzlich auch ein Verstoß gegen die verbandsmäßige Zuständigkeit. Dies stellt zur Überzeugung des Senats einen derart schweren Fehler dar, dass die Prüfungsanordnungen insoweit nicht nur rechtswidrig, sondern auch nichtig sind. Hingegen führt der Verstoß nur gegen die funktionelle Zuständigkeit nicht zur Nichtigkeit, sondern nur zur Rechtswidrigkeit der Prüfungsanordnung, soweit sie den Prüfungszeitraum 01.2012 bis 12.2013 betrifft. Zwar ist aufgrund der Regelung in § 5 Abs. 1 Nr. 12 FVG in Verbindung mit der Verordnung zur zeitlichen Anwendung dieser Regelung für nach dem 31. Dezember 2013 zufließende Vergütungen nicht nur dem BZSt im Interesse der materiell richtigen und gleichmäßigen Besteuerung, sondern zuvor auch dem FA B nach Anlage 1 der ZuStVO-FinB die sachliche Zuständigkeit für den Steuerabzug - zentralisiert, um eine bessere Sachkunde und Gleichmäßigkeit der Besteuerung zu bewirken - übertragen worden. Jedoch führt nur der Verstoß auch gegen die verbandsmäßige Zuständigkeit zur Nichtigkeit. Denn dem Landesgesetzgeber stand es frei, innerhalb der Landesfinanzbehörde die Zuständigkeit abweichend von der sonstigen Zuständigkeit des örtlichen FA zu bestimmen. Das heißt, der Landesgesetzgeber hätte auf seiner Ebene - der Landesfinanzbehörden - auch wieder eine andere Regelung treffen können. Der Verstoß nur gegen die funktionelle Zuständigkeit auf der Ebene der Landesfinanzbehörden stellt deshalb zur Überzeugung des Senats keinen derartig schwerwiegenden Fehler dar, dass auch insoweit die Prüfungsanordnung nichtig ist. Dass kein besonders schwerwiegender und offenkundiger unerträglicher Mangel vorliegt, zeigt sich auch darin, dass der bei Bekanntgabe der Prüfungsanordnungen steuerlich beratene Kläger selbst keinen Rechtsbehelf gegen diese eingelegt hat.

Die Nichtigkeit der Prüfungsanordnung vom 15. September 2015, soweit sie den Prüfungszeitraum 01.2014 bis 12.2014 betrifft, führt nicht dazu, dass die Prüfungsanordnung auch in Bezug auf den vorangehenden Prüfungszeitraum 01.2012 bis 12.2013 nichtig ist. Betrifft die Nichtigkeit nur einen Teil des Verwaltungsakts, so ist er gemäß § 125 Abs. 4 AO im Ganzen nichtig, wenn der nichtige Teil so wesentlich ist, dass die Finanzbehörde den Verwaltungsakt ohne den nichtigen Teil nicht erlassen hätte. Die Prüfungsanordnung vom 15. September 2015 betrifft zeitlich eindeutig abgrenzbare Prüfungszeiträume, für die unterschiedliche sachliche Zuständigkeiten bestehen. Der Vertreter des Beklagten hat in der mündlichen Verhandlung zur Überzeugung des Gerichts zutreffend dargelegt, dass das FA bei einer Zuständigkeit des BZSt für die Durchführung der Außenprüfung für den Prüfungszeitraum ab Januar 2014 trotzdem den Zeitraum davor geprüft hätte. Ein Verstoß gegen die Verbandszuständigkeit liege - die Auffassung des Klägers als zutreffend unterstellt - ohnehin erst ab 2014 vor. Nur insoweit könnte, folge man der Rechtsauffassung des Klägers, ein schwerwiegender Fehler, der zur Nichtigkeit führen könnte, angenommen werden. Zudem hält das FA weiterhin an seiner Rechtsauffassung fest, dass es insgesamt für die Durchführung der Außenprüfung zuständig war. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Beklagte - eine Feststellung der Nichtigkeit der Prüfungsanordnung/en bezogen auf den Prüfungszeitraum für nach dem 31. Dezember 2013 zufließende Vergütungen - seine Rechtsauffassung bezüglich seiner Zuständigkeit für die Durchführung der Außenprüfung für die zuvor zugeflossenen Vergütungen geändert hätte.

Daher kann nicht davon ausgegangen werden, das FA hätte für den vorangegangenen Prüfungszeitraum keine Prüfungsanordnung erlassen. Die Prüfungsanordnung des FA vom 15. September 2015 ist deshalb nicht gemäß § 125 Abs. 4 AO im Ganzen nichtig.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).

Das Gericht lässt die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zu (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).